Friedrich Gottlieb Klopstock
Die deutsche Gelehrtenrepublik.
Teil 2 

Geschichte des lezten Landtages :
Erster bis fünfter Morgen


 

Geschichte des lezten Landtages.

 

 

 

Erster Morgen.

 

Neuer Zuruf des Herolds. Streit mit den Aldermännern. Diese schlagen den Zünften Grundsäze der Politik vor. Zwey Anklagen. Etwas die Zünfte der Drittler, und der Scholiasten betreffend.

 

Im achtzehnten Jahrhundert zwey und siebzig versammelte sich die Republik, der Gewonheit gemäß, an dem alten Eichenhaine. Die Aldermänner sassen, wie dieß gleichfalls der Gebrauch war, bey dem Quell, zwischen den Zünften. Gegen ihnen und den Zünften über saß das Volk. Hinter dem Volke stand der Pöbel. Denkmale unsrer berühmtesten Mit­bürger sondern die Zünfte von einander ab. Zu diesen Denkmalen waren jezt neue hinzugekommen; und auch der halbe Kreis gleicher Denkmale, welcher die Aldermänner von der Seite des Haines her umgiebt, bestand, nach der Verabredung des vorigen Landtages, aus einer grösseren An­zahl Bildsäulen.

   Die Fremden (ihrer waren dießmal nicht wenige: Altfranken, auslän­dische Gelehrte, und sowol einheimische als auswärtige Künstler auf den Landtag gekommen) hielten sich auf beyden Seiten der Zünfte etwas vor­wärts in Lauben auf, die man für sie aus Ahornen zu machen pflegt. Denn mit welcher Achtung wir auch denen begegnen, die auf unsre Landtage kommen, so kann ihnen doch ihre Stelle nicht unter den Eichen angewiesen werden. Wie ehrwürdig auch den jezigen Fremden der Anblik der Landgemeine war, so schienen doch einige über die grosse Zahl des Volkes verwundert zu seyn. Sie wüsten vermutlich nicht, oder be­dachten nicht, daß unter uns Deutschen die Zahl solcher Männer, die zu viel Unwissenswürdiges mit wissen, niemals gering gewesen ist; und daß wir, in der neuern Zeit, an unreifen Kennern nicht wenig zugenom­men haben.

   Daß sie die Erblickung des noch viel zahlreicheren Pöbels in Erstau­nen sezte, war ihnen vollends auf keine Weise zu verübeln. Denn wie konten sie darauf verfallen, daß die Gelindigkeit der Aldermänner (mit der Bescheidenheit sey es gesagt, die wir allzeit gegen sie gezeigt haben, und allzeit zeigen werden!) der Aldermänner, die so viel Pöbels, als sie wollen, Landes verweisen können, allein Schuld daran wäre, daß die Republik von ihm nicht mehr gesäubert würde. Musten sie nicht denken (wir wissen, daß sie es, eh sie eines bessern belehrt worden sind, gedacht haben) daß die Republik, die sie jezt mehr als vordem kanten, und, welches einerley ist, schäzten, und zu deren Landtage sie mit derjeniger Neubegierde, die schon beynah Genuß ist, gekommen waren, Geschmak daran fände, durch die Anzahl ihrer Mitbürger, durch einen solchen ersten Anblik, dessen Täuschung doch so bald verschwände, groß in die Augen zu fallen.

   Der Herold eröfnete den Landtag mit dieggm neuen Zurufe:

   Seyd gerecht, und steuert allem, was der Ehre der Republik nachtheilig ist, oder werden kann! Fördert, was der Nation würdig ist, und haltet derselben nichts würdig, was nicht gut, edel, und unsterblich ist!

   Als nach einigem Gemurmel, daß die Aldermänner den uralten Zuruf abgeschaft, und diesen neuen geboten hätten, ein Aldermann zu reden aufstand, hinderte dieß der Anwald der Dichter durch seine schnelle Ankunft. Der Hauptinhalt seiner Anrede an die Aldermänner war:

   Sie hätten den Landtag veranlassen sollen, da die Zünfte gezögert hätten es zu thun. Sie verdienten auch hierdurch den Vorwurf einer zu grossen Gelindigkeit. Denn wäre die Landgemeine eher zusammenge­kommen; so würde auch Recht und Gerechtigkeit eher gehandhabt worden seyn. Oder fürchtet ihr, brach er zulezt aus, vielleicht etwas für euch selbst? Wenn es die Anzündung der Todtenfackel für eins oder zwey eurer Werke ist, was ihr fürchtet: so wisset, daß sie durch nichts, auch nicht durch Gelindigkeit, abgewendet werden kann. Dieser Land­tag wird zeigen, ob unsre Vorwürfe gerecht sind, oder nicht. Ich will euch sagen, wo wir euch vornämlich erwarten. Gerecht sind unsre Vorwürfe, wenn ihr entweder gar nicht, oder auch nur nach langsäumender Berathschlagung, zur genauen Ausübung der Geseze vom Hochverrathe, mit den Zünften einstimt.

   Der antwortende Aldermann sprach zwar mit vieler Mässigung und Weisheit; auch konte er den Vorwurf des spätem Landtages dadurch leicht ablehnen, daß es bisher immer die Sache einer der Zünfte gewesen wäre, den Landtag zu veranlassen: aber man sah offenbar, daß er von den Zünften nicht mit Beyfalle gehöret wurde, als er die Gelindigkeit der Aldermänner damit entschuldigen wolle, daß sie gewissermaassen ge­ruht hätten, um die grosse Gährung nicht zu stören, in welcher die Re­publik bisher gewesen wäre.

   Ihr hättet den wilden Strom leiten sollen! rief der Anwald der Natur­forscher.

   Der Aldermann bemerkte den Beyfall, mit dem der Anwald selbst vom Volke gehört wurde. Jener fuhr fort:

   Ihr werft uns eine Gelindigkeit vor, auf deren Seite uns gleichwol noch immer gute Gründe zu seyn scheinen; aber gesezt auch wir irten, und nicht ihr: so ist doch das ein Vorwurf von viel weiterem Umfange, daß sich die Zünfte niemals haben einlassen wollen, Grundsäze der Politik anzunehmen. Wir meinen nicht jene listige, die bey Beherschung der Völker und dem Betragen der Beherscher gegen einander, noch immer so viele Einflüsse hat: wir meinen eine freye, ofne, gerechte Politik, die auch erkant, und an hellem Tage ausgeübt, ihre Zwecke nicht verfehlt. Wolt ihr nie aufhören auch diese zu verachten? Die grosse Pflicht, die uns obliegt, bey keiner wichtigen Sache zu ermüden, gebietet uns jezt, was wir an sich selbst so sehr hassen, auch ohne Erwartung eines guten Erfolgs, uns von neuem an euch zu wenden.

   Er fuhr noch einige Zeit auf diese Art fort, und sagte zulezt, daß er den Zünften vornämlich drey Grundsäze der Politik vorlegen wolte, welche den Aldermännern, der Annehmung würdig geschienen hätten.

   Wir wissen so gut, begann er von neuem, als es irgend jemand wissen kann, daß man dadurch, was wir zu sagen haben, nur kleine Schritte thut. Aber der ist sehr von der Reife eines weisen Mannes entfernt, dem es noch unbekant ist, daß auch kleine Schritte von Bedeutung sind, wenn sie zu grossen Zielen führen.

   Der erste Grundsaz, den er anführte, war:

   Sich der Gewalt der Grossen, sie möchten Altfranken seyn, oder als herschsüchtige Kenner (denn dieß wären sie gewonlich) der Republik angehören, dadurch zu entziehen, daß man theils durch sie so selten Ämter suchte, als es nur immer möglich wäre; denn etliche derselben hingen ja nicht von den Grossen ab, und etliche wären von einer Be­schaffenheit, daß sie dem Verdienste wol werden müsten: und daß man theils, wenn man ja anzusuchen gezwungen wäre, zu strenger Massigkeit entschlossen, es oft nur um solche Ämter thäte, die gewonlich Ungelehrte bekämen, und deren Erlangung also nicht hoch angerechnet werden könte. Ausser der grössern Unabhängigkeit, würde die Verwaltung solcher Ämter auch den Nuzen haben, daß man dabey mehr Musse zu gelehrten Unternehmungen übrig behielte.

   Der zweite Grundsaz war:

   Von der Art, wie die Länder jezt beherscht würden, wahr und frey, aber zugleich mit einer solchen Mässigung zu schreiben, daß diese nicht nur etwa gegen Verfolgungen in Sicherheit stehe; sondern auch die freye Wahrheit desto gewisser zu ihrem Zwecke führte, je gewisser zwar manchmal offenherzige, allein noch öfter ausschweifende und lügenhafte Kühnheit, wie sie zum Exempel über dem Meere so sehr gange und gebe wäre, diesen Zwek verfehlte.

   Der dritte Grundsaz war:

   Sich durch tiefe Untersuchung der Geschichte, und durch meisterhafte Vorstellung des gefundnen Wahren, den Grossen, welche die Ehre lieb­ten, furchtbar zu machen.

   Wir Deutschen, schloß er, haben hier noch ein grosses ungebautes Feld vor uns. Denn seht nur hin, wie klein in der Zunft unsrer Geschicht­schreiber die Anzahl derer ist, welche den grossen Namen, Geschichtschreiber zu heissen, völlig verdienen.

   Diejenigen Grundsäze der Politik, die sich auf das Betragen unsrer Mitbürger gegen die übrigen Altfranken, und die Ausländer beziehen, behalten wir uns vor, zu einer andern Zeit vorzutragen; auch behalten wir es uns für das Künftige vor, uns mit euch zu berathschlagen, ob, und wie weit sich ein Gelehrter auf die Handlung einlassen solle ? Die Sache ist thunlicher als ihr etwa glaubt, und auch besser, als sie euch beym ersten Anblicke scheinen möchte. Sie ist das lezte unter der Bedingung, daß der Gelehrte, der ein Kaufmann wird, sich nicht Bereicherung, son­dern nur gutes Auskommen zum Zwecke vorseze.

   Ob man gleich bald entdekte, daß es die Zünfte über diese Sache nicht würden zur Stimmensamlung kommen lassen; so sah man doch auch, daß der Vortrag des Aldermanns nicht ohne Eindruk, und besonders nicht ohne den gewesen war, daß die Zünfte geneigt schienen, den Aldermännern ihre Gelindigkeit zu verzeihn.

   Diesen Augenblik ergrif der Anwald der Mathematiker.

   Was hat denn, sagte er, die Zunft der Dichter vor allen andern Zünf­ten berechtigt, den Aldermännern Vorwürfe zu machen ?

   Ihr Anwald antwortete:

   Erst die Vaterlandsliebe, die unsre Zunft seit jeher in höherem Grade gehabt hat: und dann, daß wir es sind, die es in den lezten Zeiten dahin gebracht haben, daß der Name unsrer Republik unter den Altfranken, den Ausländern, und so gar unter fremden Leuten jezo mehr gilt, als er sonst gegolten hat.

   Der Mathematiker schien keine Antwort zu haben. Unterdeß wurde sein Stillschweigen weniger bemerkt, weil der Rathfrager zur rechten Zeit für ihn gegangen kam, und sich so an die Aldermänner wen­dete:

   Wir sehen nicht genung, wie wir es machen sollen, um eure vorgeschlagne Grundsäze in Ausübung zu bringen; wir bitten euch daher, euch näher darüber zu erklären.

   Die Antwort war:

   Du würdest keine nähere Erklärung von uns verlangen, wenn, für die meisten unter euch, die Ausführung nicht mit zu vielen Schwierigkeiten verbunden wäre. Und damit uns künftig keine Gelindigkeit mehr vorge­worfen werde, so sezen wir hinzu: In Beziehung auf eure grössere Zahl, ist der Republik wenig daran gelegen, daß ihr euch der Gewalt der Gros­sen entzieht, und euch durch mehr Musse geschikter zu gelehrten Unter­nehmungen macht. Wir haben die Grundsäze unserer Politik nur den Zünften vorgeschlagen. Wir können dem Volke zwar nicht wehren, sie auch anzunehmen; aber wir empfehlen sie doch gleichwol unter euch vorzüglich nur den Jünglingen. Sie sollen sie nämlich oft überdenken, sie bey sich reifen lassen, und, wenn sie nun Männer sind, ausführen. Ihnen empfehlen wir sie recht sehr, und bitten sie zu erwägen, daß die Republik durch ihren Entschluß gewiß an Ansehn gewinnen werde, wenn die Zünfte auch fortfahren solten durch ihren versagten Beyfall zu machen, daß sie die höchste Stufe dieses Ansehns nicht erreichen kann.

   Der Rathfrager trat ab. Der Aldermann wendete sich wieder an die Zünfte:

   Wie es dem, was wir vorgetragen haben, auch glücken, oder nicht glücken möge; so sind wir, dieser Ungewisheit ungeachtet, entschlossen, den Zünften und dem Volke vorzuschlagen, daß sie Alambert, ob er gleich ein Ausländer ist, wegen seiner vortreflichen Schrift »über die Gelehr­ten und die Grossen« mitten in diesem heiligen Haine ein Denkmal seze.

   Die Zünfte waren seit dem kleinen Streite, welchen der Anwald der Mathematiker angefangen hatte, in einige Bewegung wider einander ge­kommen. Durch die Antwort, welche der Aldermann dem Rathfrager gegeben hatte, war diese Bewegung noch vermehrt worden.

   Der Aldermann stand wieder auf:

   Die Gährung, sagte er, in der bisher die Republik gewesen ist, mag immer in einige zu warme Untersuchungen ausarten; wenn die Ausar­tung nur nicht lange fortdauert, und jene Gährung so viel Reife hervor­bringt, daß der Auswuchs unmerklich wird. Doch die Zünfte haben kei­ne Warnung, sondern vielleicht nur einige Aufmunterung nötig. Denn ich seh euch, wie mir es vorkomt, alle entschlossen, und entschlosner als jemals, diesen Landtag, zu dessen Haltung wir endlich gekommen sind, für die jezigen und die künftigen Zeiten merkwürdig zu machen. Dieses zu thun, kenne ich keinen andern Weg, als weise Ausübung unserer Geseze. Bey zu grosser Strenge, würde man euch satyrische Gesinnungen Schuld geben können; und diesen pflegen sich nur einzelne Gelehrte bey ihren Streitigkeiten zu überlassen; aber die versammelte Republik, der es genung ist gerecht zu seyn, ist allezeit selbst über einen solchen Schein erhaben gewesen: in Gegentheile würdet ihr, bey zu grosser Gelindigkeit, eine solche Kraftlosigkeit im Handeln zeigen, daß es besser wäre, den Landtag gar nicht zu halten. Dieser lezte Vorwurf, was wir Aldermänner auch haben hören müssen, ist es, von dem wir am meisten wünschen, daß er nicht gemacht werden könne; des ersten, weil er gewiß ungegründet seyn wird, achten wir wenig. Denn was etliche in den jezigen Zeiten etwa als eine Folge satyrischer Gesinnungen ansehn möch­ten, wird in den künftigen (ein solches Verfahren trau ich uns und euch zu!) so gar für schonende Gerechtigkeit erkant werden. Ich meine nicht etwa die fernen künftigen; ich meine die nahen. Nur dieß und jenes, einige wenige Begriffe brauchen nur noch zu ihrer vollen Reife ge­kommen zu seyn; so wird gemässigte Strenge von keinem mehr verkam, und eingesehen werden, daß sie es vornämlich ist, die das Wohl der Republik befördert.

   Ihr sehet, was wir von euch erwarten; aber auch dieß erwarten wir noch: Ihr werdet deutsche Einfalt, Kraft, Entschlossenheit zeigen, und nach Zwecken streben, die der Erreichung werth sind, und die, als solche erkant zu werden, der schönen Schwazhaftigkeit, dieses Tons der Mittelmässigkeit, der in unserm Jahrhunderte der herschende ist, nicht be­dürfen, einer Schwazhaftigkeit, die noch verziehn werden könte, wenn sie je bedeutenden Inhalt hätte, die es aber nicht kann, weil sie nie etwas vom Kerne weis, und nur Schalen und wieder Schalen dem Zuhörer ins Gesicht wirft. Daß ihr von uns patriotische Gesinnungen sowol gegen die Republik, als überhaupt gegen unser Vaterland erwarten könt, wist ihr: und wüstet ihr es auch nicht; so würden wir es doch lieber zeigen, als viel davon reden.

   Da die Aldermänner alles, was sie etwa noch zu sagen haben, für die Zeiten aussezen, wenn sie Vortrag halten werden; so gebieten sie, damit die zu entscheidenden Sachen in der gewönlichen Ordnung auf einander folgen, hierdurch dem Herolde:

   Die einzelnen Ankläger aufzufodern.

   Die Anwalde zum Vortrage einzuladen.

   Und, nach jedem geendeten Vortrage einer Zunft, und so bald die Stimmensamlung darüber geschehen, und die Entscheidung der Mehr­heit zur Ausführung gebracht ist, bey uns, den Aldermännern, der Sitte gemäß, anzufragen: Ob wir jezt Vortrag halten wollen?

   Die Zünfte äusserten sich hierauf, nachdem sie einige Zeit an einander geschikt hatten, durch den ältesten Anwald auf folgende Art gegen die Aldermänner:

   Wir müssen es noch aussezen uns umständlich über eine anzunehmende Politik zu erklären. Wir halten für besser, daß sich die Republik bestrebe die Grossen für sich zu gewinnen, als daß sie sich ihrer Gewalt zu entziehn suche. Wenn ihr uns sagt, daß man sie nie gewinnen werde; so ant­worten wir fürs erste, daß man sich ihrer Gewalt auch nie ganz werde entziehn können: aber wir gehen weiter, und behaupten, daß es denn doch am Ende nicht völlig unmöglich sey, sie zu gewinnen, und daß oft die geglaubte Unmöglichkeit mache, daß etwas, das sonst noch wol aus­zuführen wäre, unausgeführt bleibe. Wir wollen euch jezt kurz sagen, wie wir es vorhaben, und das nähere darüber den abendlichen Berathschlagungen vorbehalten. Was sollen wir es hehl haben, daß die meisten der Grossen Altfranken sind; sie haben es ja selbst kein hehl. Zu diesen Altfranken also schikt die Republik Abgeordnete, doch ohne daß diese es merken lassen, wer sie sind, und warum sie kommen. Wir wollen mit Zuziehung des Volkes die Abgeordneten wählen; ihr solt ihnen Verhal­tungsbefehle geben. Und damit die Sache desto eher zu Stande komme; so solt ihr nichts gegen unsre Wahl, und wir wollen nichts gegen eure Befehle einwenden. Wir werden Männer zu Abgeordneten wählen, die, nach den Umständen, ohne Verlezung des Gehorsams, auch von Be­fehlen abzugehen wissen; und ihr werdet so auf alles denken, ihnen sol­che Vorschriften ertheilen, daß nicht leicht ein Umstand vorkomme, der die Abweichung nothwendig mache. Nur noch etwas weniges von der Beschaffenheit der Abgeordneten, und den Verhaltungsbefehlen; und dann für diesesmal genung von der Sache.

   Ein Abgeordneter muß ein Mann seyn, der sich für die Republik auf­zuopfern so entschlossen ist, daß er sich, zur gehörigen Zeit, und am gehörigen Orte, etwas tiefer bücke, nicht tiefer, als es nötig ist, denn sonst würd er mehr schaden als nuzen, sondern tiefer, als er Lust hat.

   Er muß die Geschiklichkeit, und so zu sagen die Nase haben, alle die Widersprüche, die sich in eines Altfranken Seele unaufhörlich herumtummeln, zu entdecken, sie, wo nicht zum Frieden, (denn das möchte wol nie angehn) aber doch zum Waffenstillstände zu bringen, und während dieses Waffenstillstandes die Hand schnell ans Werk zu legen, daß es bis zur Fassung eines Entschlusses komme.

   Hat er jene Neigung und diese Geschiklichkeit, so wird es euch leicht seyn, ihn durch Vorschriften vollends zu dem zu machen, was er seyn soll.

   Vielleicht würden folgende zwey Vorschriften (doch wir sagen das nur so hin, ohne daß es in geringsten Rathgebung seyn soll) nicht un­dienlich seyn: Wenn auch ein ganzer Pfeilregen angenehmer nichts entscheidender Worte auf dich fält; so must du dich das nicht irre machen lassen, sondern, wie der grosse Lacedämonier, in Schatten fort­fechten.

   Weil du, so lange du Abgeordneter bist, wegen Übertretung der Geseze die Mäcenaten betreffend nicht kanst angeklagt werden, so kanst du auch den Namen Mäcen nur immer frisch weg brauchen; aber doch so, daß er kein Flikwort, wie er hier denn doch der Gegenstände wegen ist, sondern gleichsam die Seele dessen, was du eben sagest, zu seyn scheine.

   Doch wir wollen euch nicht länger an Sachen erinnern, die ihr wisset, und auch den Herold, dem ihr schon Befehl gegeben habt, nicht weiter aufhalten.

   Als sich hierauf die Ankläger nach der Auffoderung des Herolds auf dem bestirnten Plaze versammelt hatten, so liessen die Aldermänner (das war sonst nicht gewönlich) noch dieses bekant machen:

   Die Ankläger und die Angeklagten müssen kurz sagen, was sie zu sa­gen haben. Weitläuftigkeit, wenn sie auch sogar beredt ist, wird zu nichts helfen.

   Dieses schrekte ein wenig, weil es den Entschluß der Aldermänner sehr deutlich zu erkennen gab. Man sah nämlich, daß sie ihr Recht brauchen, und, wenn sie es für gut fänden, Anklage oder Vertheidigung ohne viel Umstände abweisen würden. Und dazu, daß sich die Zünfte wider solche Abweisungen erklären würden, konte man auch eben keine sonderliche Hofnung haben, weil sie den Aldermännern zu grosse Gelindigkeit vorgeworfen hatten. Ankläger und Angeklagte fanden sich daher in Umständen, worinn sie auf nichts, als auf die Unterstüzung der Geseze hoffen konten.

   Der Ankläger den man anzufangen erlaubt hatte, weil er zuerst auf dem Plaze gewesen war, sagte: Er wolte nur daran erinnern, weil es sonst vielleicht könte vergessen werden, daß von Bar in der französischen Sprache geschrieben hätte, und daher nach dem Geseze:

   Selbst Leibniz, wenn er wieder käme

müste Landes verwiesen werden. Seine Verweisung würde freylich wol ohne Wiederkunft seyn, weil er sowol zum Schreiben, als auch zur Er­lernung unserer Sprache zu alt wäre.

   Bey dieser Anklage entstand hier und da ein kleines Gelächter. Es würde allgemeiner geworden seyn, wenn die meisten nicht mit dem An­kläger in gleicher Unwissenheit gewesen wären. Man hatte sich nämlich in den lezten Zeiten so wenig um von Bar bekümmert, daß man nicht wüste, daß er schon todt wäre, und daher nicht mehr angeklagt werden könte. Der Ankläger trat lächelnd ab, weil er sein Versehn, in so grosser und guter Geselschaft, begangen hatte.

   Unterdeß da dieses vorging, hatte sich der zweyte Ankläger gegen alles Vermuten entfernt. Er hatte vorgehabt, und sich es sogar gerühmt, wider den Ungenanten, zur Anklage zu erscheinen. Aber in dem Augen­blicke der Ausführung hatte ihn der Mut verlassen. Die Aldermänner konten ihre Freude über die Entfernung dieses Anklägers kaum verber­gen. Doch sie dauerte nicht lange. Denn die Weltweisen schikten ihren Anwald auf den Anklageplaz, und dieser erklärte sogleich, was ihm von seiner Zunft aufgetragen sey. Er wolte auch schon zu reden anfangen; aber die Aldermänner baten ihn, ihn nur auf kurze Zeit von dem abhal­ten zu dürfen, was er vorzutragen hätte.

   Es ist ganz ungewönlich, sagten sie, daß über Abwesende etwas ent­schieden werde. Denn für's erste können sie sich nicht vertheidigen; und dann so kann das Urtheil, das über sie gefält wird, ja nicht vollzogen werden. Und seit wenn hat die Republik gefälte Urtheile nicht sogleich vollzogen ? Überdieß scheint es ja, daß der Ungenante nicht uns, sondern Ausländern angehören wolle. Wir haben nie Jemanden gezwungen uns anzugehören; wollen wir bey ihm damit anfangen?

   Der Anwald hatte den Aldermann zwar ausreden lassen; aber jezt sag­te er ihm nicht ohne Hize:

   Die Zünfte haben euch zu grosse Gelindigkeit vorgeworfen; wie ge­recht, oder wie ungerecht, untersuche ich zwar jezt nicht, auch mache ich euch diesen Vorwurf bey diesem Anlasse nicht: aber den Vorwurf der Mutlosigkeit, den ihr jezo verdient, mache ich euch. Meine Antwort kann, und soll kurz seyn. Ist der Anzuklagende ein Deutscher? oder ist er es nicht? Ist er es; so gehört er uns an. War er auch zugegen, so würde er sich nicht vertheidigen wollen, weil er sich nicht vertheidigen kann! Freylich werden Urtheile an Abwesenden nicht vollzogen. Das thut hier nichts. Denn in Beziehung auf ihn ist ein gefältes Urtheil schon genung.

   Der Anwald wendete sich jezt an die Zünfte.

   Die Aldermänner, sagte er, wollen mich von einer Anklage abhalten, über welche zu entscheiden die Republik schon lange vor diesem Land­tage durch stillschweigende Einstimmung beschlossen hatte. Dieses ist den Aldermännern gar nicht unbekant geblieben; und dennoch wollen sie es jezo hindern. Was sie auch für Ursachen haben mögen, in gewissem Betracht, so widersprechend zu handeln; so bin ich doch weit davon ent­fernt mich dadurch wankend machen zu lassen, und etwa bey meiner Zunft anzufragen, ob sie mir jezo andre Aufträge zu thun habe.

   Es geschieht also hiermit durch mich die Anklage des Ungenanten.

   Er hatte sich das Gesez, auf welches er anklagte, bringen lassen. Er las es ganz ab. Er muste, (man riefs ihm aus den Zünften zu,) einige Stellen seiner Rede wiederholen. Da diese Rede so vielen auch deswegen bekant ist, weil sie die Abschrift derselben, die in der grossen Halle beygelegt wurde, nachgelesen haben; so ist es genung den Anfang jeder von diesen Stellen anzuführen.

   Da der Angeklagte seinem grossen Muster nur in dem einzigen Fehltritte, den es gethan hat, nachgefolgt ist, und mich diese Nachfolge eben zu seinem Ankläger macht ..

   Nach unsrer Meinung darf der Geschichtschreiber die Erzählung durch Anmerkungen, wie tief sie auch gedacht, und wie kurz sie gesagt seyn möchten, niemals unterbrechen. Dieß ist so wahr, daß die recht guten Leser es kaum dulden, wenn die Anmerkung auch nur durch eine gewisse Vorstellung der Sache in die Erzählung eingewebt wird. Daß man ein für allemal nicht haben will, daß der Geschichtschreiber An­merkungen einmische, dieß komt daher. Man will sich in dem warmen Antheile, den man an den Begebenheiten nimt, durch nichts stören lassen, am wenigsten durch etwas so kaltes, als Anmerkungen selbst die besten zu seyn pflegen; aufs höchste will man die Unterbrechung nur sich selbst erlauben. Da also der Geschichtschreiber nun einmal ein Freudenstörer gewesen war, und man daher verdrieslich auf ihn ist, so mist man ihm nun auch den Stolz bey, als ob er geglaubt hätte, der Leser würde die Anmerkung nicht selbst haben machen können. Kurz, es ist ein misliches Wagstük, wenn ein Geschichtschreiber Anmerkungen ein­streut. Auch haben wir uns bisher sorgfältig davor gehütet, den angezeigten Fehler zu begehen. Aber völlig unverzeihlich ist er denn doch auch nicht. Es wird also darauf ankommen, den Leser bey jedesmaliger Be­gehung zur Verzeihung geneigt zu machen.

   Wir haben kein andres Mittel zu diesem Zwecke zu gelangen ausfin­den können, als der Anmerkung allezeit eine gewisse Formel vorzusezen, die dem Leser anzeige, wo er nun hingerathen sey, und daher nach seiner Wahl entweder fortlesen, und während dieses Fortlesens Verzei­hung angedeihen lassen, oder auch über die anstössige Stelle wegsprin­gen könne. Ein gleiches zu thun, rathen wir auch den nicht historischen Scribenten, deren Werke viel Auswuchs Höcker und Puckel, oder kürzer, viel Überfliessiges haben, wohlmeinend an. Wir haben: Vorgesehn! zu unsrer Warnungsformel gewählt; und damit man gleichwol nicht in Gefahr sey irgendwo mitten in die Anmerkung hinein zu gerathen, so macht sie bey uns allezeit einen Absaz aus. So bald man also die Formel erblikt; so darf man nur das Auge von dort an bis zum Ende des Absazes fortlaufen lassen; und man ist gerettet! Wer weiß es nicht aus trauriger Erfahrung, wie er in manchem Buche, wo solche Tonnen nicht lagen, hat rudern und staken müssen, eh er von den Sandbänken abgekommen ist. Solte Jemanden dieses Warnen überhaupt, oder auch nur die von uns gewählte Formel dem Ernste nicht gemäß zu seyn scheinen, den wir über­all, wie uns dünkt, mit recht gewissenhafter Sorgfalt beobachten, dem geben wir zu bedenken, daß er sich denn doch auch gleichwol irren könte; und will er dieses nicht zugestehn, daß es uns oblag für das wahre Wohl des Lesers, selbst mit der Gefahr solcher lieblosen Verunglimpfun­gen, zu sorgen.

   Wir würden Unrecht haben, wenn wir uns der bisher gesuchten, und hoffentlich erhaltnen Erlaubnis nicht auf der Stelle bedienen wolten. Also Vorgesehn!

   Was der Weg des Nachahmens überhaupt für ein Irweg sey, erhellet klärlich auch daraus, daß er für so Manchen nicht ein Weg des Nach­gehens, Wandelns, Tanzens, und endlichen Erreichens, sondern lediglich ein Weg des Nachstolperns ist.

   Diesen Zeitpunkt zu verkennen, der Blüthe und Frucht zugleich, und nur wenig wilden Wuchs hat ..

   Beynah nur mit dem Kennerauge des von ihm gepriese­nen sächsischen Schwans ..

   Da nun die Eichel wenigstens hundert Jahre braucht, eh sie zur Eiche wird ..

   Er endigte so: Meine Anklage geschieht vor den Zünften und dem Volke. Denn die Aldermänner haben sich selbst von der Theilnehmung an dem Ausspruche ausgeschlossen. Sie mögen also nur immer stehn, wenn wir sizen, unsre Stimmen zu geben. Denn ich frage Zünfte und Volk, ob es sich zieme, daß die, welche sich dem Richteramte zu einer Zeit entziehn, da sie es am wenigsten thun solten, mit uns, indem wir dieß erhabne Amt eben verwalten, zugleich sizen?

   Die Aldermänner hatten noch nie so deutlich als jezo gesehn, wie auf­gebracht die Zünfte gegen sie wären. So sehr sie dieses, weil sie es nicht zu verdienen glaubten, auch schmerzte; so waren sie doch grosmütig genung, sich lieber neuen Vorwürfen auszusezen, als etwas von dem unversucht zu lassen, was vielleicht noch eine Sache hintertreiben könte, die, ausgeführt, der Republik, wie sie meinten, nachtheilig seyn würde.

   Wie empfindlich ihnen also die Frage des Anwalds auch gewesen war, so entschlossen sie sich doch, sie mit ihm zu thun. Sie glaubten, daß man sich mit Untersuchung derselben, wegen ihrer Neuheit, lange aufhalten würde; und so könten denn heute über die Anklage die Stimmen nicht gesammelt werden. Am Abend wolten sie sich unter die Zünfter mi­schen, wenn diese am vergnügtesten seyn würden, und alles anwenden, es dahin zu bringen, daß den künftigen Morgen die Abweisung der An­klage durchginge.

   Es trat daher einer von ihnen hervor, und sagte in seiner Anrede an die Zünfte von ungefähr eben das, wodurch sie den Anwald von seiner Anklage hatten zurükhalten wollen. Er schloß damit, daß sie, die Alder­männer, die Frage des Anwaldes an die Zünfte und das Volk hiermit auch thäten.

   Dieses lezte kam den Zünften zwar sehr unerwartet; dennoch wurden sie in kurzer Zeit einig: Die Frage, in so fern sie auch von den Aldermännern wäre gethan worden, für ungethan zu erklären; sie dem Anwalde zu verweisen; aber noch heute über seine Anklage die Stimmen zu sammeln.

   Die Sache stand jezo auf der äussersten Spize. Der Herold hatte sich sogar schon genähert, von den Aldermännern den Befehl zu der Stimmensamlung zu empfangen. Aber nie hatten diese mehr Standhaftigkeit und Entschliessung gezeigt, als sie heute thäten. Denn es währte gar nicht lange, daß sie dem Herolde geboten:

   Den dreytägigen Aufschub der Stimmensamlung öffent­lich bekant zu machen.

   Die Bewegung, welche darüber entstand, war sehr heftig. Unterdeß legte sie sich doch nach einiger Zeit wenigstens so weit, daß man anfing die Nachrichten, die man von den Zünften der Scholiasten und der Drittler erhielt, anzuhören. Man erfuhr nämlich, daß sie, und zwar, wie man gewiß glaubte, nur aus Groll gegen die andern Zünfte, für die Ab­weisung der Anklage würden gestirnt haben.

   Man wurde auf den übrigen Zünften über diese beyden sehr laut; und dasjenige, was ihnen drohte, schien immer reifer zu werden. Denn der alte Vorschlag, welcher den vorigen Landtag schon war auf die Bahn gebracht worden, wurde jezo von neuem mit vieler Lebhaftigkeit mehr angenommen, als untersucht, der nämlich, daß die beyden Zünfte der Scholiasten und der Drittler aufgehoben werden, und künftig die Mit­glieder der lezten zum Volke; der ersten aber theils zum Volke, und theils zum Pöbel gehören solten. Würden übrigens einige wenige Scho­liasten etwa anderwärts zünftig seyn; so wolte man diesen, auch ohne ihr Ansuchen, Gerechtigkeit wiederfahren lassen.

   So endigte sich der erste Morgen. Die Abende pflegen unter uns, wenn Landtag ist, so zugebracht zu werden.

   Die, welche sich von den Wissenschaften unterhalten wollen, ver­sammeln sich bey drey sehr schönen Ulmen, die etwas von den gewönlichen Spaziergängen entfernt sind.

   Die Geschichtschreiber der Republik sind verbunden, das Neue, wel­ches in diesen Zusammenkünften über die Wissenschaften, oder auch über die Kentnisse gesagt oder vorgelesen wird, in den Jahrbüchern auf­zuzeichnen. Unsre Geschichte wird verschiednes von dem enthalten, was diesen Landtag über ist aufgezeichnet worden.

   Neues heisset uns nicht nur das, was es von Grund aus und durchgehends, sondern auch, was es durch andre Bestimmungen und Gründe ist.

   Man pflegt auch wol Stellen noch ungedrukter Schriften, die von ihren Verfassern mit nicht zu strenger Forderung der Verschwiegenheit der Ulmengeselschaft anvertraut werden, in die Jahrbücher zu schreiben.
   Auch von diesen werden wir solche mittheilen, die uns Neues von andrer Art (vorher war von theoretischem Neuen die Rede) zu enthalten ge­schienen haben.

   Andre kommen in einer grossen Laube zusammen, in der Absicht, wie es scheinen soll, sich bloß zu vergnügen; aber es werden dort nicht selten die geheimsten Beratschlagungen gehalten.

   Wer sich von den vorseyenden Geschäften des Landtages, oder von der Republik überhaupt unterreden will, erscheint anfangs in dem Thale, welches zwischen den etwas erhöhten Zunftpläzen, und den Hügeln ist, bey welchen sich das Volk versammelt; aber nach und nach entfernen sich solche Geselschaften in den Wald. Denn es pflegen sich ihnen zu viele gaffende Horcher aus dem Pöbel zu nähern.

   Auch sind Austheilungen ungedrukter Schriften auf unsern Landtagen nicht ungewönlich. Nur muß derjenige, der austheilen will, es thun, eh es völlig Abend ist. Denn um die Zeit würden sie zwar wol angenom­men, aber nicht gelesen werden, weil man alsdann bey den Ulmen, in der Laube, und im Thale mit andern Gegenständen beschäftigt ist.

   Ein Dichter hatte schon vor dem Landtage bemerkt, daß einiger Zwist unter den Zünften wäre. Der Streit der Zünfte mit den Aldermännern, so sehr er diese auch verehrte, und der Umstand, daß das Volk, aus altem Grolle gegen die ihm zu mächtigen Zünfte, die Aldermänner oft unterstüzen würde, dieses kümmerte ihn weniger, als er wünschte, daß die wahre inre Kraft der Republik, die Übereinstimmung der Zünfte, angewendet würde. Vorzüglich zu Beförderung dieser wichtigen Ab­sicht, hatte er einige Kleinigkeiten gemacht, die er Verse nante. Er ließ jezo (es war noch nicht Abend) davon unter die Aldermänner, die Zünf­te, und das Volk austheilen. Es war vornämlich die Art der Austheilung, was seinen Zwek beförderte. Denn da die Aldermänner, jede Zunft, und das Volk nicht eben dieselben, sondern immer andre Verse erhielten; so kam es bald zu einer fast allgemeinen Mittheilung. Alle Zünfte waren unter einander gemischt, und weder sie entzogen sich dem Volke, noch ihnen die Aldermänner. Da diese Verse (der Dichter hatte wol gewust, daß in Erholungsstunden auch kleine Anlässe zu Zwecken führten) die Ursach zu nicht wenigen Berathschlagungen und Vereinigungen gewe­sen sind; so haben die Aldermänner geboten sie in den Jahrbüchern aufzubehalten.

   Ein Gelehrter, der nichts von seinen Arbeiten herausgeben wolte, und sie, selbst vor seinen Freunden, in seinem tiefsten Pulte verbarg, wurde gleichwol durch die glükliche Wirkung, welche die Verse gehabt hatten, gereizt, einige wenige Fragmente eines Werks, welches er Denkmale der Deutschen nante, auf gleiche Weise, und in gleicher Absicht, aus­theilen zu lassen. Er führte aber seinen Entschluß nicht ohne Zögerung aus. Erst den dritten Morgen konte derjenige, der austheilen solte, einige Denkmale von ihm bekommen.

 

 

 

Verse.

 

Vorrede.

 

Bald ist das Epigramm ein Pfeil,

Trift mit der Spize;

Ist bald ein Schwert,

Trift mit der Schärfe;

Ist manchmal auch, (die Griechen liebten's so)

Ein klein Gemäld, ein Strahl, gesandt

Zum brennen nicht, nur zum erleuchten.

 

 

Vorschlag zur Güte.

 

Nun endlich sind wir doch dahin gekommen!

Erfahrung hat den Plaz, der ihr gebührt, genommen!

Sie ist's in der Philosophie;

Sie ist es in der Theorie

Des Dichters, und auch da nur sie!

Erst hatte sie der Dichter, sprach

Ihr Donnern und ihr Säuseln nach.

Erfahr du sie, wie er. Wenn dieser Tag dir tagte;

Dann frag ihn erst: Ob er sie recht erfuhr? recht sagte?

Denn was dein Saz auch immer seze,

Vom folgereichsten Allgemeinen

Bis zu dem Einzelsten des engbegränzten Feinen,

Ist alles, ohne sie, Geschwäze.

 

 

Die Chronologen.

 

Er lahmt am Griechenstab', und schleicht am Römerstocke;

Und dennoch schreyen sie, er mach epoque!

 

 

An den, der's versteht.

 

Aus deutscher herzensvoller Lache,

(Fern laß vollhalsiges Gelächter seyn;

Und streu des Lächelns Würze sparsam ein.)

Besonders aber auch

Aus Sitt und Brauch,

Aus eigner Laun' und Geist, vereine du und mache

Ein neues schönes Sonderding,

Das nicht von fremder Flitter gleisse,

Und das so Vornehm wie Gering

Deutschcomisch heisse.

 

 

Frage, die gleichsam zur Sache zu gehören scheu

 

Er, sagt er,

Ist Richter, und Verklagter,

Wer schreibt. O du vom Herrn Verleger

Gemietheter, wer ist denn Kläger ?

 

 

Ganz gute Bemerkung.

 

Die Dichter, die nur spielen,

Verstehen nicht, was sie, und was die Leser sind.

Der rechte Leser ist kein Kind;

Er mag sein mänlich Herz viel lieber fühlen,

Als spielen.

 

 

Sitt und Weise der Neuern.

 

Die Römer sind es euch, die Griechen last ihr liegen:

Ihr nehmt das Ey, und last die Henne fliegen.

 

 

Fortgang in den Wissenschaften.

 

Stets vor, und nicht langsäumend stille stehen,

Nicht hinter sich mit Stolze sehen,

Nicht auf dem Wege sich im Kreise drehen,

Darauf komts an, ihr Söhne meines Vaterlands

Steil ist sie hier und da die Bahn

Den Felsenberg hinan;

Allein wer steigen kont', und stieg, der fands.

 

 

Der seltne Zuhörer.

 

Taub bin ich, spricht man mir von Thaten, die man thun will, vor;

Doch von geschehnen: lauter Ohr.

 

 

Vom rechten Gebrauche der Feile.

 

Wüst du dein Bild vom Untergange retten;

So must du es so sehr nicht glätten.

Der Arm, an dem so viel die Feile macht und schaff,

Die gar zu helle Stirn

Hat keine Kraft,

Und kein Gehirn.

 

 

Veit.

 

Da hat er's nun! bekomt, wie Janus, zwey Gesichter!

Doch warum ahmt er auch izt Frankreichs Dichter,

Izt Engellands, so unablässig nach?

Scharfsinn sprech' izt seine Mine, Tief sinn izt, wie's Urbild sprach,

Meint ihr. Nachgebehrdung würde ja auch dieß nur seyn,

Angenomnes, fremdes Ding, nichts mehr; allein

Veit macht ja nur Gesichter.

 

 

Der unglükliche Waghals.

 

Den Griechen seine Nation vergleichen ..

Es ist ein kühner Schritt;

Man thut ihn wol, doch thun ihn andre mit ?

Der Griech' erfand!

Welch ist die Wahrheit, die sein tieferer Verstand

Nicht forschte? Welcher Schönheit Bild

Hat nicht sein Genius enthült?

Und ihr, was habt ihr? Nachgeahmet!

Daß also hier, wie sonst, die Gleichheit lahmet.

Geh's, wie es kann; allein wo ist der neue Zug,

Der lächerlich genug

Den Thoren zeichnet, der in Wolken schift,

Und schwäzet, daß sein Volk die Griechen übertrift ?

 

 

Der Untersuchung würdig.

 

Du gingst der Schönheit Bahn,

Sohn Fingais, Ossian!

Sie ging Mäonides Homer!

Wer that der Schritte mehr ?

 

 

Die Henriade.

 

Was ist wol, daß bey Meister Arouet,

In seinem Heldenreim, nicht bey einander steht?

Erst macht er dieß und jen's von Menschen kund,

Dann kommen Geister, und

Hernach, als handelnde Personen,

Abstractionen:

Die Politique,

Mit mancher Nicke;

Auch die Discorde

Zu Blut und Morde;

Darauf,

Ein Götterhauf'!

Ist dieser Misch was anders, als

Horazens Mädchenkopf, Fischschwanz, und Pferdehals ?

 

 

Die Kritik.

 

Durch die Kritik, zu zeigen neue Wege,

Die sich der Dichter wählen würde,

Wenn er nicht lieber eigne ginge,

Das wäre Meisterwerk;

Die neuen Wege zu entdecken,

Die Dichter, welch' Erfinder sind, betraten,

Das war nicht kleines Beyfalls werth;

Doch, Wege hundertmal gewiesen,

Zum hundert erstenmal zu weisen,

Und trift man auch dabey auf unbemerkte Stege,

Die seitwärts laufen, wiederkehren,

Was ist denn das ?

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(jen´s) Wir Endesunterschriebenen erklären hierdurch, daß wir die Verse mit An­merkungen heraus zu geben gedenken. Eine vorläufige, zur Probe dienende Anmerkung sey folgende: Die Härte, welche in verschiednen dieser Verse das Ohr so sehr beleidigt, bringt auf die sichre Vermutung, daß wenigstens die so beschafnen im vorigen Jahrhun­ dert gemacht sind. Es ist dieß unsre steife und feste Meinung. Nur müssen wir von den Versen dieser Art diejenigen ausnehmen, die ihrem Inhalte nach offenbar in das gegen­wärtige Jahrhundert gehören. Komm uns keiner (es soll Leute geben, die diese Härte so verkleistern wollen) komm uns keiner, sagen wir, und behaupte, daß diese abscheulichen Verstösse wider die Regeln des Wohlklangs mit allem Fleiß, und in der Absicht wären begangen worden, um auch auf diese Weise auf die Geringfügigkeit der vorkommenden Gegenstände gleichsam mit Fingern zu zeigen. Worauf zeigt denn das und am Ende des Verses? Kurzum, es ist diese Behauptung eine wunderliche Behauptung; und wir erklä­ren uns hiermit zwar nur vorläufig, aber dennoch auf das nachdrüklichste dawider.
Fabian Wabbel.                                                                                  Theobald Schwopp

                                                                                                               der Jüngere.
Otto Bimm.                                                                                           Seiffart Kickel.

____________________

 

 

 

Der Zufriedne.

 

So oft ich dieß, und das, und jenes noch bey mir beschönige,

Bleib ich bey guter Laune,

So daß ich dann in meinem Sinn

Zufrieden bin

Mit jedem Könige

Auf jedem Zaune.

 

 

Von wenigen bemerkter Unterschied.

 

In zwanzig Versen des Homer

Liegt wahrer tiefgedachter Regeln mehr,

Als in des Lehrbuchs ausgedehnten, bis zum Schlafen

Fortplaudernden zehn hundert Paragraphen.

 

 

Verlorne Mühe.

 

Er zischt mich an, und wolte Krieg
Mit mir so gerne führen!

Antworten? mich hinab bis gar zu ihm verlieren?

Ich geh, und laß, auch diesen Kriechenden, Musik

Der Schlangen, wie's ihm lüstet, musicieren.

 

 

Das feine Ohr.

 

Gleich dem thatenlosen Schüler der Ethik,

Hörst du in der Poetik

Gras wachsen; aber hörest nie

Den Lorber rauschen in dem Hain der Poesie.

 

 

Die Idealisten.

 

Kernlose Schale,

Wie's auch mit tiefer Untersuchung prale,

Ist doch nur dieß Geschwäz vom Ideale.

Der philosophische Idealist,

Hat, wie ihr wist,

So was von einem Narren;

Der kritische Idealist

Hat, wie ihr noch vielleicht nicht wist,

Auch oft wol was von mehr als Einem Sparren.

 

 

Die veraltete Kritik.

 

Die Griechen hielten am Olympe Spiel,

Mit Lauf, und Roß, und Kampf, mit Flöt', und Liede.

Da schattete der Lorber nur am Ziel;

Da sassen andre Richter,

Als die vom heutigen Gelichter;

Da scholl kein Lob,

Das euch erniedrigte, kein Tadel, der erhob.

 

 

Klage.

 

Bardiete tönten auch im Eichenhain,

Poeme nicht allein

Im Lorberhain.

Und, o ihr Jahre! doch

Ist umgefallen

Der Baum, den ihr erkort vor allen;

Der Lorber schattet noch.

 

 

Diesen Abend war weder bey den Ulmen noch in der Laube Versamlung; aber im Thale war sie desto zahlreicher, und die Unterredung von dem, was auf diesem Landtage geschehen müste und würde, desto lebhafter und freyer.

 

 

 

Zweyter Morgen.

 

Die Aldermänner weisen einen Ankläger ab. Andre Anklagen. Wie es der Zunft der Scholiasten ergeht.

 

Ein Ankläger erklärte, er wäre in Stande viele der Ausrufer zu überwei­sen, daß sie sich mehr als Eine Stimme angemaast hätten; auch hätten etliche ihr Amt ein Richteramt genant, und wären daher des Hochverraths schuldig. Was das Richteramt besonders anbeträfe; so hätte er nicht wenig Lächerlichkeiten in Bereitschaft, die bis zum Abgeschmakten gingen, und die auf keine Weise durch Ausbildungen bis dahin ge­kommen wären, weil sie aus den eignen Worten* dieser Leute be­stünden. Über das alles war er durch sehr glaubwürdige Männer dahin­ter gekommen, daß etliche Ausrufer, die er kente, eine Geselschaft unter sich errichtet hätten, und mit kleinen leicht zu verbergenden Abbildun­gen der Mittelmässigkeit Schleichhandel trieben. Sie sollen, sagte man, Nachtwächter zu Maklern und Hökern brauchen. Er wüste von diesem allen wenigstens so viel, daß eine weitere Untersuchung angestelt werden könte. Was die beyden ersten Punkte nämlich die Vielheit der Stimmen, und das Richteramt beträfe; so müste er die Aldermänner bitten, nicht mit zu grosser Strenge die Kürze von ihm zu fodern, weil die Beweise, die er zu führen hätte, und die er gern sehr genau führen wolte, durch viele Andeutungen, auch Beziehungen auf das, was man anderswo gerade heraus gesagt hätte, unterstüzt würden.

   Wir verlangen da keine Kürze, sagte der wortführende Aldermann, wo sie, wegen Beschaffenheit der Sache, nicht statt findet; aber wir halten dafür, daß alles, was die Ausrufer angeht, und solten sie auch selbst des Hochverraths schuldig seyn, in Vergleichung mit denen vielen wichtigen Sachen, die wir auf diesem Landtage abzuthun haben, Kleinigkeit sey. Vielleicht ist gegen das Ende des Landtages noch Zeit zu diesen Neben­dingen übrig. Für jezt weisen wir deine Anklage ab. Von dem Schleich­handel, der mit den Bilderchen getrieben wird, kanst du uns diesen Abend weitere Nachricht geben.

   Ein zweyter Ankläger näherte sich. Entscheidet, sagte er, ob nicht sogar ... unter die Nachahmer gehöre? Ist meine Anklage gerecht; so - es wird mir schwer ein gewisses Wort mit ...s Namen auszuspre­chen; aber sein Beyspiel ist zu verführend, die Geseze sind einmal die Geseze, und die Republik ist versammelt, so muß ... zum Knecht erklärt werden.

   ... bezog sich in seiner Verteidigung auf das Urtheil der Republik, ob er nicht gut, und so wie es ein Freyer thun dürfte, nachgeahmt hätte? und ob er nicht für die grosse Anzahl derer, die sein Urbild nicht kenten, aufhörte ein Nachahmer zu seyn? Überdieses hätte er auch oft nicht nachgeahmt. Viele liessen sich auf die Vertheidigung ein. Es wurde nicht wenig auf den Zünften gestritten.

   ... soll also, sagte man unter andern, nach dem Geseze: Obgleich lange Knechtschaft seine Werke vor der Landgemeine öffentlich verbrennen, damit er zur Freylassung fähig werde? Welche Fordrung? Bleibt denn, wurde geantwortet, nach dem angeführten Geseze nicht auch manches unverbrant? Und überdieß hat er ja auch andre Wege zur Freylassung zu gelangen. Freylich wird er keinen streitsüchtigen Freyen in Zweykampf erlegen wollen, und die Leute auf angemaasten Erfindun­gen zu ertappen hat man nicht immer Anlaß. Recht gut. Aber kennen denn die Aldermänner einen Mann von ...s Verdiensten nicht? und wird es ihnen nicht eine Freude seyn ihr Recht frey zu lassen, wen sie wollen, bey ihm zu brauchen? Ist er es denn allein, fuhr man fort ihn zu vertheidigen, der nachgeahmt hat? Warum werden die ändern nicht auch an­geklagt?

   Daß er es allein ist, der angeklagt wird, macht ihm Ehre. Man würde, wenn man mit Anklagen fortführe, Gefahr laufen auf Nachahmer von der Zwitterart zu stossen. Und wer möchte sich vorwerfen lassen, diese angeklagt zu haben ?

   Der Herold unterbrach diese und ähnliche Streitigkeiten. Er fing an die Stimmen zu sammeln.

   Ohne die Zunft der Scholiasten wäre ... zum Knecht erklärt worden. Denn sie, die den Herold abwies, da er zu ihr kam, und sich zulezt fragen ließ, gab, da die Stimmen getheilt waren, durch die ihrige den Ausschlag.

   Es war schmeichelhaft für den Angeklagten, daß sich die Hälfte der Zünfte für ihn erklärte; aber gleichwol hatte ihn mehr als die Hälfte Aldermänner (die andern hielten die wenigen unnachgeahmten und zu­gleich schöneren Stücke seiner Werke davon ab) verurtheilt. Übrigens war es zwar wol die Zunft der Scholiasten gewesen, die ihn gerettet hatte; doch dieß konte ihm auf keine Weise nachtheilig seyn. Denn nicht ihr Beyfall war es, was sie ihm dadurch hatte bezeigen wollen, (die meisten dieser Zunft kennen weder ... noch sein Original) sondern sie folgte nur ihrer Neigung, es ihm, als einem Nachahmer der Alten, eher wie ändern zu verzeihn, daß er deutsch geschrieben hätte.

   Ein neuer Ankläger erschien. Er sagte: Wenn mir ... zutraut, daß ich ihn, ohne deswegen etwas wider ihn zu haben, anklage; so hat er Recht: und traut er mir es nicht zu; so hab ich gleichwol Recht, daß ich es thue. Wer das Beste der Republik mit meinem Eifer wünscht, der denkt hierinn, wie ich; und wer diesen Eifer nicht kent, der ist mir gleichgültig.

   ... hat auch ohne Bedürfnis viel ausländische Worte in die Sprache gemischt. Es muß daher das Landgericht: Wider die Natur und al­te gute Sitte unsrer Sprache auch gegen ihn, oder vielmehr vor­züglich gegen ihn gelten, weil er schon viele zur Nachfolge gebracht hat. Der Ankläger las hierauf aus ... s Schriften alle Stellen her, in welchen er ausländische Worte gebraucht hat. Das Urtheil von Bedürfnis und Nichtbedürfnis überließ er zwar, wie sich das verstand, der Entscheidung der Republik; er schloß aber gleichwol mit dieser Anmerkung: So wol die, welche die Sprache nicht kennen, aus der das ausländische Wort genommen wird, als die, welche sie ein wenig verstehn, und wie klein ist die Anzahl derer, die fremde Sprachen genung verstehn, bekommen von diesem Worte so unbestimte Begriffe, daß die Absicht des Gebrauchs beynah ganz verfehlt wird. Dieß ist desto wahrer, je bedeutender das ausländische Wort ist; und bedeutende Worte soll man denn doch vor­züglich wählen, wenn man anders verlangt, noch einigermaassen ent­schuldigt zu werden. Dieß schon ist zureichend, solche Worte zu ver­werfen; und wir haben, es zu thun, kaum nötig, uns des Widrigen der Mischung, und des Reichthums unsrer Sprache, den sie schon hat, und nach ihrer vielseitigen Anlage noch haben kann, zu erinnern.

   Es wunderte einige, daß die Aldermänner den Ankläger, nach der Ab­lesung, noch dieses zu sagen erlaubten. Denn was braucht er, war ihre Anmerkung, Gründe der Geseze, die uns allen bekant sind, anzuführen ?

   Man klage ihn an, sagte ... und werde ihn vielleicht gar verurtheilen; gleichwol fodre er Belonung. Denn er habe, ausser den ausländischen Goldstücken, auch einheimische, der Scherfe nicht zu gedenken, in die Sprache gebracht. Der Ankläger antwortete: Er würde doch an der Ge­rechtigkeit der Republik nicht zweifeln, und wissen, daß sie sich durch die auswärtige Münze, denn nur das, und nichts mehr wären auch die besten solcher Worte, nicht würde abhalten lassen, für die Goldstücke zu belonen, im Falle, daß diese die in den Gesezen bestirnte Zahl aus­machten. Die Stimmen wurden hierauf gesammelt. In den Zünften der Rechtsgelehrten, der Astronomen, der Naturforscher, der Mathematiker, und der Weltweisen waren zwar nicht wenig Stimmen für den Angeklagten, weil verschiedne Mitglieder dieser Zünfte, bey Bereicherung der Sprache, eben nicht ekler Wahl seyn, und auch wol die Bedürfnis nicht genau mochten untersucht haben; aber die Mehrheit war doch wider ihn. Die Aldermänner, und die übrigen Zünfte waren's beynah mit allen einzelnen Stimmen. Für ihn waren nur die Zunft der Scholiasten, und das Volk; aber dieß, zu Vieler Verwundrung, doch nur mit zwey Stim­men.

   Die Aldermänner schikten zu den Dichtern, und liessen ihnen, wegen ihrer Unpartheylichkeit, in Absicht auf ... n, und auf sich selbst, danken; auf jenen, weil sie ihn überhaupt und als ihren Mitzünfter hochachteten, und auf sich selbst, weil ihnen die Sprachmischung so vortheilhaft wäre. Denn, gemischt, wäre die Prosa am meisten von der Poesie unter­schieden; und bekantlich müsten die Dichter nach nichts so sehr trach­ten, als sich von den Prosaisten zu unterscheiden. Der würde sehr Un­recht haben, fuhr der Abgeordnete der Aldermänner fort, welcher das Verdienst der Unpartheylichkeit, für die jezo den Dichtern gedankt würde, durch die Vermutung schmälern wolte, daß sie gefürchtet hätten, das Gemisch könte wol einmal bis zur poetischen Sprache durchdrin­gen. Denn es wäre eine offenbare Ungerechtigkeit, von den Deutschen zu glauben, sie würden jemals so sehr, als es hierinn die Engländer wären, von allem Geschmacke verlassen seyn, daß sie den Dichtern einen sol­chen Verderb ihres Ausdruckes gestatten solten. Um die Unpartheylich­keit der Dichter (der Abgeordnete wandte sich an seine Begleiter, unter denen Altfranken waren) richtig zu beurtheilen, muß man sich, (denn bis dahin würd es zulezt kommen) auf der einen Seite, die Sprache der Prosaisten beynah auf englische Art, und selbst mit dem Englischen, denn warum denn nicht auch dieß? vermischt, und also als eine halbauslän­dische, oder mit dem nicht so gelinden Worte der Alten, als eine halbbarbarische vorstellen; und auf der andern Seite, daß die Dichter die deutsche Sprache behalten haben: ein Unterschied zwischen Prosa und Poesie, der selbst bey den Griechen, bey denen er doch am weitesten geht, so weit nicht gegangen ist. Wer unter euch die Alten kent, der ver­gleiche hier, nicht etwa Herodotus und Sophokles, denn bey ihnen ist die Verschiedenheit weniger merklich; sondern Xenophon und Homer: und thue dann den Ausspruch.

   Die Zünfte wurden durch das jezige Verfahren der Scholiasten von neuem gegen sie aufgebracht. Denn sie fanden in demselben eine geheime Absicht der Sprache zu schaden. Da diese Meinung zu so vielem Alten, das gegen die Scholiasten zu erinnern war, hinzukam, so blieb es selbst ihnen nicht länger zweifelhaft, daß die Aufhebung ihrer Zunft beschlos­sen wäre. Sie thaten in dieser grossen Angst einen Schritt, den sie freylich, wie viel anderes, nicht genung überlegt hatten, und der sie hernach sehr reute. Sie schikten ihren Anwald ab, der sich mit der Bitte an die Republik wandte: Man möchte dem grossen Volke (so nanten sie den Pöbel, um ihn zu gewinnen, und vielleicht auch, das Sonderbare ihrer Entschliessung sich selbst zu verbergen) dem grossen Volke gestatten, morgen doch auch Einmal eine Stimme zu haben. Die Aldermänner ant­worteten dem Anwalde auf der Stelle: Das sollen sie schon heute; und aus allen Zünften und dem ganzen Volke rief man dem Herolde, der die Stimmen sammeln wolte: Schon heute! zu.

   Kaum war dieß vorbey; so begaben sich die Anwalde der Redner, der Dichter, und der Geschichtschreiber zu den Aldermännern. Dieser ungewöhnliche Hergang der Sache, denn sonst hat immer nur Ein Anwald den Vortrag, veranlaste die übrigen Zünfte ihre Anwalde schnell nach­zuschicken. Nur der Anwald der Drittler wurde ein paarmal zurük gerufen, neue Verhaltungsbefehle zu empfangen. Denn diese Zunft schwankte ein wenig. Der Anwald der Geschichtschreiber führte das Wort. Ihr sehet, Aldermänner, daß dießmal alle Zünfte vor euch ver­sammelt sind. Der Herold braucht die Stimmen nicht zu sammeln. Wir haben von unsern Zünften Befehl sie zu geben. Es sind drey Jahrhunder­te, daß nicht etwa nur die Scholiasten unsrer Republik, sondern auch die Scholiasten aller Gelehrtenrepubliken des ganzen Europa die Alten er­klärt haben. Also denken wir, daß sie endlich einmal erklärt sind. Zu der geringen Nachlese, die etwa noch zu halten seyn möchte, braucht es keine Zünfter. Denn die Stelle, welche ein Zünfter in der Republik einnimt, ist für den zu erhaben, der weiter keine Verdienste hat, als ein solcher Nachleser zu seyn. Gleichwol würden wir Deutschen, nach der uns eignen unaussprechlich grossen Geduld, noch immer Nachsicht mit unsrer Scholiastenzunft gehabt haben, wenn sie nicht gröstentheils aus Leuten bestünde, die vor Dünkel und Vorurtheil nicht wissen, wo sie hinwollen. Sprachen muß man lernen; wer leugnet das? Aber wie man die englische, französische, oder italienische, entweder durch sich selbst, oder von einem Sprachmeister lernt, so, und nicht anders lerne man auch die lateinische, und die griechische. Die ersten und nächstfolgenden Scho­liasten waren, und musten ganz andre Leute seyn, als die jezigen. Sie begaben sich auf ein neues grosses Feld voller Schwierigkeiten. Sie sahen scharf, einige nämlich, verglichen, entwickelten eben so, und konten nur erst spät ein reifes Urtheil fällen. Die jezigen Scholiasten, die jenen nun das hundertemal nachsprechen, sind weiter nichts, als lateinische oder griechische Sprachmeister. Wer verachtet sie deswegen, weil sie nur das sind? Aber sollen sie denn deswegen, weil sie nur das sind, auch fortfah­ren eine Zunft zu seyn? Und dennoch würde die unüberwindliche deut­sche Geduld sie noch beybehalten; wenn sie den Fortgang der Wissen­schaften, durch Verwandlung der Nebendinge in Hauptsachen, des Mittels in den Zwek, nicht hinderten; nicht, weil man Anmerkungen über die Alten gar füglich lateinisch schreibt, noch immer bey ihrem Wahne blieben, daß man überhaupt am besten thäte in dieser Sprache zu schreiben; und, welches vollends alles übertrift, was nur ungedacht und lächerlich ist, daß man in keiner neuern, sondern einzig und allein in der römischen Sprache, (thun sie's etwa? und kann man's jezonoch?) schön schreiben könte; wenn sie uns endlich, vornämlich durch diese Behauptung, nicht gerade zu verführen wolten, Hochverräther an unserm Vaterlande, an uns selbst, und an unsern Nachkommen zu werden, und zu glauben, die wahre, inre, tiefeingeprägte Kraft und Schönheit des deutschen Geistes könne durch unsre Sprache nicht ausgedrükt werden. Nichts geringers liegt in ihrer Behauptung. Denn sie wissen, oder solten wissen, daß wir auf keine Weise verlangen was Fremdes, was Ausländi­sches, altes oder neues auszudrücken. Ich rede gar nicht mehr von diesen Männern, gar nicht mehr mit ihnen, wenn ich hinzuseze, daß wir noch sehr vieles ungethan lassen, wenn wir nur diesen Hochverrath nicht begehn. Wir müssen den Mut haben, den Entschluß fassen, ihn mit deut­scher Standhaftigkeit ausführen, alle Wissenschaften, welche diesen grossen Namen verdienen, und dieß ungeachtet der Mitansprüche der gebildeten Völker Europa's, in unsrer Sprache zu erweitern, und zu erhöhn. Denn der ist nur ein Kleinmütiger, ein Halbdeutscher, einer, der sein Vaterland verkent, der es noch erst lernen muß, daß der ächte Deut­sche, der kernhafte Mann der Nation alsdann gewiß ausführt, wenn er auszuführen beschlossen hat.

   Nach Endigung dieser Anrede zeigte es sich, daß die Hofnung, welche die Scholiasten auf die Gelindigkeit der Aldermänner gesezt hatten, eitel gewesen war. Denn diese stimten dem Ausspruche der Zünfte sogleich bey. Es währte auch gar nicht lange, daß der Rathfrager zu den Aldermännern herauf kam, und den Beytritt des Volks anzeigte. Der Schreyer war mit ungebehrdiger Freude unter dem Pöbel herumgewandert, und hatte die Stimmen gesammelt. Er kam ganz ausser Athem zu dem Herol­de gelaufen (denn herauf kommen darf er nicht) und   sagte ihm, daß man sich ihrer Seits hiermit gegen die ganze Republik erkläre.

   Den Aldermännern wurde von den Zünften und dem Volke aufgetra­gen, die Mitglieder der aufgehobnen Zunft zu vertheilen. Dieß geschah, und die meisten kamen unter den Pöbel. Die Aldermänner wurden zu­gleich einig, daß den Plaz, welchen die Zunft der Scholiasten einzuneh­men pflegte, keine andre Zunft betreten, und daß dort ein Stein mit einer Aufschrift errichtet werden solte.

   ... n gings bey dieser Gelegenheit ein wenig wunderlich. Er gehörte zwar der Zunft der Gottesgelehrten auch an, aber er war diesen Landtag auf der Zunft der Scholiasten, die er sehr liebte, erschienen. Man hatte ihn gewarnt, und ihm gar nicht undeutlich zu verstehn gegeben, daß er doch dießmal die Zunft der Gottesgelehrten vorziehn möchte; allein er hatte es schlechterdings für unmöglich gehalten, daß sich so etwas, wie doch gleichwol hernach erfolgte, mit der ersten der Zünfte zutragen könte. Wie kann es Uns so schief gehn, sagte er, da Wir es eigentlich sind, welche die Republik aufrecht erhalten? Nein, nein solche Einflüsse können die Liebhaber der Frau Muttersprache niemals haben! Frau Muttersprache war auch dießmal sein Ausdruk gewesen. Wir wissen durch sehr glaubwürdige Zeugen, daß er diesen Scherz, der uns nur gar winzige Körnchen des attischen Salzes zu haben scheint, fast täglich auf dem Lehrstule vorbringe, vermutlich, um die jungen Deut­schen, seine Zuhörer, dadurch zu vaterländischen Gesinnungen anzufeuren. Seiner Einsichten und Schlüsse ungeachtet war er jezo unter dem Volke. Nun erst auf der Zunft der Gottesgelehrten zu erscheinen? Dazu hätte er eine Erlaubnis haben müssen, welche Ausname gewesen wäre; und die konte vielleicht auch nicht gegeben werden. Es war also mislich mit der Ansuchung. Und überhaupt jezo, bey so sehr einreissender Unwissenheit, jezo um irgend etwas anzuhalten?

   Die Zunft der Gottesgelehrten kam ihm zuvor, und lud ihn ein den Landtag unter ihr zuzubringen. Das hat er zwar gethan; aber er hat, den ganzen Landtag über, zu nichts seine Stimme gegeben, weil er an der Republik verzweifelte.

 

 

Der Abend.

 

Aus einer neuen deutschen Grammatik.

 

Nachdem man sich einige Zeit über die Sprache unterredet hatte, las einer von der Geselschaft verschiedenes aus einer neuen deutschen Grammatik vor, von der er sagte, daß er sie, wenn er auch Zeit dazu hätte, doch wol nicht ganz aus­arbeiten würde. Weil er keine Neigung hätte, das schon gesagte zu wiederholen; (wenige Wiederholungen ausgenommen, welche die Verbindung notwendig machte,) so wolte er sich nur auf das einlassen, was die Grammatiker bisher in der Sprache noch nicht bemerkt hätten, und was doch unentbehrlich wäre, wenn man sich einen vollständigen Begrif von ihr machen wolte. Da man ihn aber bald über­zeugte, daß von dem schon gesagten vieles unrichtig wäre, und auch das rich­tige noch viel bestirnter, und theils auch kürzer müste vorgetragen werden; so schien es, daß er seinen Entschluß, nur grammatische Fragmente heraus zu geben, vielleicht ändern würde.

   Wir liefern hier einige dieser Fragmente in der Ordnung, wie sie uns, nach Ver­anlassung des fortwährenden Gesprächs, sind vorgelesen worden. Nur die Einleitung sezen wir zuerst, obgleich die Vorlesung nicht damit angefangen wurde. Der Grammatiker lehrt die Regeln der Sprache, und bemerkt die Bedeutungen der Wörter. Weil er die Sprache nehmen muß, wie sie ist, und nicht, wie sie, nach seinem gegründeten oder ungegründeten Bedünken, seyn solte; so ist es der Sprachgebrauch allein, der, so wol in Absicht auf die Regeln, als auf die Bemerkungen, sein Führer seyn muß. Er mag auf ihn als einen Tyrannen so viel schelten, wie er will; aber gehorchen muß er ihm. Thut er das nicht, so ist er ein grammatischer, bisweilen recht feiner Schwäzer; aber kein Grammatiker. Er wollte freylich gern die Sprachähnlichkeit und die selbstgemachte Wortbestimmung zu einer Art von Mächten erheben, und sie dem Tyrannen hier und da entgegen stellen; aber sein Bestreben bleibt ohne Wirkung, und diese kleinen Mächte können wider den Tyrannen nichts ausrichten. Soll die Sprachähnlichkeit gelten; so muß sie's in ihrem ganzen Umfange: und der wäre kein geringerer, als daß wir lauter Regeln ohne Ausname bekämen. Die mei­sten von denen, die sich unter uns an Untersuchungen der Sprache gewagt haben, lieben nichts so sehr, als selbstgemachte Wortbestimmungen; aber sind die denn darum in der Sprache auch vorhanden, weil man sie ihr andichtet? Jede Sprache ist gleichsam ein Behältnis der eigensten Begriffe eines Volks. Was würde in unser Behältnis nicht alles hinein geworfen, und was nicht herausgenommen worden seyn, wenn man da nur so nach Belieben schalten und walten könte? Aber es geht nun einmal damit nicht, und die Nation denkt, wie sie denkt, und nicht, wie es die wol haben möchten, die vornämlich deswegen, weil sie die Sprache nicht kennen, so viel Langes und Breites, über Bedeutungen, welche die Wörter nicht haben, hererzählen.

   Ganz anders ist es mit denjenigen, welche nicht durch Regeln und Bemerkun­gen, sondern durch Beyspiele, zu der Ausbildung der Sprache beytragen. Diesen muß die Sprachähnlichkeit eine Gesezgeberin seyn; sie dürfen aber auch auf der andern Seite, gewiß das Kleinere thun, nämlich den Bedeutungen derer Wörter, die sie lenksam finden, hier und da eine etwas veränderte Bedeutung geben, da ihnen das Grössere, nämlich neue Wörter zu machen, erlaubt ist. Und auch hier muß die Sprachähnlichkeit wenigstens ihre oft gefragte Rathgeberin seyn; ich meine, daß man nur sehr selten nach den Vorstellungen von der Schönheit der Sprachen überhaupt verfahren dürfe. Wir müssen den Begrif, den wir uns von dem Sprachgebrauche zu machen haben, auseinander sezen. So bald das Volk, die guten Geselschaften und Scribenten (ich schliesse hierdurch die Red­ner nicht aus, welche ihre Reden nur halten) so bald diese übereinstimmen; so gilt gar keine Widerrede, und solt es selbst gegen die Begriffe seyn, was durch diese Übereinstimmung eingeführt wird. Wir sagen zum Exempel Allerdings; es ist widersinnig Mehrheit und Einheit zusammen zu sezen; es solte Allerdinge oder Allesdings heissen; die Athenienser sagten zum Exempel die Thiere läuft (unter der Einschränkung, daß das Hauptwort geschlechtlos war) dieß ist eben so widersinnig: aber gleichwol ist jenes deutsch, und dieses attischgriechisch. Das Volk allein (der ganz geringe Mann wird beynah niemals mit darunter be­griffen) kann nur in wenigen Fällen entscheiden, z. E. wenn es darauf ankomt die Beschäftigungen, und die Werkzeuge des Handwerkers oder des Ackermanns zu benennen. Damit wird gleichwol nicht gemeint, daß man die Ausdrücke des Volkes in allen andern Punkten der Aufmerksamkeit völlig unwürdig halten solle. In einigen Gegenden sagt es z. E. die Syndicusse. Vielleicht endigen wir noch mit der Zeit kürzere Namen, als die Brutusse, eben so; aber mit den längern, als die Pompiliusse wird es wol nicht geschehn, weil sie schleppend seyn würden. Die guten Geselschaften solten natürlicher Weise viel mehr entscheiden können. Weil sich aber bey uns fast Niemand etwas daraus macht, seine Sprache auch nur richtig zu sprechen; und weil man so gar in denen Gesel­schaften, welche den Namen der guten vorzüglich verdienen, oft aus dem Fran­zösischen übersezt, indem man deutsch spricht, und dieß wol so wörtlich thut, daß man denen, die nur deutsch wissen, völlig unverständlich ist; so würde es sonderbar seyn, wenn sich die Geselschaften mehr als das Volk anmaassen wolten. Sie, und das Volk sagen z. E. lehre mir; und gleichwol ist lehre mich allein deutsch. Die guten Scribenten sind es also, auf deren Beyspiel es vor­nämlich ankomt. Wie gern überliessen sie den Geselschaften einen Theil ihrer Bürde. Aber diese wollen ja nun einmal nicht; am wenigsten wollen es die, welche man an Höfen sieht, und sie manchmal so ziemlich blindlings für die besten hält. Man kann sich hier eine scheinbar schwere Frage einfallen lassen. Die südlichen Deutschen sezen gewönlich da die langvergangne Zeit, wo die nörd­lichen die jüngstvergangne sezen; jene sagen ich bin gegangen, wo diese, und zwar Volk, Geselschaften, und Scribenten ich ging sagen. Wer soll hier entscheiden? Weil auch die südlichen Scribenten sagen ich ging; so wird die Sache durch ihren Beytritt entschieden. Wie gebildet eine Sprache auch seyn möge; so ist in ihr doch immer etwas vorhanden, das der Gebrauch noch nicht festgesezt hat. Indem hiervon dieß oder das von Zeit zu Zeit festgesezt wird, so ist indeß wieder etwas aufgekommen, wobey man von neuem schwankt. Hierher gehört z. E. ob man leisen Tritts oder leises Tritts sagen solle; obgleich jeder stehendes Fusses sagt. Bey rief oder rufte schwankt man nicht; denn es ist ausgemacht, daß beydes angehe. Hingegen ist bey pries und preiste die Festsezung des pries ganz nahe. Bey den Hülfswörtern seyn und haben werden wir wol nie zur völligen Festsezung gelangen. Verdient haben wir es we­nigstens, daß es nie geschehe. Denn warum fanden wir nötig, zu einerley Bedeu­tung zwey Hülfswörter anzunehmen. Der Grammatiker kann ausserdem, daß er das Festgesezte in so wenige und so kurze Regeln fast, als es der Vollständig­keit unbeschadet nur immer angeht, auch über das Festzusezende seine Mei­nung sagen; aber wenn er glaubt, daß er die Sache dadurch entscheide, so irt er sich. Denn er hat nur Eine Stimme. Er muß mit andern ehrlichen Leuten geduldig abwarten, was der Tyrann für ein Endurtheil fällen werde. Ich habe den Kanzleystyl mit Bedacht ausgelassen. Er gehört eben so wenig zur Sprache, als die Mundarten dazu gehören. Ob ein obersächsischer Dichter Truz anstatt Troz seze; ein niedersächsischer Fach und Tag reime; ein schweizerischer in Musik die erste Sylbe lang ausspreche, oder ob ein Canzellist zu Jemanden eine tragende Neigung habe, das ist alles einerley. So etwas wird nicht mit auf die Wagschale gelegt, wenn es auf Entscheidung ankommt.

   Da ich diese Grammatik vornämlich für die schreibe, die nur unsere Sprache wissen, oder wenn sie auch ausländische verstehen, diese allein durch die Übung gelernt haben; so habe ich mich wenig darum zu bekümmern, was Andre dazu sagen werden, daß die Kunstwörter, welche ich brauche, deutsch sind. Ich wil also auch nur mit denen, für die ich vornämlich schreibe, ein Paar Worte über diese Sache reden. Wenn diese ein deutsches Kunstwort lesen, so verstehen sie es gleich beym ersten Anblicke, wenigstens bis auf einen gewissen Grad, und ver­stehen es völlig, so bald sie es noch ein paarmal angetroffen haben. Man sieht, daß ich gut gemachte Kunstwörter vorausseze. (Ob es die meinigen sind, darüber habe ich nicht zu entscheiden.) Wem solte es undeutlich seyn, wenn ich zum Exempelsagte: Aus Strom wird Ströme, und sang aus singen, durchden Umlaut? Wenn aus a ä, aus o ö, und aus u ü wird, als Kraft Kräfte, floß flösse, Fluß Flüsse; so ist der Umlaut bestimt: und wird aus irgend einem Selbstlaute irgend ein andrer, als kommen, kam; laufen, lief; flie­hen, floh; so ist der Umlaut unbestimt? wem undeutlich, wenn ich sagte: Tag wird in Tages, Tage, Tagen, umgeendet? Ich könte hierbey etwa fortfahren: Wir haben so und so viel Umendungen der Hauptwörter (über Hauptwörter hätte ich mich dann vorher schon erklärt) und es ist sonderbar, daß wir seit Bödikern so viele Grammatiken geschrieben, und gleichwol in keiner die Zahl jener Umendungen festgesezt haben. Mich deucht, ich kann schon jezt fra­gen, ob man diese und ähnliche Kunstwörter nur so eben in Vorbeygehen be­merken, und sie dadurch lernen, oder ob man sich darauf einlassen wolle, die lateinischen Kunstwörter dem Gedächtnis mühsam einzuprägen, und die Erklä­rungen derselben, die nur selten kurz seyn können, auszuhören ? Denn man will denn doch wol mit dem fremden und daher schwer zu behaltenden Schalle auch Begriffe verbinden. Ich habe gesagt, daß die Erklärungen der lateinischen Kunst­wörter nur selten kurz seyn können. Die Ursache davon liegt in ihrer Beschaffen­heit. Sie sind nämlich oft weit hergeholt, und haben zu allgemeine Begriffe, als daß sie das Ding, wovon die Rede ist, genau bestimmen sollen: bisweilen sind sie so gar widersinnig. Was wir, wenn z. E. die Umendung ist des Stromes, wie mir es vorkömt der Sache gemäß Verkürzung nennen konten (Es ist offenbar Verkürzung, wenn man z. E. der Zweig des Baumes sagt. Denn könte man nicht so umenden, so müste man sagen: Der Zweig, den der Baum hat, der auf dem Baume wächst, oder welche verlängernde Redensart man sonst wählen wolte) was wir Verkürzung nennen konten, das nent man im Lateinischen Genitivus casus, oder Zeugeendung auf eine sehr weit hergeholte Art. Lateinische Kunstwörter sind ferner: indicativus modus oder anzeigungsweise; conjunctivus modus, verbindungsweise; imperativus modus, befehlsweise; und infinitivus modus, auf unbestimte Weise. Das, wovon hier geredet wird, ist, durch diese Kunstwörter, befehlsweise ausgenommen, so ziemlich ins Weite hin angedeutet worden. Wenn ich es nicht für überfliessig hielte, bey dem Zeitworte, ausser dem Begriffe der Zeit, noch etwas anders zu bestimmen; so würde dieses Andre dasjenige nicht seyn, was die lateinischen Grammatiker und ihre Nachsprecher gewählt haben.

   Ein lateinisches Kunstwort ist auch genus neutrum oder keines von beiden Geschlechtern. Aber das Wort Geschlecht kann ja hier dem Begriffe nach gar nicht mehr statt finden. Ich habe daher die Hauptwörter in mänliche, weibliche, und geschlechtlose abgetheilt.

   Wer diese Kunstwörter den deutschen vorzöge, müste, ausser den angeführten, noch viele die ihnen ähnlich sind, lernen. Dazu komt nun noch, daß eine deutsche Grammatik, in welcher die fremden Kunstwörter gebraucht würden, dennoch nicht ganz ohne deutsche seyn könte. Denn fürs erste haben diese alten Gramma­tiker verschiednes nicht untersucht, was sie hätten untersuchen sollen; man müste also noch einige Kunstwörter mehr haben, als man bey ihnen antrift: fürs zweyte erfodert das Eigenthümliche unsrer Sprache einige, die in den lateinischen Grammatiken nicht vorkommen konten. Also lateinische und deutsche Kunstwörter durch einander, ein Gemisch, das mir wenigstens sehr widrig vorkomt. Ich hoffe, daß ich die, für welche ich schreibe, auf meiner Seite habe. Diejenigen, denen die fremden Kunstwörter durch lange Angewönung geläufig sind, können von dieser Sache nicht unpartheyisch urtheilen, wenn sie sich nicht an die Stelle derer sezen, welche diese Kunstwörter nun erst in spätern Jahren, und ohne die geringste Kentnis des Lateins, viel mühsamer lernen müsten, als sie dieselben in früheren, mit dem Lateine zugleich, gelernt haben. Ich habe für den Gebrauch deutscher Kunstwörter noch Einen Grund, der, wie ich hoffe, nicht zu wenigen stark vorkommen wird, ob es gleich noch jezo, gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts, so lange nach Luthern! Leute unter uns giebt, die es noch nicht einmal wissen, daß wir eine Sprache haben, und sie daher die hochdeutsche Mundart nennen; dieser mein Grund ist, daß es lächerlich seyn würde, wenn wir von unsrer Sprache nicht in unsrer Sprache schreiben wolten.

   Von den einfachen und vereinten Tönen (Dieß gehört in die Ab­theilung Von der richtigen Aussprache) Wir haben fünfzehn einfache Töne, erst die Selbstlaute, und dann die Mitlaute h, b, f, d, k, l, m, n, r, und s. Fünfe davon werden in der Aussprache verändert; aber sie bleiben gleichwol einfach. E wird in ä, und ö verändert, i in ü und j; u in w; b in p; und d in t. Die einfachen Töne, unveränderte und veränderte sind entweder Selbst­laute, oder Mitlaute, oder Zwischenlaute. Die Zwischenlaute sind j und w. Die vereinten Töne werden zugleich ausgesprochen, und bekom­men dadurch eine andre Bildung, als wenn man sie hinter einander ausspräche. Sie sind jh wir schreiben´s g, jhh oder gh, wir schreiben´s ch, sjhh oder sgh, es wird sch geschrieben, und pf, weiches auf gleiche Art geschrieben, und ausgesprochen wird; ferner ai wir schreibend fast immer ei. Bey au, eu, und äu ist Schreibung und Aussprache gleich; oi komt fast gar nicht vor.

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Anmerkung 1. Z und x sind Schreibverkürzungen, und werden nicht als vereint, sondern als sich folgend ausgesprochen. Tz kann nur mit der äussersten Anstrengung, und das nicht einmal in allen Stellungen ausgesprochen werden; es wird aber von Nie­manden ausgesprochen. Wer spricht sitts aus, und vollends sittst? Dieser Schreib­verkürzung könten wir also entbehren. Man sagt zwar wenn wir: schüzen schrieben; so müsten wir schütsen aussprechen. Aber warum müsten wir denn? Was geht's denn Zunge und Ohr an, daß der Schreiber t s durch z verkürzt hat? und was hindert uns denn das durch z ausgedrükte t s hören zu lassen, und schütsen auszuspre­chen?

Anmerkung 2. Y, th, dt, v, ph, und q sind nur fürs Auge. Q würde Schreib­verkürzung seyn, wenn man das u nach demselben wegliesse. Y klingt völlig wie i, th, und dt wie t, v und ph wie f, und q wie k.

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   Aus der Abtheilung von der schönen Aussprache wurde noch viel weni­ger, nur der Hauptinhalt derselben, vorgelesen, 1 Der Begrif vom Wohlklange muß nicht auf das Sanfte eingeschränkt werden, 2 Von der verschiednen Zusammensezung wohlklingender Töne in Sylben und Wörtern. 3 Sie müssen durch die Aussprache so gebildet werden, daß sie sich vor den andern ausnehmen. 4 Die Tonwand­lung muß nicht sprungweise geschehn. 5 Man läst die Dehnung unübertrieben hören. 6 Man spricht die verschiedne Länge und die verschiedne Kürze nach der wahren Zeit aus.

   Abtheilung von der Tonwandlung und dem Tonhalte. Man kann einige Wörter hinter einander nicht ohne Tonwandlung aussprechen. Die Stimme steigt nämlich oder sinkt in einem gewissen Umfange. Der Umfang der Tonwandlung ist bey uns kleiner, als bey einigen andern Nationen. Denn wir sind zu mänlich, um beym Sprechen, oder bey Haltung einer Rede, Geschrey zu machen.

   Der Tonhalt bildet die an sich selbst schon langen Wörter oder Sylben auf zweyerley Weise. Er bricht entweder die Zeit, in der sie ausgesprochen werden, schnell ab, oder er dehnt sie ein wenig aus, als Waldstrom, sann, sahn. Wald, sann wird abgebrochen, Strom, sahn gedehnt.

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Anmerkung 1. Geschrey entsteht nicht allein durch die Anstrengung, sondern auch durch die Höhe der Stimme.

Anmerkung 2. Diejenigen Sylben, mit denen die Stimme sinkt, sind bey uns gewönlich kurz; aber nicht deswegen, weil die Stimme mit ihnen sinkt, sondern weil es da zu geschehn pflegt, wo die aus andern Ursachen kurzen Sylben sind.

Anmerkung 3.  Etliche wenige Wörter oder Sylben, die nach den Regeln des Tonmaasses zweyzeitig sind, haben gleichwol die Dehnung; aber sie giebt ihnen die Länge nicht. So ist ihm, zweyzeitig, und wird, wenn es lang wird, aus andern Ursachen lang, als des Tonhalts wegen.

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   Von der Rechtschreibung. Wenn wir die unsrige mit der englischen oder französischen vergleichen; so ist sie vortreflich, wir schreiben z. E. nicht o auch durch au und aux, und eau, und eaux (wie barbarisch würde das den Fran­zosen bey einer ändern Nation vorkommen?) aber, ohne diese Vergleichung, ist sie nicht wenig fehlerhaft. Der Begrif einer guten Rechtschreibung kan kein andrer seyn,als nur das, was man hört, aber auch alles, was man hört, zu sezen. In vollkommner hört man Ein l und Ein m nicht; in nur und schon ist die Dehnung des u und des o unbezeichnet geblieben. Wir bezeichnen jezt die Dehnung bald durch ein h und bald durch die Verdoplung der Selbstlaute, i ausgenommen, dessen Dehnung wir durch ein dabey geseztes e ausdrücken. Aber oft lassen wir diese Bezeichnungen, das e ausgenommen, weg. Sich darüber zu vergleichen, in welchen Wörtern von denen, wo das Zeichen fehlt, das h, und in welchen die Verdoplung gebraucht werden solte, würde schwerer seyn, als darüber überein zu kommen, daß man ein allgemeines Zeichen der Dehnung einführen wolte. Welches Zeichen? Nicht die Verdoplung; das h auch nicht. Vielleicht einen Ovalzug unter den Selbstlauten. Es käme hier darauf an, den Zug so zu machen, und so anzubringen, daß das Auge dabey nichts zu erinnern hätte. Doch eh wir zu einem allgemeinen Zeichen der Dehnung, und zur Weglassung ungehörter Buchstaben kommen, wird wol noch viel Zeit hingehn. Das lezte haben schon manche thun wollen; aber es ist ihnen mislungen, weil sie es auf Einmal haben ganz thun wollen. Vielleicht würd es eher gelingen, wenn man nach und nach immer ein wenig in der Sache vornäme. Ist dieß zu hoffen; so ist es auch gut anzufangen. Womit? Das ist fast gleichgültig. Wenn es nun einen gäbe, dessen Auge z. E. durch kommt, nimmt eben so sehr beleidigt würde, als jezo eines jeden Auge durch Freundschafft, Krafft (welches vor kurzem noch da war) würde beleidigt werden; und dieser also lieber komt nimt, als kommt nimmt schriebe: so würde man es ihm wenigstens denn doch wol ver­zeihen, daß er ein so grillenhaftes Auge hätte, und daher auf die angeführte Art schriebe. Auch würde man wol nicht sagen können, daß er mit zu Vielem auf Einmal anfinge, wenn er zugleich das tz, als etwas, das kein Deutscher aus­sprechen könte, wenigstens in diesem Jahrhunderte nicht ausgesprochen hätte, ganz verwürfe. Wer kann denn settsen oder gar settst aussprechen? Glaubt es einer zu können; so wird er gefragt: Ob er mag, und wenn er möchte, darf? Der Einwurf, daß, wenn man z. E. nicht setzen sondern sezen schriebe, das e bey der Aussprache gedehnt werden müste, würd ihm etwa deswegen kein Ein­wurf zu seyn scheinen, weil Niemand darauf verfallen wird, das e da zu dehnen, wo er es nie zu dehnen pflegt, und weil er es vor der Schreibverkürzung z in set-sen z. E. sehr gut ungedehnt aussprechen kann; hingegen aber tsen in set-tsen nicht aussprechen darf, wenn er es auch könte, oder gar möchte.

So weit ginge etwa einer im Anfange; und andern, die wie er glaubten, daß die Rechtschreibung ein Ding fürs Ohr, und nicht fürs Auge wäre, überliesse er, nach und nach zu versuchen, 1 Mehr Verdoplungen wegzulassen. (Der versteht nichts von der Ableitung, welcher glaubt, daß sie bey dieser Weglassung leide) 2 F oder v zu wählen, und das ph nicht mehr zu brauchen. 3 Das q ohne u zu schreiben, oder es wegzuwerfen, und, wo es dann nötig wäre, auf das k ein u folgen zu lassen. 4 Das th und dt wegzuwerfen. 5 Des c und y nicht ferner zu schonen, und 6 ein allgemeines Zeichen der Dehnung festzusezen. Nachdem wir nun längere oder kürzere Zeit mit diesen Veränderungen zugebracht hätten, würden wir mit den Franzosen und Engländern, die etwan auch alsdann noch ihre Allerleyzeichen haben möchten, auch in diesen Nebendingen, die aber gleichwol mit zur Sache gehören, früher oder später zur Richtigkeit kommen. Entfernt könte diese zu machende Richtigkeit wol noch so ziemlich seyn, weil wir jezo so gar noch nicht einmal mit einander einig geworden sind, ob wir uns Teutsche oder Deutsche schreiben wollen.

 

 

 

Dritter Morgen.

 

 

Die Zunft der Dichter schlägt ein neues Gesez vor. Wlemars Nachforschung, ob das Gesez werde angenommen werden. Seine Unterredung mit einigen Ausländern.

 

Es solten zwar nach der Anordnung der Aldermänner die einzelnen An­kläger erst gehört werden, eh man die wichtigern Sachen vornähme; aber die Bewegung der Republik war zu groß dieser Anordnung zu folgen. Mit Anbruche des Tages waren Lehrgebäude verbrant worden; man hat­te sie, ohne viel hinzusehn, brennen lassen, und die Zeit mit sehr warmen Berathschlagungen zugebracht. Man würde kaum gewust haben, was vorginge, wenn der Schreyer nicht eine so jämmerliche Klage während des Brandes erhoben hätte.

   Der Anwald der Dichter kam herauf, ein neues Gesez in Vorschlag zu bringen. Er las es von einer ehernen Tafel ab, und nicht, wie bisher gewönlich gewesen war, von einer Pergamentrolle, Es ist seitdem beschlossen worden, daß es künftig allzeit so gehalten, und kein Gesez mehr auf Rollen geschrieben werden soll; und nicht allein dieß, sondern es wer­den auch die älteren Geseze auf Tafeln geschrieben, und in der Halle aufgestelt werden. Hierdurch fält vollends alles Vorwenden weg, daß man die Geseze nicht genung kenne, weil man sie beständig vor Augen hat. Der Anwald las die Tafel ab.

   »Den Ausrufern und Ankündigern wird bey dreyjähriger Landesver­weisung, und denen, die schreiben, bey der lauten Lache, oder noch schärferer Rüge, verboten: Bücher, wie sie die Ausländer lange gehabt, und lange vergessen haben, so zu empfehlen, als ob die Nation stolz darauf sey sie zu besizen. Ist ein Ausrufer, oder Ankündiger, oder gar ein Scribent wegen einer solchen Anpreisung eines solchen Buchs verdientermaassen heimgesucht worden, und trit dann ein gleicher Anprei­ser eben dieses Buches auf; so wird er, des Verfahrens halben, angesehn als einer, welcher der Nation mit Wissen und Willen, freventlich und öffentlich Hohn gesprochen hat. Und ein solcher dünkelhafter, und un­vaterländischer Mensch hat Hochverrath begangen.

   Also urtheilte, nach reifer Erwägung, und kalter Beratschlagung, die Zunft der Dichter auf dem Landtage, zwey und siebzig, achtzehntes Jahrhundert.«

   Der Anwald stelte die Tafel hin, und sie wurde, wie vordem die Rollen, von Zunft zu Zunft, und zulezt auch zu dem Volke gebracht. Ein Gesez vorschlagen, und die Stimmen über die Aufname oder Verwerfung desselben sammeln geschieht bey uns selten an Einem Tage. Auf andre Sachen wolte man sich, nach diesem vorgeschlagnen Geseze, auch nicht einlassen. Die Landgemeine ging daher aus einander. Ich suchte den Ausgang des morgenden Tages (Wlemar schreibt dieses) aus dem, was den heutigen geschähe, zu errathen. Ich hörte hier und da einige, doch nur behutsame Klagen über die Strenge des neuen Gesezes; aber ein höhrer Ton, der Ton des jezigen Landtages waltete vor, und diese Kla­genden konten wenigstens so gleich nicht aufkommen. Die Ausrufer und Ankündiger hörten nur umher; ihre gewönliche Kühnheit hatte sie ver­lassen, und sie wusten überhaupt nicht so recht, woran sie wären. Denn es konte ja ihr Ankläger vonneuem vorgerufen, und ihrentwegen gar ein Gesez gegeben werden, welches ihr Ansehn und ihre Fähigkeiten in ein sehr genaues Verhältnis brächte. Überdieß war das eben vorgeschlag­ne Gesez schon schlimm genung für sie; und manchem unter ihnen ging auch der Schleichhandel mit den Bilderchen nicht wenig im Kopf herum. Denn es waren schon einige derselben bey den Nachtwächtern gefunden worden; und diese hatten auch schon alles gestanden. Dieß zusammen hatte den Erfolg, daß sich die Ausrufer auf keine Weise getrauten, sich wider das neue Gesez zu erklären. So bald ich sah, daß es mit ihnen so stand, gab ich mich nicht weiter mit ihnen ab. In der gemischten Zunft wurden nicht wenig Widersprüche so laut, daß man hätte fürchten kön­nen, das Ding würde völlig um sich greifen, wenn ihr Anwald, ein hefti­ger vaterländischer Mann, nicht sehr Obstand gehalten hätte. Gleichwol konte man doch nicht so recht wissen, wie es Morgen bey der Stimmensamlung hergehn würde. Denn viele Scribenten dieser Zunft hatten, bey allem, was sie sagten, eine sehr väterliche Rüksicht auf ihre Schriften. Überhaupt bekam auch auf andern Zünften diese Rüksicht nach und nach so viele Einflüsse, daß ich zulezt zu zweifeln anfing, ob das neue Gesez durchgehn würde. Das Volk hatte man auch, ich weis nicht durch welche Abgeschikte, grossentheils gewonnen. So viel ist gewiß, daß sich einige Ausrufer wegschlichen, als ich mich unter dasselbe mischte. Ich muß es dem Rathfrager nachrühmen, daß er sehr gut gesint ist. Er nahm meinen Vorschlag, die Aldermänner zu fragen, gleich an; und seine Zurükkunft brachte eine so merkliche Veränderung hervor, daß ich beym Weggehn fast mit Gewisheit auf die drey Stimmen hoffen konte.

   Ich kam hierauf mit einigen Ausländern in Geselschaft, deren Auf­merksamkeit auf alles, was vorging, ich schon mehr als einmal bemerkt hatte. Ich freue mich, sagte mir einer von ihnen, auf den Landtag der deutschen Gelehrten gekommen zu seyn. Ihr habt einige Geseze, die wir nicht haben, und haben solten. Und mit welcher Einsicht und Entschlos­senheit bringt ihr sie zur Wirksamkeit. Diese Aufhebung der Scholiastenzunft ist ein kühner Schritt. Die Gelehrtenrepubliken Europa's machen, wie ihr wisset, Eine grosse lateinische Republik aus. Ihr sondert euch, und tretet aus diesem vieljährigen Bunde, und wagt es mit eurer Sprache, wie weit sie sich, und mit ihr die darinn vorgetragnen Wissen­schaften ausbreiten, oder nicht ausbreiten werden. Wir wissen, antworte­te ich, daß wir uns sondern, und was wir wagen. Unsre Sprache hat Kraft und Schönheit; und Inhalt, denk ich, geben wir ihr in unsern Schriften doch auch bisweilen. Was ihre Ausbreitung anbetrift, so sagen unsre Aldermänner, daß wir keinen grössern, und beynah keinen andern Stolz haben müssen, als den, für unsre Nation zu arbeiten. Ihr sehet, daß uns diese strengen Leute denjenigen Stolz, der auch nach Beyfalle der Ausländer strebt, fast verbieten. Sind übrigens unsre Schriften nur gut; so wird unsre Sprache, wir mögen diesen Stolz haben, oder nicht haben, ihren Weg schon gehen. Wir redeten noch von vielem, das zu dieser Sache gehörte; aber nur dieß hab ich der Aufzeichnung einigermaassen würdig gehalten.

 

 

Denkmale der Deutschen.

 

 

Unsre Stammart.

 

Einige Cohorten dekten die Flucht Catulus, und seiner Legionen gegen uns, und unterlagen. Für ihre Tapferkeit schwuren ihnen die Sieger beym ehernen Stiere Freyheit, und

Waffenstillstand.

 

 

Unglükliche grosse That.

 

Eine Cohorte Usipier, gezwungen für die Römer zu streiten, und wider die Kaledonier, ein freyes Brudervolk, verachtete, um sich so nicht zu entehren, Gefah­ren, wie sie die Schlacht nicht hat. Sie verließ die Legion, in welche sie eingeker­kert war, tödtete ihre Waffenlehrer, stürzte sich in drey Nachen, warf die treu­losen Schiffer ins Meer; trieb um Britannien, kriegte auf der Fahrt, nicht zu ver­hungern, oft siegend, selten besiegt, aß erst Sterbende, dann Geloste, strandete am Ufer des Vaterlands, und wurde von Deutschen in die Fessel verkauft, und in der Gallier.

 

 

Der verdiente Triumph.

 

Domitius Änobarbus, nur er unter allen Römern, kam bis über die Elbe; ein Gang unmerklicher Spur, aber dennoch, wegen der kühnen Neuheit, bis zum Triumphwagen.

 

 

Der übrige Zweig.

 

Die Cimbrer und Teutonen hatten ihre Beute, und sechs tausend, sie zu schüzen, am Rheine gelassen. Als zu diesen die Todesbotschaft von ihren Vätern und Brüdern kam, erkämpften sie sich von den umliegenden Völkern ein Land, und wurden, durch Entschlüsse, die nichts geschrekt, und durch eine Standhaftigkeit, die keine andre ausgedauert hatte, selbst ein Volk. O Untergang auch der grösten Thaten! Denn ich muß den Namen des neuen Volkes nennen. Sie heissen Atwaticher.

 

 

Die Sikambrer.

 

Nach den Cheruskern, verdienen die Sikambrer Nachkommendank. Sie nahmen Lollius einen Adler. Der Eine weissagte die drey. Aber auch das selbsttödtende Schwert wendete sich früher gegen die Brust der gefesselten Fürsten Melo's und Baitorits, als gegen des Varus.

 

 

Der gute Gabin.

 

Valentinian bedekte, nach seinem Lieblingsgedanken, die Gränzen zu befestigen, auch die Donau mit Schlössern. Bald fing er auch an über den Gränzen zu bauen. Der König der Quaden, Gabin erklärte sich mit Mässigung dawider, ward zum Gastmahl eingeladen, und verrätherisch getödtet. Sein Feldherr Percha, vergalt den Mord, und unterbrach den zu nahen Bau, indem er zwey Legionen vertilgte.

 

 

Die Ungleichen.

 

Die Sueven und die Cherusker schlugen mit einander, Deutsche mit Deutschen. Die Sueven führte Marbod, ihr Tyrann, er, der nie aus Hercyniens Schatten gegen die Römer zur Schlacht hervorbrach, mit ihnen durch Geschenke Bündnis schloß, ein Waffenträger des Cäsars, und ein Verräther des Vaterlands war. Ingomar, Siegmars Bruder, war mit seinen Kriegsgefährten zu ihm übergegangen. Die Cherusker führte Hermann, der Befreyer des Vaterlandes. Zwey suevische Völker, die Semnonen, und die Longobarden, hatten seinen Arm gestärkt. Lange schwebte die Schlacht in Gleichgewichte. Endlich entwich der Tyrann auf seine Hügel; und, von noch mehr Völkern verlassen, flehte er dem Cäsar vergebens um Beystand.

 

 

Der Entschluß der Männinnen.

 

Nach der Schlacht mit Marius sendeten die Fürstinnen, die Schwestern, Mütter, und Weiber der Todten zu dem Überwinder: Wir wollen frey, und Vestalinnen seyn, oder sterben. Sie wurden nicht frey, und tödteten sich.

 

 

Weise Enthaltsamkeit.

 

Tiber stand mit den Legionen an der Elbe, und seine Flotte führte ihr neues, furchtbares Schauspiel auf. Ein Deutscher kam in einem Nachen herüber, und betete die göttlichen Römer an. Dennoch blieb ihnen die jenseitige Anbetung zweifelhaft.

 

 

Varus Rükkehr.

 

Hermann wolte, mit den lebenden Boten, auch todte nach Rom senden; und zu­gleich Marbods, des Zuschauers mit der Hand im Schoosse, spotten. Er schikte Varus Haupt an den Verräther, und dieser nach Rom.

 

 

Die Trümmer.

 

Die Mundarten der Oberdeutschen sind die Steinbrüche, woraus unsre Vorfahren die Sprache gebaut haben. Wir hinterlassen sie dem Nachkommen in einer Ge­stalt, daß er die Umbildung ihrer Säulen nicht wagen, und nur an den Zierathen der Knäufe ändern wird. Aus den Mundarten Niederdeutschlands ist nur in frem­den Ländern gebaut worden. Gleichwol gehört ihm das älteste deutsche Buch an, das gerettet ist, die Schriftdolmetschung des Gesezgebers und Bischofs Ulfila.

 

 

Die glükliche Stunde.

 

Die Druidinnen verkündeten: Ihr siegt nur, wenn der Mond voll ist. War er dieses zur Zeit der Schlacht gewesen; so hätt er etwa Ariovistens Schwert gethan, und weder Portia's noch Brutus Dolch geblutet.

 

 

Der gegebne Friede.

 

Valentinian hatte die Künste des Überfalls und des geheimen Mordes umsonst gegen Macrianen, den König der Allemannen, versucht. Er entschloß sich ihm Frieden anzubieten. Der Deutsche sich bewust, daß er dem Römer den Frieden bewilligen konte, und auch abschlagen, stand, mit diesem Stolze, an dem einen Ufer des Rheines. Seine Kriegsgefährten kanten die Ursach des Stolzes, und schlu­gen mit dem Ungestüme der Schlacht an ihre Schilde. In dem Nachen des Römers glänzten die Feldzeichen der Legionen. Aber er fuhr zu der Unterredung herüber. Endlich hörte der Klang der Schilde, und das Kriegsgeschrey der Deutschen auf, und ein Friede ward geschlossen, den Macrian niemals brach.

 

 

Die heutigen Spuren.

 

Steh still, Wanderer, oft, lange, und mit Dankbarkeit.

   In Varburg hielt Varus Gericht und Gastmale.

   In Varlar machte er sein erstes Lager, groß und fest, weil Hermann diesen Tag allein geschlagen, und die andern Fürsten in der Ferne gezweifelt, und gezögert hatten.

   In Varenholt barg sich der Römer, wie er konte, in einem kleinen Lager, das niedrige Wälle und untiefe Graben hatte.

   Auf Winfeld sahen die Übrigen am dritten Abend ihre lezte Sonne untergehn.

   Im rothen Bache floß das meiste Römerblut.

   In den Knochenbach warfen wir die Gebeine, die Germanicus gesammelt, und mit einem Grabhügel bedekt hatte, damit sie der Römer nicht noch einmal sam­melte.

   Geh nun weiter, Wanderer, oder wenn du noch weilen magst, so grab hier irgendwo; und du wirst Waffen oder Schädel oder Münzen finden, mit den Bild­nissen Cäsars und Augustens.

 

 

Der gegründete Mut.

 

Gratian hörte auf vor der Ankunft des feindlichen Heeres zu zittern. Denn seine Legionen führten Baudo und Arbogast, Feldherren, die unbestechbar, kriegsge­lehrt, und kühn waren.

 

 

Der Gränzfluß.

 

Die Römer hatten Gallien, Iberien, und Britannien erobert, auch etwas von Ober­deutschland. Die Donau sonderte das Wenige. Wenn ihr groß von grossen Thaten denkt, Nachkommen der Rhätier, Noriker, und Vindelicier, so betretet das jen­seitige Ufer des Gränzflusses mit Ehrfurcht. Denn drüben eroberten die Römer nicht.

 

 

Belonte Gutherzigkeit.

 

Dem Fürsten der Ansibaren, Bojokalen, war Aufruhr die Befreyung, welche die Irmensäule verdiente, und erhielt. Dafür flehten er und sein Volk auch dem Feld herrn der Römer vergebens um unbewohnte Felder in ihrem Vaterlande. Sie musten, da sie fortzogen, die Thräne hinstürzen: Fehlt uns Erde zur Hütte; so fehlt sie uns doch zum Grabe nicht.

Dieß erreichten sie bald; die Jünglinge, und die Männer durch ihr Schwert, die Greise in der Fessel. Und nun waren keine Ansibaren mehr.

 

 

Die grosse Entscheidung.

 

Sechs deutsche Cohorten legten in Pharsaliens Wagschale das Übergewicht für den, der in Scythien die Eroberung Deutschlands versuchen wolte. Allein Brutus zukte den Dolch gegen ihn, und nun bedurft es unsers Schwertes nicht.

 

 

Wir gegen uns.

 

Die Brukterer waren, bis zum Übermute, stolz, und ihre Nachbarn, bis zur Grau­samkeit, Hasser dieser Stolzen. Die Verbündeten zogen das Schwert, und hörten erst auf zu vertilgen, als die Übrigen mit den Schatten sechzig tausend Todter flohn. Ein Schauspiel für die Römer, das ihr Herz gewünscht hatte, und das ihr Auge sah. Wir haben andern Feinden gleiche Schauspiele aufgeführt.

 

 

Späte Wiederkunft.

 

Vierzig Winter waren vergangen, und die gefesselten Fabier in Hütt und Hürde grau geworden. Da endlich nahmen die Römer den dritten Adler Varus wieder.

 

 

Die bekränzten Löwen.

 

In Aurels Kriege mit den Markomannen und den Quaden antwortete der Weis­sager: Sieg, wenn ihr zween Löwen mit Opferkränzen schmükt, und sie über die Donau vorausschikt! Die deutschen Jünglinge am Ufer spielten gegen die Löwen hin, und tödteten sie mit Stäben. Aus den nachkommenden Legionen fielen zwan­zig tausend. Nur gegen diese bedurft es der Schwerter.

 

 

Uralte Verwandschaft.

 

Der hercynische Wald sandte Belgien, Britanniens Küsten, und, aus andern Schat­ten, den Gebirgen Schottlands Bevölkerung.

 

 

Die Cimbrer.

 

Die Deutschen der Nordgränze begannen den furchtbaren Zug gegen die Römer. Ihr Heer wuchs in dem Herzen Deutschlands. Die Namen ihrer Feldherren und Helden sind nicht mehr. Aber noch nennen wir die Namen der überwundnen Consulen. In fünf grossen Schlachten flohn, oder fielen, vor den Unbekanten, Garbo, Cassius, Scaurus, Cäpio, und Manlius. Endlich vereinten sich Sonn, und Sturm, und Marius, und gelernte Weichlichkeit, die Sieger zu vertilgen.

 

 

Unsre verlorne Freyheit.

 

Eh sinke dieser Fels, als die Geseze unserer Freyheit aufhören.

   Der König, die Oberrichter, und die Feldherren sollen die kleineren Dinge ent­scheiden, die grösseren das Volk.

   Über die, welche das Volk entscheidet, sollen die Fürsten, eh die Landesversamlung anfängt, gerathschlagt haben.

   Das Volk sezt sich nicht eher, als es will, zur Beratschlagung nieder.

   Hierauf gebietet ihr, Druiden, Stillschweigen, und wer nicht gehorcht, den bestraft ihr.

   Die Fürsten sollen gehört werden, nachdem sie älter, beredter, von besserem Geschlecht, und berühmtere Krieger sind.

   Sie dürfen es unternehmen, zu überreden, aber nicht zu gebieten.

   Das Volk verwirft entweder durch Murren, oder es giebt durch die bewegte Lanze Beyfall.

   In der Landesversamlung werden neue Oberrichter gewählt, die in Bezirken Recht sprechen.

   Jeder Oberrichter soll hundert aus dem Volke zu Rathgebern und Ausführern haben.

   Ihr komt alle gewafnet zu der Landesversamlung, damit ihr, wenn ihr über­fallen werdet, von der Berathschlagung zur Schlacht aufstehn könt.

 

 

Teutoburg.

 

Beschattet, Eichen, die Felsenschrift! Hermann, Siegmars Sohn, vertilgte Varus mit drey Legionen. August ließ Haar der Trauer wachsen, Tibers illyrischen Lorber verwelken, und unter denen, welche sich der Beschüzung des Vaterlands weigerten, das Todesloos werfen. Die Wunde blutete die zwey Jahrhunderte fort, in denen die Römer noch genung sie selbst waren, um, geheilt, Deutschlands Eroberung zu unternehmen.

 

 

Die wiedergesehne Heimath.

 

Überwundne Franken waren von den Römern am schwarzen Meere zum Anbaue vertheilt worden. Ihre Kühnsten entschlossen sich zur Wiederkehr ins Vaterland. Sie stürzten sich in Schiffe der Überwinder, liessen die Schwerter an Griechen­landes und Asiens Küsten triefen; musten von Africa's weichen; eroberten Syracus, und landeten endlich im Schalten deutscher Haine.

 

 

Doppelte Vergeltung.

 

Der Grausamkeit und der Verachtung lohnten wir es mit Unterjochung und mit Spott. Denn so gar in den Gesezen, die wir den Römern, und uns gaben, nanten wir uns Barbaren.

 

 

Hermanns römisches Denkmal.

 

Hermann war der Befreyer Deutschlands. Er grif nicht, wie andre Könige und Feldherren, die beginnende Macht des römischen Volkes an; sondern unser Reich in seiner vollen Grosse. Er war glüklich, und unglüklich in Schlachten; unüber­wunden im Kriege. Er hat sieben und dreyssig Jahre gelebt, und zwölfe das Heer geführt. Er wird noch jezt unter den deutschen Völkern besungen.

 

 

Der Erfolg.

 

Auf der Ebne, und nur auf Einer Seite vom Walde beschattet, brach Hermann so hervor, hielt so, machte mit seinen ungestelten zu mutigen Schaaren solche Wen­dungen des Meisters, daß Germanicus, mit acht Legionen, und mit unzählbaren Schwärmen Hülfsvölker, erst am Abend stehn konte. Der Tag kam; und der Cäsar ging nach dem Rheine zurük, den Feldzug zu endigen.

 

 

Lissa.

 

Wir nennen zehnmal Höchsted; und Einmal Lissa. Aber der Enkel vergist Höchsted bey Lissa. Denn, gegen zwölf, waren da vierzig tausend in der Fessel, und deutsche.

 

 

Gehinderte grosse That.

 

Bedek, Espe, des Grabhügels Baum, die Felsenschrift. Hermann schlug zweer Tage mit Cäcina'n, wie mit Varus. Am dritten hinderten der Neid, und der Stolz der Fürsten die völlige Gleichheit.

 

 

Munichis.

 

Die Sclavonier lagen auf einem Berge. Ein heisser Zwist um Ehre unter dem Feldherrn Ferdulf, und dem Schultheiß Argäd machte, daß der Angrif auf der steilsten Seite geschah. Ferdulf, Argäd, und jeder, wer kühn genung zur Nachfolge war, fielen. Munichis war vom Pferde geworfen. Ein Sclavonier fesselte ihn. Mit gebundenen Händen fast' er die Feindeslanze, durchstach ihn, wälzte sich in den Abgrund hinunter, und entkam.

 

 

Die beyden Niederlagen.

 

In der Schlacht auf der Mädchenwiese brachen die Cherusker zu früh aus dem Hinterhalt hervor. Dieser Schritt der zu kühnen Eile führte Hermannen beynah dem Tode, und das Heer der Deutschen zween grossen Niederlagen zu. Der ersten entkam Hermann kaum, indem er das Gesicht durch sein Blut verstehe, durch Blut aus einer so gefahrvollen Wunde, daß, bey der zweyten Niederlage, nicht er, sondern nur Ingomar Feldherr war. Nun häufte Germanicus die Waffen der Besiegten auf, und schrieb stolz daran: Nach Unterjochung der Völker zwischen dem Rheine und der Elbe, weihet das Heer Tibers dieses Denkmal Jupitern und Mars und Augusten.. Noch Ein Feldzug hätte den Stolz des Mals etwan ent­schuldigt. Aber die Vorsehung lenkte es anders. Der neidende Tiber zwang Ger­manicus zum Triumphe.

 

 

Britanniens Eroberung.

 

Hengst und Horst sprangen aus zween Kiulen ans Ufer. Nach siebzig Jahren hieß Britannien England.

 

 

Das zwiefache Glük.

 

Valentinian sagte zu Aurelianen: Geh, und siege! Denn die glükliche Legion, und Hartmund, Haldogast, Karwisko, und Hildemund sind mit dir.

 

 

Hermanns Tod.

 

Hermann ward von feindseligen Verwandten überfallen, und getödtet. Hatte er nur bürgerliche Kriege geführt, wie das vor ihm, und nach ihm, unser böser Brauch gewesen ist; welch ein Mord! Wenn er aber die Majestät der heiligen Freyheit beleidiget hatte; so verdiente er zwar vor dem Gerichte des Volkes zu stehen, und verurtheilt zu werden, aber nicht von solchen Händen zu sterben.

 

 

Der Fußfall des Stolzen.

 

König Knodomar hub sich auf einem schnaubenden Rosse, schwoll unter dem Schimmer eines hochgebuschten Helms, und wog in der Rechten eine ungeheure Speerslast, vor der Schlacht; nach verlorner, wie blutig sie auch durch ihn gewe­sen war, fiel er Julianen zu den Füssen, und bat ums Leben.

 

 

Cäsars Überlegungen.

 

Ihm, dem der Senat Siegslieder bey den Altären beschloß, und Cato Auslieferung an die Beleidigten, entboten wir nach Ariovistens Schlacht: Warum hältst du für ungerecht, daß wir über den Rhein gehn, und willst doch selbst zu uns herüber kommen ? Aber er kam. Wir erwarteten ihn in unsern Schatten. Er rathschlagte achtzehn Tage mit sich über die Waldschlacht, und kehrte zurük. Noch einmal kam er so, sahe nicht, und ging.

 

 

Otto's Lorber.

 

Otto der erste hieß die Dichter um den Vorzug streiten, und gab dem Vortreflicheren eine goldne Krone. Die Namen der Sieger sind nicht mehr. Auch wenn sie ihres Unterganges werth waren, verdient doch der grosse Kaiser Nachkommen­dank.

 

 

Die erfahrne Ursach.

 

Wenn Siegmund, Herzog von Östereich, mit den Adlichen Berathschlagung hielt, so ließ er oft die Schriften der Weisen den Ausspruch thun. Die Adlichen zürnten: Warum ziehest du uns die Baretsleute so vor? Gott allein kann euch Kunst und Weisheit geben, die Natur kanns, und nicht ich. Ich kann euch nur groß machen, euch Silber und Gold, Land und Leute geben.

 

 

Die zehn Feldzüge.

 

Von Ariovisten bis Hermannen thaten die Römer zehn Feldzüge nach Deutsch­land: Einen gegen Hütten, zween zur Schau, einen geflüchteten, fünf siegende, keinen erobernden; den lezten ohne Wiederkehr.

 

 

 

Der Abend.

 

 

Aus einer neuen deutschen Grammatik.

 

Von den einfachen und vermehrten Wörtern. Alle einfache Wörter sind einsylbig; aber nicht alle einsylbige sind einfach. Soll ist einfach und einsylbig; das davon abgeleitete Schuld ist einsylbig, aber nicht einfach. Die von der lezten Art könte man vermehrte Wörter nennen. In der Wortbildung werden die Wörter am besten in einfache, vermehrte, und mehrsylbige abgetheilt. Nach der Aussprache und Rechtschreibung ist Liebe zweysylbig; nach der Wortbildung ein vermehrtes Wort. Denn diese theilt Lieb-e. Daher hat z. E. wie Kraft, so auch Liebe die Buchstabenendung; dahingegen Bildung Schönheit und solche Wörter die Sylbenendung haben. Diese Unterscheidung verkürzt dasjenige, was von den Umendungen und dem Ge­schlechte der Wörter zu sagen ist. Die Vermehrungen der einfachen Wörter sind e, roth Röthe; g, behr Berg; k, soll Schalk; d, soll Schuld; t, mag Macht (mögen hieß sonst können, diese Bedeutung ist noch in vermö­gen.) m, hüll Helm; n, vor vorn; s, krup Krebs; (nicht wenig deutsche Wörter stammen von niederdeutschen ab) sch, Mann Mensch; ft, zahm Zunft; st, kann Kunst; ng, thu Ding; und z her Herz. (Her ist so viel als, er ur. Der Begrif ist: ursprüngliche Lebenskraft)

   Vordem brauchten wir alle Selbstlaute zu Vermehrungen; jezt brauchen wir nur das einzige e dazu.

   Unsre altern Vorfahren endeten die meisten Wörter mit Selbstlauten. Die Ita­liener, und Spanier scheinen dieß (denn sie brauchen die von den altdeutschen unterschiednen römischen Endungen nicht) von ihnen, die ihre Überwinder wa­ren, genommen zu haben. Unsre spätem Vorfahren haben die Selbstlaute bis auf das e (und auch dieß komt eben nicht oft vor) weggeworfen. Der Verdruß über diesen Verlust hat mich manchmal darauf gebracht, die Ursach der Wegwerfung zu finden. Ich bin bey folgender stehn geblieben: So viel ich von der Geschichte unsrer Sprache weis, so war man die ganze Zeit über, da man die Selbstlaute am Ende der Wörter brauchte, nicht gewiß genung, welche (es ist da nur sehr wenig Festgeseztes) man brauchen wolte. Hierdurch musten notwendig Undeutlichkeit und Doppelsinn entstehn, und dieß um so viel mehr, da auch die Umendungen der Wörter durch Selbstlaute gemacht wurden. Wie sehr man überhaupt damals in der Sprache schwankte, erhelt daraus, daß man wol drey Jahrhunderte lang das so oft wiederkommende Wort seyn mit der grösten Verschiedenheit bildete.

Da man nun mit diesem Wichtigeren, und leichter Festzusezenden nicht konte zu Stande kommen; so war es kein Wunder, daß man das weniger wichtige, und das doch zugleich (wegen seiner vielen kleinen Theile) schwerer zu bestimmen war, und mehr Doppelsinn verursachte, so vernachlässigte, daß man es zulezt ganz muste fahren lassen. Es ist kein kleiner Verlust, den die Sprache hierdurch gelitten hat.

          Sunt lacrimae & vocum, & mentem mortalia tangunt.

Jezt ist unsre Sprache ein tiefgewurzelter, hoher, vielästiger, fruchtvoller Baum, dem aber hier und da etwas Laub fehlt. Und daß sie das ist,kann jene vielleicht zu weichen Thränen schon stillen.

   Alle einfache und vermehrte Wörter sind Stamwörter. Die lezten stammen von den ersten ab, und von jenen wieder andre. Soll Schuld Schuldner; kann Kunst Künstler. Welche einfache Wörter aber von einander abstammen, kann man nur selten ausmachen. Fliessen (die Verändrungssylbe en komt hier nicht in Betrachtung) kann von Fluß; aber Fluß kann auch von fliessen ab­stammen. Hingegen ist der bestimte Umlaut (a in ä, o in ö, u in ü) ein unfehlbares Kenzeichen der Abstammung, als strömen von Strom.

   Von den mehrsylbigen Wörtern. Sie bestehen entweder aus mehr als einer Stamsylbe, als Ehrgeiz; diese haben zwey Hauptbegriffe, ob gleich der eine der vornehmste ist; oder sie bestehn aus Stamsylben und aus Ableitungssylben als fruchtbar, Verdacht.

   Die einfachen, vermehrten, und diejenigen mehrsylbigen Wörter, die mit einer Stamsylbe enden, haben die Buchstabenendung, als Flug, Art, Schuzgeist, die mit einer Ableitungssylbe enden, haben die Sylbenendung, als Mehrheit.

   Die Stamsylben haben den Hauptbegrif, und sind, allein genommen, Wörter, als Furcht in furchtbar; die Ableitungssylben haben den Nebenbegrif, und sind, allein genommen, ausser den Richtungen keine Wörter, als bar in furchtbar.

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(Ableitungssylben haben.) Man kann Ableitung in engerm und in weiterm Ver­stande nehmen; in engerm komt nur z. E. strömen von Strom, geistig von Geist her; in weiterm z. E. entfliehn von fliehn. Ich nehme Ableitung, um manches zu verkürzen, in weiterem Verstande.

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   Einige Stamsylben kommen zwar nicht mehr als Wörter vor, sind aber doch Wörter gewesen, und werden auch manchmal noch als solche in den Mundarten gebraucht, als vergiß. Giß, vermute wird noch im Niederdeutschen ge­braucht. Die Ableitungssylben sind ehmals zwar auch Wörter gewesen; sie haben aber ihre erste Bedeutung so sehr verändert, daß sie nicht mehr als Wörter kön­nen angesehn werden. Heit hieß sonst Beschaffenheit, auch Person. Die Ab­leitungssylben (es giebt auch Ableitungswörter: unter in untergehn; da sie aber keine andre Eigenschaften als die Ableitungssylben haben, so können sie unter dieser Benennung mit begriffen werden) die Ableitungssylben sind, in Ab­sicht auf die Stamsylben, entweder voranstehend, und dann bald trenbar und bald untrenbar, als ausgehn vergehn; oder nachstehend, wobey auch zwey auf einander folgen können, als Heiterkeit. Hierher gehören auch die Wohlklangssylben er ig, und das t, welches aus eben der Ursach gesezt wird, als fürchterlich Leichtigkeit wesentlich.

   Ohne Rüksicht auf Stelle und Trenbarkeit, sind, in Absicht der Bedeutung, die Ableitungssylben er, ver, be, ab, ent, aus, auf, und an doppelseitig.

   Eh ich herausbrachte, daß diese Ableitungssylben ein zweyfaches Äusserstes entweder der Zeit, oder des Orts, oder auch der Handlung ausdrükten, waren mir nicht wenig Wörter, ihrer ursprünglichen Bedeutung nach, unerklär­bar. Kürzer kann keine Sprache die Begriffe zusammen fassen, als es die unsrige durch die Wörter thut, welche diese Ableitungssylben haben. Ich merke noch an, daß sich der Begrif des zweyfachen Äussersten auch in dem Worte Ende findet. In einem unsrer Alten steht: Fan thesaro Weroldes Endie. Von Anfange dieser Welt.

   Von den doppelseitigen Ableitungssylben. Er (ur, und or, auch öhr in dem einzigen Worte Nadelöhr sind eben dasselbe) wurde sonst als eine Richtung gebraucht, als er Himile, vom Himmel. Um der Kürze willen drück ich die eine Seite durch her, und die andre durch hin aus. Her: erhal­ten von einem etwas, erwählen etwas aus vielem, ersinnen. Hin: erle­ben, erreichen, ergründen, ersingen. Her: Uraltem, Urphede Ab­lassung vom Kriege, Ursprung eigentlich die erste Quelle. Hin: Urenkel. Her: Orlog das erste Gesez, das Schiksal, der Krieg. Hin: Orband am Degen.

   Ver hieß sonst fra, far, for. Her: vernehmen von einem etwas, ver­lernen, verweisen aus dem Lande, vervortheilen vom Vortheile bringen versezen Buchstaben. Hin: verdenken einem etwas, versehn sich gutes zu einem, vernichten, verspotten, versezen an einen etwas.

   Be. Wie wir aus dem alten Odmout: Demut gemacht haben (Erbar­mung hieß ehmals auch Rebarmnussi) so verwandeln wir auch das ab bis­weilen in be. Her: benehmen einem seine Meinung, bekommen von einem etwas Hin: besichtigen, bekränzen, bescheiden einen wohin, bekommen es bekomt ihm.

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(Be) bey ist eben das Wort, hat aber keine doppelte Bedeutung.

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   Ab. Her: absehn einem etwas, abmahlen, ablegen. Hin: Absicht, abtragen einem seine Schuld, abkürzen.

   Aus. Her: ausgehn, ausfinden. Hin: ausgehn vom Lichte, ausdauren, ausmachen eine Sache.

   Ent. Es scheint von dem alten Hauptworte An herzukommen. Auf gleiche Weise ist Art von ur oder or abzuleiten. Her: entstehn, entkommen, entfernen sich von einem. Hin: entbieten, entflammen, entblössen, entscheiden, entschlafen dahin schlafen, Entschluß, Antwort.

   Auf. Her: aufgehn von der Sonne, aufwerfen Erde. Hin: aufhäufen, aufwerfen sich zum Herscher.

   An. Her: von der Zeit an, Anfang, anstimmen. Hin: bergan, An­trag.

   Diese Beyspiele mögen zureichen. Es giebt Wörter, bey denen einige der dop­pelseitigen Sylben so wol auf der einen, als auf der andern Seite erklärt werden können. Aber wenn man ein wenig genauer darüber nachdenkt, so ist es immer Eine, die dem Begriffe am gemässesten ist. Manchmal wird hier die Wahl dadurch schwer, daß die mit diesen Ableitungssylben verbundnen Stamsylben vordem auch Bedeutungen müssen gehabt haben, die wir nicht mehr kennen. So wird man z. E. wol so leicht nicht heraus bringen, warum ver mit stehen in verstehn zusammengesezt ist.

 

 

 

Vierter Morgen.

 

 

Die gemischte Zunft sucht es dahin zu bringen, daß das vorgeschlagne neue Gesez nicht durchgehe; es wird aber dieser Bemühungen ungeachtet eingeführt.

 

Einige Sachen thaten die Aldermänner nach den Aufträgen, welche sie von den Zünften und dem Volke dazu hatten, kurz ab. Heute solte wie­der ein Lehrgebäude verbrant werden; aber selbst der Nachtwächter, den die Reihe des Anzündens traf, war so aufmerksam auf das, was sonst vorging, daß er mit ofnem Maule, und verloschner Fackel, bey dem Lehrgebäude stehn blieb. Der Anwald der gemischten Zunft war in den halben Kreis gekommen. Er hatte folgendes vorzutragen: Ich habe, sagte er, von meiner Zunft Befehl, auf nähere Bestimmung der eigentlichen Be­schaffenheit solcher Bücher zu dringen, die, wie es meiner Zunft vorkomt, in dem vorgeschlagnen Geseze nur so obenhin angedeutet sind. Denn sehr ungerechter Weise würde man bey dieser Dunkelheit des neuen Gesezes in die Strafe der Lache, oder wol gar der Landesverwei­sung verfallen. Die Zunft schlägt auch, obwol ohne Maasgebung, vor, daß die Dichter angehalten werden, einige schon vorhandne Bücher von der Art, wie sie in Sinne haben, anzuzeigen. Ist es denn, sagte der wort­führende Aldermann, so schwer zu wissen, was mittelmässig sey? Wenn ich schlimm seyn wolte, könte ich die Zunft in Verdacht haben, daß es vielleicht Leute unter ihr gäbe, die den Schleichhandel mit den Bilderchen auch trieben. Solt es seyn, Anwald, so laß sie in Zeiten aus der Zunft stossen. In diesem Falle soll das Gesez, das wider sie ist, noch schweigen. Du weist, daß wir einen gemesnen, und gewiß nicht glimpf­lichen Auftrag die Bilder betreffend von den Zünften haben. Und wenn es auch einigen gelänge (denn wir hören, daß so was vorseyn soll) uns den Auftrag wieder nehmen zu lassen; so würd es ihnen, und ihres gleichen doch zu nichts helfen. Denn es ist, denke ich, doch bekant genung, daß die Republik, wegen dieser so hartnäckigen, und wie es scheint, auch so ausgebreiteten Anhänglichkeit an das Mittelmässige, nicht wenig aufgebracht sey. Der Anwald kam zurük, und sagte, daß seine Zunft schlechterdings darauf bestünde, die verlangte nähere Erklärung zu haben. Erfolgte keine; so würde sie den Herold bey der Stimmensamlung abweisen. Der Aldermann antwortete: Dank allen, die auf dem vorigen Landtage das Gesez von der bleyernen Mittelmässigkeit eingeführt haben! Lies es deiner Zunft vor, und wenn sie dann noch nicht ergründen können, wovon die Rede ist; so haben wir ihnen weiter nichts zu sagen. Auch wehren wir es ihnen nicht, ihre Stimme fehlen zu lassen. Bring mir Nachricht, ob sie dabey beharren ihre Stimme der Republik zu versagen. Thun sie's; so verbiet ich dem Herolde bey der Samlung zu ihnen zu gehn.

   Der Anwald der Dichter war vom Anfang an gegenwärtig gewesen. Ich will, sagte er zu dem andern Anwalde, deiner Zunft Genüge thun. Wir meinen in dem vorgeschlagnen Geseze fürs erste, und vor allen Din­gen mittelmässige Gedichte; und diese kent ihr denn doch wol gewiß: aber sie nicht allein, denn wir meinen auch diejenigen prosaischen Schrif­ten, welche nichts oder fast nichts anders thun, als bekanten Inhalt wiederholen. Denn bey den Untersuchungen, womit man sich in diesen Schriften beschäftigt, komt ja das wenige, was etwa von neuer Darstel­lung darinn angetroffen wird, nicht in Betracht, weil ihnen überhaupt die Darstellung nur Nebenwerk seyn darf. Und wenn man nun vollends dieß Nebenwerk entweder nachlässig, oder auf eine gezwungne Art, oder auf eine solche, die ganz aus dem Tone des Inhalts heraus komt, gethan hat; was hat man alsdann gethan ? Doch bleibt hierbey nicht stehen. Denn auch auf Schriften, welche das Nebenwerk besser thun; aber keinen neuen Inhalt haben, und immer nur altes bis zum eisgrauen hinauf wiederkäuen, auch auf solche Schriften, sag ich, kann und wird die Nation niemals stolz seyn. Diejenigen, die wir von dieser Art haben, zu nennen, wäre sehr überfliessig. Denn den wenigen, die sie etwa jezo noch nicht kennen, werden sie durch das sieche Leben, das sie in kurzem führen werden, schon genung in die Augen fallen. Überhaupt wäre zu wün­schen, daß Leute, die hier noch mehr Deutlichkeit brauchen, lieber unter den Altfranken leben, und sich dort wol gehaben möchten. Wir sind, schloß er, viel zu nachsehend gewesen, daß wir nur die des Hochverraths schuldig erklärt haben, die, nach vorhergegangner Bestrafung andrer, eine solche Demut von der Nation verlangen würden.

   Der Anwald der gemischten Zunft war zu beklagen. Denn er dachte völlig eben so; und gleichwol muste er die Sache seiner Zunft führen. Dieser war ihre Absicht mislungen. Denn sie hatte durch die Abschickung ihres Anwaldes nur Untersuchungen veranlassen, und auf diese Weise Zeit gewinnen wollen, etliche der andern Zünfte auf ihre Seite zu bringen.

   Als jezo der Herold zu der Stimmensamlung herauf gerufen wurde, zeigte sich fast überall eine solche Heiterkeit, daß es nicht mehr zweifel­haft blieb, welchen Ausgang die Sache haben würde. Nur einige Ausländer sahen etwas ernsthaft aus. Sie schienen die immer zunehmende Grösse unsrer Republik zu fürchten. Wir wollen diesesmal eine so genaue Nachricht von der Stimmensamlung geben, als sie in den Jahrbüchern aufgezeichnet wurde. Für das neue Gesez waren: Die Aldermänner mit allen Stimmen; die Zunft der Redner mit drey Stimmen Mehrheit; der Geschichtschreiber auch mit dreyen; der Rechtsgelehrten durch den Ausschlag des Anwalds; der Astronomen mit allen Stimmen; der Natur­forscher mit allen Stimmen; der Gottesgelehrten mit Einer Stimme Mehr­heit; der Mathematiker mit fünfen; der Weltweisen mit zweyen; der Wisser mit allen Stimmen; der Kundigen mit neun Stimmen Mehrheit, und die Zünfte der Kenner, und der Drittler jede mit Einer Stimme Mehr­heit. Das Volk gab (weiter hatte es der Rathfrager nicht bringen können) nur seine zwey Stimmen. Die gemischte Zunft war mit vierzehn Stimmen Mehrheit wider das neue Gesez. Die Überstimten haben beschlossen, sich, so bald sie nur dazu im Stande seyn würden, in andre Zünfte aufnehmen zu lassen. Der Anwald hat sein Amt niedergelegt.

   Am dritten Morgen nach der Anname wurde das neue Gesez in die grosse Halle gebracht. Diejenigen, welche mit Schale und Blatt, Hügel und Eichel belohnt werden, gingen voran. Man bemerkte an den Jüng­lingen, die aus dem Volke zum Nachfolgen waren gelost worden, daß sie das Laub zu ihren Eichenkränzen dießmal mit vorzüglicher Sorgfalt gewählt hatten. Die Tafel wurde zwischen Leibnizen und Keplern aufgestelt. Wir wiederholen das Gesez. Der Schluß, den unsre Geseze zu haben pflegen, möchte einigen noch nicht bekant seyn.

   »Den Ausrufern und Ankündigern wird, bey dreyjähriger Landesver­weisung, und denen, die selbst schreiben, bey der lauten Lache, oder noch schärferer Rüge, verboten: Bücher, wie sie die Ausländer lange ge­habt, und lange vergessen haben, so zu empfehlen, als ob die Nation stolz darauf sey sie zu besizen. Ist ein Ausrufer oder Ankündiger, oder gar ein Scribent, wegen einer solchen Anpreisung eines solchen Buches, verdientermaassen heimgesucht worden; und trit dann ein gleicher Anpreiser eben dieses Buches auf: so wird er des Verfahrens halben angesehn als einer, welcher der Nation mit Wissen und Willen, freventlich und öffent­lich Hohn gesprochen hat. Und ein solcher dünkelhafter, und unvater­ländischer Mensch hat Hochverrath begangen.

   Also urtheilte, nach reifer Erwägung, und kalter Berathschlagung, die Zunft der Dichter auf dem Landtage zwey und siebzig achtzehntes Jahr­hundert.

   Auf dem Landtage angezeigtes Jahrs angenommen, in der Halle aufgestelt, und mit vollgeltender Obergewalt versehn von der versammelten Landgemeine; verworfen von der gemischten Zunft, und manchem an­dern Zünfter, mit welchen samt und sonders der Schuzgeist deutscher Nation dergestalt schalten und walten wolle, daß es ihnen nimmer, wie nicht an Helle des Kopfs, also auch nicht an Wärme des Herzens, ge­brechen möge.«

 

 

 

Der Abend.

 

 

Unterredung mit einigen Altfranken.

 

Die Aldermänner wurden benachrichtigt, daß einige Jünglinge unter den Altf ranken diesen Morgen während der Stimmensamlung sehr hoch, und mit aller­hand Einfällen, von den Vorzügen ihrer Geschäfte vor den Geschäften der Re­publik, gesprochen hätten. Überdieß war es schon das zweytemal, daß sie hätten für gut gefunden, sich so zu betragen. Es wären so gar beydemal einige ältliche Herren unter ihnen gewesen, die das Ding mitgemacht, und die Jünglinge, anstatt sie zurük zu halten, nur noch mehr angefeuert hätten. So wol die Jünglinge, als die ältlichen Herren waren adlicher Abkunft. Nach einigen Fragen sahen die Aldermänner, daß diese Altfranken Verstand genung besässen, Unterricht anzu­nehmen, aber nicht genung, keines Unterrichts zu bedürfen. Sie wurden daher zu einer Unterredung mit einem Aldermanne in die grosse Halle eingeladen. Als sie dort allein waren (die ältlichen Herren waren nicht mit gekommen) sagte der Aldermann zu ihnen: Wir haben erfahren, was, und wie Sie von uns geurtheilt haben. Erlauben Sie mir etliche wenige Fragen an Sie? So viel wissen Sie vermut­lich von Cäsarn, daß Sie einsehn, keiner von Ihnen werde (ich denke mir ihn jezt, wie er auf dem Schauplaze, auf dem Sie sind, handeln würde) ihm jemals nur einigermaassen gleich kommen. Aber kennen Sie ihn? Wer bewundert ihn nicht? Und wem ist diese Bewundrung unbekant, zu der man nun so durchs Hörensagen komt? Ich bin gewiß, daß Sie Cäsarn nicht kennen. Ich will Sie gleich überzeugen. Dieser bewunderte Cäsar hat auch von der Sprachähnlichkeit geschrieben, und in dieser Schrift sehr genaue, und sehr feine Anmerkungen ge­macht, die zur Grammatik gehören. Sie scherzen. Ob ich scherze, sogleich. Nur noch Ein Wort vorher. Das, womit sich die Republik bisher beschäftigt hat, ging, wie mich deucht, und wie Sie, denk ich, auch deuchten wird, denn doch über die Grammatik hinaus. Was wollen Sie damit sagen? Nur dieses, daß, wenn bey uns grammatische Untersuchungen vorgekommen wären, Sie den Kopf noch höher würden gehalten haben; und daß Sie ihn also, in Absicht auf Cäsarn, sogehaltenhaben. Aber gewiß, Sie scherzen, was Cäsars grammatische Untersuchungen anbetrift. Sie wissen doch wol noch ein wenig Latein? Einige von uns wissen so gar viel Latein. Denn damit haben sie ihre Kindheit, und ihre Jugend hinbringen müssen. Desto besser. So kann ich mich Ihnen ohne viel Umschweife deutlich machen. Aber reden Sie denn wirklich in Ernste? So in Ernste, daß ich Ihnen hiermit noch anvertraue: Karl der Grosse, und Alfred der Grosse haben sich, durch ähnliche Untersuchungen, beynah eben so lächerlich gemacht, wie Cäsar; ich sage: beynah, weil er darinn viel weiter gegangen ist, als sie. Ich sehe wol, ich komme Ihnen immer scherzhafter vor. Und das ist denn auch recht so, wie es seyn muß. Denn Sie scheinen gar nichts davon zu wissen, daß einer Nation viel mehr an ihrer Sprache gelegen seyn kann, als an hundert Sachen, die Sie nicht wenig bewundern. Doch nun zu dem, was ich Ihnen deutlich zu machen ver­sprochen habe. Cäsar hält sich unter andern bey folgenden Untersuchungen auf: Man dürfe von arena nicht arenä in der Mehrheit sagen, so wie man im Gegentheile quadrigä, und nicht quadriga sagen müsse. Turbo müsse, auch wenn das Wort vom Ungewitter verstanden würde, turbonis, und nicht turbinis umgeendet werden. Idem heisse in der Mehrheit iidem. Man müsse partum nicht partium von pars sagen. Wenn drey i auf einander folgten, so würde das lezte zum Mitlaute. Ens wäre von esse abzuleiten. Man sage besser maximus als maxumus. Einige von diesen, und ähnlichen grammatischen Anmerkungen wurden zur Regel; einige nicht. Denn selbst Cäsar, der grosse Sieger, und der grosse Sprachkenner zugleich konte da, wo es über die Gränzen des Zwanges hinausgeht, nichts mehr, als ein anderer thun, der gleiche Sprachkentnis gehabt hätte. Schon ein Alter hat angemerkt, daß Cäsars Schlachten, der Bücher von der Sprachähnlichkeit ungeachtet, Cäsars Schlachten geblieben wären. Allein ich sehe, daß Sie sich entfernen wollen; und dieß ist auch die beste Parthey, die Sie zu nehmen haben. Denn Sie würden doch nichts, als Ausflüchte wider mich vorbringen können; und bloß das zu thun, dazu haben Sie zu viel Verstand. Nur noch ein einziges Wort zum Abschiede: Dieser bewunderte Cäsar, dessen Schlachten, und Unterjochung Roms, dessen noch auszuführende Ent­würfe Sie auch nicht kennen, (Ihre nahe Entfernung verbietet mir, mich auch über diesen Punkt gegen Sie deutlich zu machen) dieser grosse Krieger, der gröste vielleicht, der jemals gelebt hat, sagt von Ciceronen, dessen Freund er in Grunde nicht war: Sein Lorber wäre schöner, als die Lorbern aller Triumphe. Denn es wäre grösser, die Gränzen des römischen Geistes eben so sehr erweitert zu haben, als die Triumphirenden die Gränzen des Reichs erweitert hätten.

   Die Unterredung endigte sich hiermit. Denn die Altfranken begaben sich weg.

 

 

 

Fünfter Morgen.

 

 

Die Zunft der Kundigen dringt auf die Anklage der straffälligen Ankündiger und Aus­rufer. Diese geht vor sich. Die Zünfte erklären, daß die Landgemeine die Urtheile nicht sprechen müsse. Die Aldermänner wollen sich auch nicht darauf einlassen. Es wird ge­lost, welche Zunft es thun solle. Nach gesprochnen und vollzognen Urtheilen, wird der Denkstein auf dem Plaze der eingegangnen Scholiastenzunft errichtet.

 

Die Zunft der Kundigen war heut früher, als die ändern Zünfte zusam­men gekommen, sich zu berathschlagen, ob sie ihren Anwald, der Aus­rufer und Ankündiger wegen, an die Aldermänner schicken, und Aus­übung der Geseze wider jene fodern wolten. Einer aus der Zunft erklärte sich so über die Sache: Was bisher ist gesagt worden, thut mir kein Ge­nüge. Ich bleibe dabey, es würde, wie das Sprichwort sagt, nicht das hal­be Korn tragen, wenn man den Unfug, den die Ausrufer gestiftet haben, durch die Geseze rügen wolte. Ich habe dem Dinge, seitdem wir in unserm deutschen Vaterlande auch deutsch schreiben, zugesehn, und immer gar genau bemerken können, daß gute Schriften, was für Dünste die Ausrufer auch um sie zusammengezogen haben, immer ihren Weg fort, nach dem Sprichworte: Wer gehn kann, komt an; schlechte Büchlein hingegen, mit welchem Irwischglanze sie auch sind von jenen Leuten umleuchtet wor­den, den Weg alles Papiers, dessen Worte keine Lebenskraft in sich haben, gegangen sind. Mir hat's dabey allzeit im Herzen weh gethan, wenn rechtliche Schreiber die Mühwaltung über sich genommen haben, sich gegen die Angriffe solcher Leute zu vertheidigen. Im Anfange, als Geliert und Gleim noch neu waren, da fabelten, oder liedelten sie; (die meisten von denen, die in spätem Zeiten aufgekommen sind, hätten's in jenen früheren eben so gemacht) und da es mit dem Gesinge nicht fort wolte, da verliessen sie die Bank, und sezten sich auf den bekamen Schemel, den sie so gern für einen Richterstul gehalten sähen. Ob sie, wie abermal das Sprichwort lautet, sich von dem Pferde auf den Esel gesezt haben, laß ich deswegen keinesweges an den Ort gestelt seyn, an den so manches gestelt wird, weil es klar am Tage liegt, daß sie sich von einem Esel auf einen andern gesezt haben. Darüber, daß sie die Leute an­greifen, ohne sich zu nennen, und also ihr Werk fein hinter dem Rücken treiben, mach ich ihnen keine Vorwürfe. Denn es würde doch bey der Sache nichts ändern, wenn sie solche unbekante Namen, als die ihrigen sind, auch nenten. Ich habe nichts geschrieben, und werde nichts schrei­ben; aber auch wenn ich schriebe, würd ich nicht anders urtheilen, und vornämlich mich nie wider einen Ausrufer zur Wehr stellen. Denn ich würde es meiner Obliegenheit halten, durch die That zu zeigen, auch das Sprichwort: Weise Leute sind starke Leute, sey ein wahres Wort.           

   Die Zunft beschloß gleichwol die Absendung des Anwaldes. Sein Vor­trag an die Aldermänner (er las ihn ab) war dieser: Wir kennen die Ge­schichte der Gelehrten so gut, als Jemand, und wissen, daß gute Schriften durch Tadel der Kritiker nicht untergehn, und schlechte durch ihren Beyfall nicht bleiben; aber gleichwol wird keiner von uns (so ungern wir auch Mitzünfter verlieren, so sähen wir doch gern, daß einige Werke von Inhalt und Ausbildung, die wir auf unsrer Zunft haben, bekant würden) keiner von uns wird jemals etwas herausgeben, wenn die Geseze an den Ankündigern und Ausrufern nicht vollzogen, und sie dadurch nicht ge­nötigt werden, ihrem Stolze Schranken zu sezen. Auf der Zunft der Wisser, die wir mit der ganzen Republik verehren, und aus der nicht selten Aldermänner gewählt werden, denkt man nicht anders, als auf der unsrigen. Ich habe Wisser ihre Handschriften verbrennen sehn, damit sie der Gefahr, sie doch wol noch heraus zu geben, nicht ferner ausgesezt wären. So unerträglich war ihnen der Gedanke, von den Ausrufern an­gegriffen zu werden. Und wie natürlich ist es auch, diesen Gedanken nicht aushaken zu können. Wer das für Schwachheit erklärt, wird die Schwachheit wenigstens sehr entschuldigen. Ein Mann, der denkt, und sehr wol weis, was er thut, wenn er so, und nicht anders schreibt, soll sich, vor den Augen seiner Mitbürger, seiner Verwandten, seiner Unter­gebnen, seiner Feinde, der Welt, auf die bekante Art, anfallen lassen, und noch dazu durch sein Stillschweigen den Schein haben, als wäre der An­fall gerecht? Die Verhältnisse zwischen diesen Kritikern, und den Scribenten sind zu ungleich. Jene dürfen alles thun; und diese nichts. Denn welcher Scribent, der auf eine gewisse Art denkt, wird sich jemals vertheidigen ? Darf er sagen, daß seine Schrift gut, oder schön sey? Denn darauf würde das, was er zu sagen hätte, doch hinaus laufen, welche Wendung er der Sache auch zu geben wüste. Kein halbes Wort darf er davon sagen. Und entschloß er sich auch dazu; würde nicht die Vertheidigung eben deswegen ein sehr wehrloses Ansehn haben, weil er nur ein schüchternes halbes Wort gesagt hätte? Und selbst bey Anlässen solcher noch so bescheidnen Vertheidigungen, pflegen die Ausrufer, sie, die zuerst, und so sehr beleidigen, zu sagen, das sey das Geschrey des beleidigten Scribenten! Aber roth ist auch dafür vor allen Gesichtern, die nicht mehr roth werden können, keins wie das ihrige, von den Brand­malen der Schamlosigkeit. Dawider wird denn doch wol auch nicht der schwächste Einwurf vorgebracht werden können, daß die, welche, bey solchen Verhältnissen, angreifen, sehr unedel handeln? Doch nur unedel zu handeln, das ist ihnen noch zu wenig. Sie verfahren auch auf eine Art, welche die guten Sitten gerade zu beleidigt. Wird der ent­schlossenste, ja selbst der hizigste Mann, wenn er nur noch einen Schat­ten deß, was den Sitten gemäß ist, übrig hat, irgend Jemanden, wer er auch sey, selbst in der kleinsten Geselschaft, jemals Dinge sagen, wie diese Kritiker, selbst guten Scribenten, und das in der grösten Geselschaft, in der man nur reden kann, so oft sagen ? Und so gar dieses ist ihnen noch zu wenig. Sie handeln auch hinter dem Rücken, indem sie ihre Namen verschweigen. Nur die sehr wenigen dürfen ihre Namen verschweigen, (eine ganz andre Frage ist es, ob sie es thun selten, und ob sie nicht manchmal misvergnügt mit sich gewesen sind, es gethan zu haben) die sehr wenigen, sag ich, welche den Verstand, die Kentnis, die Wissenschaft und den Willen haben, gerecht zu seyn. Diese werd ich auf Erfordern anzeigen *, damit sich nicht Leute ausnehmen, die der Aus­name unwürdig sind.

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(*) Salogast und Wlemar hatten mir ihr Manuscript, mit der Erlaubnis, daran zu ändern, anvertraut. Ich habe mich dieser Erlaubnis nur in dem Einen Puncte bedient, daß ich die Beylagen weggelassen habe, und dieß aus keiner andern Ursach, als aus Neigung zum Schönen. Solten aber die Verfasser mit der Weglassung nicht zufrieden seyn; so werd ich die Beylagen, als einen Anhang des zweyten Theils, noch bekant machen. Ich habe die Stellen, wo sie hingehören, durch ein Sternchen bezeichnet.

Der Herausgeber.

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Denn wie viele würden sich, ohne meine Erklä­rung, unter jenem Schirme verkriechen wollen. Was die Namlosigkeit der übrigen, das heist bey weitem des grösten Haufens, anbetrift; so ist es, die Sache von einer andern Seite betrachtet, denn doch noch gut, daß man mindstens einige Scham, die nämlich, seinen Namen zu nennen, übrig behalten hat.

   Gelehrte (um nur Einen Blik in die vorigen Zeiten zurük zu thun) haben sonst freylich auch andre Gelehrte, die sie gereizt, oder auch nicht gereizt hatten, angegriffen. Damals hatten denn nun die periodischen Blätter ihre Flüge noch nicht begonnen, und die Angriffe geschahen in den Büchern selbst; (die untergegangen sind, versteht sich, so wie die Blätter untergehn werden, wie sich auch versteht,) aber immer mit An­zeige des Namens, den man, wie klein etwan auch er seyn mochte, we­nigstens denn doch, ohne eben bis dicht an die Ohren roth zu werden, nennen durfte. Selbst der kälteste unter euch, Aldermänner, wird mich nicht beschuldigen können, daß ich durch meine Vorstellung auch nur Einen Schritt über die wirkliche Beschaffenheit der Sache hinaus gethan hätte. Ich habe Worte, und Wahrheit mit einer Genauigkeit, die eben nicht gewönlich ist, gegen einander abgewogen. Daß dem so sey, sollen auch die, welche nach uns kommen, wissen; wenn sie anders in dem Geschriebenen dieser Leute blättern, und es mit dem, was ich ge­sagt habe, vergleichen mögen. Aber wie sie es auch mit der Sache halten wollen; so nimm gleichwol meine Erklärung, Herold, und laß sie von den Aufsehern in der grossen Halle beylegen. Du hast so recht, sagte der wortführende Aldermann, als man selten hat; aber Brodt und Schau­spiele, Anwald, das ist der Punct, wo alles zusammentrift, die völlige Steurung des Unwesens zu hindern; nicht für den Pöbel, wie einst in Rom, nein, bey uns ist es ganz anders: das Brodt für die Ausrufer, und die Schauspiele für das Publicum, das altfränkische, und unsers. Dem Puncte, sagte der Anwald, fehlt noch ein Pünctchen: Nicht nur Leibes Nahrung für die Ausrufer, sondern auch Nahrung für ihren Stolz! Elen­des Brodt, genieß es, wer's genissen mag. Aber vollends dieses unpatrio­tische Verfahren, unter den Altfranken aller Enden und Orten solche Schauspiele von uns selbst zu geben! Nie wird die Republik zu dem An­sehn kommen, das sie haben könte, und zu haben verdient, wo diesem Unfuge nicht Ziel und Maaß gesezt wird. Wenn die Grossen sich noch einigermaassen um uns bekümmern; so geschieht es dadurch, daß sie den Schauspielen, die wir von uns selbst geben, wol mit zusehn mögen. Ihr wolt zwar nicht, Aldermänner, daß wir uns viel um die Grossen beküm­mern sollen; aber so weit müssen wir es wenigstens denn doch wol, daß wir endlich aufhören ihre Lustigmacher zu seyn. Wir, sagst du, Anwald? Die Ausrufer sind ja nur die Lustigmacher. Aber sind's denn nicht, antwortete der Anwald, oft sehr würdige Gelehrte, auf deren Unkosten jene belustigen? Und dehnen es nicht die Zuschauer auf die Gelehrten überhaupt aus, was die Lustigmacher von einigen vorbringen? Und wird nicht, nach diesem Vorbringen, von dem Zustande der Repu­blik geurtheilt? Ich bin erst viel zu gelinde gewesen, daß ich es nur Un­fug genent habe. Doch wenn dieß Verfahren auch keinen ärgern Namen verdient; so ist es doch eure Pflicht, Aldermänner, ihm Einhalt zu thun.

   Der Wortführer der Aldermänner wendete sich zu dem Herolde .. (Nur noch Ein Wort, sagte Ekhard zu dem Anwalde, eh fortgeschikt wird. Es waren einmal eine Nachtigall, ein Jüngling, und eine Jungfrau; und es war auch eine Mücke. Die Nachtigall sang's Lied, der Jüngling, und die Jungfrau blieben stehn, und hörten dem Liede recht herzlich gerne zu. Indeß schwärmte die Mücke um die Nachtigall, und trompete­te Glossen das Lied betreffend. Je herlicher das Lied klang, desto lauter wurde die Mücke auf dem Trompetlein. Aber Sängerin, und Zuhörer blieben ungestört.) Gleichwol beharte der Anwald so sehr bey seiner For­derung, daß der Aldermann dem Herolde befahl, den Ankläger herauf zu rufen, den sie neulich abgewiesen hätten. So bald dieser da ist, sezte er hinzu, so geh wieder, und suche die auf, welche die Bilderchen entdekt haben. Es währte nicht lange, so erschien der Ankläger. Aber eh er anfangen konte, war eine Bekantmachung nötig.

   Der Herold stieß, der Gewonheit nach, dreymal in die Trompete, und machte hierauf folgendes bekant:

   Alle, die, seit den beyden vorigen Landtagen bis jezt, in Zeitungen, oder Monathschriften, oder auch in sonstigen fliegenden Blättern und Zetteln diese mögen nun längere oder kürzere Zeit gedauert haben, zu Budenpapier geworden, oder in Bände gekommen seyn, alle, die sich seit angezeigter Zeit damit behelliget haben, in solchen Schriften und Blättern aufzutreten, und alldort auszurufen, oder anzukündigen, wer­den hiemit, durch mich, den Herold, vorgefodert, und befehliget, alsofort vor den Aldermännern zu erscheinen, und daselbst namentlich, ver­nehmlich, wie auch haarklein, ihre allerseitigen Ausrufe oder Ankündi­gungen anzuzeigen, und hierauf das Weitere zu gewärtigen. Solte einer derselben, wider alles Vermuten, so gesezlos seyn, und sich zu erschei­nen widerstreblich weigern; so wird selbiger, so bald man durch die dicke Nacht seiner Namlosigkeit wird durchgedrungen seyn, von den Nachtwächtern herbeygeblasen werden. Wofern sich aber vollends einer erkecket, diesen, oder den, oder jenen seiner etwanigen Ausrufe nicht anzuzeigen; so empfanget er, im Falle daß er der verholnen Ausrufe halben straffällig ist, gleich nach der Ertappung, die Rüge dieser Straf­fälligkeit zwiefach: und ist er in diesem Betreffe nicht straffällig; so wird dennoch die Verheimlichung nicht unbeahndet gelassen.

   Die Ankunft so Vieler von so vielen Seiten, (selbst aus den Zünften!) ihr Gang, ihre Gebehrdung, das alles war wirklich recht sehenswürdig. Besonders merkte man es den Ausländern an, daß sie bey ihrer Heim­kunft ihren Freunden vieles von diesem Vorgange würden zu erzählen haben. Die Anzeige (bey welcher der Herold dem unordentlichen Rufen nicht selten Einhalt thun muste) wurde niedergeschrieben. Nachdem die Blätter dem Ankläger waren übergeben worden; so las er die Geseze ab, nach denen er anklagen wolte. Hierauf kam er, mit einigen Heften von ziemlicher Dicke zum Vorschein, welche solche Stellen aus den Schriften der Angeklagten enthielten, die diesen dadurch ungemein lästig fielen, daß sie den Gesezen immer schnurstraks entgegen waren. Da er also die Stellen so gut gewählt hatte, daß nichts als Ausflüchte dawider konte vorgebracht werden; so hatten die Aldermänner beynah nichts anders zu thun, als die Vertheidigungen abzuweisen. Denn sie pflegen die Plauderhaftigkeit nie lange zu dulden, wodurch man, eben deswegen, weil man nur Ausflüchte macht, bloß Mangel des Verstandes, und ausser dem noch den Stolz zeigt, zu glauben, solcherley gröbliche Sophisterey werde nicht, da es doch selbst feine so leicht wird, gleich beym ersten Anblicke entdekt. Sie thaten nur selten eine und die andre unerwartete Frage an die Angeklagten, wodurch sie diese und jene nicht dunkle Stelle zu den höchsten Graden der Deutlichkeit zu erheben wüsten. Diejenigen Hefte des Anklägers, durch welche viel Geschwäz bey wenig Inhalte erwiesen wurde, währte den Aldermännern manchmal zu lange. Man hörte nicht selten von ihnen: Abgebrochen! Genung! Völlig genung! Ein Ausrufer unterschied sich so durch seine Vertheidigung, daß sie aufbehalten zu werden verdient: Wir sehen, sagte er, nur allzu klar, wo es zulezt mit uns hinauslaufen werde! Wenn ich uns sage; so ver­steh ich meine meisten Mitbrüder, und nehme nur etliche wenige aus, die wol selbst nicht recht wissen mögen, wie sie unter uns gekommen sind; und an denen uns auch gar wenig gelegen ist. Denn schämen müs­sen wir uns ihrer, wegen ihrer Unpartheylichkeit, und Bescheidenheit, worinn sie bis zum Lächerlichen weit gehn. Man mag mir, wenn ich werde geredet haben, Schuld geben, was man will; aber den Mangel der Aufrichtigkeit soll man mir gewiß nicht Schuld geben. Nach den Gesezen, hat freylich jeder von uns nur Eine Stimme. Nach den Gesezen, ist unser Amt kein Richteramt. Recht gut das! Mag es doch in den Rollen so stehen! Aber, der Wirkung nach, haben wir viele Stimmen; sind wir Richter! Kurz, wir herschen innen und aussen, in der Republik, und draussen unter den Altfranken! Denn wenn diese einmal worinn blättern, so ist es in unsern Schriften. Freylich erstrecken wir unsre Herschaft nicht bis auf die Nachwelt; allein recht gut auch das! Denn was gehen wir, und die Nachwelt, einander an? Uns ist's völlig genung, wenn wir nur zu unsrer Zeit herschen. Und das thun wir denn ja auch, besonders jezt, recht nach Herzens Lust. Du fragst nach den Unterjochten, Aldermann, Zünfter, oder wer du sonst bist. Gleich! vorher nur noch Ein Wort von unsrer Herschbegierde. Wenn man denn nun einmal etwas von einer gewissen Art seyn muß; so ist's doch immer besser der Wolf, als das Schaf zu seyn. Wir sind also die Wölfe; treten wie Wölfe mit einander in Bündnisse, und wenn die Ränke, die sich unsre verschiednen Rotten zu spielen pflegen, in Kriege ausbrechen; so beissen wir uns auch wie Wölfe. Wer die Schafe, die Beherschten, die Unterjochten, oder wie ihr es sonst am liebsten hören mögt, wer diese sind? Fürs erste viele, viele Altfranken; fürs andre das grosse Volk (erlaubt uns immer diese Be­nennung) das grosse Volk samt und sonders; drittens die meisten des Volks; viertens keine geringe Anzahl Kenner, von der Zunft nämlich: aber wir gerathen ja fünftens auch wol manchmal unter diese oder jene andre Zunft; und soltens Oberzünfte seyn, so gerathen wir darunter! Ist dieß nicht eine Herschaft von einem Umfange, daß es sich gar sehr der Mühe verlohnt, sie zu haben? Wie wir sie führen diese Herschaft, das heisset, wie wir denen, welche Neigung bey sich verspüren, sich selbst zu Schafen zu machen, die Hülfe geben? Unter andern durch Gründe unsrer Beurtheilungen, die entweder an sich selbst, oder so angewendet, wie wir sie anwenden, keine Gründe sind. Aber wir wissen sie schon in genügsamen sophistischen Nebel einzuhüllen, daß sie wol, als Gründe, durchschleichen müssen. Es würde lächerlich seyn vorzugeben, daß die Beschaffenheit unsrer Gründe uns selbst nicht gar gut bekant wäre: allein führen Mittel nur zu Zwecken; was ist Herschern an der übrigen Be­schaffenheit derselben gelegen? Wir solten selbst etwas hervorbringen? Dazu gehörte zweyerley: Erst müsten wir's können, und dann wollen. Bekantermaassen können wir es nicht! Doch gesezt, nicht zugestanden, wir könten's; ist dieß denn so süß, so hinreissend, als herschen? Selbst etwas hervorbringen? Nein, nein, komt uns nur nicht mehr damit. Viel lieber der erste in Querlequitsch, als der zweyte, wo denn nun gleich? in einer grossen, grossen Stadt! Die Aldermänner hätten ihn gewiß nicht ausreden lassen, wenn sie der Ablesungen des Anklägers, ob dieser es gleich, nach Beschaffenheit der Sache, sehr kurz machte, nicht wären müde gewesen. Hätten wir durch deine Aufrichtigkeit, sagte der Aldermann, auch nur das geringste uns unbekante von euren Eigenschaften, und eurer Denkungsart erfahren; so wolten wir es ungestraft hingehn lassen, was du nun da so gesagt hast. Weil das aber nicht ist; so must du denn doch etwas bestraft werden. Ich ernenne dich also hiermit auf drey Tage zum Schreyer.

   Aber das Urtheil konte nicht vollzogen werden. Denn der Pöbel wolt ihn schlechterdings nicht für sein Oberhaupt erkennen, weil er sie mit Schafen verglichen hatte. Darüber wischte er hernach auch seiner Ausrufe ohne Strafe durch. Denn der Hohnlacher dünkte sich zu vornehm dazu, sich einen Mann vorführen zu lassen, den der Pöbel nicht hätte zum Schreyer haben wollen. Von denen, die nicht erschienen waren, wurde besonders einer aufgesucht. Selbst die Nachtwächter waren bey der Aufsuchung beschäftigt, und freuten sich nicht wenig darauf, bey diesem Anlasse ihre Hörner hören zu lassen. Der Mann, den man suchte, hatte vor kurzem behauptet, daß er wenigstens hun­dert tausend Stimmen hätte *. Es war Vielen lieb, daß er nicht gefunden wurde. Denn seine Vorführung würde zu viel Lächerlichkeit für den Ernst der Versamlung gehabt haben.

   Wir enthalten uns, mit gleicher Gesinnung, verschiedne Vorfälle, die sich bey dem Verhöre ereigneten, zu erzählen. Die Geschichte geht solche kleine Begebenheiten vorbey; allein unsre Jahrbücher zeichnen es mit grosser Sorgfalt auf, weil einmal festgesezt ist, daß man in denselben alles soll finden können, was sich während eines Landtages nur immer zugetragen hat. Die Anklage, die nicht kurze Zeit gedauert hatte, war nun zwar geschehn; aber die Aldermänner wolten, eh die Urtheile ge­sprochen würden, noch alles anwenden, die weggebliebnen dahin zu vermögen, daß sie vor ihnen erschienen. Sie liessen in dieser Absicht den Herold zu einer zweyten Bekantmachung hervortreten. Dieser rief: Alle Ausrufer und Ankündiger, die sich durch bisherigen Aufschub und Zögerung widerspenstig bezeigt haben, und nicht vor den Aldermännern erschienen sind, werden hiemit noch Einmal vorgefodert. Kommen mehr benante Ausrufer und Ankündiger straks; so darf's ohne Begleit der Nachtwächter geschehn: lassen sie aber ihrer strafbaren Widersezlichkeit dergestalt den Ziegel schiessen, daß man sie auskundschaften muß; so werden sie als Aufwiegler und Meutmacher angesehn, und dieserwegen, den Gesezen gemäß, mit der fünfzehnjährigen Landesverweisung heimgesucht.

   Der Erfolg der Bekantmachung war, daß noch eine ziemliche Anzahl vor den Aldermännern erschien. Nachdem auch dieser Sache vorgewe­sen war; so liessen die Aldermänner bey den Zünften und dem Volke anfragen: Ob die Republik die Urtheile fällen solte? Die Antwort war: Deß Belangs wäre die Sache nicht. Die Aldermänner möchten es daher thun. Diese lehnten es von sich ab. Weil sie aber, einiger wenigen wür­digen Männer halben, die sich auch auf Ankündigungen eingelassen hatten, nicht wolten, daß die Sache vor das Polizeygericht käme; so suchten sie ihren Zwek dadurch zu erreichen, daß sie den Zünften und dem Volke vorschlugen, die zu übernehmende Entscheidung durch das Loos auszumachen. Dieß war bisher noch nie geschehn; und es wäre auch gewiß nicht angenommen worden, wenn die Aldermänner nicht hinzugesezt hätten, daß es auch gestattet würde, nicht mit zu losen. Ei­nige Zünfte zögerten ein wenig, da der Herold mit den Losen zu ihnen kam; unterdeß liessen sich denn doch die Anwalde zulezt das Gefäß öfnen. Die gemischte Zunft aber schlug es rund ab. Und sie hatte gewiß auch ihre recht guten Ursachen dazu. Denn die Republik hätte ihre Ent­scheidung, im Falle, daß diese partheyisch gewesen wäre, gerade zu ver­worfen; und hier unpartheyisch seyn zu müssen, würde ein zu harter Stand für die Zunft gewesen seyn.

   Das Loos traf die Zunft der Wisser. Sie liessen sich, mit der ihnen gewönlichen Kälte, dieß und jenes von der Anklage die sie gehört hatten, wiederholen, und sprachen hierauf die Urtheile.

   Drey und dreyssig mehrentheils Ankündiger entgalten viel Geschwäz zu wenigem Inhalte durch die laute Lache. Wir wollen nur einige der berühmtesten Männer nennen, und die Namen unbekan-ter Leute ganz auslassen. Das viele Geschwäz entgalten also unter an­dern: Ehrhard Pfifferling, Peter Wabbel, Theobald Schwopp, der Ältere, Otto Schlauch, Dietrich Volkmar Seifenblase, und Erdmann Zernebock.

   An sieben und siebzig gröstentheils Ausrufern wurden die vielen Stimmen durch den Hohnlacher gerügt. Unter diesen waren: Gorg Wisch, Fabian Brauseke, Lorenz Knirps, Seiffart Bimm, Siegfried Hahnekamm, die beyden Kickel, Alexander und Friedelin, Sebastian Zwerch­fell, Eustachius Kickerick, und Gebhard von und zum Sparren. Die drey lezten hatten beyläufig auch die Runde gemacht.

   Zwey Ausrufer dachten eine recht gute List ausgesonnen zu haben, um sich von der Strafe des Hohngelächters zu befreyn; aber sie verunglükte ihnen. Sie sagten zu dem Anwalde: Sie würden als für eine Mil­derung ihrer Strafe danken, wenn ihnen, anstatt sich dem Hohnlacher hinzustellen, erlaubt würde, sich unter den Pöbel zu begeben. Es solte ihnen eben die gewünschte Milderung zugestanden werden, als man er­fuhr, daß die beyden Leute dem Pöbel schon angehörten. Dafür musten sie nun aber auch noch Einmal so lange, als es sonst zu geschehn pflegt, dem Hohnlacher stehen.

   Neun und neunzig Ausrufer waren (nach der von dem Geseze erlaub­ten Entschuldigung) die Zeit über, da sie die vielen Stimmen gegeben hatten, krank gewesen. Etliche unter ihnen mochten wol die unge­gründete Furcht haben, daß man ihnen nicht glauben würde. Denn sie schrien: Sehr krank! bettlägrig! immer von einer Ohnmacht in die andre! Zu den neun und neunzigen gehörten: Peter Kauder, Wilibald Dickepote, Hans Quytsch, Martin Cyriac Kaaf, ein Baccalaur, Gorg Veit Franz Hans Claas, ein Cicerone, Conrad Wisperling, Andrees Wiedehopf, Ulrich Sgrebbele, Tobias Anshelm Faustrechtius, Otto Haberstroh, genant Unke, Lampert Hinrich Mulmeke, und Ruprecht Potentian Allruun.

   Dreyzehn, ein Ankündiger, und zwölf Ausrufer, wurden, weil sie ihr Amt für ein Richteramt ausgegeben hatten, als Hochverräther, ewig Landes verwiesen.

   Einer ganz kleinen Anzahl (diese waren zwar zur Anzeige mit vorge­rufen, aber nicht angeklagt worden) rieth der Anwald an, ihre Stücke besonders, und zwar bald heraus zu geben. Denn den Büchern, zu wel­chen sie gehörten, drohte der Untergang; und nur selten trüg es sich zu, daß die Altertumskenner bey ihren Nachsuchungen solcherley Schutt nicht vorbey gingen.

   Die Namen gemeiner Hochverräther werden bey uns von dem Hohn­lacher in Runstäbe gekerbt, und bündelweise in eine Seitenhalle ge­worfen. Da dieser zu abgemattet von seinen heutigen Amtsverrichtungen war, so wurde die Einkerbung dießmal von dem Rümpfer vorgenom­men.

   Es war beynah Mittag geworden, und die Sache die Bilder betreffend muste daher noch ausgesezt werden. Das einzige, was noch vorgenom­men wurde, war, daß ein Aldermann auf dem Plaze der eingegangnen Scholiastenzunft den Denkstein errichten ließ. Es war kein kleiner Zulauf bey dieser Errichtung. Dieß ist die Aufschrift:

   »Steh still, Ausländer, und lerne, wie die deutschen Gelehrten es rügen, wenn man sich Verdienst anmaast, weil man bekante Nebenkentnisse wiederholt. Hier war vordem die Stelle der Scholiastenzunft. Im zwey und siebzigsten Jahre des achtzehnten Jahrhunderts beschloß die versammelte Landgemeine, lieber eine Zunft weniger zu haben, als die Barbarey län­ger zu dulden, mit der sich diese Nachsager dem allgemeinen Gebrauche der Sprache, und der Erweiterung der Wissenschaften widersezten.«

 

 

 

Denkmale der Deutschen.

 

 

Eine gute, und eine schlimme That.

 

Die kriegerischen Karten duldeten Gränzen ihres Aufenthalts von den Römern, und entzogen sich dem Bündnisse der Deutschen gegen die Eroberer. Dafür such­ten sie die Sikambrer, Tenchterer, Sueven, Brukterer, und Cherusker mit dem Schwerte heim. Wären diese nicht so stolz gewesen, als sie gerecht waren; so hätten sie Drusus nacheilende Legionen in dem engen Thale vertilgt, und schon damals Schatten vorausgesendet, die grossen Nachfolger von Teutoburg anzu­kündigen.

 

 

Die zurükgelasne Streitaxt.

 

Authafi, der König der Longobarden, hatte sich Theudelinden, die Tochter Garibaldes, des Königs der Bayern, zur Braut gewählt. Er ging mit seinen Gesandten, als einer von ihnen, zu Garibalden. Der Jüngling Authari, schöner Bildung, und weisses Haars, sahe die junge Fürstin. Er sagte zu ihrem Vater: Sie ist würdig, die Königin der Longobarden zu seyn. Laß sie uns Kriegern, wie sie künftig nach unsrer Sitte thun wird, die goldne Schale reichen. Theudelinde bracht auch ihm die Schale. Er berührte ihr, da er getrunken hatte, leise die Hand, und ließ sie über sein Gesicht gleiten. Die Fürstin erzählt' es, vor Scham glühend, ihrer Amme. Es ist der König, Theudelinde, sonst hätt ers nicht gewagt, dich zu berühren. Die Gesandten kehrten begleitet zurük. Da sie an die Gränze gekommen waren, er hub sich Authari an einem nahen Baume, so hoch er konte, auf seinem Pferde, haute die Streitaxt in den Baum, ließ sie darinn, und sagte zu den begleitenden Bayern: So führt Authari seine Waffen.

 

 

Gesez der Bayern von der Unverlezlichkeit der Todten.

 

Frevel, oder Leichtsinn büsset durch zwölf Gülden, wer die Leiche eines Erschlagnen verlezt, mit Vorsaz, auch nur durch die leichteste Wunde, aus welcher bey einem Lebenden Blut flösse; ohne Vorsaz, indem er unter die Adler, oder die ändern Raubvögel schiest, und der Pfeil die Leiche trift.

 

 

Die Eroberung Galliens.

 

Sechs tausend Franken hielten Kriegswandrung, zukten ihr Schwert, und nanten Gallien, Frankreich.

 

 

Die gute Einsicht.

 

Wir wüsten wol, wer wir waren, wenn wir uns, mit den überwundnen weichli­chen Römern, und lauter als sie, Barbaren nenten. Denn so sagten die Räthe zu der Königin Amalaschind von ihrem Sohne Athalerich: Er muß keine Lehrer haben, vor deren Peitsche er zittre, sondern solche, durch die er die Lanze, und eine Herschaft kennen lerne, die edel, und barbarischer Sitte sey.

 

 

Kädmon.

 

Auch nach Britannien hatten wir Eroberer gesendet. Unter ihnen war Kädmon der erste christliche Dichter, der an die Stelle der Barden trat. Er sang in einer der Mundarten Niederdeutschlands. Damals waren, über unser ganzes Vaterland, nur Mundarten, wie Büsche, ausgebreitet. Verpflanzte Spröslinge Niederdeutsch­lands wurden weiter gen Norden zu Wäldern. Der grosse Wald, unsre Sprache, erhub sich später, und langsam in Oberdeutschland. Luther, und wenige, die nach ihm, wie er, aushauten, und pflanzten, haben den Wald zum Haine gemacht.

 

 

Roßbach.

 

Sie kamen, sahn, flohn.

 

 

Die erhaltnen Waffen.

 

Audön, der König der Longobarden, hatte Turisenden, den König der Gepiden, überwunden, und sein Sohn, Albön, den Sohn des Überwundnen, Turismoden, in der Schlacht getödtet. Die Feldherrn der Longobarden sagten zu ihrem Könige: Dein Sohn, der dir den Sieg erfochten hat, muß nun auch mit dir von deinen Rehen essen, und aus deiner Schale trinken.

   Ich kann die deutsche Sitte nicht ändern. Ihr wist, er muß mir, eh er mein Tischgenoß wird, erst die Waffen eines ausländischen Fürsten bringen.

   Albön eilte mit vierzig Jünglingen zu Turisenden, und foderte die Waffen seines Sohns. Turisend gab ihm ein Gastmahl, und sezte ihn an die Stelle, wo sonst sein Sohn zu sizen pflegte. Aber nun kont er die Erinnerung des Todten nicht mehr aushaken.

   Ach diese Stelle hier ist mir so werth; aber der jezt daran sizet, ist mir ein bit­terer Anblik.

   Das hörte sein zweyter Sohn, Kunimund, und fing an die Longobarden belei­digend anzureden. Ihr seyd (sie hatten ihre Sohlen mit weissen Bändern befestigt) ihr seyd den Stuten gleich, die auch weisse Füsse haben.

   Ein Longobarde rief: Komm hin auf das Schlachtfeld, und sieh da, wie die Stuten ausgeschlagen haben, und wie die Gebeine deines Bruders, gleich den Knochen eines schlechten Gauls, auf dem Anger umher liegen.

   Die Gepiden entbranten, und machten Bewegungen, mit dem Schwerte zu ant­worten. Auch die Longobarden hatten den Grif ihrer Schwerter gefast. Turisend sprang auf, lief unter sie hinein, und rufte, daß Gott kein Sieg gefalle, durch den man den Feind am eignen Heerde überwinde. Sie sezten sich wieder zum Mahle, und waren so froh, als sie seyn konten. Turisend nahm die Waffen seines Sohns, und gab sie Albönen. Dieser kam zu seinem Vater, trank aus seiner Schale, und erzählte ihm von den mitgebrachten Waffen. Alle, die zugegen waren, priesen den kühnen Albön, und den edelmütigen Turisend.

 

 

Der Rhein zur Gränze.

 

Hermann that, nach Teutoburgs Schlacht, den Zug nicht, vor dem August, und die ewige Stadt zitterten. Ihm, der auch hierinn ein Deutscher war, galt das Grosse der gewissen Ausführung, vor dem Grösseren der Ungewissen. Er ließ, die Befreyung zu vollenden, hundert Römerfesten gen Himmel aufflammen, so viele Male für ihn, aber die, gleich nach ihrer Erhebung, in die frühere Trümmer sanken. In der Geschichte dauren sie.

 

 

Die Herschaft der Deutschen.

 

Auf den grossen Bühnen: Rußland, Pohlen, Dännemark, Schweden, Preussen, Holland, England, Italien, Ungern, Spanien, Westindien spielten, oder spielen ihr erhabnes Schauspiel Deutsche. Was geht diese Theodor von Neuhof an, der auf Corsica Possen riß?

 

 

Der zuverlässige Bote.

 

Grimoald eilte seinem belagerten Sohne zu Hülfe. Er schikte ihm seinen Pflege­vater Seswald, die nahende Hülfe anzukündigen. Dieser fiel den Belagerern in die Hände, und nun solte er an die Mauer gehn, und sagen, daß keine Hülfe zu er­warten wäre, oder sterben. Seswald versprachs, und ward hingeführt.

   Dein Vater komt, Romoald! Er war die lezte Nacht schon beym Flusse Sanger. Mitleid mit meinem Weib und Söhnen! Denn sie tödten mich!

   Die Belagerer warfen Seswalds Kopf über die Mauer. Diesen nahm Romoald, küst ihn weinend, und begrub ihn, wie so viel Treue es verdiente.

 

 

Die drey Freunde.

 

Der Thronräuber Grimoald hatte Bertarithen, den König der Longobarden, aus seinem Reich, und zulezt auch aus dem Orte seiner Zuflucht vertrieben. Bertarith entschloß sich sich Grimoalden zu überlassen. Dieser schwur ihm:

   Weil du auf Treu und Glauben gekommen bist; so solst du leben, und so leben, wie es dir nach deinem Stande ziemt.

   Aber bald war Schein für Argwohn da; und Grimoald argwöhnte. Schon den ersten Abend kamen reiche Trachten von dem, was der Bogen gefält, und die Kelter geprest hatte, aus dem Palaste des Königs bey Bertarithen an. Ein alter Ge­treuer seines Vaters lispelte ihm ins Geheim zu: Er will dich tödten! Die ändern Überbringer baten ihn im Namen des Königs, aus voller Schale zu trinken. Sein Mundschenke Verstands von ihm, daß er nur Wasser eingiessen solte. Er trank das Wasser, aber Grimoald sagte, nach der Wiederkunft der Überbringer:

   Der Trunkenbold! Morgen soll er Wein, und Blut speyen! Bertarith ließ seinen Freund Hunolf rufen. Jezt war das Mahl vorbey, jeder Gast weg, und nur Hunolf, und noch ein Freund bey Bertarithen. Sie rathschlagten kurz. Der Unbekante, der dieß so wenig zu seyn verdient, blieb, daß die Wache ihn inwendig hören, und für den trunknen Bertarith halten solte. Hunolfen gelang kühne List, und er brachte seinen Freund unentdekt durch. Er ließ ihn über die Mauer hinunter, und gab ihm Gefährten mit. Grimoald erfuhr alles. Der edle Unbekante ward zuerst vor ihn gebracht. Er sagte zu seinen Hauptleuten, und Schildträgern: Er soll nicht sterben, wie ihr mir rathet. Er hat, der Treue wegen, den Tod nicht gefürchtet, und er ist bey mir, was er bey seinem Freunde war. Hunolf verließ seine Zuflucht, den Altar, und wurde, von dem Könige eben so aufgenommen. Nach einiger Zeit sagte dieser zu beyden:

   Ich sehe es, ihr wäret lieber bey eurem Freunde!

   Ja, wir wollen lieber mit ihm sterben, als anderswo in Freude leben!

   Grimoald ließ sie mit aller ihrer Habe, und von einer Bedeckung geschüzt, zu ihrem geliebten Bertarith ziehn.

 

 

Gesez der rheinischen Franken vom Todtschlage.

 

Wenn ein Franke des Rheinufers tödtet, so büsset ers, ist der Erschlagne ein Römer, durch hundert Gülden; ist er ein Alemann, ein Bayer, ein Friese, ein Bur­gunder, ein Sachse, durch hundert und sechzig; ist er aber ein salischer Franke, durch zwey hundert Gülden, oder auch durch fünf Schwerter mit den Gürteln, einen Schild, zwo Lanzen, zween Helme, zween Panzer, vier abgerichtete Falken, und dreyssig Hengste.

 

 

Verspottete Warnung.

 

Die Wandalen in Deutschland sendeten zu den Eroberern, den Wandalen in Africa: Glük euch zu euren Thaten! Aber ihr bauet unter uns keine Hütten mehr; gebt uns eure Einöde, daß wir wissen, für welches Vaterland wir sterben müssen! Der König Gizerich, und das Volk gaben die Einöde. Allein ein weiser Greis, und bald nach ihm Gizerich sprachen: Breitet euch nicht aus. Das Gegenwärtige so gar ist ungewiß; noch Ungewisser das Zukünftige. Das Volk lachte, und wüste nicht, wie sein lezter überwundner König vor Wut der Verzweiflung lachen würde.

 

 

Die Umbildung.

 

Die Longobarden waren durch lange Ruhe weich geworden, und hatten zwey Schlachten gegen die Bulgaren verloren. Ihr König, Lamissio, führte sie zu der dritten heran.

   Eure Schmach, den Tod eures Königs, die Fessel seiner Tochter, die ihr euch zur Königin erkort, müst ihr rächen! und lieber sterben, als Knechte werden!

   Wie er sprach, so stritt er. Und ein Sieg ward erfochten, daß die Longobarden von neuem kriegerisch wurden.

   Diesen Grundstein legte Lamissio, zu dem grossen Gebäude, zu der Eroberung Italiens.

 

 

Denkungsart eines Gothen.

 

Wider den Zweykampf vor dem Richterstule führte Theuderich den Pannoniern das Beyspiel seiner Gothen an: Unter uns die Zunge, nicht die gewafnete Hand! Schlacht im Felde, zu Hause Gerechtigkeit! Kein Arm gegen Brüder erhoben, für die zu sterben, edle That ist. Blumen auf das Grab des menschlichen Barbaren!

 

 

Gelimer.

 

Die Wandalen besassen die Küsten Africa's vom atlantischen Meer an bis Cyrene. Aber Gelimer, ihr König, stritt nicht deutsch, als er dieß sein Reich behaupten solte. Früh bat er aus seinem Bergschlosse die Sieger um Brodt, den Hunger, und um eine Harfe, die Schwermut zu stillen. Als er vor Belisaren kam, erhub er in der Wut der Verzweiflung ein Gelächter über die menschlichen Schiksale! Ein zweyter Triumph, Karthago's wegen, führte ihn in Konstantinopel auf. Ein Anblik furchtbarer Warnung; allein das Auge des Tiefsinnigen wandte sich von einem, der das noch mehr war, gen Himmel. Denn unter den Schäzen des Überwunde­nen waren die Tempelgefässe Jerusalems.

 

 

Die Sonderung.

 

Als die Spröslinge der teutonischen Franken, die Gesez und Schwert von Salogasten und von den Sikambrern hatten, die Stammart wandelten, nanten sie sich: Alte edle Franken; und die Eroberer drüben: Gallische Fremdlinge.

 

 

Der bessere Überrest.

 

Gelimer küste niederknieend den Purpur Justinians, indem vier hundert kühnere Wandalen ihren Schiffern Flucht, und sich neue Kämpfe gegen die Überwinder geboten.

 

 

Unsre Kriege mit Aurelen.

 

Aurel führte zween grosse Kriege gegen uns. Den zweyten zu führen, verkaufte er goldne Gefässe, Gemälde, Bildsäulen, den Schmuk der Kaiser und Kaiserinnen; warb auch Fechter, Sclaven, und Räuber; zog mit der blutigen Lanze des Krieges­gottes von seinem Tempel aus, und starb Sieger, und Besiegter. Sein Nachfolger muste die Festen in des Feindes Lande verlassen, und ihm Gold für den Frieden zuwägen.

 

 

Das Schloß über der Gränze.

 

Valentinian bedekte den Rhein von der Quelle bis zum Ausflusse mit Schlössern. Er baute so gar jenseits bis dicht an die Gränzen. Auch dieß duldeten wir. Aber er verstand, in seiner Freude, die Duldung falsch. Denn er meinte, er könte auch über den Gränzen, auf Pirens Berge, unvermerkt ein Schloß bauen. Schon gruben die Römer, und senkten die Grundsteine. Syagrius, ein Vertrauter des Kaisers, Arator, und Hermogenes, zween Feldherren, waren die Anführer. Nach unsrer Gutherzigkeit daucht es uns auch jezt noch zu früh, das Schwert zu zücken. Die Väter der Jünglinge, die Geisseln waren, erschienen, und flehten mit gebognem Knie die Römer an: Seyd nicht so sorglos wegen eurer Sicherheit, und brecht die Bündnisse nicht so, ihr, die Treu und Glauben zu dieser Grösse erhoben hat. Sie wurden kaum angehört. Sie gingen, und beweinten ins Geheim das Schiksal ihrer Söhne. Unsre verstekten Krieger sprangen hervor, umringten, befragten die Wie­derkommenden, eilten weiter, und hinderten den Bau so blutig, daß nur Syagrius entrann, die Botschaft zu bringen.

 

 

Das Gegentheil der Absicht.

 

Germanicus sammelte Teutoburgs Gebeine, und bedekte sie mit einem Grab­hügel. Wir stäubten den Hügel weg. Der Römer hatte zerstreute Erinnerungen zu einem Denkmale gemacht.

 

 

Das Recht des Vortreflichen.

 

Wir, die Carbo's, Cassius, Scaurus, Cäpio's, und Manlius Legionen durch Trom­mel und Heerpauke, als Kenner der Kriegskunst, schrekten, wir liebten auch wol einmal die sanfteren Künste. Denn so gebietet das Gesez der Warner: Wer dem Meister auf der Harfe die Hand verlezt, deß Busse soll viermal grösser seyn, als die für die Hand des Lehrlings.

 

 

Die Sechstausend.

 

Sachsen kamen von einem Zuge, den sie mit Longobarden gethan hatten, in die Heimath zurük. Sie, sechs und zwanzig tausend, trafen sechs tausend Schwaben an, keine Eroberer, sondern von Sigeberten, ihrem Könige, dorthin zum Anbaue gesandt. Der kleine Haufen erbot sich: Zum dritten Theile des Landes; zur Hälfte; zu mehr! Kein Gehör. Zum Abzüge, so gar ohne die Heerden! Noch kein Gehör. Die künftigen Sieger hatten die Weiber der Besiegten schon unter sich gelost. Zwanzig tausend Sachsen, und fünf hundert Schwaben fielen. Dennoch ließ der kleine Überrest der Sachsen das Kriegshaar wachsen, und verwünschte sich, nur über den Leichen seiner Feinde die fürchterliche Hülle abzunehmen. Die edleren siegten noch Einmal, und liessen die Überwundnen unter sich wohnen.

 

 

 

Der Abend.

 

 

Von einem zu schreibenden deutschen Wörterbuche.

 

Die Crusca, die französische Academie, Johnson haben Wörterbücher ihrer Spra­chen geschrieben. Der einzelne Mann hat's besser, als die Geselschaften gemacht. Gleichwol würden es Mehre doch noch besser, als selbst ein solcher einzelner Mann machen können. In der Crusca, und unter den Academisten theilte man sich öfter Vorurtheile, als richtige Untersuchungen mit; und so ging es denn, wie es gegangen ist. Johnson hat mehr, und tiefer in seiner Sprache untersucht, als jemals ein andrer in der seinigen. Allein unsrer Sprache würde selbst ein Johnson zwar wol das Wasser, aber keinen Wein reichen. Sie hat dazu einen zu grossen Umfang. Also muß ein deutsches Wörterbuch wenigstens von einigen geschrieben werden. Aber diese müssen ja in keine Geselschaft zusammengeknetet seyn. Krieg muß seyn, Aller gegen Alle! Über ein einziges Wort, besonders wenn es viele, und bedeutende Abkömlinge hat, müssen sich oft zehn, und mehr widersprechen. Aber da wird man ja nur immer Ungewisser. Diejenigen, die Wör­terbücher schreiben, sollen ja die Sprache festsezen. Festsezen?Als wenn die unsrige nicht schon beynah durchgehends festgesezt wäre? und es eine lebende Sprache jemals ganz würde? Und dann solten es vier, fünf, zehn, zwölf Männer thun können? Seit wenn haben denn die Nationen aufge­hört ihre Sprachen festzusezen? Nach den Scribenten, kann das kleine Häuf­chen Untersucher zu Festsezungen veranlassen. Das ist es alles; aber auch das schon ist Verdienst um die Nation. Welche sollen denn die Unter­sucher seyn? Wer will, und kann; denn das lezte gehört doch gleichwol auch mit zur Sache. Und wer hernach der Samler des Zerstreuten? Auch wer will, und kann. Wenn der's aber nun schlecht macht? weg­wirft, was er behalten solte, und behält, was er wegwerfen solte? So komt ein andrer, der Augen im Kopfe hat, und macht es besser. Nur keine grauen Haare wegen der Samlung. Alles komt darauf an, daß der Samler was vorfinde, wobey ihm die Lust zur Wahl ankommen kann. Ich werde nächstens einmal ein Paar Scherfe eines ersten Beytrags mitbringen.