PRO/SPEKT EINER BUCH/REIHE UND ENTWURF ZU EINEM KRITISCHEN INSTITUTE Inhaltsverzeichnis des Heftes: Violetta Gautier: Pro/spekt einer Buch/Reihe Bertolt Brecht: Die Diderot-Gesellschaft August Wilhelm Schlegel: Entwurf zu einem kritischen Institute Goethe/Schiller: Über den sogenannten Dilettantismus (Auszüge) Anmerkungen
Resource - das scheint mir nicht das schlechteste Wort zu sein, auf das man eine Reihe gründen kann, liegen doch Ziele, Absichten und Möglichkeiten unmittelbar nebeneinander. Sie [re/SOURCE] könnte als (Hilfs)-Quelle dienen für diejenigen, die sich orientieren möchten an dem, was da ist, aber nicht sichtbar werden kann aus Gründen, die zu erörtern wären. Sie könnte Reichtümer vorstellen, die bisher noch nicht entdeckt wurden aus Gründen, die ebenfalls zu erörtern wären. Sie könnte eine Zuflucht sein für die, die genug haben von der täglichen Fütterung durch das, was viele Medien nennen. Dazu gehört mittlerweile (leider) auch das Buch, die Schrift. Sie könnte ein Forum sein für Talente, nicht für Dilettanten (vgl. Goethe & Schiller). Sie könnte auch, durch absichtsloses Blättern und Lesen der Entspannung und Unterhaltung dienen (Daß dies ein fast utopisches Ziel ist, weiß ich selber.). Hoffen wir, daß sie findig, wendig, erfinderisch und einfallsreich sein wird. Daß dieses sehr weitgesteckte Ziel nicht erreicht werden kann durch isoliertes Einzelgängertum, ist klar. Ob es möglich sein wird, aus der Vereinzelung, die die Idee eines Einzelnen immer mit sich bringt, herauszukommen, wird sich zeigen durch das, was die, die sich beteiligen durch Lesen und Mit-Schreiben, produzieren. Es hat in den Dunkelheiten der Literaturgeschichte bereits einmal ein Projekt gegeben, das Resourcen vorstellen wollte. Die Rede ist von der Arbeit des Lyrikers und Verlegers Rainer Maria Gerhardt (1927-1954) zu Beginn der 50er Jahre. Von einem Nullpunkt ausgehend versuchte er, hervorragende Ergebnisse der Literatur seiner Zeit dem Publikum vorzustellen, ohne das Fundament zu vergessen, auf dem diese Ergebnisse aufbauten. In sechs Taschenbüchern und in zwei Ausgaben seiner Zeitschrift fragmente. internationale revue für moderne dichtung stellte er 1952-54 Texte von Charles Olson, Ezra Pound, Robert Creeley, Antonin Artaud, Henri Michaux u.a. vor. Sein Projekt ging über den eingegrenzten Bereich der offiziellen Literatur hinaus und umfaßte sowohl die Gesänge der Primitiven wie das Werk Charlie Chaplins. Der Jazz war ebenso Thema wie Negerplastiken und moderne Malerei. Von seiner Zeitschrift sollte eine amerikanische Ausgabe erscheinen, die er mit der Hilfe Robert Creeleys und Charles Olsons vorbereitete. Sie sollte Resource heißen. Eine der weiteren Produktionen der Edition Re/Source wird dem Werk Rainer Maria Gerhardts gewidmet sein. Auch die "neue" re/SOURCE will ein möglichst breites Spektrum eröffnen; sie ist keine Literatur-Reihe, sondern ein Forum aller Lebensbereiche: Bild - Film - Musik - Schrift - etc.; aber auch: Architektur - Wissenschaft(en) - Essen & Trinken - etc. - und meinetwegen auch Sport. Die Vergangenheit soll gegenwärtig sein, und die Gegenwart die Zukunft beschreiben. Die Gattung wird dem Thema entsprechen. A., B. und C. (schwören es zusammen): Müde vom Durchwandern öder Letternwüsten, voll leerer Hirngeburten, in anmaaßendsten Wortnebeln; überdrüssig ästhetischer Süßler wie grammatischer Wässerer; entschloß ich mich: Alles, was je schrieb, in Liebe und Haß, als immerfort mitlebend zu behandeln! - - -20.9.1958 / Darmstadt i.d. BarbareiBeispiel: Es wird eine Auswahl aus Thümmels Roman "Reise in die mittäglichen Provinzen von Frankreich" vorbereitet, ebenso ein Buch zu Kampf Gegen die Vorherrschaft der Terrorbilder. Dieser Prospekt stellt drei mehr oder weniger bekannte Texte vor, von denen starke Impuls ausgingen für re/SOURCE. Derer, die schreiben, sind viele; derer, die veröffentlichen, ebenso. Wenn aber ein Produktions- und Vertriebsmittel (vgl. Anmerkungen: H. Linder) nur vier- bis fünfmal im Jahr erscheinen kann und soll, so ist darauf zu achten, daß Produkte von Professionalisten und nicht von Dilettanten (vgl. Goethe & Schiller) vertrieben werden. Der Trieb allein ist nicht hinreichend, er führt zur Pfuscherei, zur oberflächlichen und ungenügenden Produktion. Die Regeln des Geschäfts sind erlernbar. Das Negativbild bei Goethe & Schiller sollte ein Test-Spiegel sein für alle Kunstproduzenten in allen Sparten (auch den sekundären)! Ins Positive gewendet findet sich bereits bei Schlegel eine Beschreibung des re/SOURCE-Mitarbeiters. Obgleich von der Hoffnung ausgegangen wird, daß dieser Text, der ebenfalls in unsere Verfassung eingeschrieben sein soll, die ihm gebührenden Leser findet, sei ein hier wichtiger Abschnitt zitiert. (NachDruck durch Wiederholung!) Es wird vorausgesetzt, daß die Mitarbeiter alle selbständige Denker und von gleichem Eifer für die Fortschritte der Wissenschaft und Kunst beseelt sind und daß sie sich gegenseitig, als in der gleichen Region des menschlichen Geistes wirkend, anerkennen. Solche Männer können sich nur nach dem Grundsatze der Gleichheit zu einer gemeinschaftlichen Wirksamkeit verstehn. Der Redakteur wird also nur ihr gemeinschaftlicher Geschäftsträger und das Organ ihrer Mitteilung sein. Die Mitarbeiter werden das Ganze des Plans übersehen, sie werden daher auch bei Verteilung der Arbeiten nicht auf Vorschläge des Redakteurs warten, sondern bei Erscheinung jedes Meßkatalogs eine Angabe von demjenigen machen, was in den Fächern, worin sie arbeiten, ihrer Meinung nach beurteilt werden müßte und was sie davon selbst übernehmen wollen.Im letzten Abschnitt seiner Notizen über eine Gesellschaft für induktives Theater stellt Bertolt Brecht unsere Ideologie vor. Dieses Heft soll eine Art Verfassung sein, Grundlage für spätere Arbeit und ArbeitsErgebnisse (= Produktionen). Diese Ergebnisse werden in eine REIHE vorgestellt. REIHE - das bedeutet nicht Uniform; das kann bedeuten: Es gibt einen einheitlichen Impuls, der die Mitarbeiter antreibt. Daraus resultiert wiederum das Format 24 cm x 17 cm: eine (vergleichsweise) große Fläche, der es möglich sein soll, das aufzunehmen, was uns wichtig ist. Die Anmerkungen am Ende dieses Heftes können einen Eindruck von dem vermitteln, was uns vorschwebt. Es sind Orientierungspunkte, die einen Weg aufzeigen, der, schon einmal gegangen, auch zukünftig richtungsweisend sein kann. Noch einmal sei an die erste Aufgabe erinnert: Mitarbeiter zu gewinnen, die das Projekt durch eigene Arbeiten oder Kritik begleiten. (...) |
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