Johann Benjamin Erhard : Ausgewählte Werke > work in progress < ![]() |
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Ich bin, der ich bin, kein anderer hat meine Pflichten, kein anderer darf für mich denken. Nun belebte mich der Geist von Kants Kritik der reinen Vernunft, der mich anfangs zu töten schien, nun fühlte ich mich erst als denkendes Wesen. Ich fühlte ein neues Leben und Streben in mir, die Gegenstände meines Wissens und Glaubens waren mir bestimmt, und keine fruchtlose Anstrengung verzehrte mehr meine Kräfte. Mit jeder Erkenntnis, die über die Erfahrung hinausgehen soll, täuschen wir uns. Dies Jahr ist für mich ein trauriges Jahr (1811). Meinen Freund Herbert verlor ich durch Selbstmord, mein inniggeliebtes Kind verlor ich durch meine Nachlässigkeit, daß ich es meiner Frau zu sehr überließ, und - ich werde Dir das mündlich sagen! - Der Tod dieses Kindes ist das erste Ereigniß meines Lebens, das mich beugte; bisher hatte ich nur die Erfahrung von Kränkung, Aergerniß und Betrübniß, aber gebeugt hatte mich noch nichts - nun ist mir auch dies widerfahren. Von hier findest du einige Nachrichten im Brief an S. und ich bin zu verdrießlich, diesen mehr beizufügen. Doch auch eine Geschichte, die vielleicht verunstaltet in Journalen gradirt. Hier gab es vorige Woche einen gedoppelten Selbstmord, zwischen einem Herrn von Kleist und der Frau eines Rendanten Vogel. Diese Frau konsultirte mich vor drei Jahren über eine unheilbare Krankheit, die sie auf die Aeußerung eines Arztes haben sollte; ich fand die Sache nicht so schlimm, gab ihr Mittel, und glaubte sie so weit hergestellt, worüber ich auch Professor Froriep, der damals hier war, konsultirte, daß sie nichts zu befürchten hätte; der Mann aber, der eine Abneignung gegen sie bekam, entzog sich ihr, behandelte sie aber mit Achtung. Sie war eine sehr gebildete Frau, vielleicht verbildet, und schien sich in ihr Schicksal zu finden. Da ich sie nun seit Neujahr 1810 nicht mehr besucht habe, so kann ich von ihrem körperlichen Zustande nichts sagen, sie sahe aber sehr wohl aus. An diesem Herrn von Kleist fand sie einen geliebten Freund, der zu ihrer Schwärmerei paßte, der in schlechten Umständen war, und sie beschlossen mit einander zu sterben. Sie führten dies in einem Gasthof zwischen hier und Potsdam aus. Im Freien, in dem Garten hinterm Hause, schoß er sie durch das Herz, und sich durch den Kopf. Daß dieser Kleist ein verschrobener Kopf war, kannst du aus einem Trauerspiel von ihm "Käthchen von Heilbronn" sehen. Diese Geschichte, die nur ein Gegen-stand des Mitleidens sein kann, soll hier von einigen Menschen als eine große That angesehen werden, - wie elend ist unser Zeitalter. Deutschland, du bist gewesen! Der reichste, vielumfassendste Kopf, den ich je habe kennen lernen, der nicht nur die Kantische Philosophie aus dem Grunde kennt, sondern durch eigenes Denken auch ganz neue Blicke darein getan hat und überhaupt mit einer außerordentlichen Belesenheit eine ungemeine Kraft des Verstandes verbindet. Er ist voll Wärme für Kunst, zeichnet ganz vortrefflich und spielt ebenso gut Musik und ist doch nicht über fünfundzwanzig Jahre alt. (Schiller) Schiller an Johann Benjamin Erhard : Jena, den 8. Sept. [Montag] 94.
Ich kann den Professor Paulus nicht durch Nürnberg reisen lassen, ohne Sie, mein theurer Freund, mit ein paar Zeilen zu begrüßen. Man sagte mir kürzlich, daß Sie noch da wären, und ich wünsche es von Herzen, weil die gegenwärtigen Aspecten im Oesterreichischen nicht sehr günstig sind. ich fürchte selbst für Herbert, denn ein Mensch wie er muß den Freunden der Finsterniß natürlicher weise ein Dorn im Auge seyn.In unserm Musensitze ist alles ruhig, und Fichte ist noch in voller Arbeit, seine Elementarphilosophie zu vollenden. Ich bin überzeugt, daß es nur bey ihm stehen wird, in der Philosophie eine Gesetzgebende Rolle zu spielen, und sie um einen ziemlich großen Schritt vorwärts zu bringen. Aber der Weg geht an einem Abgrund hin, und alle Wachsamkeit wird nötig seyn, nicht in diesen zu stürzen. Die reinste Speculation gränzt so nahe an eine leere Speculation, und der Scharfsinn an Spitzfindigkeit. Was ich biß jetzt von seinem System begreife, hat meinen ganzen Beyfall, aber noch ist mir sehr vieles dunkel, und es geht nicht bloß mir, sondern jedem so, den ich darüber frage. In einem Publicum, das Fichte zu gleicher Zeit ließt, hat er sehr herrliche Ideen ausgestreut, die eine Anwendung seiner höchsten Grundsätze auf die Menschen in der Gesellschaft enthalten. Das Journal, von dem ich Ihnen schon geschrieben habe, kommt nun ganz gewiß zu Stande, und schon sind, außer Fichte, noch Garve, Engel, Göthe, Herder, Jacobi und mehrere andere als Mitarbeiter beygetreten. Das Honorar ist 4 Ldors. Aber alle politische und Religion betreffende Aufsätze sind durch unsere Statuten ausgeschlossen. Ich hoffe, mein lieber Freund, bald einmal etwas von Ihnen zu erhalten. Nur richten Sie es so ein, daß es für ein Publikum paßt, welches wenig scientifische Kenntnisse mitbringt, und nichts als einen natürlichen Verstand und einen guten Geschmack besitzt. Mit meiner Gesundheit geht es weder besser noch schlechter, aber an Thätigkeit fehlt es mir nicht, und der Geist ist heiter. Meine Frau und Schwägerin sagen Ihnen einen freundschaftlichen Gruß. Von ganzem Herzen der Ihrige. Schiller. Mit keinem Sterblichen kann ich so gut laut denken, wie mit Erhard und mit keinem so angenehm, so fröhlich philosophieren. Er ist an Urteilskraft, an philosophischem Geschmack und besonders an philosophischem Witze fast Euch Herren allen, die Ihr Euch auf der von Kant gewiesenen Bahn auszeichnet, weit überlegen. (Jens Baggesen) Unter allen Personen, die ich bisher noch kennen lernte, wünsche ich mir keinen mehr zum täglichen Umgange, als Sie. (Kant) Nun beneide ich die alten Zeiten. Beinahe bin ich entschlossen, alle meine Vorsätze, der Welt wichtig zu werden, aufzugeben und nur noch danach zu trachten, mich gemächlich tot zu leben. |
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Richter.
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