Ansichten vom Niederrhein,
von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich, im April, Mai und Junius 1790 Text im WORD-Format Text im PDF-Format Text im epub-Format |
Anrede an die Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit am Neujahrstage 1793 Über Leckereyen Über die Beziehung der Staatskunst auf das Glück der Menschheit Cook, der Entdecker Entdeckungsreise nach Tahiti und in die Südsee 1772-1775 |
Mein Sohn war bei seiner Geburt ein schwächliches und sehr mageres Kind, und da ihm bald darauf, wegen eines offenen Schadens an der Brust seiner Mutter, im folgenden Februar die ächte ernährende Quelle in der Muttermilch versiegete, so ward der mit Brod und Kuhmilch zu der Wasser gegossen ward, erzogen. (...) Seine Wärterin stopfte seinen schwachen Magen mit unreifen Pflaumen voll, bis er einen aufgetriebenen harten Leib bekam. (...) Er hatte öftere Anfälle von Regenwürmern in den Eingeweiden. Mein Sohn ist auf der See bei jedem neuen Auslaufen aus dem Hafen, hart krank geworden, doch hat er sich erholet, und spricht schon ziemlich gut Englisch: so wie ich schon auch ziemlich schnattern kann, es mag recht oder unrecht seyn. Georg ging, um sich in jenes Pensionat zu begeben, täglich vor einem Bäckerladen vorbei, wo er seinen Hunger oder seine Naschhaftigkeit häufig mit einigen kleinen Pastetchen befriedigte. Da er seine Sparpfennige dabei nicht berechnete und sich vielleicht von dem Bewußtsein, auf einen Erwerbszweig zu gehen, verleiten ließ, machte er Schulden und hatte die Kränkung, auf diesem unvermeidlichen Gang von der Bäckerfrau gemahnt zu werden; bald wußte er seiner Noth keine Hülfe mehr. Wie er nun wieder einmal auf seiner Rückkehr vom Pensionat vor dem gescheuten Bäckerladen vorbeigehen sollte, betete er recht dringend um höheren Beistand. Sein Weg führte ihn über einen Feldschluß, indem er hinüber steigt, sieht er etwas im halbtrockenen Kothe, im Tapfen eines Pferdehufes liegen, langt danach, und findet eine Guinee. Die Ideenverbindung führt ihn darauf, seinen glücklichen Fund für die Wirkung seines Gebetes zu halten; er ging schnell seine Schulden zu bezahlen, aber sein Bedüfniß, auch zu Anderer Freude sich einen Genuß zu verschaffen, hinderte ihn den ansehnlichen Ueberschuß der Guinee zu eigenem Gebrauche aufzubewahren, er kaufte seiner Schwester Wilhelmine - - - die er sehr liebte, einen goldenen Fingerhut dafür. Am 26. Mai 1772 war es soweit. Spät abends kam ein gewisser Mr. Irving, der sehr geheimnisvoll tat, zu Forster ins Haus, um vorzufühlen, ob er unter Umständen als Naturkundler und passabler Zeichner gut geeignet sei, mir zu assistieren. Im April 1744 kehrte Cooks Expedition nach Tahiti zurück. Trotz eines Gallenfiebers kroch George bei der Ankunft aufs Vordeck, um sich an der Aussicht zu weiden. Er war zu schwach, um an Land zu gehen. Durchs Kajütenfenster erhandelte er einige Fische, um sie zu bestimmen und zu zeichnen, sowie für sich selbst einen Apfel. Gegen Reinholds ausdrücklichen Befehl aß er ihn auf, und am nächsten Tag fand er sich durch die verbotene Frucht ganz außerordentlich erquickt. Zwischendurch las George die Leiden des jungen Werthers zwei-, dreimal hintereinander, erleichterte sich durch ein Tränen-Geheul von vielen Stunden und feilte an der Widmung der Reise um die Welt, die er Friedrich II, zu Füßen legte. Ich bin 33 Jahre alt; ich bin gesund, und mein Äußeres hat, ohne Voreingenommenheit zu meinen Gunsten, wenigstens nichts Abstoßendes. Mit Cook habe ich seine zweite Reise um die Welt getan, und sie hernach beschrieben. Ich habe alle Zweige der Naturgeschichte bearbeitet, mit Inbegriff von etwas Physik und Chemie. Ich kann Tiere und Pflanzen erträglich zeichnen. Von Philosophie, schönen Wissenschaften und Künsten habe ich einige Kenntnis. Aber Geographie, Geschichte, Politik, Staatsangelegenheiten sind Lieblingsfächer, womit ich meine Nebenstunden von jeher ausgefüllt habe. - - - Ich bin sanft und munter, jedoch ernst. - - - Ich bin treu und eiftig im Dienst, für den man mich anstellt, und frei von den gewöhnlichen Vorurteilen gelehrter Leute, die nichts weiter sind als ziemlich schlechte Politiker; denn Theorien und Hypothesen passen nur selten zum tatsächlichen Lauf der Dinge in der Welt. Meine Ehre und Billigung meiner Vorgesetzten sind die einzigen Regeln meiner Aufführung. Ich darf noch anmerken, daß ich von Natur aus nüchtern bin, niemals spiele und in meinen häuslichen Verhältnissen zu glücklich bin, um unerlaubte Verbindungen zu suchen. Forster spürte, daß er älter, dabei aber nicht eben glücklich wurde. Er leierte sein Leben nur mehr so hin, und im Herbst, als Meta Forkel nach Göttingen zurück gegangen war, überfiel ihn sein altes Leiden so schlimm wie nie zuvor. Nun büßte er für die rasenden Arbeitswut, mit der er für seinen neuen Verleger tätig geworden war. Wedekind, sein Arzt, sah Symptome einer gänzlichen Auflösung aller Säfte, und Forster trank Vitriolsäure, aß Löffelkrautkonserve, kurz, hielt sich antiseptisch. Heute, liebe Therese, werde ich mit zwey andern Deputirten Potocki und Lux, in Begleitung des Deputirten Haussmann, vom Pariser Nationalkonvent - nach Paris abreisen um den Wunsch zur Vereinigung und Einverleibung und eine Adresse vom hiesigen Convent an den dortigen zu überbringen. In drey Wochen werde ich vermuthlich wieder hier seyn. »Nicht den Sturz eines einzelnen Despoten verkündigen wir Euch heute; das rheinisch deutsche Volk hat die sogenannten Thronen zwanzig kleiner Tyrannen, die alle nach Menschenblut dürsten, alle vom Schweiße der Armen und Elenden sich mästeten, auf einmal niedergeworfen. Auf den Trümmern ihrer Macht sizt das souveraine Volk - - - Die Stellvertreter des Volkes kannten den einmüthigen Wunsch ihrer Committenten; sie thuen in diesem Augenblick weiter nichts als das Gefühl ausdrücken, welches alle Herzen erfüllet, indem Sie von Euch die Vereinigung ihres Landes mit der Franken-Republik verlangen.« Am 30. März 1793 trug Forster in der Pariser Nationalversammlung diese von ihm verfaßte Adresse vor, die in Mainz fünf Tage zuvor von den neunzig Deputirten der ersten deutschen Republik unterzeichnet worden war. Ich habe Deinen Brief, meine teuerste Therese, worin Dein schönes Herz so ganz darliegt. Es hat das schmerzliche Gefühl meines grenzenlosen, unheilbaren Elends nur noch geschärft. Ich kann nicht mit Dir leben und kann Dich auch nicht entbehren; es ist unmöglich, daß ich je durch Liebe beglückt werde, denn nie kann ein anderer Gegenstand mich rühren und mein Herz so erfüllen - und ich liebte so ganz unbedingt, so hingegeben! ich liebe noch ebenso mit dem zerfleischenden Bewußtsein, nie, nie! glücklich gewesen zu sein, nie Gegenempfindungen erregt zu haben, folglich nie erwecken zu können. Wünsche nicht diese Hölle zu fassen, sondern wünsche, daß ich einsehen lerne, womit ich sie verdient habe, damit ich ruhiger und mit dem Schicksal versöhnter sterbe. Ich war gewiß für häusliches Glück geschaffen, ich war nützlich als Mensch und wär es als Mensch, als Vater und Freund, als Gatte immer mehr geworden. Alles ist zerrüttet, alles hin; ich kann nicht mehr die Ruhe der Seele finden, die zur Arbeit unentbehrlich ist; ich kann mich mit der toten Einsamkeit nicht aussöhnen und hasse sie doch noch werniger als die traurige Gesellschaft der Menschen. Die Revolution ist ein Orkan, wer kann ihn hemmen? Ein Mensch, durch sie in Thätigkeit gesetzt, kann Dinge thun, die man in der Nachwelt nicht vor Entsetzlichkeit begreift. Aber der Gesichtspunkt der Gerechtigkeit ist hier für Sterbliche zu hoch. Was geschicht, muß geschehen. Ist der Sturm vorbei, so mögen sich die Ueberbleibenden erholen, und der Stille freuen, die darauf folgt. So sehr ich Sie, mein theuerster in Ihrer gegenwärtigen Lage bedauern muß, so würde ich doch eines Theil meines noch übrigen Lebens gerne hingeben, wenn unser vortrefflicher Forster jezt auch in dieser Lage wäre. Ich kan wahrlich nicht ohne Wehmut an den Mann zurückdenken, so offt dieses auch geschieht, zumal da ich fast wöchentlich etwas erfahre was mit immer mehr Licht über den Hauptquell alles Unheils giebt, das ihn befallen hat! O wie gerne, wie gerne hätte ich ihm ein paar Bogen gewidmet, wäre ich noch das Kinderlose und wegen der Zukunfft unbekümmerte frey denkende und frei schreibende Wesen, das ich ehmals war. Jetzt muß es beym frei dencken sein Bewenden haben. Sapienti sat. [Lichtenberg an Sömmering, Göttingen, 5.6.1798] |