Moritz August von Thümmel:

Vermischte Gedichte.


Die vorliegenden Texte erscheinen hier gemäß den Kriterien,
die für die Gesamtausgabe angegeben wurden.
I n h a l t :
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  • Brief an Herrn von Bose, als er aus Frankreich nach Italien reiste. Im Jahre 1764
  • An eine Dame bei ihrem zwei und siebenzigsten Geburtstage
  • Im Namen ihrer Kaiserl. Hoheit der Großfürstin Anna von Rußland, da sie auf einem Ball zum Geburtstag ihrer Durchlauchtigsten Frau Mutter als Titania erschien
  • In das Stammbuch der Madame Hendel in Bezug auf ihre mimischen Vorstellungen zu Gotha den 17. Januar 1810
  • Bitte eines Liebhabers an seine junge Geliebte, mit der er schon einige Zeit versprochen war
  • An den Besitzer eines schönen Landgutes bei Gelegenheit einer verunglückten Beschreibung davon
  • Das gleiche Glück der Ehe
  • An ein Fräulein bei Ueberschickung der ersten Ausgabe der Wilhelmine 1764
  • An eine junge Prinzessin bei Ueberschickung der fünften Ausgabe der Wilhelmine
  • Prolog im Namen eines jungen Prinzen bei der Vorstellung eins deutschen Schauspiels an dem Geburtstage seiner Frau Schwester
  • Das Glück der Liebe
  • Der Zweifler
  • Der Heldentod
  • An eine deutsche Dichterin
  • Der Besuch
  • Auf einen Rekruten zur Reichsarmee
  • An des Herrn Erbprinzen von Mecklenburg=Strelitz Durchlaucht 1805
  • An Ihro Königl. Hoheit die Churprinzessin von Hessen, die den Autor, als er eben in Berlin war, zu seinem Geburtstage, im Mai 1807, mit einem Rosenstock beschenkte
  • Der Vogelsteller
  • Des Jägers Abendlied
  • Romanze im Namen und zum Vortheil eines reisenden Jägers, der auf einem Jahrmarkt ein ungewöhlich großes Hirschgeweihe für Geld sehen ließ
  • Pygmalion an eine junge liebenswürdige Witwe 1807
  • Das entflogene Haar. An Ebendieselbe
  • In das Stammbuch der Fräulein Hofdame von L.
  • Gespräch
  • Der Leser des Horaz
  • Gespräch
  • An einen Arzt in sein Stammbuch
  • In das Stammbuch einer jungen Fräulein aus einem aufgehobenen Kloster
  • In das Stammbuch eines reisenden Russen
  • Aufschrift auf das Grabmal des Ministers von Rothkirch
  • Auf dessen Frau Gemahlin
  • In das Stammbuch von Dorchen Weisse
  • Gebet eines redlichen Vaters am Vermählungstage seiner geliebten Tochter
  • Der Schulze und die Gemeine zu Ketschendorf an dem Geburtstage der regierenden Frau Herzogin von Sachsen=Coburg und Saalfeld, den 19. Jenner 1801
  • Empfindungen eines alten Astrologen an dem Geburtstagsfeste Ihrer Kaiserl. Hoheit der Frau Großfürstin Maria Paulowna, Erbprinzessin zu Sachsen=Weimar. Den 16. Febr. 1810
  • An Elise. 1784
  • Geringer Beitrag zu der autographischen Sammlung der Frau Gräfin Constanze Rzewuska, geb. Prinzessin Lubomirska


  • B r i e f
    an
    H e r r n   v o n   B o s e ,
    als er aus Frankreich nach Italien reiste.
    Im Jahre 1764.


    Freund, da dich nun der Tugend sichre Hand
    Aus Frankreich führt, dieß überhäufte Land
    Von Kunst und Weisheit und von Thoren,
    Wo oft das beste Herz, der gründlichste Verstand
    Zum Leichtsinn überging, und wo dein Vaterland
    Schon manchen Redlichen verloren:
    So danke Gott, daß du der feinen List
    Der Buhlerei entgingst, daß deine fromme Seele,
    Von Spöttern nicht verführt, noch werth der Freundschaft ist;
    Und freue dich, und überzähle
    Der Laster große Schaar, der du entgangen bist!
    Gleich wie ein wilder Geist in dem Gewächs des Rheines, *
    Nach Gallien verpflanzt, den Vorzug unsres Weines,
    Die echte deutsche Kraft erstickt —
    Es reift ein süßes Gift an ungetreuen Stöcken,
    Das unsre Nerven reizt, um Wollust zu erwecken,
    Gesunde nur berauscht, und Kranke nicht erquickt —
    So wird des Leichtsinns Geist, der mit dem stolzen Namen
    Der großen Welt, den schwachen Deutschen rührt,
    Auf manches Jünglings Herz, erstickt der Tugend Samen;
    Der Dämon, der uns reizt, das Fremde nachzuahmen,
    Hat manchen Glücklichen zu einer Bahn verführt,
    Die in das Labyrinth des Unglücks sich verliert.
    Der Tugend Schatz, den mancher in dem Lande,
    Das ihn erzog, mit langem Ruhm bewahrt,
    Vertauscht er mit dem Preis der Schande,
    Um Frankreichs neue Lebensart.

         Wohl dem, der so, wie du, die Tugend kennt und liebt,
    Und sich durch ein Geschäft, das er mit Wollust übt,
    Die frohste Zukunft zubereitet!
    Der, heiter ohne Stolz, die Zahl der Weisen mehrt,
    Selbst, wo er Kenntniß sucht, durch seinen Wandel lehrt,
    Bald in der Wahrheit stärkt, bald zu der Wahrheit leitet!

         Du, den Orestens Glück dem Herzen zugeführt,
    Das deinen Werth erkennt und immer neu gerührt,
    Den Vorzug seines Glücks empfunden,
    Entziehe dich, o Freund! nicht länger meiner Brust.
    Seit du dich ihr entzogst, leb´ ich nur im Verlust,
    Und kenne keine heitern Stunden.
    Schon manchen Tag sah ich mit blassem Gram entstehn,
    Und, ohne Freundschaft hingeschmachtet,
    Von meinem Herzen selbst verachtet,
    Ins Grab der Jugend untergehn.

         Du, dessen weises Herz kein´ fernes Land verändern,
    Und keins beglückter machen kann,
    Wie wendest du in jenen Ländern
    Den Vorzug deiner Jugend an!
    Du siehest die Natur in einem andern Plan,
    Der Künste Fall in eingestürzten Mauern.
    Wenn diese Neigung dich nur glücklich machen kann,
    Freund, Freund, wie bist du zu bedauern!
    Verlaß den Wahn! der Tugend höchster Lohn,
    Die Lieb´ erwartet dich in deinem Vaterlande.
    Du gleichest stets dem edlen Grandison
    An Tugend, an Gefühl und an Religion;
    O gleiche bald ihm auch an Glück´ im Ehestande!
    Bekannter mit der Welt und ihrer Freuden satt,
    Wird dir dein Vaterland die süßeste noch gönnen.
    Denn sollte nicht das Land, das dich erzogen hat,
    Auch eine Biron bilden können?
    Nur sey die Liebe nicht so grausam deiner Ruh,
    Und führe dir zuvor mit der beredten Mine
    Der Freundschaft, eine Klementine
    Von Wälschlands Schäferinnen zu!
    Dem Jünglinge zum Unterrichte,
    Der seine Neugier nährt, sein zärtlich Herz vergißt,
    Schrieb Richardson die rührende Geschichte
    Des Helden, der ein Muster ist.
    Welch ein Zusammenhang von Schmerz,
    Ergoß sich nicht auf die sonst heitern Tage
    Des tugendhaften Manns! die Quelle seiner Klage
    War Klementine und sein Herz.
    O stelle sie dir doch im Bilde
    Mit allem Reiz der Unschuld dar,
    Die freudig, rührend, sanft und milde,
    Nein wie der Glanz, den einst auf Edens Luftgefilde
    Das erste Morgenroth gebar,
    Auf ihrer Stirn gezeichnet war;
    Und denke, wie sich nun in ihren edlen Blicken
    Um ihres Freundes Wohl der Schwermuth Zähre mischt,
    Die seine Hand mit traurigem Entzücken,
    Von ihren blassen Wangen wischt,
    Die in der Blüthe schon, den Rosen gleich, ersticken,
    Wenn sie der Sonne Strahlen drücken,
    Und kühlend sie kein West erfrischt.
    Denk´ ihren Reiz, wenn nun der Trost gekränkter Tugend
    Mit ihrer Schönheit sich vermengt,
    Und kühn die Unschuld ihrer Jugend
    Den ungerechten Schmerz verdrängt;
    Wenn Ruhe sie beglückt — So lächelt
    Die junge Ros´ in schöner Mattigkeit,
    Wenn in der schwülen Mittagszeit
    Ein West erwacht, der sie umfächelt —
    Und wenn sich nun in dir ein edles Mitleid regt,
    So unterdrück´ es nicht und bleibe gern bewegt,
    Und gönne mir den Vorzug dich zu rühren!
    Bald fürchte Grandisons Geschick.
    Durch einer Klementine Blick
    Ein freies Herze zu verlieren,
    Bald sprich zu dir: Vielleicht, daß in dem Augenblick
    Ein Hargraf Anstalt macht, mein mir bestimmtes Glück,
    Mir meine Biron zu entführen,
    Und laß dich dann durch ihre Klagen rühren,
    Und komm´ zu ihrem Schutz zurück!
    Ich seh im Geiste schon dein Glück,
    Wenn dein gerührtes Herz mit freudigem Erschrecken
    Aus seiner Einsamkeit erwacht,
    Wenn dir die Tugenden, mit Jauchzen, die entdecken,
    Die dir die Liebe zugedacht;
    Wenn dein Verstand den Beifall nicht versaget,
    Um den dein bittend Herz ihn fraget;
    Wenn ihres Umgangs Reiz, wenn jeder Tag dich lehrt,
    Sie sey der Zärtlichkeit, die du ihr schenktest, werth.
    Wie selig wirst du seyn, wenn durch beredte Zeichen
    Ihr Herz verräth, wie zärtlich es dich liebt!
    Und, Freund, wer wird an Glück dir gleichen,
    Wenn sie sich deiner Brust ergiebt,
    Und glücklich ist, weil sie dich liebt?
    Ich seh´ noch mehr, o Freund, ich seh mit nassen Blicken,
    Wie von stets wachsendem Entzücken
    An deiner Freundin Brust dein Herze überfließt;
    Wie eure Sorge nur einander zu beglücken,
    Und euer Leben Segen ist;
    Wie du mit ihr vereint, durch eine lange Reihe
    Beglückter stolzer Jahre gehst,
    Durch immer gleiche Lieb´ und Treue,
    In kurze Stunden aufgelöst;
    Und wie ein Alter voller Freude
    Euch überrascht, wenn um euch Beide
    Ein Heer zufriedner Kinder lacht;
    Wie eure Lust an ihren jungen Freuden,
    Im Alter selbst es euch unmöglich macht
    Der Jugend Jahre zu beneiden,
    Die ihr so selig hingebracht;
    Und wie dein Blick auf die verflossnen Stunden,
    Die du jetzt lebst, zurücke schaut,
    Und dann das Glück, das du anjetzt empfunden,
    Der Tugend Glück, den Jüngling noch erbaut,
    Den Gott als Sohn dir anvertraut.
    Weissagend theil´ ich, Freund, in diese frohe Scenen
    Die Folge deines Lebens ein.
    Oft will ich, wirst du einst dich der Erfüllung freun,
    Der Ahnung meiner Brust erwähnen,
    Und immefort beglückt in deiner Freundschaft seyn;
    Und manches Dankgebet, vermischt mit Freundenthränen,
    Für dies mein Glück dem Höchsten weihn.

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    * Es ist bekannt, daß der erste Champagner von den Reben entstanden ist,
       die von dem Rhein nach der Champagne gebracht worden.

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    A n   e i n e   D a m e
    bei ihrem zwei und siebenzigsten Geburtstage


    Du, die im Alter ohne Klage
    Auf deine viel durchlebten Tage
    Mit Heiterkeit zurücke blickst;
    In keiner Assemblee verloren,
    Als wärest du mit uns geboren,
    Dich gern in unsre Zeiten schickst;
    Du, die auch in verschiednen Wettern,
    Der Rose gleich, von hundert Blättern,
    Nur Blatt vor Blatt, nicht auf einmal verblühst,
    Und ohne Neid, den Liebesgöttern,
    Manch hübsches Knöspchen erst erziehst,
    Sey mir in deinen grauen Haaren,
    In deinen zwei und siebzig Jahren,
    Ehrwürdige! sey mir gegrüßt!

         Wenn uns nebst allen seinen Leiden
    Ein schweres Alter übereilt,
    Uns niederwirft und unsre Freuden,
    Von denen wir so ungern scheiden,
    An die Meistbietenden vertheilt;
    Wenn wir nunmehr erfahren müssen,
    Wie sich das Glück der Liebe dreht,
    Und das verjährte Recht zu küssen
    An jüng´re Erben übergeht;
    Wenn die Natur für andre Schönen
    Das Roth von unsern Wangen nimmt,
    Und Niemand mehr zu unsern Tönen
    Mit süßen Sympathien stimmt;
    Wenn unsre Freunde selbst veralten,
    Und nur der Arzt vertraulich mit uns spricht,
    Und statt der lächelnden Gestalten
    Der jungen Herrn, der Husten und die Gicht
    Jetzt ihre Wachen bei uns halten:
    Dann ist es Kunst, die uns entflohne Zeit
    Nicht einer Untreu anzuklagen,
    Und noch, wie du, ein Herz voll wahrer Munterkeit
    Und voller Scherz herum zu tragen,
    Und lachend bei dem Kuß der Jüngeren zu sagen:
    Es ist doch Alles Eitelkeit!

         Wer weiß so gut, als du, sein Alter zu vergessen?
    Du setzest dich noch gern, wo du sonst gern gesessen,
    Und hörest jetzt noch gern dem muntern Jüngling zu.
    Ach! wer betrügt mich mehr um meine Zeit, als du
    Und deine freundlichen Niecen!

         O möchtest du von unsern Tändelei´n
    noch lange eine Zeugin seyn!
    O möchtest du durch ein beglücktes Leben
    Uns lange noch die Lehre geben:
    Bis an das Grab uns zu erfreun!
    Erlebe wenigstens das erste Jubeljahr
    Der neu verbesserten Kalender *
    Dies wünschet dir ein Freund, der niemals ein Verschwender
    Von seinen guten Wünschen war.

    __________
    * Anno 1699, welches das Geburtsjahr dieser Dame war, wurde der verbesserte
        Kalender durch einen Reichsschluß eingeführt.

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    I m   N a m e n   I h r e r   K a i s e r l .   H o h e i t
    der
    Großfürstin Anna von Rußland
    da Sie auf einem Ball zum Geburtstag Ihrer Durchlauchtigsten Frau Mutter als Titania erschien.


    Da heute die Natur um deinen Ehrenbogen
    Ein neuverlebtes Jahr gezogen,
    Komm ich von Weitem her mit kindlichem Vertraun,
    Vererhrteste der Mütter und der Frau´n,
    Als gute Fee in deinen Arm geflogen.
    Du weihtest mich zu Elfenkönigin
    Durch Edelmuth und heitern Sinn,
    An deinem Busen eingesogen;
    Wohl mir, wenn ich es würdig bin.
    Ein muntres Herz ist doch der klügste Tischgenosse
    Des Lebens! — Lenket eine Posse,
    Ein leichtes Gaukelspiel, ein Horn von Elfenbein
    Nicht Herzen of zum glücklichsten Verein?
    Es töne heut´ im väterlichen Schlosse
    Nichts, als das Horn des guten Oberon.
    Wer fühlt nicht seinen Einfluß schon?
    Ich tanz´ als Fee mit meinem Trosse
    Voran nach seinem Zauberton.

         Und Alles tanze mit; der Kluge wie der Tolle
    Freu´ unsrer Fürstin sich und zolle
    Aus seinem Potpourri mit freundschaftlicher Hand
    Ein Körnchen Weihrauch unserm Opferbrand.
    Sein eignes Herz belebe seine Rolle!
    Der Blöde nur, dem jeder Lorberkranz
    Das Blut vergällt, und Fürstenglanz
    Nur eitle Schminke scheint — der trolle
    Sich fort aus unserm Elfentanz.

    * * * * * * *
     

    I n   d a s   S t a m m b u c h
    der
    M a d a m e   H e n d e l
    in Bezug auf ihre mimischen Vorstellungen zu Gotha den 17. Januar 1810.


    Welch Auge saugt nicht gern an deinem Blick voll Seele,
    Wenn du von deiner Höh´ auf uns herniederstrahlst,
    Und was die Dürer einst, und was die Raphaele
    Erschufen, sinnlicher uns malst! —
    Wer möchte nicht mit dir ins Empyreum streben,
    Nicht aus den Schlacken unsrer Zeit
    Ins Dunkel der Vergangenheit
    Auf deinem Lichtstrahl überschweben! —
    Warum ließ die Natur, was deiner Kunst gelingt,
    Mir nie auf meiner Bahn das liebliche Erschrecken
    Und jenes Schaamgefühl entdecken,
    Das deinen Busen hebt, der mit der Unschuld ringt,
    Wenn du der Botschaft horchst, die dir der Engel bringt. *
    Denn hätte solch ein Weib je meinem Blick gesessen
    Auf einem Rasen oder Thron —
    Ich fürchte, sträflich und vermessen
    Hätt´ ich dann selbst des Seraphs Mission
    Und um ein menschliches erseufztes Botenlohn
    Des Himmels Glorie vergessen.

    __________
    * Als Maria bei der Verkündigung.

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    B i t t e   e i n e s   L i e b h a b e r s
    an
    seine junge Geliebte
    mit der er schon einige Zeit versprochen war.


    Du übertreibst, o Freundin meiner Jugend,
    Den Reiz der Scham und Sittsamkeit,
    Und in dem Fieber deiner Tugend
    Betrügst du dich um Glück und Zeit.
    Wie lange willst du noch, wie lange
    Das treu´ste Bild der Ehe fliehn,
    Und mir zur Qual im kurzen Uebergange
    Vom Fräulein bis zur Frau — verziehn? —
    Du hörst mich nicht? Geliebteste! so höre
    Doch deiner ersten Mutter Rath,
    Sie, die das Maas der jungfräulichen Ehre
    Am richtigsten gemessen hat.
    Als sie der Herr mit jedem Reiz umgeben,
    Der dich jetzt schmückt; ins Leben rief,
    Bewahrte sie dies jungfräuliche Leben
    So lange nur, als Adam — schlief.

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    An den
    Besitzer eines schönen Landgutes
    bei Gelegenheit einer verunglückten Beschreibung davon.


    Mein Freund, wer Staxens Ode liest,
    In der er jüngst dein Tusculum geschildert,
    Der denket Wunder, wie verwildert
    Der Pindus und dein Landgut ist.

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    Das gleiche Glück der Ehe.


    Es theilten Matz und Adelheide
    Stets unter sich Verdruß und Freude;
    Jung lachte sie bei seinem Gram,
    Er lachte, da ihr Alter kam.

    So rechnet man in unserm Lande
    Sehr oft das Glück im Ehestande.
    Wenn sie verliert, gewinnt der Mann,
    Der sonst verlor, wenn sie gewann.

    * * * * * * *
     

    An ein Fräulein
    bei Ueberschickung
    d e r   e r s t e n   A u s g a b e   d e r   W i l h e l m i n e   1 7 6 4 .


         In einem Städtchen voller Zwang,
    Dem Sitz verjährter Kleinigkeiten,
    Wo Lust und Scherze zu verbreiten
    Es keinem Dichter noch gelang,
    Wagt´ ichs aus Einsamkeit und sang.

         Der Gott, der über alle Herzen
    Mit unumschränkter Macht, früh oder spät regiert,
    Der, im Gefolg´ von leichten Scherzen,
    Bald Helden, bald Pedanten führt;
    Der Gott der Jugend und der Liebe,
    Und Herr der freudigsten Natur,
    Den ich dir gern, nach meinem Triebe,
    So reizend, wie er ist, beschriebe,
    Erlaubte mir dein Mund es nur;
    Der war es, der mir Lust und Feuer
    Zu diesem Heldenlied verlieh.
    Er zeigte mir ein Abenteuer,
    Ich spielt´ es kühn auf meiner Leier,
    Und ohne Kunst und ohne Müh,
    Zum Spotte der Pedanterie.

         Doch hab´ ich auch erhabn´re Thoren,
    Schön, reich, geputzt und hochgeboren,
    Die Lieblinge der großen Welt,
    Dem schwarzen Helden zugesellt,
    Den ich zum Gegenstand erkoren.
    Und so entstand dies lachende Gedicht;
    Ich übergabs der Welt, und untersuchte nicht,
    Ob ich auch Dank dafür verdiene.

    Belohnest du es nur mit einer frohen Miene,
    Du, meine Freundin! die der jüngsten Muse gleicht.
    So ist mein ganzer Wunsch erreicht.

    * * * * * * *
     

    An eine junge Prinzessin
    bei der Ueberschickung
    d e r   f ü n f t e n   A u s g a b e   d e r   W i l h e l m i n e .


    Dem Zirkel deines Hofs, dem fürstlichen Turniere
    Der um dich Kämpfenden und ihren Schmeichelein
    Gottlob! einmal entschlüpft zu seyn,
    Wie fröhlich ladest du am heimlichen Klaviere
    Dein schönes Herz dir zur Gesellschaft ein!
    Du glaubst dich unbehorcht — allein
    Schon klopfet leis ein Finger an die Thüre.
    „Ist´s meine Schwester? nur herein!"
    Doch da erscheint ein Weib im tiefsten Trauerputze
    Von grauem Zeug, verbrämt mit schwarzem Flor.
    Ihr unbekannt Gesicht blickt schüchtern, unterm Schutze
    Vergelbter Brüßler Kanten, vor.
    Um deiner Robe Saum zu küssen
    Wirft sie sich schnell zu deinen Füßen,
    Will sprechen, aber inn´re Scham
    Droht ihre Stimme zu ersticken,
    Sie stottert — Du wirst roth und fragst mit sanften Blicken:
    Was ist zu ihrem Dienst, Madam?
    Dein Wort ermuntert sie — Sie seufzt, ach ich verdiene
    Kaum diesen holden Blick — denn, Gnädigste, ich bin
    Die weltbekannte Wilhelmine.
    Auch nannten mich — Gott weiß in welchem Sinn —
    Die Pagen oft die kleine Marschallin.
    „Ganz recht, Madame, man hat von Ihrem Leben
    „Am Hof, ich war noch Kind, mir mancherlei erzählt,
    „Was eben nicht — Sie werden mir vergeben —
    „Ihr Lob enthielt" — Ach Gott! gerade dieses eben
    Ist das, was mich am Meisten quält.
    Der Jugend Leichtsinn, ich gestehe
    Es schamroth, hatte mich bis zu der Zeit bethört,
    Da mich ein Mann, der Sie als seine Göttin ehrt,
    Zum stillen Uebergang ins Heiligthum der Ehe —
    Es geht ins zehnte Jahr — bekehrt.
    Wie viel verdank ich ihm! Er bracht´ aus dem Getümmel
    Des Hofes mich zurück aufs Land,
    Und so ward ich, geführt von seiner Hand,
    Des Pastors Hausfrau — Gott im Himmel
    Vergelt´ es ihm einmal in seinem Ehestand!
    Dort lebt´ ich nun in meinem frommen stillen
    Beruf — zwar kinderlos — und dennoch gern dem Willen
    Des besten Mannes unterthan;
    Doch dieser liebe beste Mann
    Starb, eh´ ich mich´s versah, vor etwa vierzehn Tagen,
    Und hinterließ mir nichts in dieser Zeitlichkeit
    Als Bücher, Predigten und Klagen.
    „Madam, Ihr Schicksal thut mir leid,
    „Dem Seligen ist wohl; entschlagen
    „Sie ihn sich aus dem Sinn. — Ihr knappes Wittwenkleid
    „Steht Ihnen gut und — mit Vernunft und Zeit
    „Läßt solch ein Unglück sich ertragen —
    „Allein, darf ich noch einmal fragen,
    „Was suchen Sie bei mir — ein Zehrgeld — einen Mann?"
    O nein, Durchlachtigste, mir drückt ein schönrer Plan
    Das Herz bald ab — „Nun gut; darf ich ihn wissen,
    „So reden Sie doch nur." — Wohlan!
    Um sittsam, fromm und froh mein Leben zu beschließen,
    Wünscht´ ich — gleich einer Heiligen zu Füßen, —
    Der himmlisch reizendsten Prinzessin mich zu nah´n.
    Vergessen Sie an Wilhelminen
    Den schwachen Theil von ihrem Lebenslauf.
    Ach nähm´ in Ihnen mich die Tugend wieder auf,
    Wie treu würd´ ich der Tugend dienen.
    Der junge Herr, dem ich zuerst die Wiederkehr
    Zum Guten danke, ist auch der,
    Der mich zu Ihnen schickt! er gab mir im Vertrauen
    Den Wink, es sey bei Ihren Kammerfrauen
    Seit gestern eine Stelle leer.
    Bewerbe, Mienchen, dich um diesen Platz, sprach er,
    Denn unter Ihren himmelblauen
    Gewölbten Augenpaar zu leben — zu ergrauen,
    Wo ist am ganzen Hof ein Ehrenplatz, der mehr
    Belohnend, durch sich selber, wär´?
    „Gut, Frau Magisterin — ich helfe gern — zur Probe
    „Mag es denn seyn — ich hoff´ Ihr ehrliches Gesicht
    „Soll halten, was es mir verspricht."
    Dank, edle Fürstin, Dank! „Schweig Sie von meinem Lobe,
    „Geh Sie in meine Garderobe
    „Und störe Sie mich weiter nicht!"

    * * * * * * *
     

    P  r  o  l  o  g
    Im Namen eines jungen Prinzen
    bei der
    Vorstellung eines deutschen Schauspiels
    an dem
    G e b u r t s t a g e   s e i n e r   F r a u   S c h w e s t e r .


    Der Freundschaft Band, geliebte Schwester,
    Verbindet mich mit dir noch fester
         Als selbst die Bande der Natur!
    Besäß dein Herz nicht achtungswerthe Triebe,
    So schenkt´ ich dir, als Bruder selbst, statt Liebe
         Betrügerischen Wohlstand nur.
    Allein welch großes Glück ward mir in dir gegeben,
    Als du, der Unschuld gleich, an meine Seite kamst,
    Und, unbekannt mit dir, ein hoffnungsvolles Leben
         Mit süßem Lächeln übernahmst.
    Dem Tage folgte schnell die Menge froher Stunden,
    Die mir so unbemerkt an deiner Hand verschwunden,
         Die Freuden unsers Kinderspiels,
    Die muntern freundlichen Geschenke
    Der Jugend, die ich oft zur Ehre des Gefühls
         Als gegenwärtig mir noch denke.
    Und jetzt — da dein gebildet Herz
    Mir deines Umgangs Reiz erweitert,
    Dein richtiger Verstand mit fein durchwebtem Scherz
         Auch trübe Stunden mir erheitert —
    Jetzt seh´ ich erst mein Glück in der Vollkommenheit
         Und kann von meiner Zärtlichkeit
         Mit brüderlichem Stolze sprechen.
    Die Zeit hat sie genährt, und niemals soll die Zeit
         Dies wohl genährte Feuer schwächen.
    Er müsse nie dem Tag, der mit so vielem Werth
    Für mein empfindend Herz, der heute wiederkehrt,
         Ihm müsse keine Freude fehlen
    Von so viel reizenden, die uns die Unschuld läßt.
    Wie gern möchte´ ich, o Schwester, für dein Fest
         Die reizendste für dich erwählen.
    Mit Lächeln sah´st du stets die Scenen unsrer Welt
    Nach der Natur gemalt, im Kleinen vorgestellt;
         Es ist die Neigung feiner Seelen.
    Genug Beruf für mich! Allein wagt nicht vielleicht
    Mein Eifer allzuviel — Ach eines Garricks Ehre,
    Die deiner Einsicht würdig wäre,
    Und einer Clairon Ruhm, ist nicht so bald erreicht.
    Wir rechnen sehr auf nachsichtsvolle Blicke;
    Doch denk´ ich — Ist das Herz nur erst zur Lust gestimmt,
    So hebt es wohl ein Stück zu einem Meisterstücke,
    Was oft ein Prinzipal von mäßigem Geschicke
    Mit Marionetten unternimmt.

    * * * * * * *
     

    Das Glück der Liebe.


         Das Schicksal zeigte mir jüngst auf zween blumigten Wegen
    Der Lieb´  und Weisheit mir winkendes Glück;
    Wähl´ Eines! sprach es. — Ich ging sogleich der Weisheit entgegen,
    Doch sah´ ich immer nach Doris zurück.

         Sie ging mir schüchtern vorbei, dem schlauesten Amor zur Seiten;
    Er aber, der meine Wünsche verstand,
    Wie listig wußt´ er sie nicht durch manchen Umgang zu leiten;
    Bis sie an meiner Seite sich fand!

         Jetzt wär´ mein Schicksal getäuscht! Mit unaussprechlichen Blicken
    Dankt´ ich´s dem Amor, der mächtiger ist;
    Dank sey´s dem Amor! — Was gleicht der Liebe sanftem Entzücken,
    Das man im Wege der Weisheit genießt!

    * * * * * * *
     

    Der Zweifler.


    Die beste Weisheit ist, nach der die Zweifler trachten:
    Mir schenkt sie wenigstens den wichtigsten Gewinn.
    Ich bin nicht mehr so stolz die Thoren zu verachten,
    Steitdem ich zweifeln muß, ob ich ein Weiser bin.

    * * * * * * *
     

    Der Heldentod.


    Kolomnus starb als Held, hört! was er überwand:
    Durch Laster sein Gefühl, durch Bosheit den Verstand.

    * * * * * * *
     

    An eine deutsche Dichterin.


    Ein goldnes Saitenspiel entfiel Apollens Hand,
    Es tönte durch die Luft noch drei Mal und verschwand.
    Von dem Olymp beklagt, sieht Amor es verschwinden,
    Fliegt nach, durchsucht die Welt, und weint, und kann´s nicht finden.
    Der himmlische Verlust lag in bemosten Gründen,
    Wo Phyllis weidete, die ungesucht es fand.


     

    * * * * * * *
     

    Der Besuch.


    Batill besuchte mich; zu Ehren
    Des gütigen Besuchs gab mir mein Dämon ein,
    Mit ihm ein Glas Burgunderwein
    Auf gute Freundschaft auszuleeren.
    Jetzt ist er nun mein Freund — allein
    Wie dauert mich mein Wein — mein Wein!

    * * * * * * *
     

    Auf einen Rekruten zur Reichsarmee.


    Hier liegt Johann, der als Rekrute starb.
    Wär´ nicht der Narr aus Furcht vor seinem Tod gestorben,
    Er hätte sich gewiß so vielen Ruhm erworben,
    Als sein Herr Oberster erwarb.

    * * * * * * *
     

    An des
    Herrn Erbprinzen von Mecklenburg=Strelitz Durchlaucht.
    1805.


    Indeß dich, junger Fürst, die milde
    Poetische Natur umfloß,
    In deren lachendstem Gefilde
    Virgils Idyllen=Hain entsproß,

    Warf ich, erwärmt kaum von der Sonne
    Des rauhen Nordens, manchen Blick
    Nach jener mir an der Garonne
    Verstrichnen Jugendzeit zurück.

    Ich träumte von den Feiertagen,
    Wo gründlicher, als selbst Ovid,
    Mir Sanchez die Gewissensfragen
    Der Liebe vortrug und entschied.

    Ich träumte mich zu dir hinüber
    Und glaubt´ in dir bald den Mäcen,
    Bald mit den Grazien der Tiber
    Den scherzenden Horaz zu sehn.

    Mit dir sah ich aus Roma´s Trümmern
    Die Glorie der alten Zeit
    Die Hochaltäre überschimmern,
    Die Borgia´s Geschlecht entweiht.

    Erzürnten dich nicht die Verächter
    Der Lebensweisheit, und vergabst
    Du mir nicht gern mein Hohngelächter
    Auf den unfehlbar weisen Pabst?

    Der blind jedoch für tollen Glauben
    Die erste Fürstenpflicht verkennt,
    Wenn er die Tauber von den Tauben,
    Die Mönche von den Nonnen trennt;

    Der betend um des Lands Gedeihen
    Den Fortgang des Gedeihens hemmt,
    Wenn seine Fluth von Litaneien
    Die Gärten Latiums verschwemmt.

    Preis sey den Herrschern nur, die neben
    Dem Thron der Armuth Hütten baun,
    Nicht ihr dem Staat geweihtes Leben
    Kalender=Heiligen vertraun!

    Die statt ihr Land in Klosterketten
    Zu schlagen, es zum Auferblühn
    Mit Bürgerschulen, Ehebetten
    Und Waizensaaten überziehn.

    Der Fleißige, der den Befehlen
    Der Frömmler horcht, dient nur der Schmach,
    Bestellt sein Feld nur Kardinälen
    Und seinen Kindern liegt es brach.

    Verehrter, gleichgestimmter Bruder
    Von dreien Huldinnen! warum
    Gab dir nicht Gott das Steuerruder
    Von Petri Patrimonium?

    * * * * * * *
     

    An Ihro Königl. Hoheit
    die Churprinzessin von Hessen
    die den Autor, als er eben in Berlin war, zu seinem Geburtstage im Mai 1807, mit einem Rosenstocke beschenkte.


    Der Rosen reizendste im heimischen Gefilde
    Bog´ heut ihr blühend Haupt mit königlicher Milde
    Auf einen Dornenstrauch entfernter Flur herab. —
    Dieß, Fürstin, ist dein Bild, das meinem Schattenbilde
    Den längst verschwundenen Glanz der Jugend wiedergab!
    O möchten sie, die jetzt dein abgezognes Leben
    Als Knospen deines Stamms mit Lieb und Trost umgeben,
    Zu einem Siegeskranz der überwundnen Zeit
    Aufs Herrlichste einander angereiht,
    Einst deinem grauen Haar die Rosen wiedergeben,
    Die du so huldvoll einem Greis geweiht.
    Durch seinen Nebel sieht er ihre Strahlen beben;
    So wie das Abendroth dem Pilger Kraft verleiht
    Zu dem, der ihn gelabt, den Blick noch zu erheben,
    Und nun mit Dankgefühl und süßen Trunkenheit
    Fort über Berg und Thal zu schweben
         Zum Ruhpunkt aller Müdigkeit.

    * * * * * * *
     

    Der Vogelsteller.


    Die Liebe und der Vogelsang
         Sind ziemlich einerlei,
    Es lockt der männliche Gesang,
         Er lockt — er lockt
    Vögel und Mädchen herbei.

    Sie achten ihre Schwäche nicht,
         Denn ihre Herzen sind
    In jugendlicher Zuversicht
         Betäubt — Betäubt
    Liebevoll, fröhlich und blind.

    Zwar bei dem ersten Ausflug ist
         Das Vögelchen verzagt,
    Hält jeden Laut für Hinterlist
         Wohin, wohin
    Es seine Flügelchen wagt.

    Doch hüpft es bei dem zweiten Flug
         Mit jubelndem Geschwätz
    Von Baum zu Baum und dünkt sich klug,
         Und hüpft, und hüpft
    Dem Vogelsteller ins Netz.

    * * * * * * *
     

    Des Jägers Abendlied.


    Was such ich in den Wäldern auf?
         Ist es das scheue Wild?
    Es ruhe! denn in meinem Lauf
         Umschwebt mich nur dein Bild.

    O wenn in gleichem milden Licht
         Das meine dir erschien,
    Du würdest — ach! du würdest nicht
         Des Jägers Anblick fliehn.

    Der, von der Sehnsucht Bangigkeit
         Ergriffen, und gedrückt
    Von Ahnungen, durch Raum und Zeit
         Dir nach, zum Himmel blickt.

    Er spendet Frieden aus. Warum
         Ward nicht auch mir ein Theil?
    Ist die Natur für mich nur stumm,
         Ihr Gipfel mir zu steil? —

    Ob schon der Mond die Wolken theilt,
         Zertheilt er doch den Schmerz
    In meinem Herzen nicht; es heilt
         Das Grab nur solch ein Herz;

    Das, als es brach, ins Thal der Ruh
         Dein Bild hinüber trug —
    Und dieses Herz verschmähtest du,
         Als es für dich noch schlug!

    * * * * * * *
     

    Romanze
    im Namen und zum Vortheil eines reisenden Jägers, der auf einem Jahrmarkt ein ungewöhnlich großes Hirschgeweihe für Geld sehen ließ.


    Hier prunkt, ihr Weiber kommt herbei
         Mit euren Bettgenossen,
    Ein ungeheures Hirschgeweih
         Von zwei und siebzig Sprossen.

    Nie hat es einen Hirsch geschmückt,
         Es ward mit allen Enden
    Auf eines Jünglings Kopf gedrückt
         Von zauberischen Händen.

    Es ging so zu. Ein Edelmann
         Voll Liebesglut, mit Namen
    Aceton, war hold zugethan
         Dem Muster keuscher Damen.

    Als sie als Reisende erschien,
         Fragt´ er in allen Thoren,
    Wo kommt sie her, wo will sie hin,
         Was hat sie hier verloren?

    Das Wort fiel ihm kaum ins Gehör,
         Sie werde hier verweilen,
    So schwur er, lüstern, etwas mehr,
         Als Luft, mit ihr zu theilen.

    Ihr Anblick war ihm nicht genug,
         Er brannte für Verlangen,
    Dieß fremde Wild, so schön, so jung
         In seinem Garn zu fangen.

    Doch nie konnt´ er auch noch die Spur
         Von ihrem Gang ertappen,
    Sie ging, vorsichtiger Natur,
         Ihm immer durch die Lappen.

    Er malte sich die Finger lahm
         An Bildern seiner Schmerzen;
    Allein, ich weiß nicht wie es kam,
         Es ging ihr kein´s zu Herzen.

    Nun aber, horcht auf! was geschah,
         Und wie, eh´ ers gedachte,
    Ein Zufall ihn nur allzunah
         In ihren Zauber brachte.

    An einem Hundstag sehnte sich
         Das schöne Kind ins Frische,
    Warf einen Shawl nur um, und schlich
         In abgelegne Büsche.

    Dieß hielt der junge Kavalier
         Für ein gefundnes Zeichen,
    Mit aller Hitze der Begier
         Der Fremden nachzuschleichen.

    Bald sah er — und der Anblick drang
         Ihm bis ins Mark der Hüften —
    Die kleine Schöne ohne Zwang
         Ihr enges Mieder lüften.

    Er trippelte zum nächsten Bach
         Ins Bad, sobald die letzte
    Umhüllung fiel, die tausendfach
         Des Himmels Strahl ersetzte.

    Kein Mädchen mehr, als Cynthia
         Blinkt sie nun auf dem Sande
    Des Bachs. Doch eh´ sie sichs versah,
         Stand ihr Amant am Rande.

    Unmöglich war ihr, auf Einmal
         So Vielerlei zu decken;
    Denn fern vom Ufer lag ihr Shawl
         Bei ihren Unterröcken.

    Doch bald griff sie im höchsten Grimm
         Zu ihren Himmelswaffen,
    Stand glänzend still und ließ von ihm
         Sich, wie sie war, begaffen.

    Bis sie ihn tauft´ und rief: „Nun lern´
         Fortan bescheidner handeln;
    Es ist ein Spaß, euch junge Herrn
         In Thiere zu verwandeln.

    „Gleich einem Hirsch trag ein Geweih
         Auf deinem Scheitel prächtig,
    Und jedes Weib in Zukunft sey
         Desselben Zaubers mächtig!"

    Kaum fühlt´ er seinen Schmuck, so fühlt´
         Er auch davon das Gute;
    Denn Hirschhorn ganz vortrefflich kühlt
         Die Wallungen im Blute.

    Nun hatt´ er weiter keine Lust
         Am Bache zu verweilen;
    Er lief und fing aus hohler Brust
         Erbärmlich an zu heulen.

    Halb Mensch, halb Hirsch, fühlt überall
         Der Arme sich verlassen —
    Wie will auf einem Karneval
         Ein Domino ihm passen?

    Könnt´ er der menschlichen Vernunft,
         Die ihm noch blieb, entsagen,
    Vielleicht wär´ er zur Zeit der Brunst
         So sehr nicht zu beklagen.

    So aber ging´s ihm gar zu schlimm
         Bei Schmäusen und Visiten:
    Wohin er kam, da ließ man ihm
         Hof, Stadt und Land verbieten.

    Kein seidner Strumpf, kein Gallakleid,
         Kein Orden stand ihm ferner; —
    Jetzt macht das wenig Unterscheid,
         Mit — oder ohne Hörner.

    Für Gram starb drauf das edle Thier
         Bei seinen Anverwandten;
    Auf seinem Nachlaß haben wir
         Sein Hirschgeweih erstanden.

    * * * * * * *
     

    Pygmalion
    an eine
    junge liebenswürdige Wittwe 1807.


    Gelockt von Künstler=Ehre
         Zu süßerm Lohn,
    Träumt´ es mir jüngst, ich wäre
         Pygmalion.

    Kein Träumer ist verlegen
         Um sein Modell,
    Auf Morpheus sanften Wegen
         Kommt es ihm schnell.

    Auch rief ich kaum: erscheine
         Cecilia!
    So stand auch schon das meine
         Im Fluge da.

    Längst war sie meinen Sinnen,
         Im Schlaf zumal,
    Von ächten Huldgöttinnen
         Das Ideal.

    Mit ihr darf auch nicht bange
         Dem Bildner seyn;
    Denn sie ist ja schon lange
         Nicht mehr von Stein.

    Um ihren Körper schwebet
         Kein Reiz, der nicht,
    Von Amors Hauch belebet,
         Zur Seele spricht.

    Das Herz hoch zu begeistern,
         Das für sie schlägt,
    War ihr von größern Meistern
         Längst eingeprägt.

    Wie meißelten, wie feilten
         Sie die Natur,
    Bis sie ihr Grund ertheilten
         Zur Politur.

    Sie freuten sich der Flimmer,
         Die sie verlor;
    Doch brach der holde Schimmer
         Der Brust kaum vor,

    Als durch Gefühl belehret,
         Wie schwer sie wog,
    Sie zur Natur gekehret,
         Der Kunst entflog.

    Wie glich sie da der Rose,
         Die eingezwängt
    Als Knöspchen, ihre lose
         Umwebung sprengt,

    Und sich am Abend wundert,
         Wie Blatt an Blatt
    Dieß Knöspchen an die Hundert
         Entfaltet hat.

    Voll gleicher Jugendfülle
         Erträumt ich Sie
    Im Mondschein, den zur Hülle
         Die Nacht ihr lieh.

    Und auf der Stufenleiter
         Der Schönheit stieg
    Mein Blick, bis sie ihm weiter
         Nichts mehr verschwieg.

    Bis, wie im Morgenglanze
         Ein Frühlingstag,
    Zuletzt vor mir die ganze
         Vollendung lag.

    Für meine Künstleraugen
         O welch ein Reich,
    Um Nahrung einzusaugen,
         Den Bienen gleich!

    Ach als in diesem warmen
         Verlobungsstaat
    Sie, fertig zum Umarmen,
         Mir näher trat;

    Auch ich aus dem Gedränge
         Der Freuden mich
    Durch ihre Blumengänge
         Wie weit verschlich;

    Und ich dem Götterweibe
         Am Busen fiel,
    Da, da — doch ich beschreibe
         Vielleicht zu viel.

    Denn Ihr ward nichts verschoben
         In meinem Traum;
    So fest schien sie gewoben
         Aus Luft und Schaum,

    Als ob sie jüngst dem Meere
         Durch Zauberei
    Der Liebe, wie Cythere,
         Entstiegen sey.

    Doch bald sah ich mit Staunen,
         Was ich gesehn,
    Bis an die Augenbraunen
         In Nebel stehn;

    Der, als er immer dichter
         Mein Aug´ umzog,
    Es um die schönsten Lichter
         Der Kunst betrog,

    Ein hoher Seelenadel
         Verbarg als Schild
    Ihr über allen Tadel
         Erhabnes Bild.

    Im heiligsten Erbeben
         Bat ich um Kraft,
    Mich aus dem Staub zu heben
         Der Leidenschaft.

    Ich ward erhört; mein Fieber
         Ging allgemach
    In stille Erfurcht über,
         Indem sie sprach:

    „Freund! hast du zum Beschauen
         Mich hercitirt,
    Sag´ ich dir im Vertrauen
         Ins Ohr: mich friert.

    „Selbst Venuspriester werfen,
         Ob´s ihnen fremd
    Gleich dünkt, doch um Minerven
         Ein Panzerhemd.

    „Wenn ich, ihr gleich an Größe,
         Hier vor dir steh´,
    Denkst du noch an die Blöße
         Der Galathee?

    „Willst du mich zum Modelle
         Der Freundschaft — Nun
    Komm mit, an ihrer Quelle
         Wünsch´ ich zu ruhn.

    „Dort kannst du Blumen pflücken
         Soviel du willst,
    Bis du auf deinem Rücken
         Mein Körbchen füllst."

    Sie sprachs, und weggeräumet
         War Amors Tand,
    Mein Traum war ausgeträumet
         Und sie verschwand.

    Und ich erwachte schneller,
         Als lieb mir war,
    Sah´ immer, immer heller
         Und endlich klar.

    Warf zu des Urbilds Füßen
         Mich ungesäumt,
    Den Frevel zu verbüßen,
         Den ich geträumt.

    Seitdem bei edlen Scherzen
         Ihr Bundsgenoß,
    Nehm´ ich das Wort zu Herzen,
         Das ihr entfloß.

    Und sing vor ihrer Büste
         (Wie einst Ovid
    An Pontus schwarzer Küste)
         Mein Fastenlied.

    Doch oft, wenn unserm Bunde
         Der Tag entweicht,
    Mich manche Schäferstunde
         Umsonst beschleicht;

    Von ihrem Trauerschalle
         Das Ohr mir gellt,
    Und mir es däucht, ich walle
         Zur Unterwelt;

    Säh´ schon, vom Sturm ergriffen,
         Auf Lethens Fluß
    Mich Armen überschiffen
         Zum Tartarus;

    Wo von dem Licht geschieden
         Man die sogar
    Vergißt, die ach! hienieden
         Uns alles war;

    Dann leitet sie den Kranken,
         Der Rettung fleht,
    Zum Luftsalz der Gedanken
         Und zur Diät;

    Stärkt ihn mit Trostgefühlen
         Aus der Natur,
    Und freuet sich der kühlen
         Gelungnen Kur.

    Ein Kuß auf ihre Wange
         In Plato´s Sinn,
    Ist, wenn ich ihn erlange,
         Dann mein Gewinn.

    So philosophisch labend
         Sieht sich mein Geist
    Sogar am längsten Abend
         Rein abgespeist.

    Zwar zög´ ich, dürft´ ich wählen,
         Der Liebe Rausch
    Beim Austausch unsrer Seelen
         Gern mit zum Tausch,

    Und löscht´ in Amors Becher
         Der Sinne Brand,
    Schlüg´ sie ihn nicht dem Zecher
         Schnell aus der Hand.

    Doch käm´ sie meinen Blicken
         Einst nur so nah,
    Als ich sie voll Entzücken
         Im Träume sah.

    Ich tränk´ ihn zum Willkommen
         Der Freundin leer,
    Wenn ich nicht zu beklommen
         Vor Andacht wär´.

    * * * * * * *
     

    Das entflogene Haar.

    An ebendieselbe.


    Dank sey dem Schutzgeist meines Lebens,
    Der mir ein Heer von Phantasien
    Und leichtes Blut, nicht ganz vergebens,
    Zu meines Alters Trost verliehn.

    Wie schlau versteckt er nicht am Stege
    Zum Grabe mir den Uebergang
    Durch treue Blumen seiner Pflege,
    Durch Liebe, Freundschaft und Gesang!

    Es segnete mit edlem Muthe
    Mich die Natur. Aus Muttersinn
    Warf sie jedoch dem höhern Gute
    Noch eine Kinderklapper hin.

    „Nimm diesen Talismann zur Reise
    „Des Lebens mit, und fühlst du dich,"
    Sprach sie, „zu traurig und zu weise,
    „So wend´ ihn an und denk an mich."

    Wie lieb und durch Versuch bewähret
    Mir dieß Geschenk geworden sey,
    Geliebte Freundin, das erkläret
    Dir schon mein Hang zur Tändelei.

    Drum lass´ ich die Gedankenfeste
    Gern dem, der sie verdauen mag,
    Ess´ meinen Kohl, und spar die Reste,
    Wenn er mir schmeckt, zum andern Tag.

    Drum werf ich nur den kleinen Engeln
    Der Freude meine Küsse zu,
    Und laß die Welt mit ihren Mängeln
    Und ihrer Prahlerei in Ruh.

    Drum wünscht´ ich nie ein Ordenszeichen
    Als eins von dir: Glück über Glück,
    Ein Zephyr im Vorüberstreichen
    Ließ es auf meiner Brust zurück.

    Ein einzeln Haar der vollen Kette,
    Das leis, als sie dein Busen wog,
    Auf Amors Hauch, gleich einer Klette
    Zu meinem Lorbeer überflog.

    Laß es der Stunde mich verweben,
    Wo ich, dem Krater allzunah,
    Vor Glut im Auge das Entschweben
    Des dunklen Fünkchens übersah.

    Kein Stäubchen, das im Tanz der Horen
    Sich hebt und durch die Lüfte streift,
    Kein Haar ist, das nicht unverloren
    Ins große Rad des Schicksals greift.

    Ein Apfel trieb aus Edens Schranken
    Das Glück der Welt. Ein klügrer fiel
    Vor Newtons Fuß und trieb Gedanken
    Des größten Sehers an sein Ziel.

    Er ließ ihn das Gesetz erklären,
    Das in dem Liebesraum der Welt
    Die größern und die kleinern Sphären
    Durch Druck und Gegendruck erhält.

    So ward er ihm zur Himmelsleiter;
    O würde dein entfallnes Haar
    jetzt mir, was jenem Sternendeuter
    Ein abgefallner Apfel war!

    Dann zög´ ich es den Kostbarkeiten
    Der Kirche vor, die Josephs Bart
    Als Spielwerk der Gebenedeiten
    Zu Saint=Denis im Glas verwahrt.

    * * * * * * *
     

    In das Stammbuch der Fräulein Hofdame von L...

    während ihres Aufenthaltes zu Erfurt in der merkwürdigen Zeit der Zusammenkunft mehrerer gekrönter Häupter daselbst im Oktober 1810.


    Vom Gaukelspiel der großen Welt ermüdet,
    lag ich im Arm des Schlafs; doch dießmal schien es kaum
    Der Rede Werth, durch welchen Traum
    Er mir des Tages Last vergütet.
    Denn was er mühsam ausgebrütet,
    Genau betrachtet, war nur Schaum.
    Ich sah, Gott weiß, auf welchen Thron erhoben,
    Gefällig auf mein Volk herab
    Und führte, ohne mich zu loben,
    Vortrefflich den Komandostab.
    Kein Mädchen funkelte in Mieder und in Roben,
    Das nicht zu allen Liebesproben
    Sich willig meinem Wink ergab.
    Mit einer Schaar von Rittern stolz umgeben,
    Den Mücken gleich, die sich durch einen günst´gen Wind
    Zum nächsten Sonnenstrahl erheben,
    Und unbesorgt, warum sie leben,
    Den Menschen nur beschwerlich sind:
    Bläht ich mich, im Genuß, den großen Herrn zu machen,
    In höchster Selbstzufriedenheit;
    Doch bald nachher, auch war es hohe Zeit,
    Hieß mich mein guter Geist erwachen,
    Und das Phantom von meiner Herrlichkeit
    Vorflog mir unter lauter Lachen.
    Der wahre Genius, der längst schon an dem Tand
    Des Hofs sich sattgesehn, ergriff nun meine Hand
    Mit brüderlicher Treu, und führte
    Mich einer Huldin zu, bei der ich bald empfand,
    Daß ich nicht träumte, noch regierte,
    Die durch ihr Mitgefühl im zartesten Verband,
    Mit Anmuth, Frohsinn und Verstand
    Mein wachgewordnes Herz berührte,
    Die aber mir, ach nur zu bald! verschwand.
    Doch, um den Abstand zu entscheiden
    Vom wirklichen und vom erträumten Glück,
    Ließ doch mein Genius von beiden
    Mir die Erinnerung zurück.

    * * * * * * *
     

    Gespräch.


    A.       Das deutsche Ordenskreuz? wenn du´s erlangen kannst,
    Wär´ freilich gut für dich und deinen faulen Wanst,
    Um ohn´ ein lästig Weib und eheliche Erben
    Der Tode sanftesten zu sterben.
    Doch, unter uns, zählt dein Geschlecht
    Auch so viel Ahnen, als der Orden
    verlangt —
                        B.     Wie, zweifelst du? Ist eins wohl noch so echt
    Im ganzen deutschen Reich? so alt, so stiftsgerecht?
    Schon vor fünfhundert Jahr´n ist es beschworen worden,
    Daß einer, der mein Schild und meinen Namen trug,
    Zu Kaiser Albrechts Zeit sich zu der Rotte schlug,
    Der es gelang, ihn zu ermorden;
    Das, dächt´ ich, wär´ Beweis genug.

    * * * * * * *
     

    Der Leser des Horaz.


    Marull greift zum Horaz im Drang der Langenweile,
    Er schlägt ihn gähnend auf und liest
    Empfindungsvoll die goldne Zeile:
    Wohl dem, der fern von den Geschäften ist. *
    __________
    * Beatus ille, qui procul negotiis.

    * * * * * * *
     

    Gespräch.


    A.
    Warum so traurig, Freund! darf ich die Ursach wissen?

    B.
    Mein toll gewordner Hund hat meine Frau gebissen.

    A.
    Gott! und sie starb?

    B.
                                  Pah, Pah, sie ist nur zu gesund.
    Wer an dem Biß starb, war der Hund.

    * * * * * * *
     

    An einen Arzt in sein Stammbuch.


    Wär´ nicht Apoll mein Schutzgott, o wie würden
    Nicht meine Tage freundenleer entfliehn!
    Als Seelenarzt stärkt er durch süße Harmonien
    Den Geist — und, wenn ihn körperliche Bürden
    Verstimmen, hat er stets als Gott der Medicin
    Aus seiner Dienerschaft den treusten mir geliehn.
    Trifft es so glücklich mir, wie es bis jetzt getroffen,
    So fürcht´ ich keinen Aschenkrug;
    Ich darf Unsterblichkeit mehr als kein Dichter hoffen
    Und ohne optischen Betrug.

    * * * * * * *
     

    In das

    Stammbuch einer jungen Fräulein

    aus einem aufgehobenen Kloster.


    Dich zog der freche Krieg aus einer Klostermauer
    In die belebt´re froh´re Welt,
    Gleich einer Nachtigall, die aus dem finstern Bauer
    Ein Sturmwind in das Freie schnellt.
    Das Vöglein fühlt sein Glück, wie unter Siegespalmen
    Fliegt es von Baum zu Baum gesangreich durch die Flur.
    Ahm´ seinen Frohsinn nach, und singst du ja noch Psalmen,
    So sey´s im Tempel der Natur —
    Mit diesem frommen Wunsch gibt dir beim Uebergange
    Des lauten Carnevals zur stillen Einsamkeit
    Ein Feind von allem Klosterzwange
    Im Namen Gottes sein Geleit.

    * * * * * * *
     

    In das

    Stammbuch eines reisenden Russen.


    Der Mensch ist überall der Leidenschaften Spiel;
    Du sahst auch hier so manchen Zeitverschwender,
    Der Klugen wenige, der Thörichten so viel,
    Weil der verbesserte Kalender
    Nicht klüger macht, als der nach altem Styl.

    * * * * * * *
     

    Aufschrift

    auf das

    Grabmal des Ministers von Rothkirch

    zu Robdenitz im Altenburgischen.


    Das Samenkorn, das er als Vater, Freund und Gatte,
    Als Staatsmann und als Christ auf seine Bahn gestreut,
    Gedeih dem Redlichen zu Ernten, und beschatte
    Den Weg ihm zur Unsterblichkeit.

    * * * * * * *
     

    Auf dessen Frau Gemahlin.


    Sanft war der Uebergang, der ihre Lebensreise
    Nach treuerfüllter Pflicht der Ewigkeit verband;
    Umstrahlt von Tugenden, entwich sie unserm Kreise,
    Der Abglanz blieb, nur die Gestalt verschwand.

    * * * * * * *
     

    In das Stammbuch von Dorchen Weisse. *

     —  —  —

    Sonneborn ** im Mai 1795
    __________
    * Dieses liebenswürdige Mädchen starb in der Blüthe ihrer Jahre, bald nach dem Ableben ihres würdigen und berühmten Vaters.
    * Landgut des Verfassers.
     

    Du, die sonst nur
         dem Mäuschen glichst! —
    Die Mutter=Flur
         Nie überschlichst! —

    Wagst, trotz dem Wink
         Der Häuslichkeit,
    Dich jetzt so flink,
         Wer weiß, wie weit.

    Vom Gott des Lichts
         Verführt, eilst du
    Dem schönen Nichts
         Der Dichtkunst zu.

    Dein Album in
         Der kleinen Hand,
    Wirbst du Gewinn
         Für den Verstand;

    Störst überall
         Im raschen Lauf
    Lied, Madrigal
         Und Oden auf,

    Und legst mit Wahl
         Und feinem Plan
    Ein Kapital
         Von Reimen an.

    Ach ihnen zog
         Dein jüngres Ohr
    Den Dialog
         Der Schwalben vor.

    Zu früh, wenn sich
         Dein Halstuch hob,
    Erschreckte dich
         Des Kukucks Lob.

    Du hörtest gern
         Zur Mittagsruh,
    Den Leierern
         Der Sümpfe zu.

    Kein Nötchen war
         Das dir entging,
    Vom Kautz und Staar
         Und Aemmerling;

    Bis, wenn die Uhr
         Der Wachtel schlug,
    Dich die Natur
         Zu Bette trug.

    Doch seit dein Wahn
         Frisch weg entschied,
    Dein Kikelhahn
         Sey kein Ovid,

    Stürmst du den Berg
         Des Helikon,
    Nach jedem Zwerg
         Von Musensohn,

    Und fängst jetzt gar
         Im Dichterhain,
    Aus ihrer Schaar
         Den Schlausten ein,

    Den keine Fee,
         Dir ähnlich, schreckt,
    Den keine je
         Umsonst geneckt.

    Kind, du verkennst,
         Was bei der Jagd
    Auf dieß Gespenst
         Ein Mädchen wagt!

    Paßt dein Gehör
         Wohl an das Horn
    Des Dorf=Homer
         Von Sonneborn?

    Den Kindern hold,
         Die jung und schön
    Noch nicht im Sold
         Der Liebe stehn,

    Verlockt er sie
         Von Sinn zu Sinn,
    Man weiß nicht, wie?
         Weiß nicht, wohin?

    Sieh nur! Beschlich
         Sein Lied dein Herz,
    Verstrickte dich
         In Witz und Scherz;

    Zög´ Phantasie
         Und blauen Dunst
    Der Harmonie
         In seine Kunst;

    Zög´ auf der Spur
         Wo Psyche fiel,
    Zög´ die Natur
         Mit in sein Spiel;

    Prägt alles Gift
         Der Schmeichelei´n
    Mit Flammenschrift
         Dem Herzen ein;

    Und seine Hand
         Gäb´ dir Geleit
    In´s Feenland
         Der Sinnlichkeit,

    Aus dessen Bucht
         Kein Talisman,
    Nicht als die Flucht
         Erretten kann,

    Wo manche hier
         Empfindungskrank
    Als Opferthier
         Der Dichtkunst sank:

    Wie würdest du,
         Die immer klug
    Ein Herz voll Ruh
         Im Busen trug,

    Das keinen Schlag,
         Seit es sich regt,
    Als im Vertrag
         Der Unschuld schlägt,

    Wie würde jetzt
         Das arme Herz,
    Zurückgehetzt
         Von Dichter=Scherz,

    Sich athemlos
         Der Jagd entziehn,
    Und in den Schooß
         Der Mutter fliehn!

    Wie würd´ ihr Mund
         Dir mit dem Hohn
    Des Vaters und
         Des Bruders drohn!

    Ihr Mund verklagt
         Dich wohl schon itzt,
    Da dich die Jagd
         Umsonst erhitzt.

    „Sag´ an geschwind,"
         Ruft sie — „Erklär´
    „Von wann Kind
         „Spazierst du her?

    „Sieh, wie dein Hut
         „Verschoben ist,
    „Das, weiß ich, thut
         „Kein Prosaist."

    Umsonst daß du
         Dein Köpfchen drehst,
    Sie winkt dir zu
         Und du gestehst,

    Gestehst, es sey
         Dein Morgensang
    Nur Dudelei
         Und Ohrenzwang;

    Mein Lied, ein Span
         Glut für den Herd,
    Sey ohne Plan
         Und ohne Werth,

    Und schwörst, für ihn
         Werd´ ewig dein
    Sing=Magazin
         Verschlossen seyn.

    Die Mutter nimmt
         Das Wort: „Ist schon
    „Das Lied verstimmt,
         „So hat´s doch Ton,

    „Sey froh, daß es
         „Die Wendung nahm,
    „Nichts Schlimmeres
         „So nah dir kam;

    „Denn Männerhirn
         „Und Dichterwuth,
    „Steht nie der Stirn
         „Der Mädchen gut.

    „Und hast du nicht
         „Schon oft gehört,
    „Was das Gedicht
         „Von Daphne lehrt?

    „Apollo bat,
         „Die Schöne floh;
    „Nach meinem Rath
         „Macht´s jede so.

    „Der Musengott
         „War hitzig — Doch
    „Ihr leichter Trott
         „Entschlüpft ihm noch.

    „Doch hat sie ihn
         „Vor ihrer Flucht,
    „Um zu entfliehn
         „Nicht erst gesucht.

    „Was du nun bist
         „Verweiset klar,
    „Wenn man ermißt
         „Was Daphne war."

    Dank sey der Frau,
         Die dich erzog,
    Sie wägt genau
         Was ich erwog.

    Lohnt meinen Sang
         Und hebt sein Nichts
    Bis zu dem Rang
         Des Lehrgedichts.

    * * * * * * *
     

    Gebet eines redlichen Vaters

    am Vermählungstage

    s e i n e r   g e l i e b t e n   T o c h t e r .  *

    Im December 1801.

    __________
    * Natalie von Thümmel mit dem Freiherrn Karl von Thüngen auf Thüngen.
     

    Du, der in ewiger Ferne
         Nie seiner Schöpfung entschwand,
    Und mit dem Flimmer der Sterne
         Das Herz des Menschen verband;
    Du, der den Kreislauf der Triebe
         In festem Fortgang erhält,
    Und sich in Seelen von Liebe
         Als seinem Spiegel gefällt;

    Der, auch im Jubel der Chöre,
         Des Sängers Lied nicht verschmäht,
    Das Liebe hauchet — erhöre
         Jetzt eines Vaters Gebet.
    Du, der, damit es verglimme,
         Kein Herz zum Daseyn erschuf,
    Gib deine segnende Stimme
         Zu meinem menschlichen Ruf!

    Denn sieh´, jetzt führen die Horen
         Der Ahnherrn Leiter herab,
    Ein Paar, dem Endzweck erkoren,
         Der es dem Weltraume gab;
    Es horcht dem Weihungsgesange
         Der Aeltern, staunend wie sich
    Sein Herz, in ähnlichem Drange,
         Leis in ein andres verschlich.

    Triumph! Jetzt nehmen die Stunden
         Einsamen Lauschens die Flucht,
    Sie haben sich freundlich gefunden,
         Sie, die einander gesucht,
    Ein Erbe männlicher Güte,
         Mit Kraft zur Tugend erfüllt,
    Und eine Jungfrau — in Blüthe
         Der Nachtviolen gehüllt.

    Wohl dann, ihr Suchenden, rettet
         Euch aus dem Pfad ohne Spur
    In euren Luftkreis —  verkettet
         Euch fest dem Ring der Natur;
    Daß, wenn ja Stürme des Lebens
         In euerm Staubgang entstehn,
    Sie nie des ersten Ergebens
         Geheimes Flüstern verwehn.

    Daß eurer blühenden Ehe,
         Von keinem Nachtfrost verletzt,
    Mehr als ein Sprößling erstehe
         Der, am Gefühl, euch ersetzt,
    Der als ein Fruchtbaum sich hebe,
         Und, in des Lebens Gebiet,
    Sich einer Nachwelt verwebe,
         Die seine Senker erzieht.

    Mögt ihr, in Einklang, den Reigen,
         Der Gottes Veste durchwallt,
    In Symphonien ersteigen,
         Wenn dieses Leben verhallt;
    In euern Enkeln noch rufen:
         „Ihr, uns Umringenden, ach!
    „Lebt, liebt und folgt auf den Stufen
         „Genützter Menschheit uns nach!"

    * * * * * * *
     

    Der

    Schulze und die Gemeine zu Ketschendorf

    an dem Geburtstage der regierenden

    Frau Herzogin von Sachsen=Coburg und Saalfeld.

    Den 19. Jenner 1801.


    Des Fürsten Hoheit, der sich größer
         als seine Nebenmenschen fühlt,
    Wird in den Mauern seiner Schlösser
         Durch manchen Wind bald abgekühlt,
    Und sucht dann ländliches Gedeihen
         In Hütten auf, und hört, wie wir,
    Den Kuckuck zehnmal lieber schreien,
         Als zweimal seinen Hoffourier.

    So lehrte die Natur, Auguste!
         Auch dich die Wissenschaft verstehn,
    Dem unbelohnten Zeitverluste
         Der Etiquette zu entgehn;
    Wie gern folgst du aus dem Gewühle
         Des stolzen Audienzgemachs
    Der Lockung froherer Gefühle
         Zum Schatten eines Leimendachs.

    Hier, wo aus ihrem stillen Bette
         Die Itz befruchtend sich ergießt,
    Und mit der schönsten Blumenkette
         Dein kleines Ketschendorf umschließt:
    Hier steigt oft aus dem niedern Grase
         Dein Herz zu geistigem Genuß,
    Wie Herschel hinter seinem Glase
         In das Gebiet des Uranus.

    Hier eilen deine Seherblicke
         Der Hoffnung deiner Kinder nach:
    Du siehst in mütterlichem Glücke,
         Daß jedes hält, was es versprach;
    Hier sehnt dein Auge sich nach Annen, *
         Sieht sie im Geiste, wie sie noch
    Als Kind — als Julchen — unsre Tannen
         Nach einem Schmetterling durchkroch.
    __________
    * Die an den Großfürsten Constantin vermählte Prinzessin von Coburg.

    Auch sie, im Sitze ihres Glanzes,
         Wird dieses Festes sich erfreun,
    Zum Schmucke deines Ehrenkranzes
         Auch ihr Vergißmeinnicht dir weihn,
    Und kindliche Gebet´ entschweben,
         Und strömen Heiterkeit ins Land,
    Für deine Wohlfahrt, für dein Leben
         Dem Itzgrund und der Newa Strand.

    Von allen Freuden ist nicht eine,
         Die mir nicht heute, in Bezug
    Auf deinen Jahrstag, die Gemeine
         Dir auszukramen übertrug.
    Ja, ja, die guten Leute fragen
         Ihr Herz wohl — aber keins erwägt,
    Welch eine Last von Ohrenplagen
         Für dich sein Herz mir überträgt.

    „Ist er schon klüger nicht und jünger,
         „Als wir," hör´ ich die Schöppen schrein,
    „Muß doch als Schulz´ er Ueberbringer
         „Der Wünsche unsrer Dorfschaft seyn;
    „Und trägt er Scheu mit seiner Stirne
         „Voll Runzeln sich dem Hof zu nahn,
    „So schieb´ er Natteln, * seine Dirne,
    „Mit ihrem Tragkorb nur voran."
    __________
    * Natalie von Thümmel, damals Hofdame bei Ihro Durchlaucht der Frau Herzogin von Coburg. Als Tochter des Autors, der den Schulzen vorstellte, überbrachte sie die Geschenke der Gemeine.

    * * * * * * *
     

    Empfindungen eines alten Astrologen

    an dem Geburtsfeste

    Ihrer Kaiserl. Hoheit der Frau Großfürstin Maria Paulowna

    Erbprinzessin zu Sachsen=Weimar.

    Den 16. Februar 1810.


    Hygea wiegte dich, dir lächelte Cythere,
    Der Atropos entfiel an jenem Tag die Schere,
    Der dich ins Leben rief. Dir reichte das Geschick
    Der Czaaren Diadem. Doch alle Kaiserehre
    Hielt nicht dein Herz von dem Begehre
    Nach einem Myrthenkranz auf Weimars Flur zurück,
    Der dir den Reiz des Morgensterns gewähre
    Und auf dem Gang zur lieblichsten Mystik
    Die Schatten um dich her verkläre.
    Dein schönes Leben liegt vor meinem Seherblick,
    Wie zu Arkadien ein duftend Blumenstück
    In seiner eigenen Atmosphäre.
    Was könnt´ ich die von Zeus — gält in der Sternenlehre
    Sein alten Ansehn noch — zu so viel Erdenglück
    Mehr als Bestand erflehn? Wenn ich der Mufti wäre,
    Fleht´ ich´s vom Mahomet, und ständ´ ich im Verkehre
    Mit Roms verjagtem Greis, fleht´ ich als Katholik
    Es von den Puppen aller Hochaltäre;
    Doch da nun bald mein Stern auf Luthers Lichtgang mich
    Gen Himmel führen wird, zu den geheimen Räthen,
    Die etwa droben sind, wirksamer dann hoff´ ich
    Des Volkes Stimme dort, und deines mütterlich
    Gerührten Herzens, zu vertreten;
    Und zu der Rebe, die schon deinen Karl und dich
    Umrankt, noch einen Sproß der Liebe zu erbeten,
    Als keiner markiger, auf Deutschlands Erdenstrich,
    Der Würde seiner Abkunft glich,
    Und der, nach euern spat erreichten Ruhestätten,
    Fortkeimend, wie die Saat auf Edens Blumenbeeten,
    Nicht früher, als die Welt, verblich.
    Noch schweift mein leiblich´ Aug´ in die azurne Ferne,
    Noch freut es sich des Tags, der heute mich bescheint,
    Sieht wie die bunte Welt, sieht wie das Chor der Sterne
    Zu meinen Wünschen sich vereint.
    Ihr Zeugniß steht mir auf die Brust geschrieben,
    Nah hat der Hesperus dem frostigen Planet,
    Den wir bewohnen, mit den Trieben
    Uns zu erfreu´n und uns zu lieben,
    Sich deinem Feste zugedreht;
    Der Sonne Kern wirft auf sie Beide
    Fruchtspendend sein erhabnes Licht,
    Und Hoffnung einer nahen Freude
    Färbt ihr erröthendes Gesicht.
    Denn, treten seiner Gluth die zwei Geschwister näher,
    Wie heute, strömt Gedeihn ins Land,
    Und jeder fromme Sternenseher
    Drückt seinem Bruder froh die Hand.
    Täuscht mich nicht meine Himmelskarte
    Und alle Sternendeuterei,
    Glaub ich, daß schon der längst erharrte
    In seine Bahn getreten sey,
    Und selbst der Mönch auf Gotha´s Warte
    Stimmt meiner schönen Ahnung bei.

    * * * * * * *
     

    An Elise.

    1 7 8 4 .


    Hat die Natur zu deiner Wahl, Elise
         Dir ihre Gärten aufgethan;
    So wies sie mir nur Blümchen von der Wiese
         Zum Spielwerk meiner Jugend an.

    Da wand ich Kränze für die andern Götter,
         Die mir Anakreon besung,
    Den Scherzen streut´ ich frischgebrochne Blätter,
         Und dürre der Erinnerung;

    Indeß du täglich neue Rosen findest,
         Seh´ ich auf meine Erntezeit
    Bertrübt zurück — du erntest fort — und windest
         Dir Kronen der Unsterblichkeit.

    * * * * * * *
     

    Geringer Beitrag zu der autographischen Sammlung

    der Frau Gräfin Constanze Rzewuska

    geborne Prinzession Lubomirska.


         Aus dieser Schrift, die, im Vergehn
    Des Lebens, noch ein Greis geschrieben,
         Wird ein Lavater kaum erspähn,
    Wie treu der Frohsinn ihm geblieben.

         Vernehmt denn, wie es ihm gelang,
    Aus seiner ungeschminkten Beichte,
         Daß er die Grillen durch Gesang,
    Die Heuchelei durch Spott verscheuchte.

         Jung schmückt´ ihn schon ein Blumenkranz,
    Den die leichtfüßigste der Horen
         Von ungefähr, im Ringeltanz
    Mit seinem Genius, verloren.

         Hinwelkend, durch die Zeit bestaubt,
    Blieb dieß ertändelte Geschmeide
         Sogar noch seinem grauen Haupt
    Ein Denkmal einst genoßner Freude.

         „Wenn mir der Horen letzte ruft,
    „Mag er, wie Tausend seines Gleichen,"
         So sprach der Greis, „an meiner Gruft
    „Noch als ein Todtenkranz verbleichen."

         Einst aber warnt ein Nachtgesicht
    Ihn, wie ein Faulthier fortzuwandern:
         „Welkt dir dein Kranz — o nun so flicht
    Das Schicksal dir wohl einen andern."

         „Dich locke deutscher Rittergeist
    „Ins Feld, wo Hermanns Lorbeer sprießen,
         „Um dich dem Frühlingssänger Kleist
    „Und seinem Nachruhm anzuschließen."

         Auch hielt es aus der Heldenzeit
     — Des Greises Ehrtrieb zu erregen —
         Ihm sein aus der Vergangenheit
    Ererbtes Mordgewehr entgegen.

         Allein sein weiches Herz entsprach
    Zu wenig diesen Hochgefühlen;
         Ihm graut, sich Kronen durch die Schmach
    Des Vaterlandes zu erwühlen.

         „Mich soll nicht jenes Traumgebild,"
    Schwur er, „zum Waffenspiel verführen;
         „Aus Menschenliebe würd´ ich Schild
    „Und Schwert, wie einst Horaz, verlieren."

         Kaum hatt´ er dieß geträumt, erschien
    Ihm Mars, gefolgt von trunknen Schergen,
         Es flohn die Grazien, für ihn
    Blieb nicht ihr Schatten, sich zu bergen.

         Umsonst fleht´ er um ihren Schutz,
    Sie zittern, als ob ein Fieber
         Sie überfallen, voller Trutz
    An dem betroffnen Greis vorüber.

         „Du, der als Jüngling schon so frei
    „Und keck dich gegen uns benommen,
         „Jetzt suchst du, riefen alle drei,
    „Zuletzt bei uns dein Untertkommen.

         „Geh deine Straße! Müßten wir
    „Uns nicht vor Welt und Nachwelt schämen,
         „Solch einen dreisten Passagier
    „In unsre Mitte aufzunehmen?"

         Der Greis, verwundet durch den Stich
    Des Chors mit blanken Schwanenhälsen,
         Nahm seufzend seinen Stab und schlich
    Hin zu Apollos Doppelfelsen.

         Des Zutrauns lächelnd wies er ihm
    Ein Plätzchen an in seinen Hallen;
         „Hier wird dich nicht der Ungestüm
    „Der Plündrer," sprach er, „überfallen!

         „Zu leicht ist ihnen Dichtersold,
    „Ja, sie verkauften, den fünf Sinnen
         „Zum Hohn, für eine Hand voll Gold
    „Das ganze Chor der Pierinnen.

         „Vergiß den Störer uns´rer Ruh,
    „Sammt allen Siegen, die ihn krönen,
         „Und eile den Triumphen zu,
    „Die deine Jugendzeit verschönen.

         „Auf Flügel der Erinnerung
    „Schwing dich zu Margots Kinderspielen,
         „Werd´ in Gedanken wieder jung
    „Und täusche dich mit Nachgefühlen.

         „Dem Tauber kann nie, wenn er girrt,
    „Ein Feldgeschrei zu Ohren dringen,
         „Und Kinder, wenn ihr Fenster klirrt,
    „Verjagen ihre Furcht durch Singen.

         „Zum Ueberfluß reicht die Natur,
    „Des Traums Verheißung zu erfüllen,
         „Dir Cäsars Kranz, er diente nur,
    „Um seinen Kahlkopf zu verhüllen.

         „Ein solcher Hauptschmuck," spöttelt er,
    „Der Blößen deckt, ist unsern Tagen
         „Sehr passend und weit räthlicher
    „Als einen Reiherbusch zu tragen."

         Der launige Apoll entschied;
    Der Greis verjüngte sich durch Lieder
         Der Freude, drum schallt auch sein Lied
    So gern an frohe Herzen wieder.

    Franzenbrunn, den 22. August 1811.