ReSource / N E W S
Zeitschrift der Edition ReSource
und Reihe Mitschnitt
Literarischer Salon
Edition ReSource
Reihe Mitschnitt
M. A. v. Thümmel
R. M. Gerhardt
Arno Schmidt
Karl May |
Die Zeitschrift NEWS bringt Neuigkeiten zu den nebenan
angezeigten Themen. Dabei will sie sich nicht auf die bloße Anzeige
von Neuerscheinungen beschränken; es ist daher auch möglich,
daß hier Texte, Bilder und Töne erscheinen, die nicht in direktem
Bezug zu diesen Themen stehen. Es kann sich erst im Laufe der Zeit zeigen,
welches Gesicht diese Seite haben wird - ob sie überhaupt eins haben
wird.
- - -
Anregungen, Hinweise, Kritik, Bestellungen: Email |
...
Literarischer Salon:
Viele Texte, Bilder und Töne sind verschwunden. Es ist an der Zeit,sie
(zumindest einige von ihnen) wieder sichtbar zu machen: Auf dieser 'Seite'
soll eine kleine Anthologie erscheinen, die mehr oder vor allem weniger
bekannte Texte versammelt, die dem subjektiven Interesse des Herausgebers
entsprechen und deshalb (Hochmuth kommt vor dem Phall) auch für
potenzielle Leser von Interesse sein kann und wird.
Gleichzeitig mit den NEWS ist eine zweite Fassung des
Literarischen
Salons erschienen mit einer kleine Sammlung von Briefe(n)
aus
dem 18. Jahrhundert: Sie soll einen kleinen Einblick verschaffen
in ein Zeitalter ohne Email; als die Menschen noch Briefe schrieben und
schreiben konnten. Umfang und Intensität dieser Schreibweise sind
heute kaum mehr vorstellbar: Ich schreibe heute an die halbe Welt, um
gelesen und beantwortet zu werden. Ich habe heute an Cramern zween Bogen
voll freundschaftliches Nichts geschrieben; nach Copenhagen, nach Hamburg,
nach Braunschweig, nach Dresden, nach Bernstadt in Schlesien habe ich nichts
wichtiges geschrieben, und nun fange ich auch an, mit Ihnen zu plaudern.
Ist dieser Tag nicht für mich ein vergnügter Tag? (Gottlieb
Wilhelm Rabener)
Ebenso erscheint ein Schema Über den sogenannten Dilettantismus...
der Firma Goethe & Schiller, das nicht nur im Jahre des Entstehens
(1799), sondern auch noch heute nichts von seiner Gültigkeit verloren
hat. Erscheinung wird es immer geben!
Es wird nicht nur "alte" Literatur veröffentlicht . . . es wird
auch Texte zu lesen und zu hören geben, die in unseren Jahrhunderten
die Literatur vorwärtsgebracht haben . . .
Moritz August von Thümmel:
V o r r e d e z u d e r d r i t
t e n A u f l a g e d e r W
i l h e l m i n e
Es ist mir des Herrn Pastors wegen nicht lieb, daß
Wilhelmine, seitdem sie an ihn verheurathet ist, mit ihren Kleidern noch
so oft ändert, als sie es am Hofe gewohnt war, und von jeder Leipziger
Messe wenigstens mit einem Jüpon versehen wird, woran der Pastor,
wie man wohl denken kann, nicht den geringsten Antheil hat.
Das sind die Sitten der großen Welt, Madame, die
Sie auf dem Lande ablegen müssen! Kann man es den Leuten verdenken,
wenn sie sich darüber aufhalten? „Was bildet sich denn die Frau ein?"
habe ich schon hier und da sagen hören, „Trägt sie nicht Spitzen,
die mehr kosten, als die Pfarre ihres Mannes in vielen Jahren kaum einträgt
— da andere ehrliche Weiber, die doch wohl ein bischen mehr werth sind,
züchtig und ehrbar einhergehen — Wenn sie doch an ihren Ursprung dächte,
und die Spötter nicht so oft erinnerte, daß sie einmal am Hofe
gewesen ist — Wie froh sollte sie doch seyn, wenn es die Leute vergäßen!"
Diese Reden, Madame, zu denen Ihr prächtiger Aufzug so vielen Anlaß
giebt, bringen auch mich in eine gewisse Verlegenheit, da jedermann weiß,
daß ich einige Freundschaft für Sie habe, und gern Ihre Aufführung
zu entschuldigen suche, wo es nur möglich ist; Aber wirklich — ietzt
gehen Sie zu weit. Sie tragen sogar, wie ich höre, noch immer seidne
Strumpfbänder mit französischen Versen gestickt? — Je! zu was
denn solche Strumpfbänder, Madame? An Ihrem Hochzeitstage konnte zwar
dieser verborgene gelehrte Staat noch mit Ehren ans Licht kommen; denn
hätte nur damals das Feuer Ihre vornehmen Gäste nicht so erschreckt,
so würden sie gewiß die artigste Ceremonie nicht vergessen haben
— Ihre Strumpfbänder wären gewiß, noch vor der völligen
Uebergabe Ihrer kleinen Person an den Herrn Pastor, von einer adelichen
Hand abgeknüpft, und in guterGesellschaft seyn verlesen worden, und
ich weis, der Cammerjunker würde darbey seiner Lunge Ehre gemacht
haben; aber zu was in der Welt kann Ihnen itzt diese Mode nutzen? Ich weis
mir keinen Umstand zu denken, wo Ihre Strumpfbänder noch itzt der
Lectüre ausgesetzt seyn könnten, und verlöhren Sie Eins
einmal auf dem Kirchwege, zu welchem Aergernisse würde dieses Gelegenheit
geben! Uebrigens will ich gern eingestehen, daß Ihre Kleidung sehr
artig und Ihr ganzer Anzug mit vielem Geschmacke gewählt sey; Ob ichs
aber billige, ist eine andere Frage. Ja, wenn Sie noch am Hofe wären:
je nun da — Aber da haben Sie in Ihrer Blüte genung gefallen, und
nun thäten Sie wohl, wenn Sie sich auch denen Personen zu empfehlen
suchten, die bisher nicht Ihre Freunde gewesen sind. Damit Sie dieses erreichen,
rathe ich Ihnen, eine stille ehrbare Miene anzunehmen, wenn sie Ihnen auch
nicht natürlich seyn sollte. Eine schwarze Stirnbinde würde gut
darzu stehen. Statt der durchsichtigen Halstücher legen Sie eine schwere
Sammtmantille um — Ein cannefaßner Rock — florne Streifgen am Hemde
— So ungefehr muß Ihr Putz seyn, wenn Sie denen Herren gefallen wollen,
die sich bisher über Ihr leichtsinniges Ansehn so geärgert haben.
Zur Zeit befindet sich die Wilhelmine in Arbeit. Mit der
Texterfassung wurde begonnen; zugrunde liegt die Ausgabe von 1769 (= 4.
Auflage), die auch die Nachworte zur zweiten und dritten Auflage enthält.
Editionsplan:
Thümmel - Dossier |
bereits erschienen |
Nachrichten von Thümmels Leben |
bereits erschienen |
Das Erdbeben von Messina |
bereits erschienen |
Die Inoculation der Liebe |
bereits erschienen |
Vermischte Gedichte |
bereits erschienen |
Wilhelmine |
erscheint am 1. Juli 2000 |
Die Reise in die mittäglichen Provinzen von Frankreich .. |
ab Juli 2000 |
...
Der Text erscheint im HTML-Format. - Ich gebe die Hoffnung nicht auf,
daß das Gesamtwerk einmal gedruckt und gebunden als "richtiges" Buch
erscheinen kann. - Vorerst ist auf die kleine Auswahlausgabe der Edition
ReSource zu verweisen.
Rainer
Maria Gerhardt:
UMKREISUNG
für Jean Arp
I
ein netz aus feuer
macht die nacht schweigen
ein netz aus
feuer
läßt die trompete klirren
die trommeln
hüten den schlaf
ich habe ein
rotes auge aufleuchten sehen
das dreieck der
wand ist voller richtpfeiler
ein goldnes tablett
wird die mitte der welt sein
alle gefährte
enden hier
ein großes
horn ist dem schlaf gegeben
ein netz aus feuer
macht die nacht schweigen
ein netz aus
feuer
macht den bogen schwirren
sie haben die
flöte tönen machen
es hat die hand
bewegt eine musik zu schreiben
ein goldnes tablett
wird die mitte der welt sein
ich habe die
hand bewegt eine musik zu schreiben
es hat alle glieder
entzückt aufrecht zu gehen
ich habe die
flöte tönen machen
es hat alle glieder
entzückt in schlaf zu fallen
ich habe ein
rotes auge aufleuchten sehen
ein netz aus feuer
macht den schlaf wachen
II
am nachmittag
des zwölften september wurde die
sonne rot
die geschichtsschreiben
haben nichts anderes zu
berichten
die riegel waren
geöffnet
man sah sehr
große tiere durch die stadt gehen
In Marbach lagern Schätze, die gehoben werden wollen. Dies dauert
seine Zeit; wahrscheinlich über die "Jahrtausendwende" hinaus. - Aber:
Was ist das schon bei einem Dichter. Es sind dort einige Entdeckungen zu
machen: z.B. Ein kleiner Roman, Ein deutsch Weihnachstspiel anno
domini 1948, Erinnerungen, u.a. (unveröffentlichte) Texte.
- Sie sollten nicht in einem BlechKasten begraben sein!
Die Arbeitsstelle für literarische Museen, Archive und Gedenkstätten
in Baden-Württemberg, Marbach am Neckar kündigt an:
Reihe: SPUREN: Uwe Pörksen:
Rainer Maria Gerhardt
in Freiburg. (noch nicht erschienen)
Neueste Veröffentlichung: Georg Patzer: Seiner Zeit voraus. Fragmente
Verlag, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Frankfurt/Main,
vom 22. 2. 2000, Seite 28-31
The Mekons: Music on MP3
Die MEKONS zählen zu den unkonventionellsten englischen Gruppen
der 80er und 90er Jahre. In ihrer Musik verarbeiten sie traditionelle
Elemente wie Folk, Country und Dub zu einer eigenständigen Form. Der
verstorbene Rockkritiker Lester Bangs nannte sie einmal die "revolutionärste
Gruppe in der Rockgeschichte" und meinte weiter: "Sie sind die besten Künstler,
die diese zugegebenerweise leicht degenerierte Form je mit ihrer feinnervigen
Ästhetik beschenkt haben."
Die MEKONS begannen ihre Karriere im nordenglischen Leeds als Punkband,
denen mit "Where Were You" (1978) sogar ein echter Punk-Klassiker gelang.
Kurz darauf bekamen sie einen Vertrag mit ,Virgin‘ und veröffentlichten
dort eine LP (,The Quality Of Mercy Is Not Strnen' - auf dem Cover der
sprichwörtliche Affe an der Schreibmaschine, was wohl den absurden
LP-Titel erklären sollte. Liveauftritte hatten jedoch Seltenheitswert,
eine 2jährige Pause schien für die Band kein Problem zu sein.
Erst durch den Streik der englischen Bergarbeiter unter Führung von
Arthur Scargill kam die Band wieder auf die Beine: "Der Streik hat die
MEKONS wieder als Live-Band zusammengebracht. Wir hatten seit ca. zwei
Jahren kein Konzert mehr gegeben. Dann kamen die ganzen Wohltätigkeitskonzerte
für die Bergarbeiter und da mußten wir oft Musiker aus anderen
Bands mit auf die Bühne holen, sonst hätten wir unser Material
gar nicht live spielen können."
Die Band gründete 1985 ihr eigenes Label ,Sin Records‘, auf dem
dann auch ihre nächsten Platten erschienen: "Fear & Whiskey" (1985),
"The Edge Of The World" (1986) und "Honky Tonkin" (1987). Auf all diesen
Platten experimentieren sie mit den verschiedensten Stilelementen; von
FoIk über Country bis zu Reggae. "Fear & Whiskey", der Titel ihrer
,85er-LP deutet schon die zwei Seiten des MEKONS-Universums an. Zum einen
sind die MEKONS eine "feucht-fröhliche" Gruppe (vor allem live), auf
der anderen Seite stehen immer wieder Momente von Angst, Verzweiflung und
Weltschmerz im Vordergrund. "Mekons Rock‘n‘Roll", 1989 veröffentlicht,
war dann - wie der Name schon andeutet - die bislang Rock-orientierteste
Platte. Unter Mekonsfans gilt sie als ihre beste Produktion.
In den 90er Jahren war die Musik der Mekons ein wenig uneinheitlich,
was vor allem auch daran lag, dass Jon Langford (gt, voc.), Steve Goulding
(dr.) und Sally Timms nach Chicago zogen, aus sowohl privaten (Heiraten)
als auch musikalischen Gründen (Nähe zum Country). Neben einer
platten Rock-LP versuchten sie sich auch an einer Zusammenarbeit mit der
Schriftstellerin Kathy Acker (Pussy, King of the Pirates). "ME" war ein
Konzeptalbum über die Egozentriertheit der 90er. Neben Jon Langford
und Sally Timms hat auch der Akkordeon-Spieler Rico Bell mehrere Soloplatten
veröffentlicht. Einzig Ur-Mekon Tom Greenhalgh (Ich habe Jon eingeladen!)
lebt noch in England ein Leben abseits vom US-Betrieb. In den letzten Jahren
hat Jon Langford sowohl als Kritiker des Nashville-Kommerzes, als bildender
Künstler (Haupterwerbszweig) aber auch als Leiter der Countryband
Waco Brothers von sich reden gemacht. Im März erscheint „Journey to
the end of the night", ein neues Album, das vor allem an die Mitachtziger
Lps anknüpfen soll.
Warum gibt es die Mekons noch: „Aufzuhören hätte zu viel
Stress bedeutet." (Sally Timms)
Warum kennt sie kein Mensch, obwohl sie laut Greil Marcus die wichtigste
Band der 80er waren? „Totaler Verzicht auf jede Form von kommerziellem
Ehrgeiz" (Jon Langford).
Hier ein Beispiel (MP3) ihrer Musik: MEMPHIS
EGYPT, Mekons at the Museum of Contemporary Art Chicago, 20-09-97
(2oth Anniversary Show), (2,5 MB)
Inhalt
Johann Anton
Leisewitz:
Aus einem Schreiben
an
Professor Lichtenberg
in
G ö t t i n g e n .
_________
Braunschweig, den 25. Februar 1781.
Die Nachricht von Lessing´s
Tode ist nur zu wahr. Der Mann, dem für seine mannigfaltigen Talente,
auch ein rein ausgelebtes Menschenalter noch immer zu kurz gewesen wäre,
starb am 15. Februar im 53sten Jahre.
Doch ich muß Betrachtungen der Art abbrechen,
wenn ich fortschreiben will, und Sie verlangen ja auch nur eine authentischen
Nachricht von seinem Tode.
Lessing bemerkte schon seit langer
Zeit eine Abnahme seiner Gesundheit, und die ersten Schwachheiten ließen
einen Schlagfluß befürchten. Er fühlte eine gewisse der
Lähmung nahe Schwere, eine unnatürliche Neigung zum Schlafe,
die ihn oft in Gesellschaften, wenn er noch den letzten Bissen oder das
letzte Wort im Munde hatte, überfiel. Zuweilen konnte er das Wort,
das er suchte, nicht finden, sagte unwillkürlich ein anderes, und
zuweilen kam ihm sogar ein Buchstaben statt eines andern in die Feder.
Lessing
war in gewissen Augenblicken nicht im Stande, zwei Zeilen orthographisch
zu schreiben.
Unterdessen waren das lange Zeit Übel
eines einzigen Augenblick´s, und bloß körperliche Übel,
sein Geist blieb noch immer so sehr derselbe, daß verschiedene seiner
vertrautesten Freunde seine Krankheit für Einblildung hielten.
Eine Reise im vorigen Herbste schien ihm sehr
vortheilhaft gewesen zu sein; allein seine Schwachheit nahm mit dem Winter
auf die heftigste Art zu.. Er ward in den letzten Monaten äußerst
engbrüstig, ein Weg nach Braunschweig kostete ihm Stunden, sein Gang
ward schleppend, seine Stimme gedämpft, jenes durchdringende Feuer
seiner Augen fing an zu verlöschen. Er klagte nun auch, daß
er keine Gedanken zusammen bringen könne, daß er immer arbeiten
wolle, und nie arbeiten könne, er ward gegen alles gleichgültig;
wir vermissten ihn recht in seinem Umgange, denn auch da glänzten
vorher alle seine Talente nur in der Richtung, die ihnen die Unterredung
anwies.
Den 3ten Februar, wie er des Abends in Gesellschaft
gespeist hat, kömmt er recht engbrüstig zu Hause, er hatte sogar
die Sprache verloren. Dem ungeachtet will er zu keinem Arzt schicken, und
befiehlt auch dem Bedienten, ihn allein zu lassen und das Zimmer zu verschließen.
Er hat eine höchst üble Nacht, und doch trifft ihn einer seiner
Bekannten den andern Morgen unter den Händen des Friseurs an, weil
er fest entschlossen ist, nach Wolfenbüttel zu fahren, das er wahrscheinlich
nicht erreicht hätte. Es kostete Mühe, ihn davon abzubringen
und ihn zu überreden, unsern Leib=Medicus Brückmann kommen
zu lassen. Dieser ließ ihm sogleich eine Ader schlagen und Zugpflaster
legen. Er fing nun auch an, Blut auszuwerfen, schien sich doch aber gleich
den folgenden Tag ziemlich erholet zu haben.
Während seiner Krankheit war er sehr
ruhig, gelassen und zuweilen munter, oft und lange außer Bette, nahm
viele Besuche an, und ließ sich vorlesen. Zu einer Zeit schien er
sich seinem Tod sehr nahe, zu einer andern sehr entfernt zu denken. Auf
seine gänzliche Genesung hoffte er unterdessen nicht, und erklärte
einmal, er sei auf Leben und Tod gefaßt.
Lessing hatte in seinem ganzen Leben
einen ungemein folgsamen Schlaf, der sogleich kam, wenn es ihm einfiel
die Augen zu schließen; er hat mich oft versichert, daß er
nie geträumt hätte. Dieses Glück behielt er bis an sein
Ende, und sagte noch kurz vorher, wenn er den ganzen Tag geschlafen hätte,
freue er sich doch auf die Nacht.
Unterdessen kamen die Anfälle der Engbrüstigkeit
immer von neuem wieder, und es war umsonst, daß seine Ärzte,
Herr Leibmedicus Brückmann und Herr Hofrath Sommer,
alles anwandten, was die Freundschaft fodern, und die Kunst leisten konnte.
Am letzten Tage glaubte er sich außerordentlich
wohl zu befinden, wie er sich aber Abends in´s Bett legen ließ,
befiel ihn die Engbrüstigkeit so heftig, daß er nach wenigen
Minuten, sich und den Umstehenden unvermuthet, starb.
Herr Hofrath Sommer öffnete den
Leichnam, und ist so gütig gewesen mir die Erlaubnis zu geben, Ihnen
den Sections=Bericht mittheilen zu dürfen. Dieser verdienstvolle Mann
hält die in Lessing´s Alter ungewöhnlichen Verknöcherungen
für die Ursache der Brust=Wassersucht und des Todes.
Unter Lessing´s Nachlasse müssen
sich verschiedene sehr schätzbare Handschriften finden, viele Anmerkungen
über die deutsche Sprache und alte Litteratur, eine ziemliche Menge
von Collectaneen über das Heldenbuch, eine nach mehreren Manuscripten
berichtigte Abschrift des Renners, Reise=Anmerkungen über Italien,
der Anfang einer Lebensbeschreibung des seel. Reiske, Entwürfe
zu Schauspielen, und schon ausgearbeitete Scenen, wenigstens einige zu
dem Doktor Faust, welche die in den Litteratur=Briefen bekannt gewordenen
übertreffen, vielleicht etwas von einem Spartakus und Nero. Er hatte
sich auch wenigstens vorgenommen, eine Geschichte der deutschen Dichtkunst,
von den Minnesängern bis auf Luther zu schreiben; ich weiß aber
nicht, ob sich davon etwas finden wird.
Besonders muß sich jetzt ein Umstand
aufklären, der für das Publicum äußerst interessant
ist. Vor einigen Jahren wurde Lessingen in Leipzig ein Kasten mit
Handschriften entwandt oder durch Nachlässigkeit verloren; in diesem
Kasten befanden sich, nur, so viel ich weiß, ein Schauspiel, die
Matrone
von Epheus, eine Abhandlung über die beste Einrichtung eines deutschen
Wörterbuchs, der Buchstaben A zu einem deutschen Wörterbuche,
eine Litteratur=Geschichte der Aesopischen Fabel. Lessing behauptete
nun zwar immer, daß er keine Concepte oder Abschriften von diesen
verlor´nen Schriften mehr hätte. Allein viele seiner Freunde,
die seine Abneigung, zwei Mal an dieselbe Sache zu gehen, kannten, haben
immer an diesem Vorgeben gezweifelt, und ich weiß jemand, der noch
nach dieser Zeit eine Abschrift der Matrone von Ephesus bei ihm
gesehen haben will.
Diese Abneigung, von der ich eben redete,
ging so weit, daß er zuweilen etwas liegen ließ, wenn schon
ein Theil davon gedruckt war. Zu den Fragmenten dieser Art gehört
ein Schauspiel, der Schlaftrunk und ein Sophocles, der schon 1760 bei Voß
in Berlin bis zur 113ten Seite abgedruckt ist. Es sollte eine Abhandlung
über das Leben und die Schriften des griechischen Dichters werden,
und ist ganz im Geschmack des Bayle.
Ich bin etc.
L e i s e w i t z .
____________________
Quelle: Sämmtliche Schriften von Joh. Anton Leisewitz. Zum erstenmal
vollständig gesammelt und mit einer Lebensbeschreibung des Autors
eingeleitet. Nebst Leisewitz´ Porträt und einem Facsimile. Einzig
rechtmäßige Gesammtausgabe. Braunschweig. Verlag von Eduard
Leibrock. 1838.
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am 1. August 2000.
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