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Johann Gottfried Herder  :
  < Kleine >  A n t h o l o g i e

 
Ein Blüthenlese von Texten aus div. Schreib- & DenkJahren.
1744   -  1803

 
Weimar, Montag nachmittags, d. 19. Dezember 1803
Herder ist tot!
– Lassen Sie mich in diese drei Zeilen allen Schmerz meines gepreßten Herzens zusammenfassen. Was Deutschland, was die Wissenschaft, was die Kunst an ihm verliert: davon kann an dem frischen Hügel dieses Toten noch jetzt nicht die Rede sein. – Seit langer Zeit litt der Verewigte an Verhärtungen der Leber; seine hinfällige Gesundheit suchte er vorigen Sommer durch eine Reise ins Bad aufzurichten. Die Dresdner Bildergalerie war bestimmt, die letzten Strahlen dieses schönen, sterbenden Geistes aufzufassen. Hier durchirrte er, mit ein paar Freunden und Freundinnen, die Gänge des schönen Museums; hier standen wir zusammen, an dem stillen Ufer der Elbe, vor dem sterbenden Fechter, vor dem stillen Jüngling, der die Fackel des Lebens auslöscht. Es war seinletztes Gespräch, was er sich gleichsam mit den besten Genien der alten und neuen Kunst, zu deren Gemeinschaft er nun auf ewig übergegangen ist, vorsetzte. Er hatte Dresden nie gesehen, und als er es nun sah, gab er sich diesem Anblick mit der vollen, ihm ganz eigenen Herzlichkeit hin. Keine Ahnung faßte damals sein und unser Herz, als wohl im Laufe des Gespräches des Verlustes, der Weimar bedrohte, zufällig Erinnerung geschah, daß der größte, der schwerste Verlust uns in ihm selber bevorstand. Lassen Sie mich hier schließen, mein Freund.–
– – –
Ach, Natur, wie sicher und groß in allem erscheinst du!
Himmel und Erde befolgt ewiges, festes Gesetz,
Jahre folgen auf Jahre, dem Frühling reichet der Sommer
Und dem reichlichen Herbst traulich der Winter die Hand.
Felsen stehen gegründet, es stürzt sich das ewige Wasser
Aus der bewölkten Kluft schäumend und brausend herab.
Fichten grünen so fort, und selbst die entlaubten Gebüsche
Hegen im Winter schon heimliche Knospen am Zweig:
Alles entsteht und vergeht nach Gesetz; und über des Menschen
Leben, den köstlichsten Schatz, herrschet ein schwankendes Los.
Johann Daniel Falk

1.   Über Sprache und Literatur [pdf]
 
2.   Briefe zur Beförderung der Humanität [pdf]
 
3.   Gott ... einige Gespräche [pdf]
 
4.   Ursachen des gesunknen Geschmacks bei verschiedenen Völkern, da er geblühet [pdf]
 
...   Fortsetzung folgt ...
 
Links:
 
| www.johann-gottfried-herder.net |
 
| johann gottfried herder, versuch einer biografie |

 
Karl August Böttiger : Johann Gottfried Herder
 
[eine kleine Blüthenlese aus: Literarische Zustände und Zeitgenossen]

 
Man muß es meinen Schriften ansehn, daß ich sie in einer gepreßten Lage schrieb, und daß es mir an der Kraft fehlte, alles so recht bestimmt und handgreiflich herauszusagen. Da lob ich mir Wieland. In seinem Danischmende z.B. in den ersten Kapiteln da ist kein Räthsel. Das ist alles fein hübsch breit und verständlich. Er hat darin sich selbst und seine frühern Empfindungen zum Leben abkonterfeyt. -
   Auch ich bin einmal in jener ängstlichen Stimmung und schwärmerischem Rigorismus gewesen, wo ich alles für eine Todtsünde hielt (vermuthlich bei Hamann.)
(...)
Herder findet nur zwei Nationen in Europa, wo die Männer sehr schön sind. Die Italiener (die Lazzaronis in Neapel betteln auf ihre Schönheit) und die Schweden (der Graf v. Fersen). Nur daß der leztern Schönheit zu wenig belebt ist.
(...)
Von den Hunden kommts auf die Schweine. Ihre Schöpfung allein, sagt W[ieland] kann ich der Natur nicht verzeihn. Ihre Thierheit, ihre Antigrazie ist mir schon in der Vorstellung ein Abscheu. Herder führt nun die Sache der Schweine mit großer Beredsamkeit und vertheidigt ihre Ehre 1) weil sie mit den Menschen die größte Ausbreitung auf der Erde haben 2) weil sie in ihrem innern Bau so viel Aehnlichkeit mit den Menschen haben 3) weil sie ächte Republikaner sind. Als er vorigen Sommer auf einem Landgute die Oekonomiegebäude besah, sagte der Oekonom, daß die sämmtlichen Schweine beym Schreien einzigen in Aufruhr und sympathetisches Angstgefühl geriethen. Die Probe wird auf der Stelle gemacht u. ein Schwein am Hinterfuß gezerrt. Auf einmal erhebt sich in allen benachbarten Schweinekoben ein algemeines Labentabile. Die Koben werden geöffnet, u. die Sauen springen von allen Seiten dahin, woher die Angststimme erscholl, so daß die Geselschaft sich kaum von ihnen retten konnte. Ja das ist eben die Brutalität dieser Sansculotten, erwiederte Wieland u. erzählte eine Anecdote, die er noch in Biberach erlebte, wo der dicke Haushofmeister des Grafen Stadion von einer Heerde Schweine, die auf der Mast in einem Eichenwalde war, beinahe ermordet worden wäre, weil er zum Spaß ein blindes Feuer auf sie machte, diese aber mit Heereskraft auf ihn einstürmten u. ihn nöthigten sich auf einen Baum zu flüchten. Als sie ihm da nicht beikommen konnten, fingen sie an die Wurzeln des Baums auszuwühlen u. versuchten so den Baum zu fällen, welches am Ende auch geschehen wäre, wenn nicht der Hirte u. Jäger nicht noch zu Hilfe gekommen wären. - Der Schottländer Macdonald, der heute mit in der Geselschaft war, wunderte sich über diese Schweinedissertation und der ältere flüsterte mir ins Ohr: `tis very strange indeed, that such men as Mr. Herder and Wieland should engage so deeply in a dispute about swine. How would my countrymen laugh, if they heard it! In Schottland hat jetzt ein Herr Maan Hundebraten zum most fashionable dish gemacht.
(...)
Als Herder Königsberg verließ, sprach Kant mit dem damaligen 19jährigen Jüngling u. ermahnte ihn, er solle doch nicht so viel über Bücher brüten, sondern vielmehr seinem Beispiel folgen. Er sei sehr gesellig und nur in der Welt könne man sich bilden. (Wirklich war damals Magister Kant der galanteste Mann von der Welt, trug bordirte Kleider, einen Postillon d´Amour, u. besuchte alle Cotterieen) Darauf erhielt Herder in Riga einen Brief von Kant, worin er ihn zur Theilnahme an einem neuen philosophischen System ermahnt u. erinnert, ob er auch seinem Rathe getreu viel in Gesellschaft komme u.s.w. Darauf ist nun der Brief, den Kant in Rinks Invansion selbst hat publiciren lassen (eine Aufführung, der selbst der kantisirende Recensent dieser Invasion in der Goth[aer] Gel[ehrten] Z[eitung] 1800 n. 86. S. 717 nicht billigt) bloß eine Antwort.
H[erder] versichert, es sei ihm nicht eingefallen, daß er Hamanns M[anu]sc[rip]t habe; sonst hätte er selbst Stellen daraus angeführt. In einer neuen Ausgabe werde er den ganzen Aufsatz von Hamann vordrucken lassen. Es gereut ihm nicht, so stark und bitter in der Metakritik gesprochen zu haben. Denn nur durch diesen schneidenden Ton konnte Aufmerksamkeit erregt werden. Die Metakritik schrieb er in einem Fluß unglaublich geschwind, wie keines seiner andern Bücher. In der Kalligone sind ganze Abhandlungen weggeblieben, weil das Werk unter der Hand zu 3 Bänden anwuchs.
Weimarische Schulencyclopädie!

Arno Schmidt sagt:
 
Herder ? : Ein Riesengestirn ; die planetengroßen Ebenen seiner Kontinente dicht besetzt mit Kräutern, gesellig schwebenden Halbgräsern, abgerundeten Haiderasen, unter einer brennenden Sonne, oder gegossenen Gewitterwolken : Gewürz geht um, über allen grauen Nicht=Hainen.
(...)
Wo, wie auf dem offenbaren Meer, der Horizont von einer reinen Kreislinie umschlossen wird ; das Auge einschränkend, die Seele zugleich seltsam mit der Gewalt des Schrankenlosen ergreifend : ein Prärie=Schauspiel, in der Literatur aller Völker ohne seinesgleichen!
(Arno Schmidt: Herder oder Vom Primzahlmenschen)

 

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