B r i e f
an
H e r r n v o n B o s e ,
als er aus Frankreich nach Italien reiste.
Im Jahre 1764.
Freund, da dich nun der Tugend sichre Hand
Aus Frankreich führt, dieß überhäufte Land
Von Kunst und Weisheit und von Thoren,
Wo oft das beste Herz, der gründlichste Verstand
Zum Leichtsinn überging, und wo dein Vaterland
Schon manchen Redlichen verloren:
So danke Gott, daß du der feinen List
Der Buhlerei entgingst, daß deine fromme Seele,
Von Spöttern nicht verführt, noch werth der Freundschaft
ist;
Und freue dich, und überzähle
Der Laster große Schaar, der du entgangen bist!
Gleich wie ein wilder Geist in dem Gewächs des Rheines,
*
Nach Gallien verpflanzt, den Vorzug unsres Weines,
Die echte deutsche Kraft erstickt —
Es reift ein süßes Gift an ungetreuen Stöcken,
Das unsre Nerven reizt, um Wollust zu erwecken,
Gesunde nur berauscht, und Kranke nicht erquickt —
So wird des Leichtsinns Geist, der mit dem stolzen Namen
Der großen Welt, den schwachen Deutschen rührt,
Auf manches Jünglings Herz, erstickt der Tugend Samen;
Der Dämon, der uns reizt, das Fremde nachzuahmen,
Hat manchen Glücklichen zu einer Bahn verführt,
Die in das Labyrinth des Unglücks sich verliert.
Der Tugend Schatz, den mancher in dem Lande,
Das ihn erzog, mit langem Ruhm bewahrt,
Vertauscht er mit dem Preis der Schande,
Um Frankreichs neue Lebensart.
Wohl dem, der so, wie du, die Tugend kennt
und liebt,
Und sich durch ein Geschäft, das er mit Wollust übt,
Die frohste Zukunft zubereitet!
Der, heiter ohne Stolz, die Zahl der Weisen mehrt,
Selbst, wo er Kenntniß sucht, durch seinen Wandel lehrt,
Bald in der Wahrheit stärkt, bald zu der Wahrheit leitet!
Du, den Orestens Glück dem Herzen
zugeführt,
Das deinen Werth erkennt und immer neu gerührt,
Den Vorzug seines Glücks empfunden,
Entziehe dich, o Freund! nicht länger meiner Brust.
Seit du dich ihr entzogst, leb´ ich nur im Verlust,
Und kenne keine heitern Stunden.
Schon manchen Tag sah ich mit blassem Gram entstehn,
Und, ohne Freundschaft hingeschmachtet,
Von meinem Herzen selbst verachtet,
Ins Grab der Jugend untergehn.
Du, dessen weises Herz kein´ fernes Land
verändern,
Und keins beglückter machen kann,
Wie wendest du in jenen Ländern
Den Vorzug deiner Jugend an!
Du siehest die Natur in einem andern Plan,
Der Künste Fall in eingestürzten Mauern.
Wenn diese Neigung dich nur glücklich machen kann,
Freund, Freund, wie bist du zu bedauern!
Verlaß den Wahn! der Tugend höchster Lohn,
Die Lieb´ erwartet dich in deinem Vaterlande.
Du gleichest stets dem edlen Grandison
An Tugend, an Gefühl und an Religion;
O gleiche bald ihm auch an Glück´ im Ehestande!
Bekannter mit der Welt und ihrer Freuden satt,
Wird dir dein Vaterland die süßeste noch gönnen.
Denn sollte nicht das Land, das dich erzogen hat,
Auch eine Biron bilden können?
Nur sey die Liebe nicht so grausam deiner Ruh,
Und führe dir zuvor mit der beredten Mine
Der Freundschaft, eine Klementine
Von Wälschlands Schäferinnen zu!
Dem Jünglinge zum Unterrichte,
Der seine Neugier nährt, sein zärtlich Herz vergißt,
Schrieb Richardson die rührende Geschichte
Des Helden, der ein Muster ist.
Welch ein Zusammenhang von Schmerz,
Ergoß sich nicht auf die sonst heitern Tage
Des tugendhaften Manns! die Quelle seiner Klage
War Klementine und sein Herz.
O stelle sie dir doch im Bilde
Mit allem Reiz der Unschuld dar,
Die freudig, rührend, sanft und milde,
Nein wie der Glanz, den einst auf Edens Luftgefilde
Das erste Morgenroth gebar,
Auf ihrer Stirn gezeichnet war;
Und denke, wie sich nun in ihren edlen Blicken
Um ihres Freundes Wohl der Schwermuth Zähre mischt,
Die seine Hand mit traurigem Entzücken,
Von ihren blassen Wangen wischt,
Die in der Blüthe schon, den Rosen gleich, ersticken,
Wenn sie der Sonne Strahlen drücken,
Und kühlend sie kein West erfrischt.
Denk´ ihren Reiz, wenn nun der Trost gekränkter Tugend
Mit ihrer Schönheit sich vermengt,
Und kühn die Unschuld ihrer Jugend
Den ungerechten Schmerz verdrängt;
Wenn Ruhe sie beglückt — So lächelt
Die junge Ros´ in schöner Mattigkeit,
Wenn in der schwülen Mittagszeit
Ein West erwacht, der sie umfächelt —
Und wenn sich nun in dir ein edles Mitleid regt,
So unterdrück´ es nicht und bleibe gern bewegt,
Und gönne mir den Vorzug dich zu rühren!
Bald fürchte Grandisons Geschick.
Durch einer Klementine Blick
Ein freies Herze zu verlieren,
Bald sprich zu dir: Vielleicht, daß in dem Augenblick
Ein Hargraf Anstalt macht, mein mir bestimmtes Glück,
Mir meine Biron zu entführen,
Und laß dich dann durch ihre Klagen rühren,
Und komm´ zu ihrem Schutz zurück!
Ich seh im Geiste schon dein Glück,
Wenn dein gerührtes Herz mit freudigem Erschrecken
Aus seiner Einsamkeit erwacht,
Wenn dir die Tugenden, mit Jauchzen, die entdecken,
Die dir die Liebe zugedacht;
Wenn dein Verstand den Beifall nicht versaget,
Um den dein bittend Herz ihn fraget;
Wenn ihres Umgangs Reiz, wenn jeder Tag dich lehrt,
Sie sey der Zärtlichkeit, die du ihr schenktest, werth.
Wie selig wirst du seyn, wenn durch beredte Zeichen
Ihr Herz verräth, wie zärtlich es dich liebt!
Und, Freund, wer wird an Glück dir gleichen,
Wenn sie sich deiner Brust ergiebt,
Und glücklich ist, weil sie dich liebt?
Ich seh´ noch mehr, o Freund, ich seh mit nassen Blicken,
Wie von stets wachsendem Entzücken
An deiner Freundin Brust dein Herze überfließt;
Wie eure Sorge nur einander zu beglücken,
Und euer Leben Segen ist;
Wie du mit ihr vereint, durch eine lange Reihe
Beglückter stolzer Jahre gehst,
Durch immer gleiche Lieb´ und Treue,
In kurze Stunden aufgelöst;
Und wie ein Alter voller Freude
Euch überrascht, wenn um euch Beide
Ein Heer zufriedner Kinder lacht;
Wie eure Lust an ihren jungen Freuden,
Im Alter selbst es euch unmöglich macht
Der Jugend Jahre zu beneiden,
Die ihr so selig hingebracht;
Und wie dein Blick auf die verflossnen Stunden,
Die du jetzt lebst, zurücke schaut,
Und dann das Glück, das du anjetzt empfunden,
Der Tugend Glück, den Jüngling noch erbaut,
Den Gott als Sohn dir anvertraut.
Weissagend theil´ ich, Freund, in diese frohe Scenen
Die Folge deines Lebens ein.
Oft will ich, wirst du einst dich der Erfüllung freun,
Der Ahnung meiner Brust erwähnen,
Und immefort beglückt in deiner Freundschaft seyn;
Und manches Dankgebet, vermischt mit Freundenthränen,
Für dies mein Glück dem Höchsten weihn.
__________
* Es ist bekannt, daß der erste Champagner von
den Reben entstanden ist,
die von dem Rhein nach der Champagne gebracht
worden.
* * * * * * *
A n e i n e
D a m e
bei ihrem zwei und siebenzigsten Geburtstage
Du, die im Alter ohne Klage
Auf deine viel durchlebten Tage
Mit Heiterkeit zurücke blickst;
In keiner Assemblee verloren,
Als wärest du mit uns geboren,
Dich gern in unsre Zeiten schickst;
Du, die auch in verschiednen Wettern,
Der Rose gleich, von hundert Blättern,
Nur Blatt vor Blatt, nicht auf einmal verblühst,
Und ohne Neid, den Liebesgöttern,
Manch hübsches Knöspchen erst erziehst,
Sey mir in deinen grauen Haaren,
In deinen zwei und siebzig Jahren,
Ehrwürdige! sey mir gegrüßt!
Wenn uns nebst allen seinen Leiden
Ein schweres Alter übereilt,
Uns niederwirft und unsre Freuden,
Von denen wir so ungern scheiden,
An die Meistbietenden vertheilt;
Wenn wir nunmehr erfahren müssen,
Wie sich das Glück der Liebe dreht,
Und das verjährte Recht zu küssen
An jüng´re Erben übergeht;
Wenn die Natur für andre Schönen
Das Roth von unsern Wangen nimmt,
Und Niemand mehr zu unsern Tönen
Mit süßen Sympathien stimmt;
Wenn unsre Freunde selbst veralten,
Und nur der Arzt vertraulich mit uns spricht,
Und statt der lächelnden Gestalten
Der jungen Herrn, der Husten und die Gicht
Jetzt ihre Wachen bei uns halten:
Dann ist es Kunst, die uns entflohne Zeit
Nicht einer Untreu anzuklagen,
Und noch, wie du, ein Herz voll wahrer Munterkeit
Und voller Scherz herum zu tragen,
Und lachend bei dem Kuß der Jüngeren zu sagen:
Es ist doch Alles Eitelkeit!
Wer weiß so gut, als du, sein Alter zu
vergessen?
Du setzest dich noch gern, wo du sonst gern gesessen,
Und hörest jetzt noch gern dem muntern Jüngling zu.
Ach! wer betrügt mich mehr um meine Zeit, als du
Und deine freundlichen Niecen!
O möchtest du von unsern Tändelei´n
noch lange eine Zeugin seyn!
O möchtest du durch ein beglücktes Leben
Uns lange noch die Lehre geben:
Bis an das Grab uns zu erfreun!
Erlebe wenigstens das erste Jubeljahr
Der neu verbesserten Kalender *
Dies wünschet dir ein Freund, der niemals ein Verschwender
Von seinen guten Wünschen war.
__________
* Anno 1699, welches das Geburtsjahr dieser Dame war,
wurde der verbesserte
Kalender durch einen Reichsschluß
eingeführt.
* * * * * * *
I m N a m e n
I h r e r K a i s e r l . H o h e i t
der
Großfürstin Anna von Rußland
da Sie auf einem Ball zum Geburtstag Ihrer Durchlauchtigsten
Frau Mutter als Titania erschien.
Da heute die Natur um deinen Ehrenbogen
Ein neuverlebtes Jahr gezogen,
Komm ich von Weitem her mit kindlichem Vertraun,
Vererhrteste der Mütter und der Frau´n,
Als gute Fee in deinen Arm geflogen.
Du weihtest mich zu Elfenkönigin
Durch Edelmuth und heitern Sinn,
An deinem Busen eingesogen;
Wohl mir, wenn ich es würdig bin.
Ein muntres Herz ist doch der klügste Tischgenosse
Des Lebens! — Lenket eine Posse,
Ein leichtes Gaukelspiel, ein Horn von Elfenbein
Nicht Herzen of zum glücklichsten Verein?
Es töne heut´ im väterlichen Schlosse
Nichts, als das Horn des guten Oberon.
Wer fühlt nicht seinen Einfluß schon?
Ich tanz´ als Fee mit meinem Trosse
Voran nach seinem Zauberton.
Und Alles tanze mit; der Kluge wie der Tolle
Freu´ unsrer Fürstin sich und zolle
Aus seinem Potpourri mit freundschaftlicher Hand
Ein Körnchen Weihrauch unserm Opferbrand.
Sein eignes Herz belebe seine Rolle!
Der Blöde nur, dem jeder Lorberkranz
Das Blut vergällt, und Fürstenglanz
Nur eitle Schminke scheint — der trolle
Sich fort aus unserm Elfentanz.
* * * * * * *
I n d a s S t
a m m b u c h
der
M a d a m e H e n d e l
in Bezug auf ihre mimischen Vorstellungen zu Gotha den
17. Januar 1810.
Welch Auge saugt nicht gern an deinem Blick voll Seele,
Wenn du von deiner Höh´ auf uns herniederstrahlst,
Und was die Dürer einst, und was die Raphaele
Erschufen, sinnlicher uns malst! —
Wer möchte nicht mit dir ins Empyreum streben,
Nicht aus den Schlacken unsrer Zeit
Ins Dunkel der Vergangenheit
Auf deinem Lichtstrahl überschweben! —
Warum ließ die Natur, was deiner Kunst gelingt,
Mir nie auf meiner Bahn das liebliche Erschrecken
Und jenes Schaamgefühl entdecken,
Das deinen Busen hebt, der mit der Unschuld ringt,
Wenn du der Botschaft horchst, die dir der Engel bringt. *
Denn hätte solch ein Weib je meinem Blick gesessen
Auf einem Rasen oder Thron —
Ich fürchte, sträflich und vermessen
Hätt´ ich dann selbst des Seraphs Mission
Und um ein menschliches erseufztes Botenlohn
Des Himmels Glorie vergessen.
__________
* Als Maria bei der Verkündigung.
* * * * * * *
B i t t e e i
n e s L i e b h a b e r s
an
seine junge Geliebte
mit der er schon einige Zeit versprochen war.
Du übertreibst, o Freundin meiner Jugend,
Den Reiz der Scham und Sittsamkeit,
Und in dem Fieber deiner Tugend
Betrügst du dich um Glück und Zeit.
Wie lange willst du noch, wie lange
Das treu´ste Bild der Ehe fliehn,
Und mir zur Qual im kurzen Uebergange
Vom Fräulein bis zur Frau — verziehn? —
Du hörst mich nicht? Geliebteste! so höre
Doch deiner ersten Mutter Rath,
Sie, die das Maas der jungfräulichen Ehre
Am richtigsten gemessen hat.
Als sie der Herr mit jedem Reiz umgeben,
Der dich jetzt schmückt; ins Leben rief,
Bewahrte sie dies jungfräuliche Leben
So lange nur, als Adam — schlief.
* * * * * * *
An den
Besitzer eines schönen Landgutes
bei Gelegenheit einer verunglückten Beschreibung
davon.
Mein Freund, wer Staxens Ode liest,
In der er jüngst dein Tusculum geschildert,
Der denket Wunder, wie verwildert
Der Pindus und dein Landgut ist.
* * * * * * *
Das gleiche Glück
der Ehe.
Es theilten Matz und Adelheide
Stets unter sich Verdruß und Freude;
Jung lachte sie bei seinem Gram,
Er lachte, da ihr Alter kam.
So rechnet man in unserm Lande
Sehr oft das Glück im Ehestande.
Wenn sie verliert, gewinnt der Mann,
Der sonst verlor, wenn sie gewann.
* * * * * * *
An ein Fräulein
bei Ueberschickung
d e r e r s t e n A u s g a b e
d e r W i l h e l m i n e 1 7 6 4 .
In einem Städtchen voller Zwang,
Dem Sitz verjährter Kleinigkeiten,
Wo Lust und Scherze zu verbreiten
Es keinem Dichter noch gelang,
Wagt´ ichs aus Einsamkeit und sang.
Der Gott, der über alle Herzen
Mit unumschränkter Macht, früh oder spät regiert,
Der, im Gefolg´ von leichten Scherzen,
Bald Helden, bald Pedanten führt;
Der Gott der Jugend und der Liebe,
Und Herr der freudigsten Natur,
Den ich dir gern, nach meinem Triebe,
So reizend, wie er ist, beschriebe,
Erlaubte mir dein Mund es nur;
Der war es, der mir Lust und Feuer
Zu diesem Heldenlied verlieh.
Er zeigte mir ein Abenteuer,
Ich spielt´ es kühn auf meiner Leier,
Und ohne Kunst und ohne Müh,
Zum Spotte der Pedanterie.
Doch hab´ ich auch erhabn´re Thoren,
Schön, reich, geputzt und hochgeboren,
Die Lieblinge der großen Welt,
Dem schwarzen Helden zugesellt,
Den ich zum Gegenstand erkoren.
Und so entstand dies lachende Gedicht;
Ich übergabs der Welt, und untersuchte nicht,
Ob ich auch Dank dafür verdiene.
Belohnest du es nur mit einer frohen Miene,
Du, meine Freundin! die der jüngsten Muse gleicht.
So ist mein ganzer Wunsch erreicht.
* * * * * * *
An eine junge Prinzessin
bei der Ueberschickung
d e r f ü n f t e n A u s g a b e
d e r W i l h e l m i n e .
Dem Zirkel deines Hofs, dem fürstlichen Turniere
Der um dich Kämpfenden und ihren Schmeichelein
Gottlob! einmal entschlüpft zu seyn,
Wie fröhlich ladest du am heimlichen Klaviere
Dein schönes Herz dir zur Gesellschaft ein!
Du glaubst dich unbehorcht — allein
Schon klopfet leis ein Finger an die Thüre.
„Ist´s meine Schwester? nur herein!"
Doch da erscheint ein Weib im tiefsten Trauerputze
Von grauem Zeug, verbrämt mit schwarzem Flor.
Ihr unbekannt Gesicht blickt schüchtern, unterm Schutze
Vergelbter Brüßler Kanten, vor.
Um deiner Robe Saum zu küssen
Wirft sie sich schnell zu deinen Füßen,
Will sprechen, aber inn´re Scham
Droht ihre Stimme zu ersticken,
Sie stottert — Du wirst roth und fragst mit sanften Blicken:
Was ist zu ihrem Dienst, Madam?
Dein Wort ermuntert sie — Sie seufzt, ach ich verdiene
Kaum diesen holden Blick — denn, Gnädigste, ich bin
Die weltbekannte Wilhelmine.
Auch nannten mich — Gott weiß in welchem Sinn —
Die Pagen oft die kleine Marschallin.
„Ganz recht, Madame, man hat von Ihrem Leben
„Am Hof, ich war noch Kind, mir mancherlei erzählt,
„Was eben nicht — Sie werden mir vergeben —
„Ihr Lob enthielt" — Ach Gott! gerade dieses eben
Ist das, was mich am Meisten quält.
Der Jugend Leichtsinn, ich gestehe
Es schamroth, hatte mich bis zu der Zeit bethört,
Da mich ein Mann, der Sie als seine Göttin ehrt,
Zum stillen Uebergang ins Heiligthum der Ehe —
Es geht ins zehnte Jahr — bekehrt.
Wie viel verdank ich ihm! Er bracht´ aus dem Getümmel
Des Hofes mich zurück aufs Land,
Und so ward ich, geführt von seiner Hand,
Des Pastors Hausfrau — Gott im Himmel
Vergelt´ es ihm einmal in seinem Ehestand!
Dort lebt´ ich nun in meinem frommen stillen
Beruf — zwar kinderlos — und dennoch gern dem Willen
Des besten Mannes unterthan;
Doch dieser liebe beste Mann
Starb, eh´ ich mich´s versah, vor etwa vierzehn Tagen,
Und hinterließ mir nichts in dieser Zeitlichkeit
Als Bücher, Predigten und Klagen.
„Madam, Ihr Schicksal thut mir leid,
„Dem Seligen ist wohl; entschlagen
„Sie ihn sich aus dem Sinn. — Ihr knappes Wittwenkleid
„Steht Ihnen gut und — mit Vernunft und Zeit
„Läßt solch ein Unglück sich ertragen —
„Allein, darf ich noch einmal fragen,
„Was suchen Sie bei mir — ein Zehrgeld — einen Mann?"
O nein, Durchlachtigste, mir drückt ein schönrer Plan
Das Herz bald ab — „Nun gut; darf ich ihn wissen,
„So reden Sie doch nur." — Wohlan!
Um sittsam, fromm und froh mein Leben zu beschließen,
Wünscht´ ich — gleich einer Heiligen zu Füßen,
—
Der himmlisch reizendsten Prinzessin mich zu nah´n.
Vergessen Sie an Wilhelminen
Den schwachen Theil von ihrem Lebenslauf.
Ach nähm´ in Ihnen mich die Tugend wieder auf,
Wie treu würd´ ich der Tugend dienen.
Der junge Herr, dem ich zuerst die Wiederkehr
Zum Guten danke, ist auch der,
Der mich zu Ihnen schickt! er gab mir im Vertrauen
Den Wink, es sey bei Ihren Kammerfrauen
Seit gestern eine Stelle leer.
Bewerbe, Mienchen, dich um diesen Platz, sprach er,
Denn unter Ihren himmelblauen
Gewölbten Augenpaar zu leben — zu ergrauen,
Wo ist am ganzen Hof ein Ehrenplatz, der mehr
Belohnend, durch sich selber, wär´?
„Gut, Frau Magisterin — ich helfe gern — zur Probe
„Mag es denn seyn — ich hoff´ Ihr ehrliches Gesicht
„Soll halten, was es mir verspricht."
Dank, edle Fürstin, Dank! „Schweig Sie von meinem Lobe,
„Geh Sie in meine Garderobe
„Und störe Sie mich weiter nicht!"
* * * * * * *
P r o l o g
Im Namen eines jungen Prinzen
bei der
Vorstellung eines deutschen Schauspiels
an dem
G e b u r t s t a g e s e i n e r F r a u
S c h w e s t e r .
Der Freundschaft Band, geliebte Schwester,
Verbindet mich mit dir noch fester
Als selbst die Bande der Natur!
Besäß dein Herz nicht achtungswerthe Triebe,
So schenkt´ ich dir, als Bruder selbst, statt Liebe
Betrügerischen Wohlstand nur.
Allein welch großes Glück ward mir in dir gegeben,
Als du, der Unschuld gleich, an meine Seite kamst,
Und, unbekannt mit dir, ein hoffnungsvolles Leben
Mit süßem Lächeln übernahmst.
Dem Tage folgte schnell die Menge froher Stunden,
Die mir so unbemerkt an deiner Hand verschwunden,
Die Freuden unsers Kinderspiels,
Die muntern freundlichen Geschenke
Der Jugend, die ich oft zur Ehre des Gefühls
Als gegenwärtig mir noch denke.
Und jetzt — da dein gebildet Herz
Mir deines Umgangs Reiz erweitert,
Dein richtiger Verstand mit fein durchwebtem Scherz
Auch trübe Stunden mir erheitert —
Jetzt seh´ ich erst mein Glück in der Vollkommenheit
Und kann von meiner Zärtlichkeit
Mit brüderlichem Stolze sprechen.
Die Zeit hat sie genährt, und niemals soll die Zeit
Dies wohl genährte Feuer schwächen.
Er müsse nie dem Tag, der mit so vielem Werth
Für mein empfindend Herz, der heute wiederkehrt,
Ihm müsse keine Freude fehlen
Von so viel reizenden, die uns die Unschuld läßt.
Wie gern möchte´ ich, o Schwester, für dein Fest
Die reizendste für dich erwählen.
Mit Lächeln sah´st du stets die Scenen unsrer Welt
Nach der Natur gemalt, im Kleinen vorgestellt;
Es ist die Neigung feiner Seelen.
Genug Beruf für mich! Allein wagt nicht vielleicht
Mein Eifer allzuviel — Ach eines Garricks Ehre,
Die deiner Einsicht würdig wäre,
Und einer Clairon Ruhm, ist nicht so bald erreicht.
Wir rechnen sehr auf nachsichtsvolle Blicke;
Doch denk´ ich — Ist das Herz nur erst zur Lust gestimmt,
So hebt es wohl ein Stück zu einem Meisterstücke,
Was oft ein Prinzipal von mäßigem Geschicke
Mit Marionetten unternimmt.
* * * * * * *
Das Glück der Liebe.
Das Schicksal zeigte mir jüngst
auf zween blumigten Wegen
Der Lieb´ und Weisheit mir winkendes Glück;
Wähl´ Eines! sprach es. — Ich ging sogleich der Weisheit
entgegen,
Doch sah´ ich immer nach Doris zurück.
Sie ging mir schüchtern vorbei, dem schlauesten
Amor zur Seiten;
Er aber, der meine Wünsche verstand,
Wie listig wußt´ er sie nicht durch manchen Umgang zu leiten;
Bis sie an meiner Seite sich fand!
Jetzt wär´ mein Schicksal getäuscht!
Mit unaussprechlichen Blicken
Dankt´ ich´s dem Amor, der mächtiger ist;
Dank sey´s dem Amor! — Was gleicht der Liebe sanftem Entzücken,
Das man im Wege der Weisheit genießt!
* * * * * * *
Der Zweifler.
Die beste Weisheit ist, nach der die Zweifler trachten:
Mir schenkt sie wenigstens den wichtigsten Gewinn.
Ich bin nicht mehr so stolz die Thoren zu verachten,
Steitdem ich zweifeln muß, ob ich ein Weiser bin.
* * * * * * *
Der Heldentod.
Kolomnus starb als Held, hört! was er überwand:
Durch Laster sein Gefühl, durch Bosheit den Verstand.
* * * * * * *
An eine deutsche Dichterin.
Ein goldnes Saitenspiel entfiel Apollens Hand,
Es tönte durch die Luft noch drei Mal und verschwand.
Von dem Olymp beklagt, sieht Amor es verschwinden,
Fliegt nach, durchsucht die Welt, und weint, und kann´s nicht
finden.
Der himmlische Verlust lag in bemosten Gründen,
Wo Phyllis weidete, die ungesucht es fand.
* * * * * * *
Der Besuch.
Batill besuchte mich; zu Ehren
Des gütigen Besuchs gab mir mein Dämon ein,
Mit ihm ein Glas Burgunderwein
Auf gute Freundschaft auszuleeren.
Jetzt ist er nun mein Freund — allein
Wie dauert mich mein Wein — mein Wein!
* * * * * * *
Auf einen Rekruten
zur Reichsarmee.
Hier liegt Johann, der als Rekrute starb.
Wär´ nicht der Narr aus Furcht vor seinem Tod gestorben,
Er hätte sich gewiß so vielen Ruhm erworben,
Als sein Herr Oberster erwarb.
* * * * * * *
An des
Herrn Erbprinzen von Mecklenburg=Strelitz Durchlaucht.
1805.
Indeß dich, junger Fürst, die milde
Poetische Natur umfloß,
In deren lachendstem Gefilde
Virgils Idyllen=Hain entsproß,
Warf ich, erwärmt kaum von der Sonne
Des rauhen Nordens, manchen Blick
Nach jener mir an der Garonne
Verstrichnen Jugendzeit zurück.
Ich träumte von den Feiertagen,
Wo gründlicher, als selbst Ovid,
Mir Sanchez die Gewissensfragen
Der Liebe vortrug und entschied.
Ich träumte mich zu dir hinüber
Und glaubt´ in dir bald den Mäcen,
Bald mit den Grazien der Tiber
Den scherzenden Horaz zu sehn.
Mit dir sah ich aus Roma´s Trümmern
Die Glorie der alten Zeit
Die Hochaltäre überschimmern,
Die Borgia´s Geschlecht entweiht.
Erzürnten dich nicht die Verächter
Der Lebensweisheit, und vergabst
Du mir nicht gern mein Hohngelächter
Auf den unfehlbar weisen Pabst?
Der blind jedoch für tollen Glauben
Die erste Fürstenpflicht verkennt,
Wenn er die Tauber von den Tauben,
Die Mönche von den Nonnen trennt;
Der betend um des Lands Gedeihen
Den Fortgang des Gedeihens hemmt,
Wenn seine Fluth von Litaneien
Die Gärten Latiums verschwemmt.
Preis sey den Herrschern nur, die neben
Dem Thron der Armuth Hütten baun,
Nicht ihr dem Staat geweihtes Leben
Kalender=Heiligen vertraun!
Die statt ihr Land in Klosterketten
Zu schlagen, es zum Auferblühn
Mit Bürgerschulen, Ehebetten
Und Waizensaaten überziehn.
Der Fleißige, der den Befehlen
Der Frömmler horcht, dient nur der Schmach,
Bestellt sein Feld nur Kardinälen
Und seinen Kindern liegt es brach.
Verehrter, gleichgestimmter Bruder
Von dreien Huldinnen! warum
Gab dir nicht Gott das Steuerruder
Von Petri Patrimonium?
* * * * * * *
An Ihro Königl. Hoheit
die Churprinzessin von Hessen
die den Autor, als er eben in Berlin war, zu seinem Geburtstage
im Mai 1807, mit einem Rosenstocke beschenkte.
Der Rosen reizendste im heimischen Gefilde
Bog´ heut ihr blühend Haupt mit königlicher Milde
Auf einen Dornenstrauch entfernter Flur herab. —
Dieß, Fürstin, ist dein Bild, das meinem Schattenbilde
Den längst verschwundenen Glanz der Jugend wiedergab!
O möchten sie, die jetzt dein abgezognes Leben
Als Knospen deines Stamms mit Lieb und Trost umgeben,
Zu einem Siegeskranz der überwundnen Zeit
Aufs Herrlichste einander angereiht,
Einst deinem grauen Haar die Rosen wiedergeben,
Die du so huldvoll einem Greis geweiht.
Durch seinen Nebel sieht er ihre Strahlen beben;
So wie das Abendroth dem Pilger Kraft verleiht
Zu dem, der ihn gelabt, den Blick noch zu erheben,
Und nun mit Dankgefühl und süßen Trunkenheit
Fort über Berg und Thal zu schweben
Zum Ruhpunkt aller Müdigkeit.
* * * * * * *
Der Vogelsteller.
Die Liebe und der Vogelsang
Sind ziemlich einerlei,
Es lockt der männliche Gesang,
Er lockt — er lockt
Vögel und Mädchen herbei.
Sie achten ihre Schwäche nicht,
Denn ihre Herzen sind
In jugendlicher Zuversicht
Betäubt — Betäubt
Liebevoll, fröhlich und blind.
Zwar bei dem ersten Ausflug ist
Das Vögelchen verzagt,
Hält jeden Laut für Hinterlist
Wohin, wohin
Es seine Flügelchen wagt.
Doch hüpft es bei dem zweiten Flug
Mit jubelndem Geschwätz
Von Baum zu Baum und dünkt sich klug,
Und hüpft, und hüpft
Dem Vogelsteller ins Netz.
* * * * * * *
Des Jägers Abendlied.
Was such ich in den Wäldern auf?
Ist es das scheue Wild?
Es ruhe! denn in meinem Lauf
Umschwebt mich nur dein Bild.
O wenn in gleichem milden Licht
Das meine dir erschien,
Du würdest — ach! du würdest nicht
Des Jägers Anblick fliehn.
Der, von der Sehnsucht Bangigkeit
Ergriffen, und gedrückt
Von Ahnungen, durch Raum und Zeit
Dir nach, zum Himmel blickt.
Er spendet Frieden aus. Warum
Ward nicht auch mir ein Theil?
Ist die Natur für mich nur stumm,
Ihr Gipfel mir zu steil? —
Ob schon der Mond die Wolken theilt,
Zertheilt er doch den Schmerz
In meinem Herzen nicht; es heilt
Das Grab nur solch ein Herz;
Das, als es brach, ins Thal der Ruh
Dein Bild hinüber trug —
Und dieses Herz verschmähtest du,
Als es für dich noch schlug!
* * * * * * *
Romanze
im Namen und zum Vortheil eines reisenden Jägers,
der auf einem Jahrmarkt ein ungewöhnlich großes Hirschgeweihe
für Geld sehen ließ.
Hier prunkt, ihr Weiber kommt herbei
Mit euren Bettgenossen,
Ein ungeheures Hirschgeweih
Von zwei und siebzig Sprossen.
Nie hat es einen Hirsch geschmückt,
Es ward mit allen Enden
Auf eines Jünglings Kopf gedrückt
Von zauberischen Händen.
Es ging so zu. Ein Edelmann
Voll Liebesglut, mit Namen
Aceton, war hold zugethan
Dem Muster keuscher Damen.
Als sie als Reisende erschien,
Fragt´ er in allen Thoren,
Wo kommt sie her, wo will sie hin,
Was hat sie hier verloren?
Das Wort fiel ihm kaum ins Gehör,
Sie werde hier verweilen,
So schwur er, lüstern, etwas mehr,
Als Luft, mit ihr zu theilen.
Ihr Anblick war ihm nicht genug,
Er brannte für Verlangen,
Dieß fremde Wild, so schön, so jung
In seinem Garn zu fangen.
Doch nie konnt´ er auch noch die Spur
Von ihrem Gang ertappen,
Sie ging, vorsichtiger Natur,
Ihm immer durch die Lappen.
Er malte sich die Finger lahm
An Bildern seiner Schmerzen;
Allein, ich weiß nicht wie es kam,
Es ging ihr kein´s zu Herzen.
Nun aber, horcht auf! was geschah,
Und wie, eh´ ers gedachte,
Ein Zufall ihn nur allzunah
In ihren Zauber brachte.
An einem Hundstag sehnte sich
Das schöne Kind ins Frische,
Warf einen Shawl nur um, und schlich
In abgelegne Büsche.
Dieß hielt der junge Kavalier
Für ein gefundnes Zeichen,
Mit aller Hitze der Begier
Der Fremden nachzuschleichen.
Bald sah er — und der Anblick drang
Ihm bis ins Mark der Hüften —
Die kleine Schöne ohne Zwang
Ihr enges Mieder lüften.
Er trippelte zum nächsten Bach
Ins Bad, sobald die letzte
Umhüllung fiel, die tausendfach
Des Himmels Strahl ersetzte.
Kein Mädchen mehr, als Cynthia
Blinkt sie nun auf dem Sande
Des Bachs. Doch eh´ sie sichs versah,
Stand ihr Amant am Rande.
Unmöglich war ihr, auf Einmal
So Vielerlei zu decken;
Denn fern vom Ufer lag ihr Shawl
Bei ihren Unterröcken.
Doch bald griff sie im höchsten Grimm
Zu ihren Himmelswaffen,
Stand glänzend still und ließ von ihm
Sich, wie sie war, begaffen.
Bis sie ihn tauft´ und rief: „Nun lern´
Fortan bescheidner handeln;
Es ist ein Spaß, euch junge Herrn
In Thiere zu verwandeln.
„Gleich einem Hirsch trag ein Geweih
Auf deinem Scheitel prächtig,
Und jedes Weib in Zukunft sey
Desselben Zaubers mächtig!"
Kaum fühlt´ er seinen Schmuck, so fühlt´
Er auch davon das Gute;
Denn Hirschhorn ganz vortrefflich kühlt
Die Wallungen im Blute.
Nun hatt´ er weiter keine Lust
Am Bache zu verweilen;
Er lief und fing aus hohler Brust
Erbärmlich an zu heulen.
Halb Mensch, halb Hirsch, fühlt überall
Der Arme sich verlassen —
Wie will auf einem Karneval
Ein Domino ihm passen?
Könnt´ er der menschlichen Vernunft,
Die ihm noch blieb, entsagen,
Vielleicht wär´ er zur Zeit der Brunst
So sehr nicht zu beklagen.
So aber ging´s ihm gar zu schlimm
Bei Schmäusen und Visiten:
Wohin er kam, da ließ man ihm
Hof, Stadt und Land verbieten.
Kein seidner Strumpf, kein Gallakleid,
Kein Orden stand ihm ferner; —
Jetzt macht das wenig Unterscheid,
Mit — oder ohne Hörner.
Für Gram starb drauf das edle Thier
Bei seinen Anverwandten;
Auf seinem Nachlaß haben wir
Sein Hirschgeweih erstanden.
* * * * * * *
Pygmalion
an eine
junge liebenswürdige Wittwe 1807.
Gelockt von Künstler=Ehre
Zu süßerm Lohn,
Träumt´ es mir jüngst, ich wäre
Pygmalion.
Kein Träumer ist verlegen
Um sein Modell,
Auf Morpheus sanften Wegen
Kommt es ihm schnell.
Auch rief ich kaum: erscheine
Cecilia!
So stand auch schon das meine
Im Fluge da.
Längst war sie meinen Sinnen,
Im Schlaf zumal,
Von ächten Huldgöttinnen
Das Ideal.
Mit ihr darf auch nicht bange
Dem Bildner seyn;
Denn sie ist ja schon lange
Nicht mehr von Stein.
Um ihren Körper schwebet
Kein Reiz, der nicht,
Von Amors Hauch belebet,
Zur Seele spricht.
Das Herz hoch zu begeistern,
Das für sie schlägt,
War ihr von größern Meistern
Längst eingeprägt.
Wie meißelten, wie feilten
Sie die Natur,
Bis sie ihr Grund ertheilten
Zur Politur.
Sie freuten sich der Flimmer,
Die sie verlor;
Doch brach der holde Schimmer
Der Brust kaum vor,
Als durch Gefühl belehret,
Wie schwer sie wog,
Sie zur Natur gekehret,
Der Kunst entflog.
Wie glich sie da der Rose,
Die eingezwängt
Als Knöspchen, ihre lose
Umwebung sprengt,
Und sich am Abend wundert,
Wie Blatt an Blatt
Dieß Knöspchen an die Hundert
Entfaltet hat.
Voll gleicher Jugendfülle
Erträumt ich Sie
Im Mondschein, den zur Hülle
Die Nacht ihr lieh.
Und auf der Stufenleiter
Der Schönheit stieg
Mein Blick, bis sie ihm weiter
Nichts mehr verschwieg.
Bis, wie im Morgenglanze
Ein Frühlingstag,
Zuletzt vor mir die ganze
Vollendung lag.
Für meine Künstleraugen
O welch ein Reich,
Um Nahrung einzusaugen,
Den Bienen gleich!
Ach als in diesem warmen
Verlobungsstaat
Sie, fertig zum Umarmen,
Mir näher trat;
Auch ich aus dem Gedränge
Der Freuden mich
Durch ihre Blumengänge
Wie weit verschlich;
Und ich dem Götterweibe
Am Busen fiel,
Da, da — doch ich beschreibe
Vielleicht zu viel.
Denn Ihr ward nichts verschoben
In meinem Traum;
So fest schien sie gewoben
Aus Luft und Schaum,
Als ob sie jüngst dem Meere
Durch Zauberei
Der Liebe, wie Cythere,
Entstiegen sey.
Doch bald sah ich mit Staunen,
Was ich gesehn,
Bis an die Augenbraunen
In Nebel stehn;
Der, als er immer dichter
Mein Aug´ umzog,
Es um die schönsten Lichter
Der Kunst betrog,
Ein hoher Seelenadel
Verbarg als Schild
Ihr über allen Tadel
Erhabnes Bild.
Im heiligsten Erbeben
Bat ich um Kraft,
Mich aus dem Staub zu heben
Der Leidenschaft.
Ich ward erhört; mein Fieber
Ging allgemach
In stille Erfurcht über,
Indem sie sprach:
„Freund! hast du zum Beschauen
Mich hercitirt,
Sag´ ich dir im Vertrauen
Ins Ohr: mich friert.
„Selbst Venuspriester werfen,
Ob´s ihnen fremd
Gleich dünkt, doch um Minerven
Ein Panzerhemd.
„Wenn ich, ihr gleich an Größe,
Hier vor dir steh´,
Denkst du noch an die Blöße
Der Galathee?
„Willst du mich zum Modelle
Der Freundschaft — Nun
Komm mit, an ihrer Quelle
Wünsch´ ich zu ruhn.
„Dort kannst du Blumen pflücken
Soviel du willst,
Bis du auf deinem Rücken
Mein Körbchen füllst."
Sie sprachs, und weggeräumet
War Amors Tand,
Mein Traum war ausgeträumet
Und sie verschwand.
Und ich erwachte schneller,
Als lieb mir war,
Sah´ immer, immer heller
Und endlich klar.
Warf zu des Urbilds Füßen
Mich ungesäumt,
Den Frevel zu verbüßen,
Den ich geträumt.
Seitdem bei edlen Scherzen
Ihr Bundsgenoß,
Nehm´ ich das Wort zu Herzen,
Das ihr entfloß.
Und sing vor ihrer Büste
(Wie einst Ovid
An Pontus schwarzer Küste)
Mein Fastenlied.
Doch oft, wenn unserm Bunde
Der Tag entweicht,
Mich manche Schäferstunde
Umsonst beschleicht;
Von ihrem Trauerschalle
Das Ohr mir gellt,
Und mir es däucht, ich walle
Zur Unterwelt;
Säh´ schon, vom Sturm ergriffen,
Auf Lethens Fluß
Mich Armen überschiffen
Zum Tartarus;
Wo von dem Licht geschieden
Man die sogar
Vergißt, die ach! hienieden
Uns alles war;
Dann leitet sie den Kranken,
Der Rettung fleht,
Zum Luftsalz der Gedanken
Und zur Diät;
Stärkt ihn mit Trostgefühlen
Aus der Natur,
Und freuet sich der kühlen
Gelungnen Kur.
Ein Kuß auf ihre Wange
In Plato´s Sinn,
Ist, wenn ich ihn erlange,
Dann mein Gewinn.
So philosophisch labend
Sieht sich mein Geist
Sogar am längsten Abend
Rein abgespeist.
Zwar zög´ ich, dürft´ ich wählen,
Der Liebe Rausch
Beim Austausch unsrer Seelen
Gern mit zum Tausch,
Und löscht´ in Amors Becher
Der Sinne Brand,
Schlüg´ sie ihn nicht dem Zecher
Schnell aus der Hand.
Doch käm´ sie meinen Blicken
Einst nur so nah,
Als ich sie voll Entzücken
Im Träume sah.
Ich tränk´ ihn zum Willkommen
Der Freundin leer,
Wenn ich nicht zu beklommen
Vor Andacht wär´.
* * * * * * *
Das entflogene Haar.
An ebendieselbe.
Dank sey dem Schutzgeist meines Lebens,
Der mir ein Heer von Phantasien
Und leichtes Blut, nicht ganz vergebens,
Zu meines Alters Trost verliehn.
Wie schlau versteckt er nicht am Stege
Zum Grabe mir den Uebergang
Durch treue Blumen seiner Pflege,
Durch Liebe, Freundschaft und Gesang!
Es segnete mit edlem Muthe
Mich die Natur. Aus Muttersinn
Warf sie jedoch dem höhern Gute
Noch eine Kinderklapper hin.
„Nimm diesen Talismann zur Reise
„Des Lebens mit, und fühlst du dich,"
Sprach sie, „zu traurig und zu weise,
„So wend´ ihn an und denk an mich."
Wie lieb und durch Versuch bewähret
Mir dieß Geschenk geworden sey,
Geliebte Freundin, das erkläret
Dir schon mein Hang zur Tändelei.
Drum lass´ ich die Gedankenfeste
Gern dem, der sie verdauen mag,
Ess´ meinen Kohl, und spar die Reste,
Wenn er mir schmeckt, zum andern Tag.
Drum werf ich nur den kleinen Engeln
Der Freude meine Küsse zu,
Und laß die Welt mit ihren Mängeln
Und ihrer Prahlerei in Ruh.
Drum wünscht´ ich nie ein Ordenszeichen
Als eins von dir: Glück über Glück,
Ein Zephyr im Vorüberstreichen
Ließ es auf meiner Brust zurück.
Ein einzeln Haar der vollen Kette,
Das leis, als sie dein Busen wog,
Auf Amors Hauch, gleich einer Klette
Zu meinem Lorbeer überflog.
Laß es der Stunde mich verweben,
Wo ich, dem Krater allzunah,
Vor Glut im Auge das Entschweben
Des dunklen Fünkchens übersah.
Kein Stäubchen, das im Tanz der Horen
Sich hebt und durch die Lüfte streift,
Kein Haar ist, das nicht unverloren
Ins große Rad des Schicksals greift.
Ein Apfel trieb aus Edens Schranken
Das Glück der Welt. Ein klügrer fiel
Vor Newtons Fuß und trieb Gedanken
Des größten Sehers an sein Ziel.
Er ließ ihn das Gesetz erklären,
Das in dem Liebesraum der Welt
Die größern und die kleinern Sphären
Durch Druck und Gegendruck erhält.
So ward er ihm zur Himmelsleiter;
O würde dein entfallnes Haar
jetzt mir, was jenem Sternendeuter
Ein abgefallner Apfel war!
Dann zög´ ich es den Kostbarkeiten
Der Kirche vor, die Josephs Bart
Als Spielwerk der Gebenedeiten
Zu Saint=Denis im Glas verwahrt.
* * * * * * *
In das Stammbuch der
Fräulein Hofdame von L...
während ihres Aufenthaltes zu Erfurt in der merkwürdigen
Zeit der Zusammenkunft mehrerer gekrönter Häupter daselbst im
Oktober 1810.
Vom Gaukelspiel der großen Welt ermüdet,
lag ich im Arm des Schlafs; doch dießmal schien es kaum
Der Rede Werth, durch welchen Traum
Er mir des Tages Last vergütet.
Denn was er mühsam ausgebrütet,
Genau betrachtet, war nur Schaum.
Ich sah, Gott weiß, auf welchen Thron erhoben,
Gefällig auf mein Volk herab
Und führte, ohne mich zu loben,
Vortrefflich den Komandostab.
Kein Mädchen funkelte in Mieder und in Roben,
Das nicht zu allen Liebesproben
Sich willig meinem Wink ergab.
Mit einer Schaar von Rittern stolz umgeben,
Den Mücken gleich, die sich durch einen günst´gen Wind
Zum nächsten Sonnenstrahl erheben,
Und unbesorgt, warum sie leben,
Den Menschen nur beschwerlich sind:
Bläht ich mich, im Genuß, den großen Herrn zu machen,
In höchster Selbstzufriedenheit;
Doch bald nachher, auch war es hohe Zeit,
Hieß mich mein guter Geist erwachen,
Und das Phantom von meiner Herrlichkeit
Vorflog mir unter lauter Lachen.
Der wahre Genius, der längst schon an dem Tand
Des Hofs sich sattgesehn, ergriff nun meine Hand
Mit brüderlicher Treu, und führte
Mich einer Huldin zu, bei der ich bald empfand,
Daß ich nicht träumte, noch regierte,
Die durch ihr Mitgefühl im zartesten Verband,
Mit Anmuth, Frohsinn und Verstand
Mein wachgewordnes Herz berührte,
Die aber mir, ach nur zu bald! verschwand.
Doch, um den Abstand zu entscheiden
Vom wirklichen und vom erträumten Glück,
Ließ doch mein Genius von beiden
Mir die Erinnerung zurück.
* * * * * * *
Gespräch.
A. Das deutsche Ordenskreuz?
wenn du´s erlangen kannst,
Wär´ freilich gut für dich und deinen faulen Wanst,
Um ohn´ ein lästig Weib und eheliche Erben
Der Tode sanftesten zu sterben.
Doch, unter uns, zählt dein Geschlecht
Auch so viel Ahnen, als der Orden
verlangt —
B. Wie, zweifelst du? Ist eins wohl noch so echt
Im ganzen deutschen Reich? so alt, so stiftsgerecht?
Schon vor fünfhundert Jahr´n ist es beschworen worden,
Daß einer, der mein Schild und meinen Namen trug,
Zu Kaiser Albrechts Zeit sich zu der Rotte schlug,
Der es gelang, ihn zu ermorden;
Das, dächt´ ich, wär´ Beweis genug.
* * * * * * *
Der Leser des Horaz.
Marull greift zum Horaz im Drang der Langenweile,
Er schlägt ihn gähnend auf und liest
Empfindungsvoll die goldne Zeile:
Wohl dem, der fern von den Geschäften ist. *
__________
* Beatus ille, qui procul negotiis.
* * * * * * *
Gespräch.
A.
Warum so traurig, Freund! darf ich die Ursach wissen?
B.
Mein toll gewordner Hund hat meine Frau gebissen.
A.
Gott! und sie starb?
B.
Pah, Pah, sie ist nur zu gesund.
Wer an dem Biß starb, war der Hund.
* * * * * * *
An einen Arzt in sein Stammbuch.
Wär´ nicht Apoll mein Schutzgott, o wie würden
Nicht meine Tage freundenleer entfliehn!
Als Seelenarzt stärkt er durch süße Harmonien
Den Geist — und, wenn ihn körperliche Bürden
Verstimmen, hat er stets als Gott der Medicin
Aus seiner Dienerschaft den treusten mir geliehn.
Trifft es so glücklich mir, wie es bis jetzt getroffen,
So fürcht´ ich keinen Aschenkrug;
Ich darf Unsterblichkeit mehr als kein Dichter hoffen
Und ohne optischen Betrug.
* * * * * * *
In das
Stammbuch einer jungen Fräulein
aus einem aufgehobenen Kloster.
Dich zog der freche Krieg aus einer Klostermauer
In die belebt´re froh´re Welt,
Gleich einer Nachtigall, die aus dem finstern Bauer
Ein Sturmwind in das Freie schnellt.
Das Vöglein fühlt sein Glück, wie unter Siegespalmen
Fliegt es von Baum zu Baum gesangreich durch die Flur.
Ahm´ seinen Frohsinn nach, und singst du ja noch Psalmen,
So sey´s im Tempel der Natur —
Mit diesem frommen Wunsch gibt dir beim Uebergange
Des lauten Carnevals zur stillen Einsamkeit
Ein Feind von allem Klosterzwange
Im Namen Gottes sein Geleit.
* * * * * * *
In das
Stammbuch eines reisenden Russen.
Der Mensch ist überall der Leidenschaften Spiel;
Du sahst auch hier so manchen Zeitverschwender,
Der Klugen wenige, der Thörichten so viel,
Weil der verbesserte Kalender
Nicht klüger macht, als der nach altem Styl.
* * * * * * *
Aufschrift
auf das
Grabmal des Ministers von Rothkirch
zu Robdenitz im Altenburgischen.
Das Samenkorn, das er als Vater, Freund und Gatte,
Als Staatsmann und als Christ auf seine Bahn gestreut,
Gedeih dem Redlichen zu Ernten, und beschatte
Den Weg ihm zur Unsterblichkeit.
* * * * * * *
Auf dessen Frau Gemahlin.
Sanft war der Uebergang, der ihre Lebensreise
Nach treuerfüllter Pflicht der Ewigkeit verband;
Umstrahlt von Tugenden, entwich sie unserm Kreise,
Der Abglanz blieb, nur die Gestalt verschwand.
* * * * * * *
In das Stammbuch von Dorchen
Weisse. *
— — —
Sonneborn ** im Mai 1795
__________
* Dieses liebenswürdige Mädchen starb in der
Blüthe ihrer Jahre, bald nach dem Ableben ihres würdigen und
berühmten Vaters.
* Landgut des Verfassers.
Du, die sonst nur
dem Mäuschen glichst! —
Die Mutter=Flur
Nie überschlichst! —
Wagst, trotz dem Wink
Der Häuslichkeit,
Dich jetzt so flink,
Wer weiß, wie weit.
Vom Gott des Lichts
Verführt, eilst du
Dem schönen Nichts
Der Dichtkunst zu.
Dein Album in
Der kleinen Hand,
Wirbst du Gewinn
Für den Verstand;
Störst überall
Im raschen Lauf
Lied, Madrigal
Und Oden auf,
Und legst mit Wahl
Und feinem Plan
Ein Kapital
Von Reimen an.
Ach ihnen zog
Dein jüngres Ohr
Den Dialog
Der Schwalben vor.
Zu früh, wenn sich
Dein Halstuch hob,
Erschreckte dich
Des Kukucks Lob.
Du hörtest gern
Zur Mittagsruh,
Den Leierern
Der Sümpfe zu.
Kein Nötchen war
Das dir entging,
Vom Kautz und Staar
Und Aemmerling;
Bis, wenn die Uhr
Der Wachtel schlug,
Dich die Natur
Zu Bette trug.
Doch seit dein Wahn
Frisch weg entschied,
Dein Kikelhahn
Sey kein Ovid,
Stürmst du den Berg
Des Helikon,
Nach jedem Zwerg
Von Musensohn,
Und fängst jetzt gar
Im Dichterhain,
Aus ihrer Schaar
Den Schlausten ein,
Den keine Fee,
Dir ähnlich, schreckt,
Den keine je
Umsonst geneckt.
Kind, du verkennst,
Was bei der Jagd
Auf dieß Gespenst
Ein Mädchen wagt!
Paßt dein Gehör
Wohl an das Horn
Des Dorf=Homer
Von Sonneborn?
Den Kindern hold,
Die jung und schön
Noch nicht im Sold
Der Liebe stehn,
Verlockt er sie
Von Sinn zu Sinn,
Man weiß nicht, wie?
Weiß nicht, wohin?
Sieh nur! Beschlich
Sein Lied dein Herz,
Verstrickte dich
In Witz und Scherz;
Zög´ Phantasie
Und blauen Dunst
Der Harmonie
In seine Kunst;
Zög´ auf der Spur
Wo Psyche fiel,
Zög´ die Natur
Mit in sein Spiel;
Prägt alles Gift
Der Schmeichelei´n
Mit Flammenschrift
Dem Herzen ein;
Und seine Hand
Gäb´ dir Geleit
In´s Feenland
Der Sinnlichkeit,
Aus dessen Bucht
Kein Talisman,
Nicht als die Flucht
Erretten kann,
Wo manche hier
Empfindungskrank
Als Opferthier
Der Dichtkunst sank:
Wie würdest du,
Die immer klug
Ein Herz voll Ruh
Im Busen trug,
Das keinen Schlag,
Seit es sich regt,
Als im Vertrag
Der Unschuld schlägt,
Wie würde jetzt
Das arme Herz,
Zurückgehetzt
Von Dichter=Scherz,
Sich athemlos
Der Jagd entziehn,
Und in den Schooß
Der Mutter fliehn!
Wie würd´ ihr Mund
Dir mit dem Hohn
Des Vaters und
Des Bruders drohn!
Ihr Mund verklagt
Dich wohl schon itzt,
Da dich die Jagd
Umsonst erhitzt.
„Sag´ an geschwind,"
Ruft sie — „Erklär´
„Von wann Kind
„Spazierst du her?
„Sieh, wie dein Hut
„Verschoben ist,
„Das, weiß ich, thut
„Kein Prosaist."
Umsonst daß du
Dein Köpfchen drehst,
Sie winkt dir zu
Und du gestehst,
Gestehst, es sey
Dein Morgensang
Nur Dudelei
Und Ohrenzwang;
Mein Lied, ein Span
Glut für den Herd,
Sey ohne Plan
Und ohne Werth,
Und schwörst, für ihn
Werd´ ewig dein
Sing=Magazin
Verschlossen seyn.
Die Mutter nimmt
Das Wort: „Ist schon
„Das Lied verstimmt,
„So hat´s doch Ton,
„Sey froh, daß es
„Die Wendung nahm,
„Nichts Schlimmeres
„So nah dir kam;
„Denn Männerhirn
„Und Dichterwuth,
„Steht nie der Stirn
„Der Mädchen gut.
„Und hast du nicht
„Schon oft gehört,
„Was das Gedicht
„Von Daphne lehrt?
„Apollo bat,
„Die Schöne floh;
„Nach meinem Rath
„Macht´s jede so.
„Der Musengott
„War hitzig — Doch
„Ihr leichter Trott
„Entschlüpft ihm noch.
„Doch hat sie ihn
„Vor ihrer Flucht,
„Um zu entfliehn
„Nicht erst gesucht.
„Was du nun bist
„Verweiset klar,
„Wenn man ermißt
„Was Daphne war."
Dank sey der Frau,
Die dich erzog,
Sie wägt genau
Was ich erwog.
Lohnt meinen Sang
Und hebt sein Nichts
Bis zu dem Rang
Des Lehrgedichts.
* * * * * * *
Gebet eines redlichen Vaters
am Vermählungstage
s e i n e r g e l i e b t e n T o c h t e
r . *
Im December 1801.
__________
* Natalie von Thümmel mit dem Freiherrn Karl von
Thüngen auf Thüngen.
Du, der in ewiger Ferne
Nie seiner Schöpfung entschwand,
Und mit dem Flimmer der Sterne
Das Herz des Menschen verband;
Du, der den Kreislauf der Triebe
In festem Fortgang erhält,
Und sich in Seelen von Liebe
Als seinem Spiegel gefällt;
Der, auch im Jubel der Chöre,
Des Sängers Lied nicht verschmäht,
Das Liebe hauchet — erhöre
Jetzt eines Vaters Gebet.
Du, der, damit es verglimme,
Kein Herz zum Daseyn erschuf,
Gib deine segnende Stimme
Zu meinem menschlichen Ruf!
Denn sieh´, jetzt führen die Horen
Der Ahnherrn Leiter herab,
Ein Paar, dem Endzweck erkoren,
Der es dem Weltraume gab;
Es horcht dem Weihungsgesange
Der Aeltern, staunend wie sich
Sein Herz, in ähnlichem Drange,
Leis in ein andres verschlich.
Triumph! Jetzt nehmen die Stunden
Einsamen Lauschens die Flucht,
Sie haben sich freundlich gefunden,
Sie, die einander gesucht,
Ein Erbe männlicher Güte,
Mit Kraft zur Tugend erfüllt,
Und eine Jungfrau — in Blüthe
Der Nachtviolen gehüllt.
Wohl dann, ihr Suchenden, rettet
Euch aus dem Pfad ohne Spur
In euren Luftkreis — verkettet
Euch fest dem Ring der Natur;
Daß, wenn ja Stürme des Lebens
In euerm Staubgang entstehn,
Sie nie des ersten Ergebens
Geheimes Flüstern verwehn.
Daß eurer blühenden Ehe,
Von keinem Nachtfrost verletzt,
Mehr als ein Sprößling erstehe
Der, am Gefühl, euch ersetzt,
Der als ein Fruchtbaum sich hebe,
Und, in des Lebens Gebiet,
Sich einer Nachwelt verwebe,
Die seine Senker erzieht.
Mögt ihr, in Einklang, den Reigen,
Der Gottes Veste durchwallt,
In Symphonien ersteigen,
Wenn dieses Leben verhallt;
In euern Enkeln noch rufen:
„Ihr, uns Umringenden, ach!
„Lebt, liebt und folgt auf den Stufen
„Genützter Menschheit uns nach!"
* * * * * * *
Der
Schulze und die Gemeine zu Ketschendorf
an dem Geburtstage der regierenden
Frau Herzogin von Sachsen=Coburg und Saalfeld.
Den 19. Jenner 1801.
Des Fürsten Hoheit, der sich größer
als seine Nebenmenschen fühlt,
Wird in den Mauern seiner Schlösser
Durch manchen Wind bald abgekühlt,
Und sucht dann ländliches Gedeihen
In Hütten auf, und hört, wie wir,
Den Kuckuck zehnmal lieber schreien,
Als zweimal seinen Hoffourier.
So lehrte die Natur, Auguste!
Auch dich die Wissenschaft verstehn,
Dem unbelohnten Zeitverluste
Der Etiquette zu entgehn;
Wie gern folgst du aus dem Gewühle
Des stolzen Audienzgemachs
Der Lockung froherer Gefühle
Zum Schatten eines Leimendachs.
Hier, wo aus ihrem stillen Bette
Die Itz befruchtend sich ergießt,
Und mit der schönsten Blumenkette
Dein kleines Ketschendorf umschließt:
Hier steigt oft aus dem niedern Grase
Dein Herz zu geistigem Genuß,
Wie Herschel hinter seinem Glase
In das Gebiet des Uranus.
Hier eilen deine Seherblicke
Der Hoffnung deiner Kinder nach:
Du siehst in mütterlichem Glücke,
Daß jedes hält, was es versprach;
Hier sehnt dein Auge sich nach Annen, *
Sieht sie im Geiste, wie sie noch
Als Kind — als Julchen — unsre Tannen
Nach einem Schmetterling durchkroch.
__________
* Die an den Großfürsten Constantin vermählte
Prinzessin von Coburg.
Auch sie, im Sitze ihres Glanzes,
Wird dieses Festes sich erfreun,
Zum Schmucke deines Ehrenkranzes
Auch ihr Vergißmeinnicht dir weihn,
Und kindliche Gebet´ entschweben,
Und strömen Heiterkeit ins Land,
Für deine Wohlfahrt, für dein Leben
Dem Itzgrund und der Newa Strand.
Von allen Freuden ist nicht eine,
Die mir nicht heute, in Bezug
Auf deinen Jahrstag, die Gemeine
Dir auszukramen übertrug.
Ja, ja, die guten Leute fragen
Ihr Herz wohl — aber keins erwägt,
Welch eine Last von Ohrenplagen
Für dich sein Herz mir überträgt.
„Ist er schon klüger nicht und jünger,
„Als wir," hör´ ich die Schöppen
schrein,
„Muß doch als Schulz´ er Ueberbringer
„Der Wünsche unsrer Dorfschaft seyn;
„Und trägt er Scheu mit seiner Stirne
„Voll Runzeln sich dem Hof zu nahn,
„So schieb´ er Natteln, * seine Dirne,
„Mit ihrem Tragkorb nur voran."
__________
* Natalie von Thümmel, damals Hofdame bei Ihro Durchlaucht
der Frau Herzogin von Coburg. Als Tochter des Autors, der den Schulzen
vorstellte, überbrachte sie die Geschenke der Gemeine.
* * * * * * *
Empfindungen eines alten
Astrologen
an dem Geburtsfeste
Ihrer Kaiserl. Hoheit der Frau Großfürstin Maria Paulowna
Erbprinzessin zu Sachsen=Weimar.
Den 16. Februar 1810.
Hygea wiegte dich, dir lächelte Cythere,
Der Atropos entfiel an jenem Tag die Schere,
Der dich ins Leben rief. Dir reichte das Geschick
Der Czaaren Diadem. Doch alle Kaiserehre
Hielt nicht dein Herz von dem Begehre
Nach einem Myrthenkranz auf Weimars Flur zurück,
Der dir den Reiz des Morgensterns gewähre
Und auf dem Gang zur lieblichsten Mystik
Die Schatten um dich her verkläre.
Dein schönes Leben liegt vor meinem Seherblick,
Wie zu Arkadien ein duftend Blumenstück
In seiner eigenen Atmosphäre.
Was könnt´ ich die von Zeus — gält in der Sternenlehre
Sein alten Ansehn noch — zu so viel Erdenglück
Mehr als Bestand erflehn? Wenn ich der Mufti wäre,
Fleht´ ich´s vom Mahomet, und ständ´ ich im
Verkehre
Mit Roms verjagtem Greis, fleht´ ich als Katholik
Es von den Puppen aller Hochaltäre;
Doch da nun bald mein Stern auf Luthers Lichtgang mich
Gen Himmel führen wird, zu den geheimen Räthen,
Die etwa droben sind, wirksamer dann hoff´ ich
Des Volkes Stimme dort, und deines mütterlich
Gerührten Herzens, zu vertreten;
Und zu der Rebe, die schon deinen Karl und dich
Umrankt, noch einen Sproß der Liebe zu erbeten,
Als keiner markiger, auf Deutschlands Erdenstrich,
Der Würde seiner Abkunft glich,
Und der, nach euern spat erreichten Ruhestätten,
Fortkeimend, wie die Saat auf Edens Blumenbeeten,
Nicht früher, als die Welt, verblich.
Noch schweift mein leiblich´ Aug´ in die azurne Ferne,
Noch freut es sich des Tags, der heute mich bescheint,
Sieht wie die bunte Welt, sieht wie das Chor der Sterne
Zu meinen Wünschen sich vereint.
Ihr Zeugniß steht mir auf die Brust geschrieben,
Nah hat der Hesperus dem frostigen Planet,
Den wir bewohnen, mit den Trieben
Uns zu erfreu´n und uns zu lieben,
Sich deinem Feste zugedreht;
Der Sonne Kern wirft auf sie Beide
Fruchtspendend sein erhabnes Licht,
Und Hoffnung einer nahen Freude
Färbt ihr erröthendes Gesicht.
Denn, treten seiner Gluth die zwei Geschwister näher,
Wie heute, strömt Gedeihn ins Land,
Und jeder fromme Sternenseher
Drückt seinem Bruder froh die Hand.
Täuscht mich nicht meine Himmelskarte
Und alle Sternendeuterei,
Glaub ich, daß schon der längst erharrte
In seine Bahn getreten sey,
Und selbst der Mönch auf Gotha´s Warte
Stimmt meiner schönen Ahnung bei.
* * * * * * *
An Elise.
1 7 8 4 .
Hat die Natur zu deiner Wahl, Elise
Dir ihre Gärten aufgethan;
So wies sie mir nur Blümchen von der Wiese
Zum Spielwerk meiner Jugend an.
Da wand ich Kränze für die andern Götter,
Die mir Anakreon besung,
Den Scherzen streut´ ich frischgebrochne Blätter,
Und dürre der Erinnerung;
Indeß du täglich neue Rosen findest,
Seh´ ich auf meine Erntezeit
Bertrübt zurück — du erntest fort — und windest
Dir Kronen der Unsterblichkeit.
* * * * * * *
Geringer Beitrag zu
der autographischen Sammlung
der Frau Gräfin Constanze Rzewuska
geborne Prinzession Lubomirska.
Aus dieser Schrift, die, im Vergehn
Des Lebens, noch ein Greis geschrieben,
Wird ein Lavater kaum erspähn,
Wie treu der Frohsinn ihm geblieben.
Vernehmt denn, wie es ihm gelang,
Aus seiner ungeschminkten Beichte,
Daß er die Grillen durch Gesang,
Die Heuchelei durch Spott verscheuchte.
Jung schmückt´ ihn schon ein Blumenkranz,
Den die leichtfüßigste der Horen
Von ungefähr, im Ringeltanz
Mit seinem Genius, verloren.
Hinwelkend, durch die Zeit bestaubt,
Blieb dieß ertändelte Geschmeide
Sogar noch seinem grauen Haupt
Ein Denkmal einst genoßner Freude.
„Wenn mir der Horen letzte ruft,
„Mag er, wie Tausend seines Gleichen,"
So sprach der Greis, „an meiner Gruft
„Noch als ein Todtenkranz verbleichen."
Einst aber warnt ein Nachtgesicht
Ihn, wie ein Faulthier fortzuwandern:
„Welkt dir dein Kranz — o nun so flicht
Das Schicksal dir wohl einen andern."
„Dich locke deutscher Rittergeist
„Ins Feld, wo Hermanns Lorbeer sprießen,
„Um dich dem Frühlingssänger Kleist
„Und seinem Nachruhm anzuschließen."
Auch hielt es aus der Heldenzeit
— Des Greises Ehrtrieb zu erregen —
Ihm sein aus der Vergangenheit
Ererbtes Mordgewehr entgegen.
Allein sein weiches Herz entsprach
Zu wenig diesen Hochgefühlen;
Ihm graut, sich Kronen durch die Schmach
Des Vaterlandes zu erwühlen.
„Mich soll nicht jenes Traumgebild,"
Schwur er, „zum Waffenspiel verführen;
„Aus Menschenliebe würd´ ich Schild
„Und Schwert, wie einst Horaz, verlieren."
Kaum hatt´ er dieß geträumt,
erschien
Ihm Mars, gefolgt von trunknen Schergen,
Es flohn die Grazien, für ihn
Blieb nicht ihr Schatten, sich zu bergen.
Umsonst fleht´ er um ihren Schutz,
Sie zittern, als ob ein Fieber
Sie überfallen, voller Trutz
An dem betroffnen Greis vorüber.
„Du, der als Jüngling schon so frei
„Und keck dich gegen uns benommen,
„Jetzt suchst du, riefen alle drei,
„Zuletzt bei uns dein Untertkommen.
„Geh deine Straße! Müßten
wir
„Uns nicht vor Welt und Nachwelt schämen,
„Solch einen dreisten Passagier
„In unsre Mitte aufzunehmen?"
Der Greis, verwundet durch den Stich
Des Chors mit blanken Schwanenhälsen,
Nahm seufzend seinen Stab und schlich
Hin zu Apollos Doppelfelsen.
Des Zutrauns lächelnd wies er ihm
Ein Plätzchen an in seinen Hallen;
„Hier wird dich nicht der Ungestüm
„Der Plündrer," sprach er, „überfallen!
„Zu leicht ist ihnen Dichtersold,
„Ja, sie verkauften, den fünf Sinnen
„Zum Hohn, für eine Hand voll Gold
„Das ganze Chor der Pierinnen.
„Vergiß den Störer uns´rer
Ruh,
„Sammt allen Siegen, die ihn krönen,
„Und eile den Triumphen zu,
„Die deine Jugendzeit verschönen.
„Auf Flügel der Erinnerung
„Schwing dich zu Margots Kinderspielen,
„Werd´ in Gedanken wieder jung
„Und täusche dich mit Nachgefühlen.
„Dem Tauber kann nie, wenn er girrt,
„Ein Feldgeschrei zu Ohren dringen,
„Und Kinder, wenn ihr Fenster klirrt,
„Verjagen ihre Furcht durch Singen.
„Zum Ueberfluß reicht die Natur,
„Des Traums Verheißung zu erfüllen,
„Dir Cäsars Kranz, er diente nur,
„Um seinen Kahlkopf zu verhüllen.
„Ein solcher Hauptschmuck," spöttelt er,
„Der Blößen deckt, ist unsern Tagen
„Sehr passend und weit räthlicher
„Als einen Reiherbusch zu tragen."
Der launige Apoll entschied;
Der Greis verjüngte sich durch Lieder
Der Freude, drum schallt auch sein Lied
So gern an frohe Herzen wieder.
Franzenbrunn, den 22. August 1811.