Den fünften Januar.
Das Fest des heiligen Einsiedlers Simeon Stylita
ist erlebt, und schon spielen seine Glocken in der schönsten Harmonie.
Mit herzlichem Mitleid verfolge ich aus meinem Fenster jeden schwerfälligen
Trupp der Unglücklichen, die, von Gicht, Schwindsucht, und Entkräftung
gebeugt, dennoch in ihren verzerrten Gesichtern Hoffnung der Besserung
und Glauben an ihren Wunderthäter tragen, dessen Altare sich ihr Schneckenzug
nähert. Nie habe ich so viele Krücken beysammen gesehen. Einige
darunter, von fremdem, glänzendem Holze, mit Elfenbein und Perlenmutter
ausgelegt, zeugen von dem hohen Stande ihrer Besitzer und von dem Luxus
unsres Jahrhunderts. Dennoch wünschte ich, daß der prächtige
Zug schon vorbey, und die alte überlästige Tante aus dem Hause
wäre, die sich, Gott verzeihe ihr diese Sünde! wahrscheinlich
noch nicht in dem Grade niedergedrückt fühlt, um sich in diesem
ausgedienten Vortrabe mit auf der Gasse zu zeigen. Mein Herz ist voll von
gegen einander laufenden Empfindungen. Meine Jugend, die ungeduldig nach
Genusse hinter der Scheidewand schmachtet, erblickt, indem ich an das Fenster
trete, das furchtbare Beyspiel verschwendeter Kräfte öffentlich
zur Schau gestellt. O möge nie Sancta
Concordia zulassen, daß ihr treuster Verehrer der Hülfe
eines so einfältigen Heiligen benöthigen werde, als mir in diesem
Augenblicke Simeon Stylita mit seinen Nachtretern vorkömmt. Doch ich
höre freue dich mit mir Eduard! die alte Tante aufbrechen Jetzt
steigt sie die Treppe hinab; jetzt verschließt sie das Haus; und
nun sehe ich sie auch schon über die Gasse hinken. Aber warum pocht
mir das Herz? Von so guten Sachwaltern unterstützt mit so herrlichen
Documenten versehen was kann ich fürchten? Muß mein Prozeß
mit Clärchen nicht den besten Ausgang gewinnen? Und doch unbegreiflich!
bin ich muthlos, wie einer der seinen Rechten nicht traut, wie einer
der sich noch nicht ganz in den Sinn seiner Consulenten einstudiert hat.
Doch wie mag ich meine Zeit so verplaudern, da Clärchen wartet?
Indem ich vor drey Stunden, meine schwarzes
Sammetkästchen in der Hand, das kleine artige Zimmer des lieben Kindes
zum erstenmale betrat, kam sie mir mit einer Miene entgegen, die aus Ernst,
Freude und Bescheidenheit zusammen gesetzt schien. Wie leicht läßt
es sich mit so einem Mädchen sprechen! Ihr Herz, das so hell auf ihrer
Physiognomie wiederscheint wie schön erklärt es nicht das conventionelle
Dunkel ihrer Rede! Einem erfahrenen Manne, der solche Dolmetscher gegen
über hat, kann keine Verhandlung, sie sey noch so verwickelt, zu schwer
fallen.
Ich nahm, wie billig das erste Wort, das in
Verhältnissen, wie die unsrigen, immer so drückend ist. Meine
liebe Nachbarin, hub ich an, ich stelle mich Ihnen zwar als ein ehrlicher
Mann; aber urtheilen Sie selbst, bestes Clärchen, von meiner Verlegenheit,
da ich mit der Erklärung voraustreten muß, daß unser Handel,
in der Maße, wie ich ihn gestern abschloß, unmöglich bestehen
kann. Sie machte gewaltig große Augen bey diesen Worten, die sie
unter allen wohl am wenigsten erwartete. Der Ernst ihres Gesichtchens nahm
zu, die Freude nahm ab, und die Bescheidenheit wußte nicht woran
sie war. Hören Sie mir nur einige geduldige Augenblicke zu, antwortete
ich ihrer Miene: Das Stumpfband der Maria, wie wir es einstweilen so benennen
wollen, müßte zwar nach den freywilligen Bedingungen, denen
ich mich gestern unterwarf, Ihnen, bestes Kind, nach allen Rechten gehören,
wenn es nur möglich wäre, diese kostbare Reliquie von dem Ablasse
zu trennen, den weiland Papst Alexander der Sechste an den Besitz dieses
Kleinods gebunden hat. Ich war in Unwissenheit, als ich den Tausch Ihnen
antrug, hatte das wichtige Document nicht gesehen nicht gelesen, konnte
mir nicht vorstellen, daß es Dinge enthielte, die mich, wenn ich
den Vertrag erfüllte, weit unter die Hälfte verletzen würden;
ein Umstand der alle Verträge in der Welt aufhebt. Ich bemerkte,
während des Eingangs meiner pathetischen Erklärung, mit geheimen
Vergnügen, wie sich alles nach und nach aus den Mienen des guten Kindes
entfernte, was mich in der Fortsetzung hätte scheu machen können.
Statt aller Einwendungen, oder statt der, mir am meisten furchtbaren Gegenerklärung,
daß sonach jeder Theil sein Eigenthum behalten solle, wußte
sie nur die kurze neugierige Frage heraus zu stottern: Wie denn in einem
so veralteten Briefe Punkte von solcher Wichtigkeit für micht enthalten
sein könnten, die ? Hier hielt sie inne; aber ihr unruhiges Auge
sagte mir zur Genüge das übrige, und ich fuhr schon viel gefaßter
fort: Ja wohl, meine Theuerste, sind sie von solcher Wichtigkeit, daß
ich mich des größten Leichtsinns schuldig machen würde,
wenn ich mich darüber wegsetzen wollte sie sind wahrlich von so
einem Gehalte, daß der Engel selbst, dem ich doch schwach genug bin
alle Anwartschaften der Zukunft gegen einen gegenwärtigen billigen
Ersatz anzubieten, kaum im Stande ist, die Erwartungen zu vergüten,
zu denen mich dieses Document berechtigt. Doch, Clärchen, Sie sollen
erst das heilige Band sehen, dem so große Vorrechte ankleben.
Und hiermit zog ich es aus seiner Hülle, und legte es in die weißen
Hände der kleinen Heiligen. Sie besah es lange mit ehrfurchtsvollem
Stillschweigen, während ich das Pergament des Ablaßbriefs behutsam
aus einander schlug. Und als sie sich endlich seufzend vor der Reliquie
trennte, deren Besitz ihr noch nicht verstattet war, und willig und bereit
schien, meine weitere Rechtfertigung und die neuen Vergleichsvorschläge
anzuhören, rückte ich ihr einen Stuhl an den Tisch, den meine
ausgebreitete Urkunde beynahe zur Hälfte bedeckte, setzte mich ihr
zur Seite, und erleichterte ihr, kraft meiner Vorkenntnisse, die geschwinde
Uebersicht und die Untersuchung meiner Beweise. Hier sehen Sie zuerst,
liebenswürdige Clara, die eigenhändige Unterschrift des großen
Papstes, die vollkommen mit dem an die Gräfin Banotia *) gerichteten
Breve
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*) Die öffentliche Buhlerin Alexanders des Sechsten,
und Mutter des Cäsar Borgia, seines Sohnes.
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übereintrifft, mittels dessen er dieser seiner Busenfreundin das
geweihete Band überschickt. Sehen Sie, wie gut das große Siegel
unter dem Ablaßbriefe, so wie der Abdruck des Fischerrings auf dem
Umschlag der Breve, erhalten ist? Ein klarer Beweis, welchen Werth alle
vorher gehenden Besitzer dieser wichtigen Schriften, bis auf den Tag, wo
das sonderbarste Glück sie in meine Hände gebracht hat, darauf
gesetzt haben. Und nun lassen Sie uns den Inhalt der päpstlichen Bulle
selbst durchgehen. Die flüchtigste Uebersicht wird schon hinlänglich
seyn, Sie von der Billigkeit meiner erhöhten Forderung zu überzeugen.
Den ersten Punkt überschlagen wir, da er bloß die eigenen Verhältnisse
der seligen Gräfin betrifft, die mit ihrem Tode aufhörten. Der
zweyte Satz enthält die Entsündigung eines Falls, der uns beyde
nichts angeht, das Sie, meine Beste, wie ich glaube, so wenig Brüder
und Söhne haben, als ich Schwestern und Töchter. Von der Erlaubniß
des dritten und vierten Punkts, hoffe ich, wollen wir auch nie in die Verlegenheit
kommen Gebrauch zu machen; denn es ist doch wahrlich kein Zufall wahrscheinlich,
der uns auf eine wüste Insel verschlagen könnte. Ich überhüpfe
auch diesen und diesen Abschnitt, die mir beyde, so wiederholt ich sie
überlesen, doch immer noch über meine Erfahrung und meinen Verstand
gehen, und eile zu dem desto deutlichern Inhalte des siebenten Paragraphs,
an welchem ich für meine Person dießmal genug habe. Er beweißt
klar für mich, entschuldigt mich hinlänglich, und giebt Ihnen,
in dem Falle, den der heilige Vater auf das genaueste bestimmt, zugleich
mit dem zärtlichsten Wunsche meines Herzens, die einzige Bedingung
zu erkennen, unter der ich meinen gestrigen Tauschhandel noch zu erfüllen
bereit bin.
§. 7.
Mulierem aut virginem,
quae tempore, quo hanc ligaturam cruralem sanctissimam portat, cum bruto,
monacho aut haeretico, peccatum quodcunque carnale committit, eo ipso et
auctoritate nostra Papali, inculpabilem declaramus, absolvimus et in integrum
restituimus.
Ich hielt nicht für nöthig, diese
kützliche Stelle meiner schönen Freundin zu übersetzen,
da nach der guten Erziehung, die hier auch das andere Geschlecht erhält,
die meisten jungen Frauenzimmer, oft vor dem zehnten Jahre, im Stande seyn
sollen, das elegante Latein päpstlicher Bullen zu verstehen. Ich glaube
es auch zur Genüge an Clärchens verfärbten Wangen wahrzunehmen,
daß sie den Gedanken des heiligen Vaters vollkommen faßte;
ob sie mir gleich durch ein paar Worte, die noch dazu unterweges verunglückten,
das allzu große Zutrauen benehmen wollte, das ich in ihre Kenntnisse
zu setzen schien. Sie werden nun gern zugeben, schöne Clara, fuhr
ich in dieser vielleicht zu freygebigen Voraussetzung fort, indem ich meinen
Zeigefinger auf dem haeretico
meines Paragraphs stehen ließ, daß ich es gegen mich und meine
Nachkommen nie verantworten könnte, wenn ich diese bestimmte Erklärung
des heiligen Vaters, mit blindem Undanke gegen die Wohlthaten die sie mich
hoffen läßt, so schnöde verachten wollte, um nicht entweder
in Rom selbst unter dem Glanze seines ehemaligen Throns, oder doch in einer
andern seiner geistlichen Gewalt untergebenen Städten und Ländern,
eine der Schönsten Ihres Geschlechts aufzusuchen, die zugleich fromm
genug wäre, für diese ligatura
curalis der Gebenedeyten großmüthig eine Indulgenz
mit mir zu theilen; und noch dazu eine, die von allen, die er diesem heiligen
Bande verlieht, die kleineste ist Es müßte denn seyn, fuhr
ich nach einer kurzen Pause fort, daß Sie selbst zur Gewinnung dieses
Ablasses Sich geneigt fühlten. Sie haben das Vorrecht; nutzen Sie
es, meine schöne Nachbarin, und diese vorzüglich dotirte Reliquie
kann in einer Stunde Ihr Eigenthum seyn. Ach liebe Kleine! indem ich einmal
über das andere ihre zitternde Hand küßte, könnten
Sie begreifen, wie mich dieser siebente Paragraph begeistert, Sie würden
ach! gewiß Sie würden mir keine Zeit lassen, mein Anerbieten
mit kaltem Blute zu überlegen. Mein Herr, fiel mir das gute Kind
mit weinerlicher Stimme ins Wort, lassen Sie doch, ich bitte Sie, meine
Empfindungen auch für etwas gelten! Der Fall ist zu verwickelt Ihre
Forderungen sind mir noch gar nicht deutlich; aber gewiß sind sie
zu ungestüm um gleichgültig zu seyn, ach! und ich fürchte
mich zu sehr vor Uebereilung. Vergönnen Sie mir Bedenkzeit nur bis
auf übermorgen, an dem Namenstage meiner Tante, wo ich wieder, wie
heute, mir selbst überlassen seyn werde. Sie wissen nicht, was mein
Gewissensrath für schwere Interdicte auf mich gelegt hat! Sie wissen
nicht, mein Herr, (o ja ich wußte es noch von ihrer Tante her, als
sie mir die Thür wies,) unter welchen mächtigen Zeichen ich
stehe! Nein, wahrlich, die Veranlassung mag noch so löblich seyn
ich darf mich ohne Vorwissen Ihro Hochwürden zu gar nichts verstehen.
Hier trat nun der Fall ein, lieber Eduard,
meinen Sachwaltern Ehre zu machen. Ich that es mit der feurigsten Beredsamkeit,
die mir bey einer halben Stunde die Aufmerksamkeit meiner Freundin zuzog.
Ich sah jede Minute deutlicher, wie mächtig die Salbung eines Casuisten
auf das Herz einer Heiligen wirkt; und nachdem ich sie von den Vorrechten
der päpstlichen Schlüssel, von der überwiegenden Gewalt
des Papstes gegen alle heiligen und heimlichen Künste subalterner
Geistlichen, und besonders durch meine herzhaften und liebevollen Augen
überzeugt hatte, daß ich in allem, was zu der großen Wirthschaft
der Natur gehört, an keinen mystischen Widerstand glaube, so ward
es mir immer wahrscheinlicher, daß eine noch nähere Ursache,
als ein Gewissenszweifel, da seyn müsse, die das gute Kind nöthigen
konnte, so hartnäckig auf ihrer Bedenkzeit stehen zu bleiben. Sie
zog während meiner Rede das Sammetkästchen einigemal vor sich,
und betrachtete das heilige Band, als ob sie sich nicht satt daran sehen
könne, und schob es immer mit einem neuen Seufzer von sich. Ich hätte
mit kindischen und weiblichen Gelüsten sehr unbekannt seyn müssen,
wenn ich nicht daraus geschlossen hätte, was zu schließen war;
und noch weniger müßte ich meine eigenen verstanden haben, wenn
ich nicht den ihrigen in so weit zu Hülfe gekommen wäre, als
es die Umstände erlaubten. Wie sie also zum drittenmale nach dem Schatzkästchen
griff, legte ich mich großmüthig ins Mittel: Wissen Sie was,
Clärchen, sagte ich mit dem Tone der Gefälligkeit: da ich sehe
wie schwer es Ihnen ankommen würde, Sich von der heiligen ligatura
zu trennen, so will ich Ihnen den Gebrauch derselben, jedoch mit Vorbehalt
meines Eigenthums, bis auf den Entscheidungstag überlassen. Es wird
alsdann von Ihnen immer noch abhängen, den einstweiligen Tausch zu
bestätigen oder aufzuheben. Wissen Sie doch die Bedingungen.
Sie schien zwar sehr gerührt über
mein Zutrauen, doch selbst bey der sichtbaren Freude, die ihr mein Anerbieten
verursachte, zeigte das kluge Mädchen eine Behutsamkeit, die mich
sonderbar überraschte, und mich zu einem Exegeten machte, wie es nur
einen giebt. Warum, fragte Sie ernsthaft, warum, mein Herr, vermeiden
Sie doch dieser heiligen Reliquie ihren rechten Namen zu geben? Ist es
nicht das Strumpfband der Madonna? la
jaretiere de Marie Warum bleiben Sie nicht bey dem französischen
Ausdrucke? Zu einer andern Zeit, du traust es mir wohl zu, Eduard, würde
ich es nicht der Mühe werth geachtet haben, nur ein Wort über
die richtige Benennung dieses Cabinetsstücks zu verlieren. Jetzt aber
da mich der Einwurf der schönen Clara aufmerksam auf die Folgen
machte, welche die eine oder die andere Bedeutung herbey führen würde
jetzt, da mir die Rechte einer ligaturae
cruralis weit wichtiger vorkamen, und mich wenigstens um
einige Zoll weiter zu bringen versprachen, als die eines französischen
Strumpfbands, jetzt kam alles darauf an, meinen gebrauchten Ausdruck gegen
die kleine Wortkrämerin zu vertheidigen. Liebe Freundin, antwortete
ich ihr mit einer viel sagenden Miene: dem äußern Ansehn nach,
sollte man freylich diese heilige Reliquie nur für ein Strumpfband
halten. Sie haben noch überdieß die Angabe des Ausrufers für
Sich. Nun ist zwar der Mann, dem Sie in einer so wichtigen Sache Glauben
beymessen, wohl nichts mehr als ein unwissender Miethling, der die Grundsprachen
nicht versteht, und dem eine richtige Erklärung der fremden Waare,
die er ausbietet, ganz einerley ist, wenn er sie nur an den Mann bringt,
und seine Procente davon zieht; doch hier ist er billig eher zu entschuldigen,
als Ihre schwankende, flüchtige Sprache. Es war nicht seine Schuld,
daß er in derselben kein anderes als das Wort jaretiere
finden konnte, wovon auch die besten Ausleger eingestehen müssen,
daß es den zwiefachen Sinn sowohl eines Bandes hat, das um den
Strumpf als eines, das, wie das vorliegende, um das Knie gebunden wird.
Um das Knie? fiel mir Clärchen hier hastig in die Rede. Aus was
für Gründen können Sie das behaupten? Wenn es Noth hätte,
sollte es mir sehr leicht seyn, antwortete ich ernsthaft, der Stellen
eine Menge aus dem Talmud beyzubringen, die Ihnen diese Gewohnheit bewiesen;
ja, hätten wir Zeit, so könnten Sie selbst es sind ja Jüdinnen
genug in der Stadt darüber bey ihnen nachfragen lassen: aber zum
Glück können wir aller dieser Weitläufigkeiten entbehren,
da die klaren Worte des Textes vor uns liegen. Der heilige Vater nennt
das Band nicht umsonst ligaturam
cruralem, das nur mit jaretiere
crurale übersetzt werden darf, um den Sinn ganz zu umfassen.
Die siebenzig Dolmetscher konnten es nicht wörtlicher ausdrücken;
und in heiligen Dingen, setzte ich mit einem Seufzer hinzu, ist es immer
das Sicherste sich an den Buchstaben zu halten. Uebrigens seyn Sie ganz
unbesorgt, liebes Clärchen! Es kommt dermalen nicht auf das Maß
Ihrer Strümpfe die Sie künftig verlängern können,
wenn wir Handels einig sind, sondern es kommt auf die Gegend an, die ich
die Ehre haben werde Ihnen zu zeigen, wohin eigentlich das Band, nach seiner
ersten Bestimmung, und nach den Gebräuchen des Morgenlandes, gehört,
denen allein die Mutter Gottes, während ihrer Wallfahrt auf Erden,
gefolgt ist. Es war meine Schuldigkeit, liebes Clärchen, endigte
ich, Sie erst mit dem Kleinode, das ich Ihnen anbiete, auf das genaueste
bekannt zu machen, damit kein Mißverständniß bey der Auswechslung
vorfalle; denn so gern ich Ihnen auch in gleichgültigen Dingen zu
Gefallen lebe, und so zufällig ich auch zum Dienste dieses Heiligthums
berufen seyn mag, so kann ich doch nun auf keine Weise zugeben,
daß Sie es für das halten, was es Ihren leiblichen Augen scheint
für ein Strumpfband, oder daß Sie glauben, es bedeute
nur einen Kniegürtel, da ich in meinem Gewissen überzeugt bin,
und mich darauf todtschlagen lasse, daß es einer ist.
Meine Rede machte, entweder durch ihren langweiligen
Gang, oder durch ihre Wahrheit, den Eindruck, den ich wünschte. Meine
schöne Schülerin schien beruhigt, und indem sie sich auf dem
Sopha zurecht setzte, versprach sie, um auch mich zu beruhigen, mit feyerlichem
Ernste, mir das Kleinod, das ich ihr auf einige Zeit anvertrauen wollte,
ohne allen Schaden wieder zu überliefern, wofern wir nicht Handels
eins würden. Gutes Clärchen! dachte ich bey mir selbst, das ist
das letzte, was ich fürchte. was denkst Du davon, Eduard! Wird ihr
nicht die süße Schwärmerey ihrer Seele jeden noch so bedenklichen
Schritt erleichtern? Wird sie nicht, wie jeder Enthusiast, so bald sie
das Band an sich fühlt, zugleich auch wirklich den wohlthätigen
Einfluß empfinden, auf den ihr Glaube hofft? stolzer einhertreten,
ruhiger in die Welt und verächtlicher auf ihre Mitgeschöpfe blicken,
und in immer süßen Träumen wachen und schlafen? Ja, du
kannst, sprach ich mir muthig und hoffnungsvoll zu, deine Forderungen noch
so hoch spannen, sie wird für diesen mystischen Gürtel alles
andere ohne Reue verschwenden, wovon sie Herr ist.
Während dieser meiner psychologischen
Betrachtung hatte Clärchen den rechten Fuß, der nicht mit in
den Vertrag geschlossen war, gerade vor sich auf den Sopha gelegt, als
ob er, wie die Hand des Gerechten, nicht wissen sollte, was die Linke thäte
Und
Und voller Güte streckte sie
Den auserwählten Fuß bis an das weiße Knie,
Und sah, erröthend, mich bey meiner Arbeit lauschen.
Mit zitternder, verwöhnter Hand
Löst´ ich das eingetauschte Band
Voll Scham, so wenig einzutauschen.
Ach, daß ich´s eher nicht bedacht!
Was hätt´ ich nicht mit einer Thräne
Der heiligen, erfahrnen Magdalene
Für einen guten Kauf gemacht!
* * *
Der richtigen Erklärung des Grundtextes
allein hatte ich es zu verdanken, daß meine Augen sich nicht bloß
mit der herrlichen Form des Fußes begnügen mußten, der,
mit einem weißseidenen Strumpfe bedeckt, mir in der Hand lag. Nein,
Eduard, ich gewann, kraft meiner Exegese, auch noch den Anblick einer guten
Spanne der blendensten Haut, wie sie wohl selten ein Schriftgelehrter zu
sehen bekommt. Welche Entdeckungen der Sinnlichkeit versprach mir nicht
diese kleine Probe der unverhüllten Natur, so bald ich nur die heiligen
drey Könige hinter mir haben würde, die mir verzweifelt langsam
zu reisen schienen. Die Lust des Anschauens fesselte mich so sehr, daß
ich wer kann mir´s verdenken? alle Kunstgriffe der Analyse und
Polemik aufsuchte, um nur mein Wohlbehagen zu verlängern. Hier,
schöne Clara, stotterte ich, indem ich bald dieser, bald jener Hand
vergönnte, wechselweise den elastischen Fuß zu umspannen, damit
keine bey der Spende eines süßen Gefühls zu kurz käme,
hier ist die Gegend, wie die besten Ausleger des Talmuds versichern, wo
die Jungfrauen in Canaan und Judäa den Gürtel zu tragen pflegten,
obgleich meine Finger wagten sich noch über einen Zoll hinauf
der gelehrte Ritter Michaelis behaupten will, daß es sehr die Frage
sey, ob nicht nach dem samaritanischen Texte = = Mein Herr, fiel mir
hier Clärchen hastig in´s Wort, indem sie sich ein wenig höher
setzte, ich dächte, die jüdischen Gebräuche wären
sehr albern, und Sie würden mir wirklich einen Gefallen thun, wenn
Sie sich nicht weiter dabey aufhielten. Dieser kurze, kalte Zuruf machte
mich irre. Ich kam mit meine Beweisen in´s Stocken, verknüpfte
den heiligen Gürtel so ungeschickt als möglich, und sah sogar
vor Betäubung nicht eher, als bis die Auswechslung vorbey war, was
für eine neues himmelblaues seidenes Band, mit einer großen
Schleife, ich statt des verblichenen linnenen Fetzen der Reliquie eingetauscht
hatte. Die kleine bräutliche Coketterie, die ich in der gesuchten
Auswahl dieses schimmernden Bandes zu entdecken glaubte, schien mir von
der besten Vorbedeutung. Ich wies mein prophetisches Herz, bis zu der nahen
Erfüllung seiner ungestümen Wünsche, zur Ruhe, und dachte,
wie ich mir vorstelle, daß sie zu einer Spielpartie um das Königreich
Pohlen vereinigten Mächte gedacht haben, als sie die Scheidungslinie
ihren leichten Gewinnes, vermuthlich in der kühnen Voraussetzung entwarfen,
sie gelegentlich wohl noch zu erweitern, und nach und nach, erste diese,
dann jene angränzende Starostey, oder diesen und jenen Paß in
das offene Land an sich zu ziehen.
Clärchen erlaubte mir, nachdem der Vorhang
des ersten Akts gefallen war, noch über drey Stunden bey ihr zu bleiben.
Das ist eine entsetzlich lange Erlaubniß, wirst du denken. Aber laß
dir nicht bange seyn! Das Mädchen giebt so viel zu beobachten und
zu enträthseln, daß, wenn ich dir die mannigfaltigen Blüthen
ihrer Unterhaltung nur so frisch zubringen könnte, als sie mir in
die Hände fielen, du wohl begreifen solltest, wie einem die Zeit in
ihren Zirklen vergehen kann. Aber da liegt eben der Knoten! Es fällt
der Feder nicht so leicht zu schwatzen, als der Zunge, die von hundert
Kleinigkeiten unterstützt wird, welche auf dem Papier verschwinden.
Das Spiel der Mienen, das den Fügungen der Worte besser zu Statten
kommt als alle Regeln des Syntaxes, geht in der Beschreibung so gut wie
verloren. Die Modulation eines wohl angebrachten Seufzerchens, das oft
einem dunklen oder müßigen Ausdrucke erst den Verstand giebt
das Dehnen das Verschlucken das Steigen und Fallen der Stimme, ach!
alle jene vielfältigen bedeutenden Schattierungen der Rede wer ist
vermögend, sie mit der Wirkung wieder zu geben, die sie nicht allein
auf das Ohr, sondern öfter noch auf das Herz haben? Diese gewöhnlichen
Schwierigkeiten, die allen Erzählern gemein sind, wie sehr würden
sie mich erst zwängen und drängen, wenn ich es unternähme,
den Dialog eines Mädchens zur Schau zu legen, das solche mitsprechenden
Augen, solch ein beredtes Stillschweigen, solch ein bedeutendes Lächeln,
und eine Art von Erröthung in ihrer Gewalt hat, die mir nirgends noch
vorkam! Setze noch dazu, daß dieses Mädchen ein Kind auf der
einen Seite eine ausgebildete Heilige auf der andern mit dem Gegenwärtigen
nur halb zufrieden über das Bevorstehende nicht einig mit sich selbst,
und seit Minuten erst in dem erborgten Besitze eines Kleinods ist, das
sie übermorgen bezahlen soll, ohne zu wissen woher? und du müßtest
blind seyn, um nicht einzusehen, daß sie nichts weiter zu entwickeln
braucht, um es dem besten Erzähler unmöglich zu machen, so feinen
Uebergängen des Geschwätzes und des Gefühls, als bey einer
solchen Zusammensetzung von Charakter und Verhältnissen nothwendig
vorkommen müssen, mit seiner Feder nachzutraben. Und doch muß
ich, so schwer ich daran gehe, dir wenigstens ein Fragment unserer Unterhaltung
mittheilen, weil es gar zu sonderbare Neuigkeiten über den weitern
Fortgang meines Läsions=Prozesses mit dem Mädchen enthält,
die du eben so wenig wirst geahndet haben als ich.
Die Kleine saß, nachdem sich das erste
Aufwallen ihrer Lebhaftigkeit gelegt hatte, jetzt desto ernster in sich
gekehrt, bey einer Virtelstunde schon vor mir, und gönnte mir durchaus
keinen andern Zeitvertreib, als im Stillen den Nüancen ihrer Empfindungen
nachzuspüren, wie sie sich auch äußerlich zeigten. Aber
auch das war, ich versichere dich, keine leichte Arbeit. Mitten in ihrem
stolzen seligen Gefühl, worin sie über den vergönnten Gebrauch
des heiligen Bandes verloren schien, färbte ein ungefährer Blick
auf den, der es ihr umband, ihre Wangen mit dem brennendsten Roth,
und drückte ihre Augen zur Erde. Sah ich nun gleich bald hinterher
den tröstenden Gedanken nachsteigen, zu wessen Glorie sie ihre Bescheidenheit
verläugnete, und ihr Knie den ungeweihten Blicken eines Ketzers Preis
gab und trat gleich nunmehr ein Anstand, wie man ihn selten sieht, in
dem Verhältnisse bey ihr hervor, in welchem ihr aufbrausendes Blut
allmählich sich setzte; so dauerte doch diese Ruhe nicht lange. Ihr
süßes Lächeln, das schon auf dem Wege war, verflog wieder;
der harmonische Laut, auf den sich meine beyden Ohren schon spitzten, erstarb
vor meinen Augen auf ihren bebenden Lippen. Sie warf wilde Blicke, bald
auf den lateinischen Brief, der zwischen uns lag, bald auf mich; und diese
Ebbe und Fluth ihrer Empfindungen war so schnell, daß ich Mühe
hatte, ihnen nachzukommen, und die geheime Ursache davon aufzufinden, die,
als ich ihr am Ende mit meiner Untersuchung beykam, solltest du es glauben,
Eduard? in nichts anderm als in dem Grausen vor den unbekannten Ceremonien
bestand, unter welchen sie berufen seyn dürfte, den Namenstag ihrer
geliebten Tante zu feyern. Da sie während dieses innern Tumultes,
aus dem ich sie so gern gezogen hätte, zweymal schon ihren linken
Fuß beynahe krampfartig bewegt hatte, so nahm ich beym drittenmale
Gelegenheit, unser so lange unterbrochenes Gespräch wieder in Gang
zu bringen.
Sie zucken mit dem Fuße, liebes Clärchen:
hub ich an, ich habe Ihnen doch wohl nicht den heiligen Kniegürtel
zu fest gebunden und Ihnen weh gethan? Nein, antwortete sie, nach
ihrer unbefangenen Art: Sie haben es so recht gut gemacht Allenfalls
wäre auch Rath dafür. Und wofür, Clärchen, wäre
denn nicht Rath in der Welt? Meynen Sie? Außer für den
Tod, fuhr ich lächelnd fort. Und außer für übermorgen,
murmelte sie, doch laut genug daß ich es hören konnte, ward
dabey roth, und hielt einen Augenblick ihre rechte Hand vor die Augen.
Liebes Clärchen, das ist eine seltsame Verbindung von Ideen!
O! dehnte sie nicht so seltsam als es Ihnen vorkommt. Die Zumuthungen
Ihres Geschlechts, habe ich immer gehört, gehen einem tugendhaften
Mädchen bitterer ein als der Tod. Diese letzten fünf Worte,
Eduard, waren wie auf Noten gesetzt. Gewiß, liebe Kleine, antwortete
ich traulich, gewiß habe ich Ihnen den Gürtel zu fest gebunden.
Woraus, ich bitte Sie, wollen Sie das schließen? Aus Ihrer
kindischen Furcht vor übermorgen, sagte ich lächelnd. Nun,
das gestehe ich, mein Herr, diese Ihre Ideenverbindung ist wohl seltsamer
als die meinige; sie ist mir ganz räthselhaft. Kann wohl seyn,
liebenswürdiges Kind; warum vermeiden wir, deutlich miteinander zu
reden? Noch deutlicher, mein Herr? Ich dächte, hierüber hätten
Sie Sich wenig vorzuwerfen. Und auch Sie nicht, Clärchen? Auch
ich nicht, mein Herr. Ich habe Ihnen alle meine Zweifel entwickelt aber
wie wenig haben Sie darauf geachtet! Ich hätte nicht darauf geachtet?
Kleine Schwätzerin! habe ich Sie denn nicht sogar völlig gehoben?
O bey weitem nicht, mein Herr! Clärchen! Ich erstaune Also
wären alle meine Erklärungen in den Wind gesprochen gewesen?
Sie fänden die himmlische Reliquie für den gemeinen Preis, den
ich darauf setze, noch immer zu theuer? und bey der Menge von Indulgenzen,
mit denen ich Sie, ohne daß ich groß thun will, bereichere,
könnte es Ihnen noch einen Augenblick sauer ankommen, die kleinste
davon mit mir zu theilen? Hören Sie mich an, mein Herr, unterbrach
sie mich jetzt mit edlem Anstande: Das Strumpfband der Gebenedeiten
ich gestehe es Ihnen unverholen ist mir mehr als lieb; es ist mir unschätzbar,
und ich weiß nicht, ob ich es überleben würde, wenn ich
mich von ihm trennen sollte. Sie haben es, unter sehr bänglichen Minuten
für ein sittsames Mädchen, zu einem Kniegürtel erklärt;
auch das habe ich mir gefallen lassen: aber welche neue Demüthigung
in aller Welt soll ich denn noch für das Band, oder den Gürtel
der reinen Jungfrau bezahlen, die ach, mein Herr! von keinem Manne gewußt
hat? Sehen Sie, ich bin nur ein einfältiges, unschuldiges Kind mit
allem meinem Nachdenken bringe ich es doch in Ewigkeit nicht heraus, was
Sie übermorgen etwan von mir erwarten und das ängstigt mich
eben. Wie, Clärchen? antwortete ich ganz betroffen: Sieht es
mit unserm Handel noch so weitläufig aus? Ist es denn, ich bitte Sie,
der Kniegürtel der Madonna allein, den ich Ihnen anbiete? Gehören
denn nicht auch die Freyheiten dazu, mit denen ihn Papst Alexander so großmüthig
beschenkt hat? und haben Sie denn wirklich den siebenten Paragraph seines
Ablaßbriefs so gar wenig verstanden? Auch nicht eine Sylbe davon,
mein Herr, antwortete sie. Ja, ich, und fremde Sprachen! Wenn es
nur daran liegt, Clärchen, so soll es mir keine Mühe kosten,
Ihnen den Inhalt in gutes Französisch zu übersetzen Sie müßten
denn lieber warten wollen, bis übermorgen, wo ich ihn in einem Dialekte
vorzutragen hoffe, der aller Welt den sinnlosen Bewohnern des Feuerlandes
so gut als der klügsten und artigsten Europäerin gleich verständlich
und angenehm ist. Sie stockte Werden Sie nur nicht ungehalten, mein
Herr! nahm sie endlich mit einem scheuen und bittenden Blicke das Wort
wieder: aber darf ich wohl in Ihrer eigenen Sache mich auf Ihre Uebersetzung
verlassen? Denken Sie Sich nur an meinen Platz! Ich zittere so leicht vor
allem, woran ich nicht von Jugend auf gewöhnt bin. Zum Glücke
habe ich mich immer in verwickelten Fällen an den Rath meiner Tante
und meines Gewissensrathes halten können, die Vater= und Mutter=Stelle
bey mir vertreten; und jetzt in der bedenklichsten Lage meines Lebens
vielleicht soll ich mit treuloser Verwegenheit das Wort gab mir einen
Stich in´s Herz, Eduard, mich selbst um ihre Hülfe betrügen?
soll hinter dem Rücken so erprobter Freunde auf das Wort eines Fremden
mit mir schalten und walten, als ob ich ihrer Erfahrung nicht weiter
bedürfe? Sagen Sie mir auf Ihr Gewissen, mein Herr, ob dieß
redlich, ob dieß erlaubt sey? Habe ich nicht schon, fragte sie auf
das beweglichste, unrecht sehr unrecht gethan, daß ich den befeuerten
Blicken eines jungen Herrn den ruhigen Ort Preis gab, wo in Canaan
und Judäa wie Sie mir, glaube ich, haben weiß machen wollen
= = = Ach, mein Herr, unterbrach sie sich hier selbst mit einem über
die Maßen verlängerten Seufzer, Ihre Nachbarschaft, fürche
ich, ist mir eine nahe Gelegenheit zu sündigen geworden. Heilige
Madonna! Ein junger Fremder heute und übermorgen allein mit mir
in einem Zimmer! Zweymal in Einer Woche? Je unglaublicher mir alles
das würde geschienen haben, wenn es mir jemand hätte wahrsagen
sollen, desto mehr muß es jetzt mein Herzklopfen vermehren. Ich möchte
so gern, ich wiederhole es Ihnen, mein Herr, die heilige Reliquie gewinnen:
aber bei den eilftausend Jungfrauen schwöre ich Ihnen zu, daß
ich so wenig weiß, was Sie noch von mir fordern können, als
ich weiß, was mir in solchen Umständen meine Religion zu geben
erlaubt. Ach, wer soll mir in dieser unaussprechlichen Verlegenheit rathen?
Weißt du wohl, Eduard, was mir, während
dieses frommen Anfalles der Kleinen, durch den Kopf fuhr? Das will ich
dir aufrichtig sagen! Anfangs nichts weiter, als eine Zeile von Voltaire,
die ich dir zu errathen gebe nachher die zwo darauf folgenden, die ich
dir hersetze:
C´est un grand bien!
mais de toucher un coeur
Est à mon sens un
plus cher avantage.
Zuletzt aber gingen meine ausschweifenden Gedanken
stufenweise vom Erstaunen zum Mitleid, in den großmüthigen Entschluß
über, meine Ohren nicht länger dem Girren dieser Unschuldigen
zu verstopfen, und einer so bewährten Heiligkeit mochte sie mich
auch noch so sehr überraschen in Zukunft die Ehre zu erzeigen, die
sie verdient. Reitzender zwar hatte ich das Mädchen noch nicht gesehen,
als in diesem rührenden Auftritte. Aber die einfache Beredsamkeit
ihres reinen Herzens welcher Sophist vermag ihr zu widerstehen! machte
einen ungleich stärkeren Eindruck auf das meinige, als alle Lockungen
ihrer Jugend, und bewirkte eine so gänzliche Umstimmung in mir, daß
ich in diesem Augenblicke nicht vermögend gewesen wäre, ihre
beseelten Lippen nur um einen Kuß zu betrügen. Wie rührte
mich das offene Geständniß ihrer Unwissenheit, das mit dem stillen
Verweise so artig übereinstimmte, den ihre bebende Hand, ohne zu ahnden,
daß ihr ein menschliches Auge nachschleichen würde, schon bey
dem schlafenden Engel abgelegt hatte! Jenes Restchen von Staub, wie viel
wog es nicht nach meinem Gedanken, um bey einer künftigen Berechnung
weiblicher Unschuld und Tugend der ihrigen den Ausschlag zu geben! Wie
dankte ich es dem Zufalle, der mich endlich einmal eine Heilige, in der
ächten Bedeutung des Worts, kennen lehrte, da ich mir zuvor von der
sonderbaren Zusammensetzung eines solchen Geschöpfes keinen Begriff
machen konnte! Wo hätte ich ihn hernehmen sollen? Ich staunte gerade
vor mich hin, und war drauf und dran, dem frommen unbefangenen Kinde das
Spielwerk ihrer Seele, nebst der rückständigen Bezahlung edelmüthig
zu schenken, und meine Wege zu gehen.
Clärchen, gutes frommes Clärchen,
sagte ich, und ergriff und drückte, beynahe mit väterlicher Zärtlichkeit,
ihre Hand, noch ist nicht unter uns vorgegangen, was nicht in allen Religionen
der Welt zu vergessen und zu vergeben wäre; darauf können Sie
Sich verlassen! Ihre übrigen Zweifel aber, liebe Kleine, sind von
mehrerem Belange. Wenn ich sie Ihnen nach meinem Gewissen, das Sie aufgefordert
haben, nach der strengen Moral, in der ich unterwiesen bin, nach meinem
Glauben, nach meiner Ueberzeugung beantworten soll, so muß ich ihnen
unverhohlen sagen, daß Sie = = = O! unterbrach mich hier das in
Furcht gejagte Kind, wie darf ich der Moral und der Ueberzeugung eines
Ketzers Gehör geben? Wie darf ich einer andern Glaubenslehre folgen
als der meinigen? Nimmermehr, mein Herr, nimmermehr! So hören
Sie doch nur, Clärchen, fiel ich mit ernster Stimme ein: Die Regeln
der Sittenlehre sind hätte ich beynahe gelogen in allen Religionen
und bey allen Völkern der Erde, dieselben; aber sie ließ mir
nicht Zeit dazu. Nein, rief sie mit ängstlichen Geberden, nein,
mein Herr, ich darf Sie nicht anhören. Ich ward hitzig. Auch nicht,
fragte ich mit starker männlicher Stimme. wenn ich Ihre wankende
Tugend befestigen, wenn ich wider meinen Vortheil sprechen wenn ich Sie
vor dem Ablaßbriefe des heiligen Vaters warnen will auch dann nicht?
Sie hielt sich, statt mir zu antworten, die Ohren zu. Nun bey Gott!
murmelte ich vor mich hin, das ist unerträglich! stampfte mit dem
Fuß, und sah ungewiß in die Höhe. Seit acht Tagen, war
ich mir bewußt, hatte ich keinen Gedanken gefaßt, der meinem
Herzen mehr Ehre machte; und jetzt trat mir nun das Kind, das selbst
ihn entwickelte, in den Weg, da ich eben daran war ihn auszuführen.
Ich dächte doch bey meiner Ehre, die ein und vierzig Ducaten, die
ich, mit alle dem was daran hängt, so großmüthig im Stiche
lasse, verdienten es schon, daß sie mir zuhörte! Aber gewiß
hat sie mich noch nicht so recht verstanden. Ich will mich deutlicher
machen, und es müßte nicht gut seyn, wenn sie mir nicht noch
zu Füßen fallen und mich als ihren Schutzengel verehren sollte,
so bald sie mich nur erst kennen lernt. In diesen Gedanken setzte ich mich
ungefähr in dieselbe Stellung, als letzthin, wo ich, nicht weit von
der Eselspost, der guten Margot warnenden Unterricht über den Amor
gab.
Ich ergriff die Hände des sträubenden
Mädchens, um sie abzuhalten sie nicht wieder vor die Ohren zu nehmen,
faßte das wilde Kind mit meinen beyden Knieen, daß es mir Stand
halten mußte, und wie sie nun so vor mir stand, blickte ich ihr mit
der zärtlichsten Aufrichtigkeit in die Augen. Liebes Clärchen,
redete ich sie an, Sie sind jung, schön, und frömmer und unschuldiger,
als ich noch kein Mädchen gekannt habe; aber sie haben mir nun zu
sehr schon Ihre Schwachheit gegen Reliquien verraten, und da werden Ihnen
alle Ihre Tugenden nichts helfen, wenn ich nicht ehrlich mit Ihnen verfahren
will. Sie werden der Gewalt, die mir das Zauberband der Maria und Papst
Alexander der Sechste über Sie giebt, so tief unterliegen müssen,
als es unser Contract verlangt. Aber, bestes Kind, indem ich mit meinen
beyden Knien sanft die ihrigen drückte, hören Sie mich nur einen
Augenblick mit Aufmerksamkeit an, und Sie werden sehen, daß ich es
nicht so böse mit Ihnen meyne. Sehen Sie, so schwer es mir auch ankömmt,
allen den Freuden von übermorgen allen den Indulgenzen zu entsagen,
die ich Ihnen mit dem heiligen Kniegürtel ungetheilt überlasse,
so fühle ich doch mit innigster Selbstzufriedenheit, daß ich
es vermag. Ich verlange nichts dafür als Ihre Freundschaft; und diese
erlaubt Ihnen Ihre Religion warum sehen Sie Sich so schüchtern um?
auch einem Ketzer zu schenken, wenn er sonst ein ehrlicher Mann ist.
Wundern Sie Sich nicht zu sehr über meine Großmuth! Sie ist
nicht so uneigennützig als Sie denken. Es liegt ein gewisses stolzes
Vergnügen darin, das mir selbst mehr werth ist, als die höchste
Befriedigung der Sinnlichkeit. Sie sind wahrlich nicht das erste Mädchen,
daß ich in seiner wankenden Tugend befestigt selbst in der kritischten
Lage befestigt habe, wohin ich sie erst selbst gebracht hatte zu scheitern;
und ich habe immer gefunden, daß Ihnen diese Lection dienlicher gewesen
ist, als jede andere. Ein unschuldiges weibliches Herz, ich gestehe es
Ihnen, ist mir Zeit meines Lebens immer das liebste Spielwerk gewesen;
und ich bin gewiß der Freude nicht unwerth, um die ich Sie bitte,
mir die geheimsten Falten auch des Ihrigen, jede seiner Empfindungen, und
alle die kleinen lieblichen Wendungen seiner liebenswürdigen Unerfahrenheit
ohne Zurückhaltung sehen zu lassen die mir wirklich ungleich mehr
Freude machen, liebes Clärchen, als die wundervollsten Reitze des
Körpers. Gönnen Sie mir, mit einem freundschaftlichen, unumschränkten
Zutrauen, diesen süßen Anblick, und ich stehe sogleich von allen
Ansprüchen meines Handels ab. Du siehst, Eduard, wie weit ich ging,
um nur zur Ehre meiner Religion und Moral Recht zu behalten; aber es war
nicht möglich. Nein, nein, nein, schrie das einfältige Ding
einmal über das andere: ich darf die Freundschaft eines Ketzers
ich darf seine Geschenke nicht annehmen; und mein Gewissen verbeut mir,
auf die Fallstricke seiner Lehren zu achten. Warum, wenn Sie es so ehrlich
mit mir meynen, lassen Sie mir nicht Rücksprache bey meinem Gewissensrathe
und Glaubensgenossen halten?
Ich war so vollkommen überzeugt, Eduard,
daß ich in diesen Augenblicken, wo ich es so gut mit dem Mädchen
meynte, auch in ihrer Seele kein anderer Gedanke herrschen könne,
als die Bewunderung meiner Uneigennützigkeit und Großmuth. Stelle
dir also vor, wie mir zu Muthe ward, als ich mich so häßlich
betrogen sah. Du weißt, es geht mir mit dem Propste, wie jenen bezauberten
Ohren in einer gewissen Feengeschichte mit dem Worte Trarara. Ich konnte
den Ehrenmann nicht nennen hören, ohne sogleich aus der angenehmsten
Ideenverbindung in die bitterste überzuspringen, die man sich denken
kann. Meine gespanntesten Empfindungen erschlafften, und meine Treuherzigkeit
gegen das Mädchen verwandelte sich in sichtbaren Unmuth. Ich ließ
ihre warmen Händchen fahren, und entließ sie so plötzlich
aus der Gefangenschaft meiner Kniee, daß sie nicht wußte wie
ihr geschah. Sie blickte mir verwundernd unter die Augen. Sie sind doch
nicht böse? fragte sie, setzte sich neben mich, und streichelte mir
schmeichelnd die Wangen. Nun hat jeder Beweis eines guten Herzens,
er mag sich zu erkennen geben wie er will, immer den stärksten Eindruck
auf das meinige gemacht, und es brauchte auch jetzt weiter nichts, um mich
schnell wieder umzustimmen. So weit, dachte ich, hat sich wohl diese kleine
schüchterne Hand, deren Unschuld ich so genau kannte, noch nicht verstiegen.
Das rührte mich ungemein. Ich schwieg zwar, aber ich drückte
dieser niedlichen Hand so wiederholte und ausdrucksvolle Zeichen meiner
Versöhnung auf, daß die gute Kleine wohl fühlen mußte,
daß es mein ganzer Ernst damit war. Mit Einem Worte, Eduard, das
Mädchen fing an, mich noch herzlicher zu dauern als vorher. Mein Gott!
sagte ich mir, wie magst du dich nur über das liebenswürdige
Kind ärgern! Bey seiner Aufrichtigkeit und Unschuld kann es ja beynahe
nicht anders sprechen und handeln! nur aber bringt uns das weder
einen Zoll rückwärts, noch vorwärts. Ich hätte ihr,
du weißt es Eduard, so gerne alle meine Heilgthümer umsonst
überlassen; aber sie will ja so wenig zum Geschenke von mir annehmen,
als meine Freundschaft. Zu fromm auf der einen Seite, mir den heiligen
Kniegürtel, den sie einmal am Fuße hat, wieder zurück zu
geben, kömmt ihr doch auf der andern alles wieder zu theuer vor, was
sie auf seine völlige Abtretung bieten soll. Die kleine Närrin
hat sich da sowohl als mich in eine Verlegenheit gebracht, aus der ich
wahrlich nicht einsehe, wie wir uns ziehen sollen. Alles das ging mir
eine lange Weile durch den Kopf. Endlich glaubte ich einen Ausweg wahrzunehmen,
und blieb dabey stehen.
Clärchen, wendete ich mich jetzt mit
nachdenkender Miene an sie, auf die Art, wie Sie Sich benehmen,
kommen wir in alle Ewigkeit nicht aus einander. Ihr Propst, mit allem Respecte
für das Amt der Schlüssel, das er trägt, geht mich nichts
an. Ihm zu Liebe habe ich wahrlich den Kniegürtel nicht erstanden,
und so viel werden Sie doch begreifen, daß bey unserm Tausche eine
dritte Person ganz überflüssig seyn würde. So wohl meynend
ich mich auch gegen Sie erklärt habe, so mögen Sie doch mit meiner
Moral und mit meinen Geschenken nichts zu thun haben; und doch möchten
Sie gern den Nachlaß der Maria behalten. Ihr unverdientes Mißtrauen
schmerzt mich: aber ich will über nichts weiter in Sie dringen; und,
da ich Ihre Gewissenszweifel Ihnen nicht zu Danke beantworten kann, und
Sie darauf bestehen, erst Rückfrage bey Ihren Glaubensgenossen zu
halten, ehe Sie Sich zu etwas entschließen, so mögen Sie es
meinetwegen. Ihre Stiftungsbibliothek ist ja in der Nähe; und da sie
wahrscheinlich in keiner andern Absicht aufgestellt ist, als um sich in
schwierigen Fällen bey ihr Raths zu erholen, so ist kein Zweifel,
daß auch Sie ihn da finden werden: wenigstens, so viel ich es beurtheilen
kann, besteht diese ganze Sammlung aus Schriftstellern, die ungleich mehr
Ruf und Gelehrsamkeit vereinigen, als selbst Ihr Propst. Sind Sie dießmal
mit meinem Vorschlage zufrieden, Clärchen? Soll ich Sie dahin führen?
Sehr, sehr gern, antwortete sie mir auffallender Freude, und ihr Gesichtchen
klärte sich wieder auf wie ein Maytag. Und wollen Sie Sich, fuhr
ich fort, den Aussprüchen dieser gelehrten Männer, ohne die
geringste Weigerung unterwerfen? Ja doch, ja mein Herr, erklärte
sie sich voller Ungeduld, das will ich! Hier haben Sie im Voraus meine
Hand darauf. Nun gut erwiederte ich ziemlich gesetzt, so ist es mir
lieb, daß ich hier eine schöne Gelegenheit finde, Sie über
Ihr voriges unbilliges Mißtrauen ein wenig zu beschämen. Ich
will mich nicht hinter meinem Glauben verstecken, wie Sie. Die Schiedsrichter,
die Sie Sich wählen werden, sollen auch die meinigen seyn. Mögen
sie mir auch alles aus den Händen spielen, worauf mir Papst Alexander
ein Recht gab; war ich doch selbst auf dem Wege Verzicht darauf zu thun,
wenn Sie mich hätten gehen lassen, liebes furchtsames Clärchen.
Doch das ist vorbey! Ich erzeige deshalb Ihren Bedenklichkeiten noch dieselbe
Ehre als vorher. Sie sind wahrlich von der größten Wichtigkeit,
und es wird mir immer eine Freude machen, daß ein so junges liebenswürdiges
Mädchen aus eigenem Instinct darauf gefallen ist. Das sage ich Ihnen
offenherzig; ob ich gleich mit einiger Wehmuth voraus sehe, daß,
solange solche in ihrer Kraft bestehen, wir nimmermehr bis an die lieblichen
Indulgenzen des Papstes gelangen können. Das ist jetzt mehr Ihre Sache
als die meinige, da ich Ihnen ganz überlasse, Sich den heiligen Kniegürtel
eigen zu machen, auf welche Art Sie und Ihre Rathgeber für gut finden.
Kann man sich wohl billiger erklären? Nein, gewiß nicht,
antwortete Clärchen: Ich bin auch recht gerührt von Ihrer Güte;
aber seyn Sie versichert, daß auch ich auf meiner Seite alles thun
werde, was ich mit guten Gewissen thun kann. Denn ich bin weit entfernt,
Sie um eine Kostbarkeit betrügen zu wollen, deren Werth niemand mehr
schätzen kann als ich. Aber mögen wir nicht, unterbrach
ich sie, indem ich ihr meinen Arm reichte, noch einmal, unterwegs,
die Schwierigkeiten überzählen, über die Sie eigentlich
Auskunft nöthig haben? In einer großen Bibliothek ist das beynahe
nothwendig; denn sonst kann man sich darin verlieren, um nicht wieder herauszukommen.
So viel ich mich erinnere, sind Sie erstlich wegen des schönen, mir
unvergeßlichen Anblicks unruhig, den Sie mir bey der Auswechslung
der Bänder doch zu vergönnen genöthigt waren, wenn ich Ihnen
den heiligen Kniegürtel, auf seine gehörige Stelle, umbinden
sollte; nicht wahr, meine Beste? Ja, mein Herr, antwortete sie,
freylich, liegt mir das recht schwer auf dem Herzen. Und Sie haben
sehr Recht, versetzte ich, daß Sie Sich darüber in Zeiten
zu verständigen suchen; denn wie wollen wir übermorgen sonst
fertig werden? Und nun, fuhr ich fort, was war denn Ihre zweyte und dritte
Frage, die mir nicht eben so gut mehr erinnerlich sind? Aber mir desto
mehr, antwortete sie. Sehen Sie das eine ist die Angst, die ich habe,
ob ich mich nicht mit Ihnen in der nahen Gelegenheit zu sündigen befinde;
denn davor, kann ich Ihnen sagen, hat mich mein Catechismus vor allen andern
gewarnt, und es ist mir also nicht zu verdenken, daß ich darüber
genaue Erkundigung einziehe. Nichts mehr als billig, versetzte ich:
es soll mir selbst lieb seyn, wenn ich es erfahre. Und endlich, fuhrt
sie fort, martert mich die grausame Ungewißheit, ob ich mich, so
ohne Vorwissen der Meinigen, mit einem Fremden in einem Handel einlassen
darf, den ich nicht verstehe! Sie sehen selbst, mein lieber Herr, daß,
so gern ich auch wollte, ich doch unmöglich mit ruhigem Herzen einschlagen
kann, so lange ich nicht über diese drey Hauptpunkte mit mir selbst
einig und eines Bessern belehrt bin. Das ist sehr begreiflich, antwortete
ich: Aber, wie gesagt, deswegen hätten Sie nicht gebraucht, erst
in eine Bibliothek zu gehen Ich würde eben so gut im Stande gewesen
seyn, Ihnen hierüber Auskunft zu geben, wenn Sie, kleine Mißtrauische,
mit nicht Ihre Ohren verstopft hätten.
Unter diesen lehrreichen Gesprächen waren
wir unvermerkt bis vor die Thür meiner Clause gekommen, die jetzt
das gute Kind voller Frohsinn öffnete, und mit mir eintrat. Wir kamen
glücklich dem Rousseau und Amor vorbey, ließen mein Bett linkerhand
liegen, und traten nun beyde sehr neugierig vor unsern Gerichtsstand. Zum
Glücke waren von den Hauptquellen, außer den Originalen, auch
gute Uebersetzungen da, die es Clärchen leicht machten, in der Geschwindigkeit
eine Commitee aus ihnen zu errichten, gegen die auch ich nicht die geringste
Einwendung Statt fand. Sie setzte sich aus dreyen der erfahrendsten Männer
zusammen, denen man schon Verstand, Gelehrsamkeit und collegialische Eintracht
zutrauen mußte, so bald man sie in ihrer altväterischen Tracht
aufsteigen sah. Ich ließ ihr mit Vorbedacht die Ehre der Wahl allein.
Denn so angehnehm es auch ist, wie ich wohl weiß, wenn ein Client
auf die Besetzung des Tribunals, das ihn richten soll, einigen Einfluß
hat; so mußte es doch auf der andern Seite, an der mir jetzt ehrenhalber
noch mehr gelegen war, kein geringen Vorurtheil von der Aufrichtigkeit
meiner Gesinnungen und der Güte meiner Sache bey dem lieben Mädchen
erwecken, wenn sie mich selbst da ruhig sah, wo jeder zu zittern
Ursache hat, er mag seines Rechtes auch noch so gewiß seyn. Ohne
die entfernteste Theilnahme also an der Ernennung dieser Herren, begnügte
ich mich bloß mit der subalternen Rolle, nach dem Range, den ihnen
Clärchen anwies, ihnen die Stühle zu rücken, und sie von
ihrem Schulstaube zu reinigen. Der erste, dem ich diesen Dienst zu erzeigen
hatte, hieß Escobar. Der Mann hatte ganz das Ansehen eines
Vorsitzenden. Der andere, beynahe noch verschrumpfter und schmutziger,
war der ehrwürdige Pater Lessau. Der dritte aber, an der Spitze
einer Somme de pechés,
nannte sich Pater Bauny, und war von einem ziemlich manierlichen
Ansehn. Auch fiel sein Corduanband mit goldenem Schnitte Clärchen
am meisten in die Augen; denn sie setzte sich mit ihm, so bald er abgestäubt
war, mir gegen über auf einen Stuhl.
Kannten Sie diese gelehrten Männer schon
vorher? fragte ich, indem wir beyde ihre Schriften vorläufig überblätterten.
Es ist zwar, antwortete sie, das erstemal, daß ich mit ihnen
zu thun habe; aber übrigens sind sie mir schon längst als die
ersten Stützen unserer geheiligten Religion bekannt; der Herr Propst
führt ihre Namen immer im Munde, und beruft sich in streitigen Fällen
meistens auf sie. Nun das ist ja recht gut, versetzte ich: da haben
Sie doch endliche Ihren Willen, und könne sich so gut über Ihre
Zweifel belehren, als wenn Sie Ihren Gewissensrath selbst sprächen.
Das denke ich auch, antwortete Clärchen kurz abgebrochen, weil
sie sich eben mit einer Stelle beschäftigte, auf die sie sehr nachdenkende
Augen heftete. Haben Sie etwas Sachdienliches gefunden, liebes Kind?
fragte ich neugierig, indem ich selbst in meinem Buche auf eine ihrer Bedenklichkeiten
stieß, die ich einstweilen zeichnete. Ich habe wohl so etwas,
dehnte sie, über die nahe Gelegenheit aber = = = Nun das trifft
sich recht gut, rief ich dazwischen: auch ich habe darüber eine
Erläuterung in dem Escobar gefunden, die mir ganz neu ist.
Nun ärgert es mich, fuhr sie in ihrer Rede fort, daß mir
eben da, wo ich am liebsten fortlesen möchte, eine dumme lateinische
Zeile in die Quere kommt. Wollen Sie mir wohl Ihren Fund mittheilen,
Clärchen? On doit,
las sie laut und ohne Anstoß, absoudre
une femme, qui a chez elle un homme avec qui peche souvent, si non po
Geben Sie nur her, Kind, unterbrach ich ihr Stottern,
ich will sehen, was es ist. Sie reichte mir das Buch, und nun las ich
mit ziemlicher Verlegenheit, und war froh, daß sie kein Latein verstand:
si non potest ejicere, aut habet
aliquam retinendi. Sie haben wohl Recht, Clärchen,
es ist eine dumme Zeile. Nun, mein Herr, sah sie mir fragend in das
Gesicht, unter was für einer Bedingung gilt das Souvent?
O! antwortete ich, hier ist eine vorausgesetzt, die auf uns gar nicht
paßt Urtheilen Sie selbst: Si
non potest und so weiter das heißt: Wenn Sie den
Herrn nicht zur Stube hinaus werfen kann, oder sonst eine Ursache hat,
ihn bey sich zu behalten. Da ist ja gar kein Verstand darin, sagte
Clärchen. Beynahe, antwortete ich: aber nehmen Sie deswegen das
Buch nur wieder! Einige Seiten weiter werden Sie die Frage schon deutlicher
aus einander gesetzt finden, wenn Escobar, wie wir bald sehen wollen, richtig
citirt hat. Horchen Sie recht auf: On
n`appelle pas occasion prochaine celle, où l´on ne peche que
rarement, comme de pecher par un transport soudain avec celle ou celui,
avecqui on demeure trois ou quatre fois par an, ou selon Bauny pag. 1082.
Schlagen Sie doch einmal nach, Clärchen! une
ou deux fois par semaine Die Pagina trifft zu, sagte
Clärchen, und reichte mir zugleich das Buch wieder hin. Ich hielt
es neben das meinige, verglich die Parallelstellen, und freute mich laut
über das freundschaftliche Einverständniß zweyer so berühmten
Schriftsteller in einer so wichtigen Sache. Ist das nicht, wendete
ich mich an das Mädchen, so ganz unser Fall, liebe Kleine? als wenn
ihn die Herren hundert Jahre voraus gesehen, und Ihnen die eigenen Worte
Ihres Gewissenszweifels aus dem Munde genommen hätten? Die süße
Beruhigung abgerechnet, fuhr ich fort, die Ihnen diese Beweisstelle verschafft,
so freue ich mich auch besonders über den kurzen und deutlichen Begriff,
den sie mir nebenbey über mein Näherrecht giebt. Über
Ihr Näherrecht? fragte Clärchen. Ja wohl, antwortete ich:
das liegt ganz in den Worten: avec
qui on demeure une ou deux fois par semaine. Und ohne eins
in das andere zu reden, meine schöne Nachbarin, will ich mir doch,
da es eben die Gelegenheit giebt, Ihren guten Rath in Ansehung meines Quartiers
erbitten, das mir immer je länger je besser gefällt. Sie wissen,
ich habe es nur auf einen Monath gemiethet; was meynen Sie, würde
mir es Ihre gute Tante nicht eben so gern auf ein Jahr zusagen, wenn ich
es voraus bezahlte? Das kann ich Ihnen in der That nicht mit Gewißheit
sagen, antwortete mir Clärchen mit einer solchen liebenswürdigen
Unbefangenheit, daß ich sie gern dafür hätte küssen
mögen. Aber ich sollte beynahe nicht daran zweifeln. Nun gut,
sagte ich, indem ich den beschwerlichen Escobar neben mich legte: so will
ich mich nächstens mit ihr darüber besprechen; und fuhr nun
fort mich mit dem ehrlichen Pater Bauny, den ich noch in der andern Hand
hatte, weiter zu unterhalten. Ich that sehr wohl daran, und Escobar kann
es mir wahrlich nicht übel nehmen; denn ich hatte noch gar nicht lange
in der Somme de pechés
seines Collegen gestört, so fand ich unvermuthet eine der größten
Bedenklichkeiten meiner kleinen Unschuldigen so deutlich entwickelt, und
so gründlich beantwortet, daß es das unerfahrendste Kind verstehen
konnte. O, treten Sie einen Augenblick näher, liebe Kleine, rief
ich ihr zu. Fragten Sie mich nicht vorhin auf mein Gewissen, ob es recht
ob es erlaubt sey, ohne Vorbewußt Ihrer guten Tante und Ihres Seelsorgers,
über das schönste Eigenthum, das Sie besitzen, über Ihre
Person, nach Belieben zu schalten und zu walten? Ich läugne nicht,
mein gutes Clärchen, und Sie müssen es mir angesehen haben, daß
mich Ihre Frage nicht wenig stutzig machte. Wie lieb ist es mir, daß
Sie mich gar nicht dazu kommen ließen darauf zu antworten! denn gründlicher
hätte ich es unmöglich thun können, als der rechtschaffene
Pater Bauny, dessen Ausspruch auch in dieser Sache alles enthält,
was darüber zu sagen ist. Hören Sie nur: Lorsqu´
une fille, qui est en la puissance de son pere et de sa mere se laisse
Werden Sie doch nicht gleich über alles so roth,
närrisches Kind! Das folgende Wort ist freylich nicht eben manierlich;
aber Sie haben sich gewiß noch ein ärgeres gedacht: se
laisse corrompre, ni elle, ni celui, à qui elle se prostitue
Ich gebe zwar gern zu, liebes Clärchen, daß
ein Dichter wie Bernard zum Beyspiel, dieselbe Sache ungleich reitzender
vorzustellen gewußt hätte Inzwischen kömmt es darauf
nicht an, und ein Arzt der Seele, wie des Körpers, ist schuldig bestimmt
zu reden, so bald er in solchen Dingen um Rath gefragt wird = = = Aber
wo bin ich denn stehen geblieben? Bey prostue, sagte Clärchen.
Ich fuhr also fort: ne font
aucun tort au pere ni à la mere Viel weniger also
denen, die ihre Stelle vertreten. Sie verstehen doch das, liebes Kind?
O, ja, antwortete sie, es ist ja deutlich genug. et
ne violent point, las ich weiter, la
justice à leur egard parce qu´elle sehr richtig
est en possession de sa virginité
und da dieser Grund, nach der Natur der Sache, mehr als Einmal nicht
anwendbar ist, so ist das darauf folgende aussi
bien que de son corps nichts weniger als überflüssig,
dont elle peut faire ce que
bon lui semble, à l´exclusion was dächten
Sie, Clärchen? de la mort, ou lieber Pater Bauny!
wie in aller Welt, kommen Sie darauf du
retranchement de ses membres. Da bewahre uns Gott vor!
sagte ich ganz erschrocken: Da müßte es doch wohl sehr arg
hergehen, wenn das einem von uns beyfallen sollte. Lesen Sie mir doch
diese wichtige Stelle noch einmal vor, sagte Clärchen, indem sie
mit dem Finger auf das Buch tippte: aber nur den reinen Text ohne Anmerkungen.
So oft Sie wollen, meine Beste, antwortete ich, und so rein als er
da steht; faßte zugleich beym Lesen ihre Hand, als ob ich ihr die
Empfindung mittheilen wollte, die, wie ein elektrisches Feuer, aus dieser
lehrreichen Schriftstelle auf mich überströmte, fühlte auch
wirklich bey dem Worte virginité
eine gemeinschaftliches Zucken, das einer Commotion nicht unähnlich
war.
Clärchen nahm mir das Buch aus der Hand,
so bald wir zum zweytenmale über die Auflösung dieses wichtigen
Zweifelspunktes glücklich hinaus waren, setzte sich mit dem ehrwürdigen
Pater in eine Ecke, und schien sich noch einige Seiten weiter mit ihm zu
unterhalten, die hoffentlich die Sache nicht verdorben haben. In der Zwischenzeit
ruhte ich ein wenig von meiner Vorlesung aus, saß stillschweigend
und nachdenkend gerade ihr gegenüber, und wußte mich gar nicht
recht in die anscheinende Heiterkeit und Seelenruhe dieses sonderbaren
Mädchens zu finden, das mir je länger je unerklärbarer ward.
Hätte man nicht von der liebenswürdigen Unwissenheit, die sie
mit in die Bibliothek brachte, nach allen Regeln der Metaphysik erwarten
sollen, daß der Zufluß der vielen neuen Begriffe, den sie schon
in den wenigen Zeilen erhielt, die ich vorlas, sie für alles weitere
Nachschlagen bange machen, ihr die Ader auftreiben, und den Kopf sprengen
würden? War es nicht höchstwahrscheinlich, daß eine so
bewährte Heiligkeit als die ihrige, über die, zwar sehr zweckmäßigen,
aber doch ganz ungewählten Ausdrücke des vorigen rauhen Jahrhunderts
sich entsetzen daß ihr verschämtes Blut sich empören,
und das liebe Kind endlich in die Verlegenheit kommen würde, weder
mir, noch ihren Schiedsrichtern frey unter die Augen zu sehen? Konnte ich
nicht mit einigem Grunde fürchten, oder hoffen, wie du willst, daß
sie sich weit eher unter einem Strome von Thränen von ihrem voreilig
eingegangenen Compromisse los arbeiten, als sich entschließen würde,
ein Wort zu halten, daß sie gewiß unter ganz andern Erwartungen
von sich gab? Wie ging es nun zu, daß, dieser Wahrscheinlichkeiten
ungeachtet, von allem dem nichts geschah? Ich bitte dich, Eduard, wie ging
das zu? Siehe! kennte ich das Mädchen nur seit unserer gemeinschaftlichen
gelehrten Arbeit; wahrlich! ich würde ihr eher zutrauen, sie habe
die Engel zu Dutzenden, und selbst da geputzt und gewaschen, wo sie am
schmutzigsten sind, als daß ich an jenes erste Schrecken ihrer Hand
glauben möchte, wovon doch die deutlichsten Spuren noch immer unter
meinem Spiegel zu sehen sind. Es ist nicht anders möglich, sie muß
alle die gefährlichen Stellen hören und lesen, ohne, aus unbegreiflicher
Unschuld, den Sinn der Worte zu verstehen. Wie Henker soll ich ihr aber
den beybringen?
Nach dieser stillen Unterredung mit mir selbst,
rief ich in collegialischer Ordnung den einzigen Beysitzer unsres Gerichts
auf, den wir noch nicht gehört hatten den Pater Lessau, schmutzigen
und moderigen Ansehens. Wenn der Schein überhaupt trügt, so thut
er es vorzüglich bey einem geistlichen Tribunale: dieser unansehnliche
Mann, wie das nicht selten geschieht, verschloß einen ungeheuern
Vorrath von Gelehrsamkeit und Erfahrung. Freylich brauchte ich dermalen
nur einen sehr kleinen Theil davon, nur so viel als eben nöthig war,
um die einzige noch übrige Gewissensfrage des frommen Kindes zu beantworten;
die zwar, nachdem wir über die zwey vorher gegangen belehrt und einig
waren, bey einem gewöhnlichen Mädchen kaum einer besondern Antwort
würde bedurft haben mit einem so ängstlichen Geschöpfe
aber als Clärchen, geht es nicht so geschwind Eins mag noch
so nothwendig aus dem andern fließen, sie weist sicher jede einzelne
Forderung zurück, die man nicht sogleich mit einer förmlichen
Anweisung belegen kann. Die Schrift, in der ich sie suchte, hatte, bey
dem Reichthum ihres Inhalts, zum Glück auch noch ein gutes Register,
ohne das ich schwerlich so geschwind die benöthigte Stelle würde
gefunden haben. Sie war ganz so wie ich sie brauchte, und führte beynahe
noch näher zum Zweck, als die beyden vorher gegangenen. Ich hätte
zugleich in Ermangelung der Aloisia
Sigea keine auftreiben können, die geschickter gewesen
wäre, mich über den Rest von Ungewissheit, in die ich schon manchmal
in Ansehung der Unschuld des räthselhaften Kindes gerieth, so wie
über die Bedingungen unsers Handels, endlich einmal mit mir selber
einig zu machen. Wenn sie, sagte ich heimlich zu mir, dabey höchstens
nur roth werden sollte, ohne mir zugleich das Buch an den Kopf zu werfen
und davon zu laufen, so habe ich übermorgen gewonnenes Spiel. Ich
packe dann meine Großmuth ruhig wieder ein, ohne daß ich noch
länger vergebens auf die Gelegenheit warte sie anzuwenden; und ich
will nicht ehrlich seyn, wenn ich sie wieder an das Tageslicht bringe,
als bis ich den Schimpf, den das Mädchen meiner Moral angethan hat,
und den ich immer noch nicht verschmerzen kann, zur Genüge gerächt,
und zugleich die große metaphysische Frage entschieden habe, die
ich dir beym ersten Anfange meiner Bekanntschaft mit Clärchen nicht
so aus bloßem Leichtsinne aufstellte, als es dir vielleicht vorkam,
und deren Auflösung immer ein hübscher Gewinn für die Philosophie
des Lebens seyn wird die Frage nehmlich: welche Tugend sicherer, erhabener
und schmackhafter sey, die eines weiblichen Wildfanges, wie ich heute vor
acht Tagen einen unter den Händen hatte, oder die einer Heiligen?
Indem sah ich Clärchen ihr Buch bey Seite
legen, als wenn sie genug daran hätte, und aufstehen. Ich gaubte,
es wäre nun Zeit das unterbrochene Gespräch wieder in Gang zu
bringen. Hatten Sie, fragte ich, nicht noch etwas auf dem Herzen,
worüber wir nachschlagen wollte? Das ich nicht wüßte,
antwortete sie voller Zerstreuung, trat vor den Schrank, zog ein anderes
Buch heraus, das noch dazu ein Quartant war, den sie alle Mühe hatte
bis in ihre Ecke zu schleppen. Nun ist mir, ich weiß nicht warum?
jedes schwerfällige Buch in der Hand eines Weibes ganz unerträglich.
Kömmt es daher, daß es mir zu anmaßlich aussieht, oder
weil ich glaube, daß ein mäßiger Octavband ein Almanach,
alles enthalten kann, was ihnen an Gelehrsamkeit nöthig ist? Bey Clärchen
verdroß es mich vollends, daß sie ohne Beyhülfe meines
lebendigen Unterrichts, ihre Studien fortsetzte, und darüber sogar
ihre dritte Gewissensfrage aus den Augen verlor, für die ich eine
so schöne Antwort gefunden hatte. Sie heftete ihre Blicke mit solcher
Begierde auf das Blatt, das sie aufschlug, daß ich nach dem Namen
dieses glücklichen Autors äußerst verlangend war. Sie
haben vergessen, rief ich ihr zu, daß Sie nicht hierher gekommen
sind, um das ganze System der Moral durchzuarbeiten. Da sie mir nicht
antwortete, stand ich auf um mich ihr zu nähern; sie streckte mir
aber ihre Hand entgegen um mich abzuwehren, und verbarg das Buch. Ich unterdrückte
meine Neugierde so weit, daß ich mich stillschweigend wieder zurück
zog, und nur das Fach und die Lücke bemerkte, aus der sie ihren Quartanten
genommen hatte. Mit Hülfe des guten Fernglases, das ich, seit mir
die Thurmspitze von Caverac aus dem Gesichtskreise schwand, nicht ein einzigesmal
wieder gebraucht hatte, entdeckte ich, in welcher Gegend des Werks die
Stelle ungefähr stehen mußte, die so mächtig ihre Aufmerksamkeit
anzog; und da ich vollends sah, daß, beym Umwenden des Blatts, ein
wenig Puder aus ihren Haaren dazwischen fiel, so war ich nicht weiter verlegen,
noch vor Abends ihrer Wißbegierde auf die Spur zu kommen, und erwartete
ruhig, bis sie fertig, und das dicke Buch wieder an seinen alten Platz
gestellt war.
Sie haben Ihre schönen Augen recht angestrengt,
liebes Kind, redete ich ihr freundlich entgegen: Darf ich denn nicht
wissen, über welchen neuen Gewissenszweifel Sie Sich unterrichtet
haben? O, mein Herr, antwortete sie, was ich eben las, betraf eine
alte Geschichte, die mir vor etlichen Jahren, nur mit anderen Umständen,
erzählt wurde. Es ist manchmal gut, sich mit eigenen Augen zu überzeugen.
Da haben Sie wohl recht, Clärchen, erwiederte ich ernsthaft: und
es ist mir lieb, daß ich Ihnen eben eine Gelegenheit verschaffen
kann, diese Vorsichtsregel sogleich wieder anzuwenden, um in Uebung zu
bleiben. Unser Pater Lessau hat sich hier recht deutlich über den
Fall erklärt, der Ihnen heute nach der Auswechslung unserer
Bänder beynahe mehr Herzklopfen verursachte als vorher. Sie
hätten Sich´s ganz ersparen können, wie Sie gleich hören
sollen. Ich rückte ihren Stuhl neben den meinigen, hielt ihr das
Buch nahe vor, und schlug meinen andern Arm so vertraut um ihren schönen
Hals, wie ein Bruder, der mit seiner Schwester eine Idylle von Geßner
liest. Les femmes,
las ich mit langsamer gedrängter Stimme, damit ihr kein Wort verloren
ginge, ne pechent pas, quand
elles s´exposent à la vue de jeunes gens, encore qu´elles
fachent bien qu´ils les regarderont avec des yeux impudiques.
Ich sah hier dem Mädchen mit einem Blicke in´s Auge, wie ihn
nur Pater Lessau verlangen konnte, und las weiter: Si
elles le font par nécessité ou untilité Necessité,
wiederholte ich, diese liegt nur zu klar in dem siebenten Paragraph der
päpstlichen Bulle und in unserm Contracte; und die untilité
kann bey der heiligsten aller Reliquien wohl keine Frage seyn. Clärchen
hob ihre Augen gen Himmel, und ich fuhr fort: Elles
pechent pas, quand elles se servent d´habits si deliés, qu´on
voit leur sein, ou quand même elles se découvrent entierement,
si elles le font selon la coutume du pais. Ich sah dem
schönen, und, was mir noch lieber war dem erröthenden Mädchen
in das Gesicht, wie ich ihr diese Erlaubniß vorlas, in der Erwartung,
sie würde wenigstens von so einer Landessitte, als der Autor voraussetzte,
nichts wissen wollen; sie war aber zu ehrlich dazu, und schwieg. Auch ich
schwieg; und doch schienen wir beyde keine lange Weile zu haben. Nachdem
meine Augen lange genug auf den ihrigen geruht hatten, fragte ich mit einen
unterdrückten Seufzer: Nun Clärchen sind Sie endlich einmal
über die Freude beruhigt, die Sie meinen Blicken gegönnt haben?
und fürchten Sie Sich noch immer vor übermorgen? Sie schien
in ihrem stillen Nachdenken so verloren, daß ich, um sie zurück
zu bringen, meinen wurmstichigen Autor zu seinen Collegen warf, ihre frischen
Händchen dafür an meine Lippen hob, und jeden ihrer Pulsschläge
mit einem Kusse beantwortete.
Nichts ist wohl in der ganzen Natur der Sophisterey
beförderlicher als dieses kleine Spiel. Es war nicht das erstemal,
daß ich es bemerkte. Ich ging gewiß hier wieder einen falschen
Weg. Die Kleine, dachte ich, ist nur erröthet Sie hat dir nicht
das Buch an den Kopf geworfen, also schloß ich wird es nicht
einmal nöthig seyn, bis übermorgen zu warten. Clärchen!
fing ich zitternd an und stockte. Was beliebt Ihnen? fragte sie.
Werden nicht, fuhrt ich fort, hier zu Lande die Namenstage manchmal,
nach Zeit und Umständen, einige Tage voraus gefeyert? Niemals,
antwortete sie kurz, und übersah mich mit so großen Augen, als
ob ich nicht klug wäre. Bey uns, setzte ich seufzend hinzu, geschieht
das sehr häufig am Hofe und in der Stadt, selon
la coutûme du païs; auch kürzt man in manchen
Fällen die Bedenkzeit und die Zahlungsfristen ab par
necessité ou utilité! Das ist sonderbar!
antwortete das einfältige Ding. Sie haben also wohl in Ihrem Lande
lauter bewegliche Feste? Ich weiß nicht mehr, was ich ihr darauf
antwortete Ich verlor ganz meine Besinnungskraft, schwatzte nun ins Gelag
hinein, und traf mich unvermuthet an, daß ich ihr von dem Löwen
in dem Wiener Zwinger erzählte, der einem Mädchen, das er liebte,
die Hand so lange leckte, bis das Blut kam, darüber in Wuth gerieth,
sie in Stücke zerriß, und sich darauf bey ihrem Leichnam hinlegte
und starb. Wie ich auf diese rührende Geschichte gekommen seyn mag,
ist unbegreiflich. Aber Clärchen schien angst zu werden. Sie zog
mir ihre Hände vom Munde hinweg, und mit der Frage: Wollen Sie mich
nicht wieder in mein Zimmer führen? schlang sie mir die eine um den
Arm, und nöthigte mich aufzustehen. Wahrlich es war hoe Zeit, und
ich war froh als ich aus der Atmosphäte der Casuisten in eine andere
Luft kam.
Clärchen schien mir, als ich sie zu ihrem
Sopha glücklich zurück brachte, noch um vieles schöner,
ungezwungener und verträglicher von ihrer gelehrten Reise zurück
zu kommen, als sie es vorher war. Ich schloß sogar aus einem sprechenden
Blicke, den sie auf den Ablaßbrief warf, daß ich es jetzt wohl
eher wagen dürfte, ihr eine wörtliche Uebersetzung des siebenten
Paragraphs anzubieten, ohne abgewiesen zu werden; und ich betrog mich nicht.
Sonderbar genug, daß ihr zärtliches Ohr erst ein wenig durch
die Beredsamkeit der Casuisten abgehärtet werden mußte, um nicht
vor der Hirtenstimme des heiligen Vaters zu erschrecken! Sie horchte jetzt
desto geduldiger darauf, und ließ mir das et
in integrum restituimus zweymal wiederholen, so schön
kam es ihr vor
Mein Läsions=Prozeß, sah ich nun
wohl, war so gut wie gewonnen. Clärchen hatte es kein Hehl, daß
die den Kniegürtel der Jungfrau schon als ein Stück ihrer Toilette
betrachtete; und dieser Gedanke streute so viel Grazie über alles,
was sie sprach und that, daß ich nicht genug die Wirkung bewundern
konnte, die der Glaube an Reliquien, und das Bewußtseyn ihres Besitzes,
nicht allein auf die innere Zufriedenheit, sondern sogar, wie das Wohlbehagen
eines guten Gewissens, in dem Umgange des gemeinen Lebens hervorbringt.
Wodurch gewann wohl Clärchen diesen sichtbaren Zufluß von
Begeisterung in ihren Augen, diesen Ton der guten Gesellschaft, den ich
gestern auf der Treppe wenig an ihr bemerkte? wodurch dieses feine Gemisch
von großer Welt und Ruhe der Seele, die so selten bey einander gefunden
werden, als ich schäme mich fast es zu sagen durch den alten verblichenen
Fetzen, den ich ihr um das Bein band? Und doch sind wir andern so übereilt,
diese mystischen Geschenke der katholischen Religion als armselige Kleinigkeiten
zu verschreyen! Wo haben wir denn in der unsern etwas, das diesen Abgang
von Hülfmitteln zu einer frohen Existenz ersetzte? Wenn König
August aus unsrer Nachbarschaft, und so manche andere Fürsten des
deutschen Reichs, den sterilen Glauben ihrer Vorfahren gegen das beruhigende
System des römischen Stuhls vertauschen und auf ihre Kinder vererben,
wer kann es ihnen mit Grunde verargen? Und wie philosophisch richtig
handelte nicht selbst Carl der Zweyte in dieser Rücksicht, als er
in der Wahl, entweder sein Reliquair oder seine drey Kronen wegzuwerfen,
ohne Bedenken sich zu dem letzteren entschloß.
Meine Sehnsucht, einer Kirche in den Schooß
zu kommen, die uns so angenehm einwiegt, die durch ein geweihtes Todtenbein
durch eine Scherbe aus der Haushaltung eines Erzvaters, und durch andere
dergleichen Raritäten uns in dem Frieden mit uns weiter bringt, als
die Weisheit eines Garve, wuchs nun desto schneller, je mehr ich unter
Clärchens funkelnden Augen meinen tiefsinnigen Betrachtungen nachhing;
und war gleich meine verwöhnte Vernunft, wie ich manchmal zu fühlen
glaubte, noch immer nicht so ganz mit meinem Herzen einverstanden, als
ich wohl gewünscht hätte, so ist dieses doch ein gewöhnlicher
Fall bey Neophyten, und so soll doch, hoffe ich, auch dieses bängliche
Gefühl übermorgen durch ein ungleich mächtigeres verjagt
werden.
So schön alle diese Erwartungen waren,
die ich aus dem Zauberzirkel der kleinen Heiligen mit mir nahm, so bald
die knarrende Hausthür mir die Zurückkunft der Tante verrieth;
so fand ich doch, wie ich wieder in mein einsames Zimmer trat, daß
bloße Hoffnung nicht genug beschäftigt. Die meinige setzte eine
Geduld von zwey Tagen voraus, und diese hatte in meiner gegenwärtigen
Lage ihre große Unbequemlichkeit. Ich sah mich bald nach einer lindernden
Zerstreuung um; und wo hätte ich die gewisser finden können,
als in der kleinen auserwählten Büchersammlung meines Cabinets,
die mir heute und gestern schon so merkwürdige Dienste geleistet hatte?
Kein Buch schien mir jedoch für´s erste der Mühe werth
es zu suchen, als das, mit dem sich vorhin Clärchen so vorzüglich
beschäftigte. Ich zog es heraus. Was fand ich? Die Legendensammlung
des Pater Martin von Cochim. So? sagte ich, bist du auch hier,
guter Freund? Aber was für eine Intrigue hast du mit der Kleinen?
Ich blätterte so lange, bis ich es war in dem Leben ihrer Namensschwester
das Blatt fand, bey welchem sie ihren Puder verloren hatte. Wie, sagte
ich, und rieb mir die Augen: die berühmte Erzählung ist es von
den drei Blasensteinen? Wer in aller Welt kann ihr diese Geschichte mit
andern Umständen erzählt haben, als hier stehen? Und was kann
für sie so wichtiges daraus entstanden seyn, daß sie, um der
Berichtigung dieses Wunders willen, beynahe ihr Compromiß vergaß?
Warum versteckte sie diese Stelle vor mir, da sie ohne die geringste Verlegenheit
ganz andere mit mir gelesen hat? Ich sann der Sache so ernstlich nach,
als ob sie noch so wichtig für mich wäre, und brachte doch am
Ende nichts weniger als eine befriedigende Vermuthung heraus. Ich gab also
mein Nachgrübeln auf, setzte den Schächer wieder in sein Glied,
und durchirrte nund die übrige Besatzung.
Die Wahl unter Büchern ist immer schwer,
und Kenntnisse, die man auf diesem Wege erlangt, sind, mit Erlaubniß
unserer stolzen Gelehrten, nicht weniger Geschenke des blinden Zufalls,
als so viele andere Erwerbnisse menschlicher Thätigkeit. Dir, Eduard,
habe ich nicht nöthig, so etwas zu beweisen, sonst sollte es mir wahrlich
nicht schwer werden. Ich stand lange unentschlossen und ganz mit dem Eigensinne
eines längst abgestumpften Gaumens vor dem Schranke, blies von verschiedenen
dickleibigen Bänden den Staub ab, blätterte einige Augenblicke
darin, und setzte sie und ach! mit ihnen vielleicht eine wahrhaft stärkende
Geistesnahrung, nach der ich lange umsonst strebe, unbenutzt wieder an
ihren Ort, in der sehr mißlichen Hoffnung, für meine leckere
Wißbegierde wohl etwas schmackhafteres noch aufzugabeln. Beynahe
glaube ich, daß es mir nicht besser hätte gelingen können.
Wenigstens stieß ich auf ein Werkchen, das mir über alle meine
Errwartung Genüge that. Es entfernte mich doch nicht zu weit von
dem Gegenstande meiner Wünsche, und bereicherte meine Einbildungskraft
mit neuen Bildern, deren freye Zeichnung und kräftiges Colorit wohl
noch eine gränzenlosere Einsamkeit, als die meine war, hätte
beschäftigen können. Kein Buch in der Welt konnte, glaube ich,
in meiner gegenwärtigen Lage eine anziehendere Kraft für mich
haben. Sein Verfasser gewann bey dem ersten Anblicke mein ganzes Zutrauen.
Er war geistlichen Standes war ein Deutscher war Augenzeuge der großen
Begebenheiten, die er erzählt, und nur zu oft selbst mit darin verflochten.
Sein Buch war, wie das meine, ein Tagebuch war welch ein Zufall! das
Tagebuch eben des großen Papstes, dessen Freypaß mich und Clärchen
auf so gute Wege gebracht hatte. Wie kindisch freute ich mich nicht meines
Fundes, als ich den Titel las: Burchardi
Argentinensis, Capellae Alexandri Sexti Papae, Clerice Ceremoniarum Magistri
Diarium. *) Und wie eilte ich damit an meinen Tisch! Ich
hatte nun die angenehmste Beschäftigung, die ich mir wünschen
konnte; denn es macht uns doch immer eine eigene Freude, den Mann auch
im Schlafrocke kennen zu lernen, der inpontificalibus
unserer Erfurcht gebeut.
____________________
*) S. Eccardi Cropus historie,
medii aevi, wo dieses Tagebuch, das sich selten gemacht hat, abgedruckt
ist.
____________________
Von den vielen merkwürdigen Stellen dieses
päpstlichen Tagebuchs, mit denen ich das meinige ausschmücken
würde, wenn ich nicht befürchten müßte dem Interesse
meiner eigenen Geschichte zu schaden, kann ich jedoch der Versuchung nicht
widerstehen, dir wenigstens Eine auszuheben, die, ihres zufälligen
Bezugs wegen auf meinen gegenwärtigen Handel mit Clärchen, eine
Ausnahme verdient. Sie wird nebenbey, wenn du dir etwan einfallen ließest
an der Aechtheit meiner Urkunde zu zweifeln, schon das ihrige beytragen,
dich eines bessern zu überzeugen. Ich wurde erst in dem Augenblicke
mit ihrer Entdeckung überrascht, und aufs neue fortzulesen ermuntert,
da ich, aus Unvermögen meine Augen länger anzustrengen, schon
das Blatt, wo ich stehen blieb, gezeichnet, und das anziehende Buch zugeschlagen
hatte. Indem ich es gähnend von mir schob, geschah es, daß ich
zufällig einen Blick auf den Ablaßbrief warf, der, wie eine
Post= und Reisekarte, ausgebreitet auf meinem Tische lag; und das brachte
mich auf den Einfall, in der Geschwindigkeit noch, ehe ich mein Licht auslöschte,
nachzusehen, was wohl Ihro Päpstliche Heiligkeit denselben Tag begannen,
da Sie das für mich so wichtige Document auszustellen geruhten, und
das Sonntags den vier und zwanzigsten October datirt war. Ich hatte kaum
das Diarium des ehrlichen Burchards wieder aufgeschlagen, so fand
ich auch bald, kraft der guten Ordnung, die darin herrscht, was ich suchte.
Der Autor, der, wie das Titelblatt sagt, Ceremonien=Meister Seiner Heiligkeit
war, welches ich nicht zu vergessen bitte, beschreibt unter demselben Tage
eine Feyerlichkeit, die ihn wohl selbst sein Amt nöthigte mit anzuordnen
einen Abendzeitvertreib, mit welchem der gottselige Papst den Festtag
des heiligen Martinus beschloß.
Dominica
ultima, erzählt er,
mensis Octobris in sero fecerung coenam cum Duce Valentinensi in Camera
sua, in palatio Apostolico, quinqaginta meretrices honestae, Cortegianae
nuncupatae, quae post coenam chorearunt cum servitoribus et aliis ibidem
existentibus, primo in vestibus suis, deinde nudae.
Post coenam posita fuerung candelabra communia mensae cum candelis ardentibus,
et projectae ante candelabra per terram castaneae, quas meretrices ipsae
super manibus et pedibus nudae candelabra pertranseuntes colligebant, Papa,
Duce, et Lucretia forore sua praesentibus et adspicientibus: tandem exposita
dona ultimo, diploides de Serico, paria caligarum bireta et alia, pro illis,
qui plures meretrices carnaliter agnoscerent, quae fuerunt ibidem in aula
publice carnaliter tractatae arbitrio praesentium, et dona distributa victoribus.
Ich überlas diese unbefangene Erzählung
mehr als Einmal, und klatschte dem großen Geiste wiederholt meinen
Beyfall zu, der frei genug von Vorutheilen war, ein solches Fest zu veranstalten,
und so hoch gesinnt seine Freunde und Dienerschaft daran Theil nehmen zu
lassen. Denken wir uns diesen unumschränkten geistlichen Fürsten
an jenem fröhlichen Abend, so wird es begreiflich, wie eine so volle
Freude sein Herz bis zu der beynahe möchte man sagen übertriebenen
christlichen Freygebigkeit erheben konnte, die aus seinem Ablaßbriefe
hervorstrahlt, sich übrigens ganz herrlich mit dem schönen Vorrechte
verträgt, das ihm die Kirche verlieh, über alle mögliche
sinnliche Einfälle seiner Herde den Schwamm zu ziehen.
Je seltener es ist, daß Züge aus
dem Privatleben der Großen zur Erläuterung ihrer Gesetze dienen,
desto mehr mußte es mich freuen, hier beydes einmal in so gutem
Verhältnisse zu finden, daß diese Hof=Lustbarkeit des Oberhauptes
der Kirche, und der Ablaßbrief, den er wahrscheinlich während
derselben unterschrieb, eins das andere auf das ungezwungenste commentirt.
Ein Glück für mich, daß die Gräfin Vanotia nicht so
gut dabey war, als seine berühmte Schwester, die dem Namen so viel
Ehre machte, den sie in der heiligen Taufe erhielt; denn da hätte
er vermuthlich seiner Freundin den Gürtel der unbefleckten Jungfrau
anstatt ihn ihr jetzt als ein Confect von seiner Tafel zu schicken, während
dem Feste selbst umgebunden, ohne Zeit zu haben, ihn mit jenem allgemeinen
Ablaß auszusteuern, der von dem Tage seiner Ausfertigung an, bis
auf uns Glückliche, die wir übermorgen daran Theil nehmen werden,
vermuthlich im Stillen fortgewuchert hat. Vergieb mir, Eduard, diese schwerfällige
Periode ihres Reichthums wegen, ob ich gleich immer auf neue Betrachtungen
komme, so oft ich nur einen Blick auf dieses kostbare Document werfe. Wie
manchen Anstoß der Sittlichkeit mag es schon gehoben, wie manche
lebhafte Scene befördert und entsündigt haben, über deren
Menge und Eigenthümliches wie erstaunen würden, hätten sie
immer ihren Burchard gefunden! Es war, ich wiederhole es, ein Glück
für mich, daß eben solche Umstände an dem Feste des gottseligen
Papstes zusammen trafen, um eine so wichtige Urkunde zu ihrer Entstehung,
und mir zu der gelehrten Freude zu verhelfen, die mir, drey hundert Jahre
nachher noch, die Harmonie seines Lebens und seiner Gesetze verschafft.
Für meinen gesunden Schlaf zwar wäre
es wohl besser gewesen, die ganze Parallele ungezogen, und das Augenzeugniß
des Ceremonien=Meisters ungelesen zu lassen; denn es setzte mein Blut in
die heftige Wallung. Lange konnte ich das Naturgemälde nicht aus dem
Kopfe bringen, und gruppirte mich und Clärchen immer in Gedanken dazu.
Mein Herz pochte, meine Augen glühten, ich fühlte unter einem
heiligen Schauer den übermächtigen Andrang des Jesuitismus. Die
Stunde der Mitternacht schien mir von Minute zu Minute feyerlicher zu werden,
und der Geist Alexanders mich aufzufordern, in ihr meinen Prozeß
zu thun. Sein Freypaß überdeckte meinen Tisch, sein Tagebuch
lag aufgeschlagen neben dem meinen, und zwey Wachskerzen brannten zu beyden
Seiten. Alle diese Umstände zusammen wirkten gerade auf meine Ueberzeugung,
und trieben mich, unter fieberhaftem Erzittern, zur Ablegung meines Gelübdes.
Da mir noch oben drein mein hülfreiches Gedächtniß, statt
der vorgeschriebenen Formel, die mir unbekannt war, eine andere an die
Hand gab, die, bis zu meiner förmlichen Weihe, einstweilen den Abgang
jener gar füglich ersetzen konnte; so trat ich ohne weiteres Besinnen
vor meinen Altar, auf dem meine Schwärmerey das verklärte Bildniß
meiner Heiligen und Geliebten in die Höhe stellte, so frey von allem
irdischen Putze, als es jene funfzig Auserkornen immer nur können
gewesen seyn, die den befeuerten Blicken meines großen Vorgängers
so wohl thaten und so ganz in der Glorie, wie mein trunkener Geist hofft
sie übermorgen von Angesicht zu Angesicht zu schauen. Ich legte zugleich
die linke Hand auf die anziehende Stelle in dem Tagebuch des heiligen Vaters,
hielt den Zeige= und Mittelfinger der Rechten in die Höhe, und den
Blick, von Rousseau ab, nach dem schlafenden Engel gewendet, entledigte
ich mich meines Gelübdes, das, zwar nicht den Worten, doch dem Geiste
nach, mit dem Eide eines Jesuiten auf das vollkommenste übereintraf.
Si ille hoc fecit,
sprach ich langsam und ernst, qui
templa concutit sonitu Ego homunico hoc non facerem? ego vero illud feci
ac lubens. *)
____________________
*) Eunuch. Act. 3. Sc. 3.
____________________
Wie die Ceremonie vorbey war, taumelte ich
endlich mit der eigenen Zufriedenheit eines Neubekehrten zu Bette, und
wenn schon der gute Vorsatz verdienstlich ist, so darf ich hoffen, mehr
als Ein Baret verdient zu haben, ehe ich einschlafe.
* * *
Avignon.
Der Wagen, der mich nach Vauclüse bringen sollte, stand,
wie der Wagen des Apollo, mit vier weißen Pferden bespannt, zur Rettung
meiner Ohren, schon vor der Thüre, als mich die Glocken von allen
Thürmen der Stadt zu dem Feste der heiligen drey Könige erweckten.
Ohne nach ihrem Golde, ihrem Weihrauch und ihren Myrrhen zu fragen, warf
ich mich geschwind in einen gewiß artigern Reiserock, als der ihrige
war, von silbergrauem Sammet, schlug, als ein Diadem, das ich um das ihrige
schwerlich vertauschen würde, das blaue Strumpfband um meinen Sonnenhut,
und schwebte nun, zwischen der süßen Erinnerung von gestern
und der stolzen Erwartung auf morgen, dem Gebauer meiner kleinen Sängerin
vorbey, die Treppe hinunter. Während daß Clärchen durch
das Fenster des geheimnißvollen Cabinets blickte, in das mich Papst
Alexander morgen zur Weihe einführen soll, und gegen über Herr
Fez, ohne nur zu ahnden, welchen Dank ich ihm schuldig war, mit die Verbeugung
eines Clienten machte, hob mich meine Selbstzufriedenheit federleicht in
die Höhe, und der Wagen rollte durch die festlich geschmückten
Gassen.
Mein armer Sebastian saß demüthig
neben mir; seine Aehnlichkeit mit Margot war in meinen Augen verschwunden;
er fühlte sich zu einem gemeinen Bedienten erniedriget, und hatte
nicht das Herz mehr, seinem vornehmen Herrn eine andere Frage zu thun,
als seine Bestallung rechtfertigen konnte. Und ich! von welcher stolzen
Höhe sah ich auf alles herab, was sich meinen geistigen und leiblichen
Augen außer Clärchen darbot! Ich blickte so neidlos auf die
stillen Thäler, die neben mir, als auf die lärmenden Königsstädte,
die weit aus meinem Gesichtskreise lagen, bemitleidete das zwangvolle Leben
der Großen, wie das Idyllenleben der Hirten, wenn jene auf Flaum
diese auf Moos gestreckt hier immer nur weidende Lämmer dort
immer nur bettelnde Sklaven im Auge hier immer nur den einförmigen
Ton der Glöckchen dort das Geklapper des Stolzes im Ohr haben, durch
den die eine ärmliche Herde bey jedem Genuß eines Gräschens
die andere oft ohne Genuß, die höhern Bedürfnisse menschlicher
Thorheit verkünden; und mit wohlgefälligem Lächeln kehrte
ich nun meine Blicke auf Mich sah mich im Sonnenschein glänzen
mit Stärke der Jugend und Gesundheit gerüstet, unter dem Machtspruche
eines menschenfreundlichen Papstes ach! nach einer kurzen Wallfahrt zu
dem Sänger der Liebe, in die Arme eines Mädchens dahin sinken,
das nur für den unsterblichen Genuß der Engel gespart schien,
und, ohne die Vermittlung des heiligen Kniegürtels, gewiß allen
menschlichen Wünschen entschlüpft wäre. Wie schwärmte
ich, Freund! Wie oft nahm ich meinen Sonnenhut ab, um das himmelblaue Band
anzulächeln, und von ihm in optischen Träumereyen über den
Gränzort hinzuschweifen, wo die Auswechselung geschah!
Endlich hielt der Wagen. Wo bin ich? fragte
ich voller Verwunderung. Zu Vauclüse, tönte mit mein Führer
mit einer Stimme in´s Ohr, die so kreischend war als das Knarren
einer Thüre, und die mich auf das unangenehmste aus meiner Ueberspannung
zurück brachte. Ich stieg aus, und die Blicke, die ich wild um mich
herum schoß, prallten, wie die Strahlen der Morgensonne, von den
nackten weißen Bergen zurück, die das steinige Thal, und in
demselben die hohen spitzen Felsen mit der verfallenen Burg umkränzen,
in welcher der Sänger der Liebe geweilt hat. Unter einem dunklen Gewölbe
am Fuße dieses Kreidengebirgs liegt der berühmte Quell, der
zu Zeiten sich aus seiner Untiefe ergießt, und rauschend diese Marmorlandschaft
überströmt. Fürchterlich mag alsdann der Anblick seiner
Ergießung in den Schooß der todten Natur werden: aber still
und beweglos sah ich sie jetzt allein um mich herum herrschen, und entsetzte
mich über ihr ernstes Gesicht. Mein Herz hatte gehofft, sich in diesem
durch liebliche Gesänge berühmten Thale gütlich zu thun;
aber alles war ihm entzogen, woran es sich hätte schmiegen können.
Nicht einmal ein Oelbaum mit seinem unfreundlichem Grün kein Gräschen,
das sich durch die Spalten des Felsen stahl kein abgestorbenes Hälmchen,
woran auch nur der kleinste Wurm hätte saugen oder darauf ausruhen
können! Ein paar einzelne armselige Hütten in Elend schmachtender
Tagelöhner, die nur zur Zeit der Fluth ein gefahrvolles kleines Verdienst
verwarten, und indeß von Fremden, die der wohlklingende Name des
Orts wohlklingend wenn ihn ein Dichter ausspricht und der Gedanke an
seinen ehemaligen Bewohner hierher zieht, ein ungewissen Almosen erbetteln.
Und dieser Wohnsitz der Bekümmerniß, armer Petrarch! diesen
abgestorbenen Theil unserer freundlichen Welt, konntest du wählen?
konntest in dieser Gefangenschaft von Bergen in diesem Brennpunkte einer
frey wirkenden Sonne gutwillig schmachten, um nur ungestört, und abgezogen
von allem, was an das Leben erinnert, dem einzigen Gedanken nachzuhängen,
der den ganzen Reichthum deiner Wallfahrt und deines Nachlasses ausmacht?
Sit tibi terra levis!
Aber deine Laufbahn hiennieden gefällt mir nicht. Ich fühle in
Demuth, daß ich für so hohe Verläugnungen, als die deinigen
waren, zu schwach bin, und möchte nicht eine Nacht für so eine
Belohnung verwachen, als du erreicht hast. Ich bewundere dich, ohne dir
nachzuahmen.
Wie überschwenglich groß und süße
Muß die Empfindung seyn deß, der den Talisman
Peterarchs besitzt! Was gehen ihn von Vauclüse
Die dürren Kreidefelsen an?
Ihn, der sein Feld und seine Wiese
Im Schubsack trägt, und irdisch Zugemüse
Bey Götterkost entbehren kann?
Ein schöner Geist ist würdig, nur von Geistern
Bedient zu seyn Ein Gnom putzt ihm die Schuh´,
Ein Sylphe braut ihm Thee, und Amoretten kleistern
Die Spalten seiner Fenster zu.
Was mangelt ihm? Ein überirdisch Feuer
Erwärmt sein Stübchen flammt auf seinem Herd;
Und wenn bey einem Glas ätherischen Tokayer
Ein Dichterwunsch nach süßem Abenteuer
Auch dann und wann durch seine Nerven fährt
Auf einen Laut der stets gestimmten Leyer
Führt ihn schon Amor, sein Getreuer,
Das Mädchen zu, wie es sein Herz begehrt,
Blond oder braun und lockender und neuer,
Als mir der Schelm noch keins gewährt;
Denn was zur nächsten Morgenfeyer
Er mir verheißt, liegt unter heil´gem Schleyer
Dem Auge noch nicht aufgeklärt.
So hast du deinem treusten Sänger,
Monarchin, die zu Pharos thront,
So fürstlich hast du ihn belohnt!
Noch steht der Fels, auf dem er, enger
Mit dir vereint, in Phöbus Strahl gewohnt,
Als keiner der den Musen frohnt.
Hier saß der Virtuos in Himmelslust, und geigte
Der Welt und Nachwelt deine Freuden vor,
Daß selbst die Schöne, die sein Herz erkohr,
Das Knie vor deinem Zepter beugte,
Und voller Sympathie, so still und liebekrank,
Acht Erben dem Apoll sey Dank!
Mit ihrem Ehemann erzeugte.
* * *
Diese Betrachtungen der idealischen Glückseligkeit
eines Dichters jagten mir eine fliegende Hitze in´s Gesicht. Ich
ließ mir geschwind ein Glas Wasser aus der Quelle Petrarchs holen,
warf mich, sobald ich mich abgekühlt hatte, in meinen Wagen, und floh
diesen poetischen Ort, der mir je länger je unbehaglicher ward. Ich
hielt mich vor den Anfällen der platonischen Liebe, der dichterischen
Schwärmerey, und jener schwermüthigen Laune der Empfindsamen
nicht eher sicher, als bis ich, eine Stunde nachher, auf meinem Rückwege
den Gasthof zu Lille erreicht hatte, wo ich einen langen Mittag hielt,
und bey großen Krebsen und saftigen Haselhühnern mich noch mehr
in der Wahrheit bestärkte, der ich immer anhing, so oft man sie mir
auch verdächtig zu machen suchte, als seines Lebens zu gebrauchen,
so lange es noch da ist.
So bald ich nach dieser guten Mahlzeit mit
mir selbst wieder in meinem Wagen zusammen traf, stürmten auch schon
alle jene grausen Ahndungen auf mich ein, die mich diesen Morgen nach Vauclüse
begleiteten. Umsonst wendete ich alle Kräfte an, meine weit schweifende
Einbildungskraft im Zaume zu halten. Ehe ich mich versah, war sie von den
ruhigen Gegenständen, die ich ihr zur Zerstreuung vorlegte, von den
moralischen und statistischen Bemerkungen, die ich über das Land anstellen
wollte, das ich durchreiste, zum großen Vortheile der päpstlichen
Regierung, in der Stille weggeschlichen; und ich ertappte sie, wie sie
eine Menge Conterbande auspackte, über die du vielleicht, wenn sie
der morgende Tag zu Markte bringt, nicht weniger erschrecken wirst, als
der gute Cardinal von Este, als er zum erstenmale den Orlando
Furioso las, den ihm der unbefangene Verfasser zugeeignet
hatte. Messer Ludovico,
fragte er ihn mit äußerster Bewunderung, dove
diabolo avete pigliato tante coionerie? Ich könnte
dir freylich diese Frage ersparen, wenn es in so einem unsystematischen
Werke als mein Tagebuch ist, nur nicht so gar sonderbar aussähe, die
Krümmen, auf denen sich bey dieser und jener Gelegenheit unser ungezogenes
Herz betreten läßt, anders als obenhin zu erwähnen, und
es überdieß nicht weit bequemer wäre, so unvollständig
auch die Akten bleiben, das zu erzählen, was man gethan hat, als wie
man dazu kam es zu thun. Ich verschiebe diese Beichte auf einen ruhigern
Zeitpunkt, wo es dem gemeinen Besten noch zuträglicher seyn wird,
sie abzulegen. Denn da ich willens bin einmal ein eigenes Buch über
die Post= und Heerstraße des menschlichen Herzens zu schreiben, so
wird es ganz natürlich herauskommen, wenn ich in einem Anhange auch
von seinen Neben= und Schleif=Wegen handle, die meine meisten Vorgänger
so ganz aus der Acht gelassen haben. Alsdann will ich desto offenherziger
alle und jede Kenntnisse von der Art, die ich auf meinen Wanderungen sammelte,
anzeigen, um jene gelehrten Herren besser auf die Spur zu bringen, wo sie
etwan noch einen Schlagbaum aufzurichten, oder einen offenen Paß
zu besetzen haben, um jedem Unterschleife, jeder Beeinträchtigung
des Zolles auf´s künftige vorzubeugen.
Diese vorläufige Anzeige meines moralischen
Werkes, zu dem ich dir einstweilen erlaube Subscribenten zu sammeln, hast
du vorzüglich der Stille zu danken, in der ich meine Wohnung wieder
antraf. So angemessen sie auch einem Propsteylehn immer seyn mag, so fiel
sie mir doch bey dem Ungestüm meiner Empfindungen so widerig auf,
daß ich froh war, mein Aergerniß darüber mit dir zu verplaudern.
Nur ein Laut von Clärchen, nur ein Zeichen, daß sie noch lebe
und ich wäre zufrieden gewesen! Eine solche Nachbarschaft, und so
geräuschlos, ist das unerträglichste Ding von der Welt.
Nach einer ängstlichen Stunde bequemte
sich endlich die Alte in einem groben Basse zu husten, und zugleich hustelte
auch Clärchen, aber wahrscheinlich so harmonisch, daß der größte
Kenner es eher für eine Passage von Gluck hätte halten müssen,
als für einen Katharr. Auch beunruhigte es mich gar nicht Ich schloß
nur, daß die Tante in eine ernste Vorbereitung auf ihr morgendes
Fest vertieft seyn möchte, in welcher ihre gutmüthige Nichte
nicht wagen wollte sie zu stören. Aus gleicher Achtung für den
Seelenschlummer der guten Frau, setzte ich auch mich mit der möglichsten
Behutsamkeit vor meinen Tisch, nahm zur Abwechselung bald das Buch de
probabilitate bald meine Feder in die Hand, und habe nun,
meine Fahrt nach Vauclüse, die bis zum Einschlafen angenehm war, ungerechnet,
mich seitdem so müde gelesen und geschrieben, daß ich jetzt
für räthlich halte, nach den Regeln der Mechanik für mich
zu sorgen, und jener glücklichen Hälfte von mir Ruh´ und
Stärkung zu gönnen, die morgen unstreitig die erste Rolle zu
spielen hat.
* * *
Und das erwartete Fest ist nach überstandener alltäglichen
Ruhe erschienen. Noch hat wohl nie ein Höfling den Namenstag seiner
abgelebten Fürstin, an der seine Pension, sein ganzer Unterhalt hängt,
mit solchem Wohlbehagen des Herzens begangen, als mit dem ich mich von
meinem Lager erhob, und der Feyer entgegen sah, die mir der heilige Name
meiner alten Aufseherin sichert. Ein froher Gedanke ward schon unter meiner
Nachtmütze, ehe ich sie abwarf, durch einen noch frohern verdrängt.
Die Erwartung des größten jugendlichsten Glücks durchströmte
mein Herz. Mit welchem Wohlgefallen habe ich nicht schon die Menschengestalt
im Spiegel begafft, der so viele Freuden zu Theil werden sollen, und wie
zufrieden habe ich nicht zu dem ausgewählten Anzuge gelächelt,
in welchem ich mich dem Altare meiner Göttin nähern werde! O,
daß nur schon die Alte zu den Füßen ihrer Fürsprecherin
liegen, und mir Raum geben möchte, zu den Füßen der meinigen
zu fallen!
Indeß ist es doch sonderbar, Eduard,
daß jede Erwartung einer übermäßigen Freude immer
eine gewisse Aengstlichkeit mit sich führt. Wenigstens bin ich geneigter,
die Unruhe, die ich mitunter spüre, lieber durch diesen als wahr angenommenen
Satz, als durch eine Ursache zu erklären, die mich noch weniger trösten
würde. Gab uns die sorgsame Natur dieses Gefühl als ein bitteres
Gewürz, damit es in der Süßigkeit des Genusses der Unverdaulichkeit
der Seele entgegen wirke; so sey ihr doppelt Dank dafür, und so wird
sie auch schon ihren Beysatz zu mischen wissen, daß er nicht zu herbe
weder vor= noch nachschmecke. Sollte aber die Bänglichkeit, die mir
um das Herz schwebt, Ahndung eines Unrechts in meinem Vorhaben sollte
sie eine Aufforderung seyn, die Sache ernstlicher und gründlicher
zu untersuchen, so wäre ich übel daran, Eduard! Denn man hat
schon zum drittenmale in die Kirche geläutet, ich habe keine Zeit
mehr übrig zum Nachdenken, und wenn ich das heutige Fest ungenutzt
vorbey lasse, so mag meine Untersuchung ausfallen wie sie will, der Verlust
des an der laufenden Stunde klebenden Gewinstes ist nicht wieder zu ersetzen.
Dans les choses douteuses
sagt ja einer von den Kirchenlehrern, on n´est pas obligé
de suivre le plus sûr. An diesen Satz will ich mich vor der Hand
halten. Ja, ja; wenn damit nur Ruhe wäre! Der Uebertritt zu einem
andern Glauben als wir gewohnt sind, ist wie ein Spaziergang in neuen Schuhen;
sie mögen noch so gut gemacht, noch so viel werth seyn, sie lassen
uns doch die abgelegten bedauern, und werden uns so lange brennen und drücken,
bis wir sie so ausgetreten haben als die alten. Sey versichtert, Eduard!
daß, wenn ich nicht Acht auf mich gäbe, nicht meinen Hut schwenkte
und trällerte, wenn sich so etwas, das einem Gewissensscrupel ähnelte,
aufdringen will, sich sehr leicht in einen Widerspruch mit mir selbst gerathen
könnte, der stark genug wäre, mich mit Einemmale um die gereiften
Früchte meines Jesuitismus zu bringen. Kannst du wohl glauben, was
mich eben jetzt für eine Kleinigkeit beynahe ganz aus meiner Fassung
gebracht hätte? Mit Scham gestehe ich dir´s unter vier Augen
der Kopf der Gypskopf von Rousseau. Es war mir, indem ich meine funkelnden
Augen in die Höhe warf, als ob er mir mit strafendem Ernste gerade
in das Gesicht blickte. Ich stutzte, wie ein furchtsames Kind mir ward
ganz heiß um das Herz, und wahrlich ich mußte geschwind die
malerische Stelle von gestern überlesen, um nicht in der Hitze meinen
Ablaßbrief zu zerreißen, und den ganzen Handel mit Clärchen
zum Henker zu schicken. Aber die lieblichen Bilder des Ceremonienmeisters
thaten auch dießmal ihre Wirkung. Meine Phantasie kam rosenfarbener
zurück als zuvor, und meine lieben Schlafkameraden, die Cauisten,
bestreuten den Weg wieder mit frischen Blumen, von dem mich jener Widersacher
der Freude verscheuchen wollte. Ich trat jetzt sogar dem Gespenste mit
Trotz und Hohn unter die Nase Die Arme in einander geschlagen, stand
ich vor ihm, wog seine traurigen Verdienste gegen den Werth meiner freudigen
Empfindungen ab, und ward endlich dreist und launig genug, mich lächelnd
seinem Standorte zu nähern, und, als wenn er mich eben so gut hören
könne als ich mich selbst, ihn in einem tragisch=komischen Ton anzureden:
Du! den ein traurig Roß, ein Sohn des
Rosinante,
Durch Wüsten der Moral in die verarmten Lande
Der kalten Metaphysik trug;
Der ein gewöhnlich Glück, als seiner Zeiten Schande,
Verwarf; sich selbst genug, im cynischen Gewande,
Als Don Quichott des Rechts, auf manchem Ritterzug
Des Morgens sich mit einer Räuberbande,
Des Nachmittags mit Marionetten schlug;
Der, stets verfolgt von einer hohen Grille,
Nach Eulenart, der Mitternächte Stille
Und Lunens Schein nach Platons Art genoß;
Bis ihn Priapus *) in Ermenonville **)
Mit in sein Staatsgefolge schloß
Dein Ruhm ist groß! Doch hebt mich das Vergnügen,
So groß er ist, weit über ihn.
Mit jenem Traum, der mir, so ganz im Gegensinn
Von Plato´s Traum, zu Kopf gestiegen,
Schwingt sich mein Herz aus dem Gebiet der Lügen
Zum Tempel der Gewißheit hin.
Weg, weg mit allem Schulgewinn!
Und soll mich ja noch ein System betrügen,
So sey es das: Bis zum Genügen
Am Busen meiner Nachbarin
Den Werth der Menschheit nachzuwiegen;
Von jenen Höhn, wo ihre Rosen blühn,
In´s Winterfeld der Zeit zu fliegen,
Uns aus der kleinen Kunst, sich an ein Weib zu schmiegen,
Erfahrung für das Herz zu ziehn
Das scheint mir noch, den Irrthum zu bekriegen,
Die glücklichste der Theorien.
____________________
*) Der Gott der Gärten.
**) Der Name des Landguts, wo Rousseau starb, und in
dem Garten daselbst, auf einer kleinen Insel, begraben liegt, die eine
der schönsten Partien des Gartens ausmacht.
____________________
* * *
Wenn man seine Sache, sie mag so schlimm seyn
wie sie will, nur systematisch behandelt, so findet man noch am ersten
Gnade in den Augen eines Philosophen. Die Büste dieses moralischen
Grillenfängers schien mir jetzt lange nicht mehr so abschreckend als
vorher; ja ich schmeichle mir sogar, er würde, wenn er noch lebte,
vielleicht mit derselben Beredsamkeit, mit der er einst den Vorzug der
Ignoranz gegen die Wissenschaften vertheidigte, sich auch meines Tauschhandels
mit Clärchen annehmen, und ihn, auf den geringsten Widerspruch, nicht
allein für unschuldig, sondern selbst für verdienstlich erklären.
Wer aber wollte einer so einfachen Wahrheit wegen einen großen Dialektiker
in Unkosten setzen? Sie spricht ja laut genug für sich selbst. Sind
denn im Ernst, Eduard, die Umarmungen, die ich der Heiligen zudenke die
Spiele der Sinne, mit denen ich sie bekannt machen die Vergleichungen,
die ich darbey anstellen werde, und alle die Phänomene des ersten
Unterrichts, die ich zu beobachten noch nie Gelegenheit fand ist denn
die ganze Sache etwas weniger oder mehr bey mir, als was sie bey einem
Büffon oder d'Alembert seyn würde ein psychologisches Experiment,
das mir auf mein ganzes künftiges Leben von Nutzen seyn wird? Wenn
man mit solchen Versuchen warten will, bis man erst Dekanus der philosophischen
Facultät ist, o! da weiß man schon, wie erbärmlich sie
gemeiniglich ablaufen. Selten daß die gelehrten Herren, die uns über
den Gang der Leidenschaften vorpredigen, aus Erfahrung sprechen; denn ach!
was sie so gut sind dafür zu nehmen, ist es oft so wenig, daß
man nicht weiß, ob man mehr über ihren Selbstbetrug, oder über
das kalte Geschwätz lachen soll, das sie darüber hergießen.
Das mag hingehen, wirst du mir sagen; wie, und durch was kömmt aber
die unschuldige Clara dazu, daß sie dir sitzen, und die Heimlichkeiten
ihrer Seele und ihres Körpers deinen Speculationen bloß stellen
soll? Durch was? guter Freund! durch ihre eigene Religion und ihre Vertheidiger
durch die Rechte des Handels und durch den übermäßig
hohen Werth meiner Zahlung. Eine Heilige hier zu Lande wird durch eine
Reliquie tausendmal reichlicher für die momentane Aufopferung ihrer
ruhigen Unschuld abgefunden, als eine bey uns durch ein Rittergut, oder
eine Grafschaft. Ja, ich traue Clärchen zu, wenn sie auch das was
ein unschuldiges Mädchen sonst nur Einmal in ihrem Leben verlieren
kann, einige Dutzend= und mehrmal daran setzen könnte, um den heiligen
Kniegürtel zu erlangen, würde sie sich kein Bedenken machen es
zu thun viel weniger jetzt, wo sie gar nichts wagt, und das päpstliche
et in integrum restituimus
ihr für allen Schaden gut steht. Mit zwey Worten, Freund, ich glaube
gewiß, daß, seitdem es Contracte giebt, keiner noch unter so
annehmlichen Bedingungen von beyden Theilen geschlossen wurde als dieser.
Aber um aller Welt willen, warum stelle ich
das ganze Gefolge meiner Gedanken deiner Musterung dar? Du bist doch gewiß
der Mann nicht, der mir über meinen jugendlichen Versuch nur die kleinste
Chikane machen würde, und wenn er auch wirklich nicht so gut zu vertheidigen
wäre. Doch so geht es, wenn man sich gewöhnt hat über alles
zu räsoniren. Man wird ein Schwätzer, ohne daß man es selbst
weiß. Eine zu allen Zeiten einfältige Rolle, die aber in meinen
jetzigen Verhältnissen noch abgeschmackter heraus kommt! Denn wie
leicht könnte ich darüber wohl gar den Aufbruch der alten Tante
verhören, und, zur ewigen Schande, mein armes, verschämtes Clärchen
in die Verlegenheit bringen, ihren Liebhaber selbst abzurufen! Doch meine
brennende Ungeduld, die das hämische Weib so grausam auf die Probe
setzt, will durch etwas getäuscht seyn; ich muß die Hitze wegschreiben,
die mir sonst das Herz zermalmen würde Gut! so will ich wenigstens,
um über mein Nachdenken nicht das Object selbst aus dem Gesichte zu
verlieren, wie das nicht selten bey Profectionen der Seele geschieht, einstweilen,
und bis ich den Besitz aller meiner Anwartschaften erlebe, sie mit meiner
Einbildungskraft zu fassen suchen.
Aber ach, Eduard, wie ist mir bey dieser idealischen
Ansicht zu Muthe! Was soll bey meinem hohen Gefühl für Schönheit,
bey dem Auge, in das die Natur so richtige Blicke für Ebenmaß
und Verhältnisse gelegt hat was soll aus mir werden, wenn nun Clara
vor mir stehen wird, wie jene freundliche Göttin, die man sich bekleidet
nicht denken kann, ohne sie zu beschimpfen! Versinnlicht in Stein ist
ihr Bild nicht schon das vorzüglichste Kleinod aus dem reichen Nachlasse
der Mediceer? Bentley versicherte, daß er lieber das so artige donec
gratus eram tibi des Horaz möchte gemacht haben, als
König von Arragonien seyn; und mit gleichem Kunstgefühl habe
ich einen Kenner behaupten hören, daß er, jenes marmorne Bildniß
der nackenden Venus ausgenommen, keine der übrigen Besitzungen des
Hauses Oesterreich beneide. Da diese Herren nun über menschliches
Machwerk das Maul so voll nehmen, wie soll ich mein gerechteres Entzücken
an den Tag geben, wenn ich mit freudigem Erschrecken von dem ungeheuern
Abstand einer todten Copie auf das lebendige Urbild der Natur hinstaune?
wenn ich mir zu allen den Schönheiten der Form noch jene ungleich
köstlichern wenn ich mir den Anstrich darzu denke, den ihnen die
Bewegungen eines jungfräulichen Herzens geben werden diese ächte
Feuerfarbe der beängstigten Sittsamkeit, die über die Morgenröthe
ihrer ruhigen Unschuld zum erstenmal hervor schießen dieses Sträuben
gegen unerhörte Forderungen, die ein einziger Blick auf die heilige
Reliquie in frommes Nachgeben verwandeln wird und ach! endlich das sanfte
Colorit der stolzen Ruhe, wenn sie nun, nach so schweren Prüfungen,
zu sich sagen kann: Der Kniegürtel der unbefleckten Jungfrau ist dein!
Vergönne mir eine Pause, Freund, daß sich mein Gehirn ein wenig
abkühle.
Eduard! ich bin toll und böse auf mich,
da ich meine feurige Periode wieder überlese. Enthusiasmus verträgt
sich nie gut mit politischer Zurückhaltung. Da habe ich nun meine
besten Farben zu meinem idealischen Entwurfe verschwendet, die mir, ehe
ein paar Stunden vergehn, beym Ausmalen des wirklich Erblickten fehlen
werden. Einfältig genug! zumal da man bey den wenigen Hülfsmitteln,
die uns die Kritik bey dieser Art von Cabinetsmalereyen verstattet, hohe
Ursache hat, sparsam damit umzugehen! Das Widersprechende liegt doch überall,
wo man nur hinsieht. In den Zeughäusern des Kriegs, in der schrecklichen
Wissenschaft Menschen zu tödten, sind alle Kunstwörter gleich
edel und brauchbar; in den kleinen Kriegen der Liebe hingegen, in der ungleich
löblichern Kunst, die der Vernichtung der Welt entgegen arbeitet,
welche unbegreiflich enge Schranken hat nicht der Eigensinn unserer Sprache
dem Schriftsteller gesetzt! Es sollte einem bange werden, die schönsten
Auftritte seines Lebens zu beschreiben, da unsere verschämten Kunstrichter
jene alten kraftvollen, der Natur der Sache angemessenen Ausdrücke
fast alle verschreyen, ohne, bey dem täglichen Bedürfnisse, uns
bessere dagegen zu geben. In der That, Eduard, so sehr ich auch immer auf
deine Nachsicht rechne, so begreife ich doch nicht, wie ich mich nur mit
halben Ehren aus dieser Verlegenheit ziehen will. Dir nur Räthsel
hinzuwerfen, und die Auflösung für mich zu behalten, würde
offenbar die historische Treue verletzen; und würde ich nicht vollends
alles verderben, wenn ich zu den verbrauchten Wendungen unserer Dichter
und Prosaisten, mit denen sie sich seit undenklichen Zeiten schlecht genug
aus den blumigen Irrgängen der Natur helfen, meine Zuflucht nehmen,
und meinen originellen Sündenfall durch Nachahmung der gewöhnlichen
herabwürdigen wollte? Nein, tausendmal lieber will ich mich den ästhetischen
Hieben meiner gestrengen Richter und allen den launigen Strafen des erröthenden
Geschlechtes unterwerfen, ehe ich meine Blöße mit solchen Lumpen
decken, und, um nicht das forschende Auge der Neugier zu reitzen, nach
der viel zweydeutigern Ehre greifen möchte, in der Schalaune meiner
Vorgänger, die immer einer dem andern verschabter und zerfetzter hinterließ,
dem gähnenden Pöbel zur Schau zu stehen. Ich möchte es nicht,
und hätte sie einst Carl der Große getragen, und läge sie
mit sammt ihrem Schmutze und ihren Motten, bis zu so feyerlichen Tagen,
unter dem Verschlusse des weisen Raths zu Nürnberg begraben.
Doch welch ein Geräusch hinter der Scheidewand!
Jetzt - ich schreibe es mit zitternder Feder jetzt endlich erhebt sich
die Alte nun hustet sie wirklich zur Kammer nun zum Vorsaal hinaus
nun die Treppe hinunter. Gehab dich wohl, fromme Bertilia! Mit Entzücken
sehe ich dich, von meinem Pulte aus, über die Gasse hinken so feyerlich
langsam, daß, ehe du die Nische deiner Heiligen erreichst, ich hoffen
darf schon vor der meinigen zu knieen, und selbst in den Armen deiner zaghaften
Nichte schon manche Blume der Jugend gebrochen zu haben, ehe du deine Matinen
gesungen hast. Gehab auch du dich wohl, du Freund des glücklichsten
Sterblichen! Lassen sich die thatenreichen Augenblicke der erlebten Stunde
durch menschliche Worte darstellen, so sollst du sie treu geschildert erhalten,
so bald ich sie, wie kostbare Perlen, in das Diadem meines Lebens verflochten
habe.
* * *
Der Abstand des Traums zur Wirklichkeit ist nun gemessen! Hier
sitze ich mit hinstaunendem Blicke wieder vor meinem Tagebuche, und das
Versprechen, das ich der Freundschaft ausstellte, tritt, so oft ich auf
meinen Bogen schiele, mir mahnend unter die Augen.
So setze dich denn her, Eduard! und nimm mir
alles ab, was mir auf dem Herzen liegt Erst aber deine Hand, daß
es unter uns bleibt! Hätte ich dir eine Liebesgeschichte zu erzählen
von gemeinem Schlage, wie man sie etwan als ein schreckendes Beyspiel auf
dem Katheder braucht, so bedürfte es der vielen Umstände freylich
nicht, ich wollte bald damit zu Rande seyn: aber hier ist mehr, als dieß
hier ist das visum repertum
einer Heiligen ein Feenmärchen, nur mit dem mächtigen Unterscheide,
daß es wahr ist. Frage nicht nach der Zeit meiner physischen Abwesenheit!
Ich würde dich in Irrthum bringen, wenn ich sie bestimmte. War es
nicht ein Kalif, dem ein Engel des Himmels befahl, seinen Kopf in einen
Eimer voll Wasser zu tauchen? Er that es so lange, als man braucht um
nicht zu ersticken; und als er ihn wieder heraus zog glaubte der Mann,
ein Jahrhundert wenigstens voll Seligkeit durchlebt zu haben. Das muß
ein Engel der Liebe gewesen seyn, Eduard, der dieses Wunder that! Meiner
Uhr nach ist es mir gegangen wie dem Kalifen.
Welch ein Abenteuer! So einfach in seinem Beginnen,
und doch so verwickelt in seinem Fortgange, und doch so herzerschütternd
in seinem Ende! Mystische und magische Kräfte im Streite mit den Kräften
der Natur! Mönchische Empörung gegen Papstes=Gewalt! Tumult des
Gefühls! Ohnmacht des Willens! Und dieser Reichthum von Erfahrung
in dem beschränkten Raume weniger Augenblicke!
Widder, mein guter Freund!" sagte der Riese
Molineau zu Hamiltons schwatzhaftem Widder, und du sagst es vermuthlich
zu mir, ,,fange doch deine Erzählung, ich bitte dich, beym Anfange
an. So sage mir nur erst, mein kluger Herr, wo der Anfang meiner Geschichte
zu finden ist? und gern will ich deinen Rath befolgen. Aber wo höhere
Mächte im Spiele schon lange vorher unsichtbare Fäden an die
Werkzeuge deines Willens knüpften, ehe es dir nur ahndete ihre Puppe
zu seyn wer kann da sagen: Jetzt hebt meine Geschichte an?
Jede Reliquie, behaupten die Sachverständigen,
steht unter der unmittelbaren Aufsicht eines Seraphs, und alle die Wunder,
die zusammen trafen, um mir die meinige aus den Händen zu spielen
beweisen wahrlich für diesen Satz. War es denn wohl ein so natürliches
Ereigniß, daß eben ich der einzige Ketzer einer großen
Versammlung, den heiligen Kniegürtel erstand, um ihn durch den sonderbarsten
Zusammenhang der Dinge derselben frommen Seele auszuliefern, die nur einen
halben Ducaten weniger darauf bot? Ist es zu glauben, daß nur ein
Ungefähr mich zu ihrem Nachbar zu ihrem Bewunderer zu ihrem Freunde
machte? zu glauben, daß sich die gelehrtesten Casuisten nur von
ungefähr mit mir in einer Schlafkammer befanden daß der Buchhändler
Fez der Wächter der Laura, mir so geschwind ihr Zutrauen schenkten
und daß endlich die zwey einzigen Feste im Jahre, welche Clärchen
ohne Aufsicht ließen, eben in dem engen Zeitraume meiner Miethzeit
einfallen mußten? Wer hier die übernatürliche Leitung
menschlicher Begegnisse verkennt, muß wahrlich noch fester an den
Zufall glauben muß noch mehr Herz haben als ich. Doch die Folge
wird dich noch besser davon überzeugen; denn diese Vorbetrachtungen,
so anziehend sie auch mir seyn mögen, da ich das Ende weiß,
sollen dir nicht länger die Geschichte selbst vorenthalten; zu deren
genauen Darstellung mich mein Versprechen verbindet.
Ich trat, du weißt in welcher Bewegung
der Seele, aus meiner Klause war mit zwey Schritten an dem Vorsaale,
mit zwey andern vor Clärchens Kammer löschte hier das eine
dort das andere Kreuz aus, das der zauberische Propst mit seiner geweihten
Kreide über die Thüren gernalt hatte, und in der behaglichen
Zuversicht, nun auch über die kleinsten Hindernisse hinweg zu seyn
trat ich muthig dem Engel unter die Augen. Ich las auf ihren Rosenwangen
mein nahes Glück, und hörte zugleich die erste Losung dazu aus
ihrem lieblichen Munde. ,,Ich hoffe," sagte sie, doch sagte sie es mit
einer hoffnungslosen Stimme, ,,Sie, mein Herr, heute mit großmüthigern
Entschließungen bey mir zu sehen, als da Sie mir das heilige Band
anvertrauten. Es hat Wunder an mir gethan, die es mir schwer die es mir
unmöglich machen, mich wieder von ihm zu trennen. Möchte doch
dieses offenherzige Geständniß Sie bewegen, mein lieber Herr,
von dem hohen Preise nachzulassen, den Sie darauf gesetzt haben!" Nicht
ich, Clärchen, fiel ich ihr in die Rede, ,,der heilige Vater hat
den Preis gemacht, von dem ich Unwürdiger nicht um einen Buchstaben
abgehen werde. Hier lege ich die Urkunde seiner Macht und Gnade dem Sopha
gegenüber: und wenn selige Geister auf Handlungen schwacher Menschen,
wie sie einst auch waren, achten; so wird der verklärte Papst mit
Wohlgefallen meinen Eifer erblicken, das lieblichste Mädchen seines
vormaligen Gebiets aller der Indulgenzen würdig zu machen, die er,
an einem seiner fröhlichsten Abende, diesem heiligen Gürtel hier
vermacht hat. Die Thüren, liebes Clärchen, sind verriegelt
Ihre Tante zittern Sie nicht! bittet für Sie. Die Interdicte des
Propstes sind durch höhere Macht aufgehoben, und alle seine Kreuze
verlöscht. = = = Doch wie? was sagt mir diese bedeutende Erröthung?
Wie, Clärchen?" führ ich heimlicher fort, indem ich ihre bebende
Hand an mein Herz drückte, ,,so wären sie nicht alle verlöscht?
Ihr viel sagendes Stillschweigen, Clärchen, liebes Clärchen!
zu welchem verwegenden Gedanken muß es mich nicht berechtigen? Doch
es sey darum! mag der Schwarzkünstler sein letztes Kreuz noch so versteckt
haben ich hoffe, es zu finden und zu tilgen. Und indem ich sprach,
sehnten sich meine lüsternen Augen nach dem Anblicke der heiligen
unverhüllten Natur mein Kunstgefühl stieg auf´s höchste,
und arbeitete, wie es alle menschliche Kräfte thun nach Beruhigung.
Um der eilf tausend Jungfrauen willen, mein Herr, rief nun das höchst
erschrockene Kind, ,,nimmermehr! und wenn Sie Bischof und wenn Sie Papst
wären Sind sie von Sinnen, mein Herr? Was verlangen Sie? Dich,
dich Clärchen, rief ich entschlossen, ,,nur dich in deiner ganzen
Wahrheit und Unschuld! Glaubst du denn, daß mich der heilige Vater
gesandt hat, dich einzukleiden? Weißt du nicht mehr, was alles das
Urtheil besagt, das du dir selbst bey unsern Schiedsrichtern geholt hast?
Diese Erinnerung kam zu rechter Zeit. ,,Ach, wie konntest du, Pater
Lessau, schluchste sie nur noch, ,,wie konntest du, Pater Bauny, so etwas
gut heißen? Und sie sträubte sich nun wie ein gehorsames
Kind. In einer bänglichen Minute kam sie erröthend dem schlafenden
Engel in einer andern dem Ablaßbriefe vorbey und immer näher
dem Sopha und nun Doch Freund, was erschöpf´ ich meinen
Athem in alltäglicher Prosa? Ist die Größe und Seltenheit
meiner Erfahrung in dieser feyerlichen Stunde ist sie nicht mehr werth?
und kann es Bilder geben, die des Firnisses der Dichtkunst würdiger
wären, als die Hingebung einer Heiligen in das allgemeine Schicksal
der Schönheit? So denke dir denn, lieber Eduard, die beängstigte
Heilige, denke dir Claren, kurz vor dem Hintritte in den Freystaat der
Natur, dicht neben mir auf dem traulichen Sopha
Mit schnellern Schwingen schien mein Traum
Als selbst der Gott der Zeit, zu fliegen.
Das Chor begann, die Glocken schwiegen,
Und unsre Tante mochte kaum
Am Schämel ihres Götzen liegen,
Als meine Küsse schon den Raum
Des Aethers theilten, und den Saum
Von Clärchens Halstuch überstiegen.
Sie flatterten dem Silberschein
der Brüßler Kanten wie die Mücken
Dem Licht, zu, voll Sorgen in die fein
Gesponnenen Verräthereyn
Die Flügelchen nicht zu verstricken,
Und schwirrten auf und ab, und flogen aus und ein,
Bis es dem Schwarm gelang, das letzte kalte Nein
Auf Clärchens Lippen zu ersticken.
Du, des Enthüllens werth, du, wie die
Wahrheit rein,
Um angethan wie sie zu seyn,
Bespiegle dich in ihren Blicken!
Ihr eigner Nimbus hüllt sie ein;
Die deckt die Quellen nicht, die ihr die Kraft verleihn,
Das Universum zu erquicken,
Läßt gern ihr Heiligthum mit Frühlingssprossen schmücken,
Und Primeln sich am liebten weihn,
Und kann dir nein sie kann dir nicht verzeih´n
Mit Nadeln ihren Freund zu picken.
Hör auf, beschwör´ ich dich, bey diesen Streifereyn
In ihr Gebiet, bey diesen kleinen Lücken,
Die ich dir abgewann, bey diesen Tändeleyn,
Die mich so königlich beglücken
Hör auf, den Prediger der Wahrheit lahm zu zwicken!
Mariens Band ist lange noch nicht dein,
Und nach dem päpstlichen Verein
Wird mancher Flor sich noch verrücken.
So sprach ich ihr an´s Herz allein
Die Fromme schrie, als wollte sie die Krücken
Des heilgen Synklets erschreyn:
Dir, fleh´ ich, Trägerin der großen Eins in Dreyen,
Dich schwesterlich zu mir herab zu bücken!
Hilf, Heilige von Falkenstein,
Hilf mir und hilf vor allen Stücken
Mein sprödes Kleinod mir befreyn!
Hab´ ich nur erst, was himmlisch ist, im Rücken,
So mag die Weltlust kurz und klein,
Was irdisch an mir ist, zerpflücken.!
Dein Kleinod? Ja mein Herr! Sind Sie denn vor Entzücken
Ganz blind? und wollen Sie denn mein
Mein heiliges Nicaisen=Bein
Das mir hier hängt, durchaus zerknicken?
Nach Ihrer Art, Sich kräftig auszudrücken.
Was könnte da wohl haltbar seyn?
O! rief ich, den will ich schon weiter schicken;
Kein Heiliger soll uns entzweyn!
Ein holder Augenblick befreyte
Sie dieser frommen Angst. Vergnügter als dies zweyte,
Knüpft´ ich ihr kaum das erste Bändchen ab,
Das mir in unserm offnen Streite
Das Kaperrecht auf alle gab.
Frey irrte nun mein Blick, so bald als der Geweihte
Zu Tage kam, die Läng und Breite
Des aufgehellten Pfads herab.
Welch Labyrinth! als schwebt´ es erst seit heute
Im Raume der Natur als hätt´ ein Zauberstab
Die kleinen Hügelchen zur Seite
Aus Aether aufgewölbt Und wäre dieß ein Grab
Für kalte Katakomben=Beute?
Und hier, wo du, geliebte Dulderin,
Kaum meinen Kuß verträgst, hat dein bethörter Sinn
Ein morsches Todtenbein gelitten?
Und ich? ich sollte nicht an diesen Küsten hin,
Weil ich nicht Sanct Nicaise bin,
Um eine kleine Landung bitten?
O! ihr! die mit dem Geist des Malers von Urbin
Den höchsten Preis der Kunst erstritten,
Malt, es wird Zeit, malt mir der Unschuld Cherubin,
Der, aus dem Staub der Welt nach dem Olymp zu fliehn
Schon im Begriff die Fittige beschnitten
Sich fühlt; malt seinen Glanz malt seine Angst malt ihn
Vermögt ihr´s, wie er mir erschien,
Ganz im Costum der Adamiten!
Wie unterm vollen Mond die Nebel sich verzieh´n,
Trat jetzt aus dem Gewölk von Flor und Musselin
Der junge Busen vor. Zum erstenmale glitten,
Der Indulgenzen froh, die ihm der Papst verlieh´n,
Der Sonne Strahlen über ihn.
Kein reinerer vereint, seit dem Verfall der Sitten,
Von Ilium bis Rom, von Paphos bis Stettin,
Mehr Augenlust für Sybariten
In seinen Pünktchen von Carmin,
Und keiner blähte sich mit wildern Phantasien
Der Angst, so vor der Zeit, den Rubicon beschritten,
Die Blumen abgemäht, die unter ihm gediehn,
Sein ganzes Tempe mit Ruin
Verdeckt zu sehn, so bald es, mitten
Im Bausche des Gewands, der List gelang, den dritten
Und letzten Knoten aufzuziehn.
* * *
Einen Augenblick Geduld, lieber Eduard! Ich
stehe hier, zwar nicht wie ein Herkules, doch wie ein verschämter
deutscher Schriftsteller, am Scheidewege. Der eine seiner Pfade, der zur
Wahrheit führt, die ich jetzt vor Augen habe, leitet offenbar von
der conventionellen Bescheidenheit abwärts. Halte ich mich an diese,
so soll mich zwar eine der gewöhnlichen Wendungen geschwind genug
aus dem schlüpfrigen Handel gezogen haben; aber mein Tagebuch, das
mich und Clärchen bis zu diesem kritischen Augenblicke ganz so schilderte
wie es uns fand, wird dafür in den Augen eines so offen denkenden
Menschenbeobachters, als du bist, den größten Theil seines Werths
verlieren. Was soll ich thun? ,,Gehe den Weg der Wahrheit: rufst du mir
zu, ,,und erinnere dich deines Versprechens! Gut! so laß mir wenigstens
vorher vielleicht hätte ich es schon längst thun sollen für
alle die unbefangenen Seelen, die mir nachschlendern ohne zu wissen wohin?
einen Strohwisch als Warnungszeichen ausstecken! Denn obgleich meine Malereyen
nur Dir gewidmet sind, so giebt es doch der möglichen Fälle so
viele, durch die sie in unrechte Hände gerathen, ruhige Herzen in
Wallung setzen, und zärtliche Augen, die Ehrfurcht gebieten, beleidigen
können. Werden denn nicht täglich die vertrautesten Briefe durch
den Druck bekannt, die uns über die Tugend längst verblichener
Vestalinnen über die Ehrlichkeit manches zu seiner Zeit berühmten
Menschenfreundes, und über die praktische Philosophie unserer Lehrer,
das Verständniß öffnen? Ich muß allemal lächeln,
wenn ich unter den Beichten, die sich Busenfreunde, wie wir, in einer geheimen
Correspondenz, nur unter vier Augen abzulegen glauben, die Bitte lese,
sie sogleich zu verbrennen. Es ist als wenn jeder Brief durch diese Formel
erst recht feuerfest würde, und für das Ganze, worauf ich gern
alles beziehe, mag es auch recht gut seyn, daß kein Freund hierin
den andern ehrlich bedient. Denn wenn noch zehn Alexandrinische Bibliotheken
in Rauch aufgingen, es wäre für die wahre Menschenkunde lange
kein so großer Schade, als wenn dieß Schicksal jenen traulichen
Ergießungen des Herzens widerführe, die zu allen Stunden in
Postpaketen verschickt werden. Ein wahrheitsliebender Genius scheint über
ihre Erhaltung zu wachen, und dadurch das Problem zu lösen, warum
die Nachkommen von den Scenen vergangener Jahrhunderte richtiger urtheilen
als die Zeitgenossen, die mit ihren Nasen dabey waren. Sie sahen zwar den
Erfolg, glaubten sich klug in den Zeitungen zu lesen, und tappten nichts
desto weniger im Finstern. Die wahren wirkenden Ursachen der Begebenheiten
kann sicher nur erst das darauf folgende Zeitalter entwickeln, das die
geheimen Schubfächer der abgetretenen Acteurs ohne Rücksicht
auspackt, und gegen einander vergleicht. Dann erst sieht man, wie einer
den andern mit falschen Wechseln und falschen Quittungen betrog; wie dieser
und jener große Mann die Marionette seines Schreibers, der Spott
seiner Vertrauten, der Ball seines Weibes, seines Kanzlers oder seiner
Buhlerin war, ohne es nur zu ahnden; lächelt über die geringfügen
Mittel, durch die der Regierer der Erde ihr bald Convulsionen erregt, bald
ihren Schlummer bewerkstelligt; und spottet herzlich über die festen
Erwartungen eines ewigen Nachruhms, der oft, kaum zwanzig Jahre nachher,
durch ein glücklich entronnenes Papier verrathen, als eine lächerliche
Anmaßung der großen Männer die darnach zielten, documentirt
wird. Nun wäre mir zwar in Absicht des Nachruhms das dereinstige Schicksal
meines Tagebuchs so ziemlich gleichgültig; aber doch möchte ich
gern, so viel an mir ist, alles mögliche Unglück verhüten,
das durch seine Erhaltung entstehen könnte. Und wenn es sich zutrüge,
daß allererst hundert Jahre nach meinem Tode, wo ich von dem schönen
Geschlechte weder etwas mehr zu hoffen noch zu fürchten habe, ein
unschuldiges und mit den Zumuthungen der Liebe unbekanntes Kind meine zeitige
Handschrift aus dem Staube eines alten vergessenen Schrankes hervor kramte,
und sich nun bis hierher so glücklich hinein buchstabirt hätte,
um ohne Anstoß weiter fortlesen zu können, so sollte es mir
noch leid thun, wenn es nicht abgerufen würde. Erlaube mir immer,
mein Eduard, daß ich mich diesen nach Wahrheit strebenden Geschöpfen,
die noch nicht wissen, daß ihnen nicht jede Wahrheit gut ist, mit
einer freundschaftlichen Bitte entgegen stelle.
Lesen Sie also nicht weiter, meine jungen liebenswürdigen
Freundinnen aller folgenden Jahrhunderte, wenn Ihnen die Ruhe Ihres Herzens
und der Glaube Ihres künftigen Eheherrn lieb ist! Es ist wahrlich
nicht der Mühe werth, daß Sie Ihre Augen mit diesem veralteten
Plunder verderben! Studieren Sie lieber eines von den schönen moralischen
Werken, in denen es vermuthlich Ihre Zeit der meinen um ein großes
zuvor thun wird! Stecken Sie Ihr Halstuch fester, das ein wenig klafft!
Ziehen Sie Ihre Schleifen enger zusammen, und lassen Sie mich jetzt ruhig
mit meinem Freunde schwatzen! Ein junger Mensch, der sich mit einem andern
Flüchtling über die Irrthümer seiner Jugend unterhält,
geschähe es auch nur aus der weisen Absicht, der Eitelkeit der verführerischen
Wollust näher auf die Spur zu kommen, ist wirklich kein Gegenstand
der Aufmerksamkeit eines behutsamen Mädchens; und ich gestehe Ihnen
offenherzig, daß ich nichts weniger als die Ehre Ihrer Gegenwart
bey dem nächsten Auftritte erwarte. Ich sage es Ihnen im voraus. daß
dort alles bunter durch einander gehen wird, als Ihre stille Lage vertragen
kann. Sie würden, wie Sie auch wohl schon aus den Vorbereitungen geschlossen
haben, nichts mehr oder weniger, als die geheimen Reitze einer Heiligen
bloß gestellt finden eine Ansicht, die, bey der Kenntniß
Ihrer eigenen Reichthümer, Ihr Auge nur empören muß, ohne
es zu befriedigen. Sie würden sehen Sie Sich in den Spiegel! eine
Person von gleichem liebenswürdigen Anstande in einer Unordnung finden,
in die Sie hoffentlich nie zu gerathen wünschen. Und sollten Sie vollends
einen Seitenblick auf mich werfen ach! so würden Sie noch weniger
begreifen können, wie ein Verehrer der unbescholtenen Sittsamkeit
Ihres Geschlechts ihr jemals so nahe zu treten im Stande seyn konnte. Die
Wißbegierde meines forschenden Geistes, mein natürliches Kunstgefühl,
mein Contract mit Clärchen, und die berauschende Hitze des hiesigen
Clima's, würden mich doch nur schlecht bey Ihnen entschuldigen; auch
würde das Versprechen, mich künftig artiger zu betragen, nur
wenig bey so holden Geschöpfen verfangen, die ich einmal genöthigt
hätte, sich gleich den empfindlichen Pflanzen, in sich selbst zurück
zu ziehen; und, was mich am meisten kränken würde, ich könnte,
wenn Sie meine Geschichte nun ganz übersähen, mit der Wahrheit
in ein Geschrey kommen, das sie doch nicht immer verdient. Die Lehre,
die etwan für Sie, meine Freundinnen, in meiner Begebenheit liegt,
sind Sie gewiß schon scharfsichtig genug gewesen auszufinden, und
Ihrem Herzen einzuprägen, da ohnehin schwerlich einer meiner moralischen
Vorgänger sie Ihnen anschaulicher gemacht hat. Um jedoch allem Mißverstandnisse
zuvor zu kommen, will ich sie hier zum Ueberflusse mit dürren Worten
wiederholen: Willst du zu den klugen Jungfrauen gehören, liebes Mädchen,
so sey geitzig mit allem was dir angehört! Laß dich weder durch
männliche Bitten, kämen sie auch aus dem Munde eines Casuisten,
noch durch dein eigenes weibliches Gefühl, das oft noch casuistischer
ist als jene, zu der anscheinenden Kleinigkeit verleiten, auch nur dein
abgelegtes Strumpfband gegen ein anderes zu vertauschen, das dir dein Liebhaber
anbeut, hätte es auch selbst die Mutter Gottes getragen! Trauen
Sie meinen Worten, lieben Kinder! der Satz, der ietzt so fest steht, möchte
nur locker werden, wenn Sie daran künsteln und nach Beweisen forschen
wollten, die ihn noch mehr bestätigen. Ich habe denen, die meinem
Rathe folgen aber auch leider habe ich derjenigen von Ihren Gespielinnen
nichts weiter zu sagen, die, ungeachtet meiner redlichen Zurechtweisung,
es dennoch wagen kann, den Vorhang von der anderen Hälfte meines Natur=
und Kunstgemäldes wegzuziehen. Sie büße die Strafe ihrer
Verwegenheit, und gebe mir keine Schuld, wenn sie in den Tropfen der schwachen
Hortensia Hülfe suchen, und ein geschwindes Kopfweh vorschützen
muß, um bald auf ihr Ruhebette, ihrem nachdenkenden und nachfragenden
Liebhaber aus den Augen zu kommen. Ja, wenn es nach Zeit und Umständen
noch gefährlicher abliefe, ich bin außer Schuld, und verwahre
mich hierdurch auf das feyerlichste gegen alle Vorwürfe ihrer Frau
Mutter, und gegen die Verweise ihrer eigenen reuigen Thränen, so wie
ich dagegen von Herzen gern auf den Dank des Entzückens Verzicht leiste,
den mir, eine Stunde nach der verbotenen Lectüre, ihr Hausfreund möhte
schuldig zu seyn glauben.
Ich hoffe nun, durch die Gegenwart der Unschuldigen,
denen ich mich eben empfahl, nicht weiter gestört, den Rest meines
merkwürdigen Traums mit dir allein abzuthun, lieber Eduard; indeß
wünschte ich doch, daß du mir noch über die Zeit, die ich
mir schon selbst nahm, und mit jenen neugierigen Kindern verplauderte,
aus eigener Gutmüthigkeit einen kurzen Aufschub vergönntest,
ehe ich meinen Pinsel wieder aufnehme. Die Büste des Engels, den ich
male, hat mich sehr angegriffen; meine Hand zittert noch, und ich brauche
Erholung. Ach! wäre es so leicht, die Natur in ihrer Enthüllung
zu zeichnen, würden wohl die Titiane so rar seyn? Da ich nun ohnehin,
bey aller meiner Pünktlichkeit, eines Hauptschmuckes meiner heutigen
Toilette zu erwähnen vergaß, der in manchem Betracht eine besondere
Beschreibung verdient, so kann ich ja das erbetene Viertelstündchen
nicht schicklicher gewinnen, als wenn ich sie hier einschiebe. Es ist ein
optisches Kunststück in einem Ringe, den mir vor vielen Jahren eine
junge Putzhändlerin auf der Frankfurter Herbstmesse verkaufte. Es
macht mir noch eine kindische Freude, wenn ich an diesen drolligen Handel
gedenke noch drolliger beynahe als mein jetziger mit Clärchen. Als
ich in ihre schimmernde Bude trat, war, nach ihr, ein Kästchen mit
Ringen das vorzüglichste, was mir in die Augen fiel, nicht etwan der
kostbaren Steine, sondern der hübschen Mignaturen wegen, die jene
ersetzten, und die mir damals über alles gingen. Zwey davon zogen
mich durch die große Aehnlichkeit mit der jungen Verkäuferin
am meisten an. Dieselbe unschuldige, gefällige Miene dieselben feurigen
braunen Augen dieselbe reine weiße Haut dasselbe Roth des
küssenswerthen Mundes alles war auf das Sprechendste in diesen kleinen
Porträten ausgedrückt. Man hat es mir schon mehrmal gesagt,
antwortete sie, als ich ihr meine Entdeckung mittheilte: ,,Es ist ein Zufall,
der vielleicht nur ihren Verkauf hindert. Diese ungezwungene Aeußerung
der Bescheidenheit eines so artigen Geschöpfes verdiente doch wohl
ein Compliment. lieber Eduard? Ich wußte ihr kein größeres
zu machen, als daß ich, zum Beweise wie ungerecht ihre Furcht sey,
ihr einen dieser Ringe abkaufte. ,,Was kostet das Stück? fragte
ich lächelnd. ,,Dieser hier, antwortete das Mädchen, ,,zwei
Louisd'or, und der andere achte. ,,Und warum das?" fragte ich weiter:
,,Ich sehe doch keinen Unterschied zwischen diesen beyden Bildern; das
eine sieht Ihnen so ähnlich, als das andere sie sind mit gleichem
Fleiße gemalt, und so viel ich beurteilen kann, sind auch die Reife
von einerley Weite, Größe und Gehalt." ,,Von alle dem," versetzte
das junge Ding, ,,kann ich Ihnen keine Rechenschaft ablegen. Ich vertrete
hier nur die Stelle meiner Mutter, die anderwärts zu thun hat, und
kann Ihnen nur die Preise angeben, die sie bestimmte, ohne daß ich
für mein Theil etwas mehr vorschlage." Das machte mich nur noch stutziger.
Anstatt den wohlfeilen Ring zu kaufen, besah ich den theuern mit äußerster
Neugierde; und es währte nicht lange, so entdeckte ich an ihm einen
Punkt, groß wie ein Nadelstich, der an dem andern nicht war. Ich
vermuthete eine verborgene Feder, und betrog mich nicht. ,,Ach! liebes
Kind," rief ich ungeduldig, ,,Sie haben da eine goldene Nadel vorstecken;
darf ich wohl auf einen Augenblick darum bitten?" Das gute Mädchen
zog sie so unbefangen heraus, als ich darum bat das Halstuch flatterte
auf beyden Seiden, und das Brustbild ward ihr noch ähnlicher; aber
kaum stach ich in den Ring, so sprang der Krystall auf, ihre sittsame Büste
verschwand, und es erschreckte mich ein so schönes Kniestück
vor ihr, daß ich über und über roth ward. ,,O, jetzt
begreife ich," sagte ich mit funkelnden Augen, warum dieser Ring noch
dreymal so viel werth ist als der andere. So con amore *) gemalt,
habe ich keine Mignatur noch gesehen. Ihre Frau Mutter muß den Handel
vortrefflich verstehen; denn der Ring ist des Geldes unter Brüdern
werth. ,,O gewiß, mein Herr," sagte sie gleichgültig,
,,übertheuern wir niemanden." ,,Für einen großen Thaler,"
fuhr ich fort, ,,überlassen Sie mir auch wohl Ihre goldene Nadel,
die zum Schlüssel des Rings wie gefünden ist?" ,,Von Herzen
gern," antwortete das gutmüthige Geschöpf, und das Halstuch flatterte
nun so lange vor meinen Augen fort, bis ich das Gold sortirt und aufgezählt,
sie es durchgewogen und eingestrichen, und ich des schönen Anblicks
vor der Hand genug hatte.
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*) Diesen Ausdruck. den ich damals gebrauchte, hat unser
Wieland seitdem so Mode gemacht, daß ich ihn sogar vor einiger Zeit
in der Predigt eines Candidaten von der Kanzel gehört habe.
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Ich war damals ein blutjunger Mensch, Eduard,
der das Geld nicht achtete, das tanti
poenitere non emo nicht begreifen konnte, und an allen Ecken
der Stadt betrogen wurde. Aber diesen Ring wenigstens habe ich gewiß
nicht zu hoch bezahlt; denn, ungerechnet, daß, so lange ich auf der
Messe war, nicht ein Tag verging, wo ich mir nicht die Lust machte, seine
Feder ein paarmal springen zu lassen, und kein Abend, wo es mir nicht durch
seine Vermittelung gelang, dieß artige Kind in ihr Quartier zu begleiten,
hat er mir auch noch in der Folge meines Lebens die wichtigsten Dienste
geleistet. Die Ringe des Giges und des Salomo in Ehren, hat doch sicher
keiner eine so süße magische Kraft von sich geströmt, als
der meinige. An seinen Besitz scheint das Geschick die vielen glücklichen
Stunden geknüpft zu haben, die ich seit jenen erstern der Frankfurter
Messe verlebte. Sollte auch die junge Putzhändlerin noch nicht ganz
von der Oberfläche unserer Erde verschwunden sein, so würde ich
sie doch schwerlich jetzt aus ihren Runzeln hervor ziehen können,
wenn sie mir irgendwo wieder aufstieße; aber das jugendliche Andenken,
das sie mir mit dem Ringe übergab, wird hoffentlich mir so lange noch
zu Hülfe kommen, als ich unter den Lebenden wandle. O du überschwengliches
Glück der Einbildungskraft und der Erinnerung! Und doch wie wenig
wirst du in unserm Alltagsleben benutzt! als ob wir Armen unserer flüchtigen
Freuden noch so sicher, und des wiederholten Genusses der gegenwärtigen
Augenblicke noch so gewiß wären! Ließe jeder Ehelustige
seine Braut am Tage ihrer Uebergabe in dem Costume meiner Putzhändlerin
unter dem Krystalle seines Traurings mahlen, die erste Auslage würde
ihm in ältern Jahren zehnfach wieder zu gute kommen. Wie mancher widrigen
Stunde der Erschlaffüng würde er durch diese Kleinigkeit wieder
aufhelfen! Wie manchem häuslichen Zwiste könnte er mit diesem
Documente, das beyden Theilen zum Beweise dienen würde, vorbeugen!
Warum rettetet ihr nicht, ihr Veralteten, einen Feuerbrand aus eurer Jugend,
an dem sich jetzt euer erkaltetes Herz erwärmen, und der euch mit
wiederkehrenden Kräften beleben könnte? So stecke ich allemal,
und selten umsonst, meinen Frankfürter Ring an den Finger, wenn ich
nöthig habe den jungen Herrn zu spielen. Er dient mir oft als ein
Medusen=Kopf, mit dem ich den feindlichen Ernst aus meinem Museum verjage;
und nie vergesse ich, ihn in so kritischen Stunden zu tragen, als mir heute
zu Theil wurden. Wundershalber will ich nur sehen, wie lange er seine magische
Wirkung noch äußern, und ob nicht, wenn seine Feder erschlafft
und seine Farben verbleichen, auch endlich sein jugendlicher Einfluß
auf mich selbst verschwinden wird?
Doch ich bin und bleibe ein Schwätzer,
und vergesse immer die eine Geschichte über die andere. Mache es nur
jetzt, um geschwind von der Sache zu kommen, wie ich es eben mit dem Ringe
gemacht habe, lieber Eduard; besieh erst noch einmal auf das genaueste
das artige Brustbild meiner Heiligen die verschämte ängstliche
Miene das belebte Colorit, und das Steigen und Fallen ihrer frommen Empfindungen;
und nun wende geschwind das Blatt um, wenn du dir auch die andere Hälfte
des pitoresken Anblicks gönnen willst, den ich erlebte. Du gehörst,
gottlob, nicht zu jenen Unerfahrnen, die ich verscheucht habe, und es würde
wohl sehr lächerlich herauskommen, wenn ich einem Manne, wie du bist,
meinen guten Rath mit auf den Weg geben wollte.
Als Schüler Epiktets, weißt du zu
gut den schnellen
Begierden zu entfliehn. Dich wird kein Uebersprung
In's Thal der Leidenschaft den Faunen beygesellen,
Die meine Muse, trotz dem Diadem von Schellen
Auf ihrem Haupte, nie besung.
Die Weisheit führe dich mit Glück durch jene Wellen=
Und Schlangenlinien den angestaunten Zellen
Der feinsten Haut vorbey, bis in die Dämmerung
Der Werkstatt der Natur, die selbst mein Adelung
Zu schüchtern ist dir aufzuhellen.
Blick, alter Freund, blick her! An diesen Wunderquellen
Sah sich ein Nestor wieder jung.
Wie bebend stand sie da, die Perle der Pücellen!
Wie ein verklärter Geist, den an des Himmels Schwellen
Ein Schauer der Verherrlichung
Zum erstenmal ergreift! Sie, jedem Dichterschwung
Zu hoch, sie traulicher dem Auge darzustellen,
Ist keine Sammlung von Pastellen,
Ist keine Sprache reich genung.
Wie ward mir! Ach, aus meinen Augen blickte
Ein Herz, das wie ein Gott genoß;
Die Stimme fehlte mir in meinen Adern floß
Ein Feuerstrom, der sie nur stärkender erquickte,
Je wütender er sich ergoß.
Die Lieb' in Ungestüm verweilte nirgends pickte
Ein Röschen hier, das seinen Kelch verschloß,
Eins dort, das sich schon besser schickte,
Schon prahlender in Blätter schoß,
Und jedes, den die lange Zeit verdroß,
Die es umsonst im Schutz der lnterdicte
Der Lüsternheit entgegen sproß.
So schweifte mein Gefühl mit wechselndem
Gewinste
Durch Berg und Thal, den Bienen gleich, und sog
Sich voll flog schwerer und verflog
Zuletzt sich an das Kreuz, das unter Florgespinste
Des Propstes Zaubergriffel zog.
Wie ängstlich flatterten die aufgeschreckten Reitze
Der Scham, den Tauben gleich bey einer Reiherbeitze.
Von allen Scherzen ausgezischt
Aus dem Tumult. Genug! Mit Thränen untermischt,
Wird nun der Opfertrank dem lang' getäuschten Geitze
Des hungrigsten der Götter aufgetischt.
Doch kaum begann das Fest, die Augen angefrischt,
Sah ich kaum, unter mir, von dem versteckten Kreuze
Des Propstes den Contour verwischt,
So fühlt' ich schon mit jedem Blick von Claren
Die Strahlen seines Banns mir in das Auge fahren,
Das wild bis an die Schranken lief,
Die, ihm zwar weit genug durch meinen Ablaßbrief
Geöffnet, doch zugleich mit einer wunderbaren
Geheimen Kraft gesegnet waren,
Die alles, was im Reich der Phantasieen schlief,
Die Gränzen zu bedecken rief.
Gespenster stiegen auf; die Gegend wurde trüber,
Sturm zog sich um den Kreuzgang her;
Mir war als schleudre mich ein ungestümes Meer
In das Gebiet der Schatten über,
Gelähmt zu jeder Wiederkehr;
Mir war als schlüge das Gebelle
Des Höllenhundes an mein Ohr;
Mir war als ob der Danaiden Chor
Sich mir mit ihren Eimern vor,
Und neben mir sich der Verdammte stelle,
Der, ewig durstend an der Quelle,
Die Tropfen zählt, die er verlor.
Neugierig streckte sich so mancher Diebsgeselle
Verbotner Freuden aus der Welle
Des Phlegethons nach mir empor = = =
Doch was erhebt dort aus dem Feuer
Des Orkus sich für ein Koloß?
Entsetzlicher, als selbst die Ungeheuer
Aus jenem fabelhaften Troß!
Die Dietriche des Himmels glühen
In seinen Händen Funken sprühen
Von seinem purpurnen Talar!
Sein Nimbus schwebt im Qualm der Seuchen,
Die ihm die neue Welt gebar! *)
____________________
*) Während seiner Hierarchie ward Amerika entdeckt.
Als Statthalter Gottes bestätigte er dem Emberer den eigenthümlichen
Besitz durch einen Schenkungsbrief. und überschwemmte sogleich den
neuen Welttheil mit Mönchen, die für das Evangelium. das sie
dahin trugen. im Tausch jene unglückliche Krankheit zurück brachten.
die selhst die ersten Quellen der Natur vergiftet.
____________________
Sie nagen sein Geripp, und scheuchen
Der Neugier Blick von seinem Schlangenhaar!
Sein Haupt, das frech drey Kronen auf einander
Gethürmt, sein Fürstenstuhl, den eine nackte Schaar
Umzingelt, stellen mir im Glanz der Salamander
Das Oberhaupt der Kirche dar;
Ihn, der, verwüstend wie ein Brander,
Auf Titus Thron Papst Alexander,
Jetzt mir auf Clärchens Brust ein Unterhändler zwar,
Doch selbst auch hier, wie vor dem Hochaltar,
Ein ehrvergeßner Abgesandter
Des Todes und der Sünde war.
Statt einem Lorberkranz zog spottend der Barbar
Ein Leichentuch um meine Schwanenbetten;
Mein Auge schwindelte im Bann
Des Propstes, und erstarb die letzte Oelung rann
Kalt über mich, und Todtenmetten
Vereitelten den Amoretten
Die Ueberfahrt nach Canaan.
Mir schien als schleppe mich ein brausendes Gespann.
Mit Krepp behängt, mit traurigen Aigretten
Bekrönt, dem Hügel zu, wo man
Das Glück der Schlafenden schon aus dem Kranz von Kletten,
Der ihn umweht, errathen kann.
Erschreckt durch solch ein Bild, sah ich mich um, und sann,
Nur noch den Rest der Seligkeit zu retten,
Die mir mein Document gewann.
Umsonst! Die Hölle schien auf meinen Fall zu wetten;
Dem schwindenden Phantom begann
Mein eifersüchtiger Tyrann
Ein neues Blendwerk anzuketten.
Schon dreymal hatt' ich mich in den Bezirk gewandt,
Wo sich mein erster Blick mit Hoffnungen verband,
Die lange noch nicht eingetroffen;
Und dreymal prallt' ich ab, gleich einem, der am Strand
Calabriens sein schönes Mutterland
Vergebens wieder sucht. Sein Gärtchen ist ersoffen;
Sein alter Spielplatz ist mit Sand
Bedeckt sein Veilchenthal steht jetzt bis an den Rand
Voll Nesseln, und er sieht dort den Charybdis offen,
Wo sonst ein Meilenzeiger stand!
Doch hier entfällt die Feder meiner Hand,
Ich geb' es auf den Stoff noch besser auszustoffen. *)
____________________
*) Ein gewagtes Wort für etoffer
____________________
G'nug! Eh' ich mich in diesem Schutt und Brand
Ein wenig nur zu rechte fand,
Zerfloß mein Jugendtraum ach! wider mein Verhoffen
Selbst wie ein Schatten und verschwand.
In mancher Fährlichkeit, wenn ich bald
Menschenhasse,
Bald frommer Heucheley die freye Stirne wies,
Wenn ich in dunkler Nacht, trotz meinem Weisheitspasse,
Mich manchmal an die Nase stieß,
Malt' ich mich dir so gern; doch dießmal, Freund, erlasse
Den Umriß mir der kläglichen Grimasse,
Die mir mein Unfall hinterließ.
Der Sohn des Dädalus fiel, glaub' ich, nicht viel strenger
Bestraft, vom Himmel in die See;
Die traurigste Gestalt schlug nicht ihr Auge bänger
Nach Rosinanten in die Höh';
Kein Wittwer fühlte sich wohl je
Verwittweter als ich; selbst nicht der Minnesänger
Der höllischen Euridice.
* * *
,,Ach, Clärchen, ach! wo kamen die Bilder
die schrecklichen Bilder her?" rief ich trostlos aus, indem ich dem lieben
Kinde von unserm traulichen Sopha herunter half. Was denn für Bilder?"
fragte sie, trat zugleich vor den Spiegel, ohne auf meine nachstrebenden
Blicke zu achten, und schon rollte der Vorhang über jene heiligen
Kleinodien, die vielleicht von mehr Gespenstern bewacht wurden, als je
einen Schatzgräber erschreckt haben. Sie hatte so eine Eil damit,
als wenn sie befürchtete, ein einziger Sonnenstrahl schon könnte
dem herrlichen Gemälde, das ihr so rein und treu, wie aus einem Krystall
wiederschien, alle seine Schatten und Lichter ausziehen. Mein Herz war
beklemmt es fühlte mit Wehmuth seinen Uebergang aus der schönen
Natur in die gemeine Welt. ,,Nun mein Herr," wiederholte sie, während
sie ihren ersten Unterrock über sich warf, ,,was für Bilder waren
es denn?" ,,Blendwerke der Hölle," antwortete ich. ,,Sie hätten
wohl einen Riesen aus seiner Fassung bringen einen Furchtsamern als mich
wohl tödten können. ,,So bin ich denn recht froh," fiel sie
mir in das Wort, ,,daß wir noch so gesund beysarnmen sind." Und dabey
knüpfte sie die Hauptschleife, von der ich dir, glaube ich, schon
oben etwas gesagt habe, wohl noch einmal so fest zusammen, als sie war,
da ich sie aufzog. Wo ich hinsah,'' fuhr ich fort, ,,lagen die Phantome
vor mir, stiegen mir nach wo ich hindachte, und haben mir den schönsten
Handel verdorben, der wohl je über eine Reliquie geschlossen ward."
,,Das thut mir herzlich leid, mein Herr," erwiederte sie, und langte
nach ihrem Nadelküssen. ,,Ohne die Mühe des Aus- und Anziehens
eben hoch in Anschlag zu bringen, würde ich sie mir doch ganz erspart
haben, hätte ich vermuthen können, daß Ihnen dieselbe Ansicht,
auf die Ihr Eigensinn so hartnäckig bestand, so übel bekommen
würde. Weder Pater Bauny," sagte sie, und fuhr in den einen Aermel
ihres Mieders, ,,noch der Pater Lessau," und sie fuhr in den andern, ,,weder
Sie noch der Papst," und sie fing sich an einzuschnüren, ,,würden
mich haben bereden können, Ihnen damit beschwerlich zu fallen, wenn
ich, wie gesagt, es gewußt hätte." ,,Sie sind die Güte
selbst, Clärchen, und so aufrichtig als schön, um desto mehr
ist es zu bejammern, daß so viele Vollkommenheiten unter dem Drucke
eines Zauberers liegen." ,,Wie, mein Herr?" drehte sie sich verwundernd
nach mir um: ,,Halten Sie den Schutz der Mutter Gottes das Kreuz der
heiligen Cäcilia, für Zauberey? und rechnen Sie die frommen Interdicte
meines Seelsorgers unter die verbotnen Künste?" Ich ließ mich
durch ihre Frage nicht irren. ,,Unbegreiflich!" fuhr ich nur noch ingrimmiger
fort, je fester sie ihr Schnürleibchen zusarnmen zog, ,,wie ein Propst
gegen einen Papst ein gemeiner Schwarzkünstler gegen den größten,
so ganz ohne Widerrede Recht behielt!" - ,,O! mein Herr," fiel sie mir
hier sehr ernsthaft ein, ,,seine väterliche Fürsorge für
mein Bestes = = = ,,Was meynen Sie damit? Clärchen!" fragte ich
in der albernsten Zerstreuung ,,verdient auch selbst in Ihrem Munde,
diese Schmähung nicht. Wie können Sie nur den guten Mann mit
Ihren Phantomen in Verdacht haben? Wie hätte er denn Ihren Handel
verderben können, der, glauben Sie mir, viel zu sonderbar war, als
daß ihn selbst ein Prophet hätte errathen sollen? Thun Sie immer
der Wahrheit die Ehre, und gestehen Sie, daß Sie nichts mehr als
Ihre eigene Schuld trugen, und da Sie über alle unsere Ein= und Ausgänge
die Kreuze des Propstes mit lachendem Muth verwischten, Sie nothwendig
die rächenden Geister wider Sich empören mußten, die diese
heiligen Zeichen umschweben. Es ist mir lieb, daß Sie aus eigener
Erfahrung lernen, wie wenig Ihr Glaube gegen den unsern vermag, und daß
man ungestraft auch das geringste Geschöpf, nicht unrecht ansehen
darf, das unter dem Schutze der Heiligen steht. Aber mein lieber Herr,"
fuhr sie jetzt mit mehr Theilnahme fort, ,,da Sie nun das erfahren haben,
wie mögen Sie sich immer noch nicht besser mit Ihren Augen in Acht
nehmen? Sie verfolgen ja jede Nadel die ich mir anstecke, als wenn Ihnen
noch so viel an Ihrem Schwindel gelegen wäre. Warum setzen Sie Sich
nicht einstweilen in eine Ecke, bis ich mit meinem Anzuge zu Stande bin?"
Beynahe glaube ich, Eduard, daß Clärchen
mit ihrem kindischen Geschwätz nicht ganz Unrecht hatte. Ich begreife
es noch nicht, warum ich, ohne zu wanken, neben ihrem Spiegel gelehnt blieb,
den sie doch, mit so gänzlicher Ausschließung meiner, über
ihren Anputz zu Rathe zog, als wenn ich nicht in der Stube wäre. Mit
der traurigsten langen Weile stand ich da, und mußte zusehen, wie
sie alles so artig wieder aufbaute, was ich zu Ehren der Natur einriß
wie mir jede Minute eine Augenfreude mehr entzog, bis alle und jede ihrer
heiligen Reitze und wie ich fürchtete auf ewig meinem Anblick
verschwanden. Sie war nun so weit mit sich fertig, daß sie nur noch
das letzte Streifchen Muselin um ihren Busen zu schlagen hatte, als sie,
durch einen flüchtigen Hinblick nach ihrem Halsgeschmeide, meine Füße
in Bewegung brachte. Ich holte den guten Nicaise aus seinem Winkel, und
ich hoffe, daß der bescheidene Ernst, unter welchem ich ihn jetzt
wieder zu seiner warmen Ruhestätte begleitete, den Leichtsinn hinlänglich
verbüßt hat, mit dem ich mich unterfing ein so heiliges Gebein
der Erkältung auszusetzen. Und nun stand das fromme Clärchen
wieder so erbaulich vor mir, daß ich nichts weniger als ein neues
Schrecken von ihr erwartete, mit dem sie mich doch bald genug überraschte.
,,Jetzt, mein Herr," sagte sie freundlich, ,,jetzt geht mir zur völligen
Beendigung unseres Handels nichts mehr ab, als Sie wissen wohl die
restitutio in integrum;
die Sie mir, als eine Hauptbedingung, zugesagt haben." ,,Ihre restitutio?"
fing ich das Wort auf, und ward roth bis über die Ohren. ,, Kann das
fromme Clärchen auch spötteln? O haben Sie nur Geduld! Jene Schreckbilder
werden mich nicht ewig verfolgen, und mein Näherrecht wird dem heiligen
Vater schon noch Gelegenheit verschaffen, seine ganze Macht und Gnade an
Ihnen zu versuchen." ,,Da verstehen wir uns einmal wieder nicht," antwortete
sie, und legte ihre Hand traulich auf meinen Arm. ,,Ich rede sehr ernstlich,
mein Herr! Mein Spiegel hat mir keine Kleinigkeit, und hat mir also nicht
verschwiegen, in welche Gefahr jene unruhige Lage auf dem Sopha meine Singstimme
versetzt hat. Ich beschwöre Sie also bey der Unschuld der Harmonie,
bey der Glorie der heiligen Cäcilia, das Mahlzeichen wieder in seinen
vorigen Stand herzustellen, das unter Ihren Händen verlosch. Hier
ist die geweihte Farbe, die auf dem Altare dieser großen Erfinderin
der Orgel dieser Patronin aller Sängerinen und Sänger, gemischt,
und der einzige Reichthum meiner Toilette ist." Mit diesen Worten reichte
sie mir aus dem einen Schubfach einen Pinsel, aus dem andern eine krystallene
Schale, die diese kostbare Schwärze enthielt. Es lagen in dieser ihrer
Zumuthung wieder so viel neue Begriffe für mich, daß ich nicht
gleich wußte wo ich damit hin sollte. ,,Also nur Ihrer sonorischen
Stimme wegen, Clärchen?" fragte ich lakonisch, und schüttelte
den Kopf. ,,Und weswegen könnte es denn sonst seyn?" fragte sie
dagegen; und wir blickten einander wieder mit der Verwunderung an, in die
uns schon so oft unsre Mißverständnisse gebracht hatten. Das
Mädchen, Eduard, wird mir ein Räthsel bleiben bis zu dem letzten
Augenblicke.
So wenig ich auch von Zeichnung und Malerey
verstehe, so hatte ich doch nicht das Herz ihre Forderung von der Hand
zu weisen. Ich folgte ihr also, und dießmal ganz demüthig, bis
an den Sopha nach knieete mit der nichts sagenden Miene eines elenden
Malers, den ein Narr miethete eine Venus von Correggio auszubessern, vor
die beschädigte Sängerin sah zum letztenmal im Vorbeygehn den
theuern Kniegürtel, der mich in so viele Verlegenheit schon gebracht
hatte, und der Vorwurf, den ich mir machte, seine weitläufigen Indulgenzen
so ärmiich benutzt zu haben, lief mir eiskalt über den Leib.
Ich nahm mich jedoch auf das beste zusammen zog meine Striche die Länge
und die Quere auf dieselbe Stelle, wo ich die Spur der ersten halb verlöschten
antraf, und ehe ich mich umsah, stand mein Gemälde im möglichsten
Glanze da. Wenn du aber denkst, daß es ein Kreuz war, Eduard, so
irrest du dich. Die Grundsätze meiner Moral und Religion werden mir
nie erlauben, für den Aberglauben einen Pinselstrich zu thun, es müßte
denn seyn, um ihn zu verspotten; und dazu hatte ich hier freylich alle
mögliche Aufmunterung. Was soll das Symbol des heiligen Kreuzes, ich
bitte dich, an dem Scheideweg einer Sängerin? Ich wollte nur, dachte
ich, daß der Propst da wäre, um ihm das Lächerliche und
Unschickliche davon begreiflich zu machen. Doch bin ich denn nicht sicher
genug daß er herkommt? Gut! so will ich ihm denn einen Beweis ziehen,
der ihm so stark in die Augen leuchten soll, daß sie ihm übergehen.
Die Gelegenheit war wirklich zu schön! Denn so gewöhnlich es
auch ist, seinen Gegner an einen dritten Ort zu bestellen, so konnte doch
zu der stillen Rache, die ich an dem meinigen zu nehmen gedachte, wohl
schwerlich einer besser gelegen seyn, als die einsame Gegend seines täglichen
Besuchs, die seine vertrauteste Freundin durch einen Zusammenfluß
glücklicher und unglücklicher Zufälle mir selbst zu verrathen
genöthiget wurde. Und so malte ich denn dem guten Mädchen,
ohne daß sie auch diesmal so wenig erfuhr, was auf ihrer Grundfläche
vorging, als sie die feine Verbindung meiner guten Absichten mit meiner
schlechten Arbeit argwöhnen konnte Etwas das sich ungleich
besser für ihre Umstände schickte; malte ihr statt des heiligen
Kreuzes das sie erwartete, mit allem Ausdrucke der Wahrheit, ein Bild das
auf einen flüchtigen Blick jener Figur nicht ganz unähnlich war
kurz, ich malte ihr nichts mehr und nichts weniger als - was denkst du
wohl Eduard? als einen Stimmhammer.
Wir waren beyde, obgleich aus verschiedenen
Gründen, mit dem guten Fortgange der Wiederherstellung so zufrieden,
daß wir noch, während das Gemälde abtrocknete, die freundlichsten
Blicke mit einander wechselten. Stelle dir aber mein Erstaunen stelle
dir = = = nein du kannst es nicht mein Erschrecken und ihre Verzweifelung
vor, als ihr Aufstehen vom Sopha ihr nur zu fühlbar entdeckte, daß
ich während meiner Arbeit wo muß ich die Augen gehabt haben?
den ganzen Rest der geweihten Farbe, der wenigstens noch zu hundert Kreuzen
hinlänglich gewesen wäre, verschüttet das feinste Linnen,
das man sich denken kann, verdorben, und selbst den Kniegürtel der
unbefleckten Jungfrau ein wenig befleckt hatte. Alle die entsetzlichen
Folgen meiner Ungeschicklichkeit, ob ich sie gleich nicht so geschwind
übersehen und so genau berechnen konnte als Clärchen, traten
mir doch lebhaft genug unter die Augen, um mich aus meiner Fassung zu bringen.
Ich hatte kaum das Herz nach dem armen Kinde in die Höhe zu blicken,
das, durch diesen Unfall ganz niedergedrückt, seinen vorigen Heroismus
unwiederbringlich verlor. Sie schlug die Hände über den Kopf
zusammen, lehnte sich hinfällig an die Wand, vergoß in der Geschwindigkeit
mehr Thränen' als letzthin von der heiligen Magdalena versteigert
wurden, stürzte sich endlich, wie ohnmächtig, auf den Sopha zurück.
,,Liebes, bestes Clärchen," rief ich in der äußersten
Bestürzung, ,,um aller Götter willen beruhigen Sie Sich! Sagen
Sie mir; in welchem Kloster diese Schwärze der heiligen Cäcilia
zu kaufen ist; ich will hinlaufen sie holen, und Ihnen den Verlust Ihrer
Toilette, wenn er auch noch so beträchtlich wäre, mit tausend
Freuden ersetzen. Vor allen Dingen aber bitte ich Sie und ich will Ihnen
gern dabey hülfliche Hand leisten kleiden Sie sich um." Jetzt
erwachte sie, und drehte ihre mächtigen Augen, mit dem verächtlichsten
Blicke den sie fassen konnten, nach mir Unglücklichem zu. ,,Gehen
Sie, mein Herr" rief sie mit sublimer Stimme: ,,Machen Sie, daß Sie
bald aus unserm Hause kommen! Es ist kein Glück und Segen in Ihrer
Nachbarschaft." Mehr erlaubte ihr der Schmerz nicht vorzubringen. Sie
stützte ihren Kopf auf die rechte Hand, über die ich neue Thränen
in Perlen herab rollen sah. Ich stand wie versteinert vor dem so hoch betrübten
Kinde. Eine Weile darauf erhob sie noch einmal ihr trauerndes schönes
Gesicht und ihre bebende Stimme. ,,Muß ich Sie noch immer sehen,
mein Herr? fragte sie mit einer Empfindlichkeit, die mir das Innerste
der Seele bewegte. Undankbare!" versetzte ich jetzt mit tragischem Ernste:
,,Sie soll ich, Ihr Haus soll ich mein Näherrecht soll ich verlassen?
Und Sie wollten das Knieband der Madonna den Ablaßbrief Papst Alexanders
wollten Sich alle seine Indulgenzen zueignen, ohne mir nur eine kleine
Frist zu gönnen, sie mit Ihnen zu theilen?" Das, fiel mir das
fromme Mädchen mit unbegreiflichem Stolz in's Wort, ,,ist noch der
einzige Trost in meinem Unglücke, daß ich diese Heiligthümer
unwürdigen Händen entreiße! Auf meiner Seite habe ich
die Bedingungen erfüllt, mehr als zu sehr erfüllt, und bin darüber
in Ruhe. Dieß, mein Herr, ist, bey der gebenedeyten Mutter! das letzte
Wort, das Sie von mir hören. Jetzt können Sie gehen, oder meine
Tante erwarten, wie es Ihnen beliebt. Sie hatte kaum ihrer Tante erwähnt,
so ward mir schwühl um das Herz. Ich wagte keinen Augenblick länger
zu verweilen, und, nach einem paar hingeworfenen Worten zum Abschiede,
die mir das Geschöpf nicht einmal beantwortete, eilte ich zur Thüre
hinaus, die ich auch sogleich hinter mir zuriegeln hörte.
Ich kannte mich kaum vor Aerger, wie ich in
mein Zimmer trat. Ich klingelte nach Bastian, um ihn zu fragen, was er
wolle? und klingelte ihm wieder, um ihm zu befehlen, ungesäumt einzupacken
und die Post zu bestellen. Ich will fort, Eduard! Was brauche ich die Zurückkunft
der alten Hexe erst abzuwarten? Sie ist für ihre Miethe einen Monat
voraus bezahlt, und ihr heiliges Clärchen kostet mir ein und vierzig
Dukaten, die ich nicht übler hätte anwenden können. Was
soll ich länger an diesem abscheulichen Orte? Es würde mich nur
um mein Bißchen Verstand bringen, wenn ich noch einen Abend hier
verleben, die Ankunft des Propstes erlauern, und wohl gar bey seiner morgenden
Inspection gewärtigen müßte, mit meinem Stimmhammer confrontiert
zu werden. Wohl mir, daß ich der unterirdischen Wirthschaft dieses
Gesindels noch so glücklich entwischt, und der Mühe überhoben
bin, um den Preis des vermaledeyten Ablaßbriefes noch einmal mit
den Geistern der Hölle zu ringen! Ich thue hiermit feyerlich Verzicht
auf meinen Antheil an jenem unheiligen Fetzen, der einst Zeuge der Mord=schaffenden
Umarmungen eines ehrlosen Papstes war, und jetzt, als Zeuge der verräthenrischen
Heucheley eines nichtswürdigen Mönchs, das Knie seiner Buhlerin
gürtet. Das Wort, um das ich so lange ungewiß herum ging, ist
endlich, gottlob! über die Zunge Ich nehme es nicht wieder zurück,
Freund! und hoffentlich wirfst du mir auch nicht vor, daß ich es
zu voreilig gesprochen habe. Aber was kümmert es mich? Mögen
doch diese Heiligen ihr Unwesen treiben, bis sie selbst zu Reliquien werden!
Mein armer Kopf! wie er feuert und tobt! Ich muß ich muß
meine Bosheit thätiger auslassen als mit der Feder!
* * *
Weißt du, von woher ich zurück komme? Ich habe dem
gesegneten Andenken des vortrefflichen Rousseau, das ich vor einer Stunde
so grausam beleidigte, mein Versöhnungsopfer gebracht; habe alle die
teuflischen casuistischen Bücher meiner Schlafkammer vertilgt, die
mich, großer Gott! der Versuchung so nahe brachten, ein Jesuit zu
werden. Von dem Tractate an de
probabilitate bis zum Sanchez de
matrimonio von siebzehn Büchern, mit denen ich in
näher Bekanntschaft gerathen war, ist nichts übrig, als die leeren
Hornbände, und das einzelne Blatt aus der Legende der heiligen Clara,
das den großen Beweis der Dreyeinigkeit enthält, und das mir
noch beyfiel aus dem Feuer zu retten, um es als einen Beleg meiner Erzählung
zu gebrauchen, als das Buch schon lichterloh brannte. Alles übrige
ist vom Feuer verzehrt. Der Scheiterhaufen dieser unseligen Werke brannte
gerade unter der Büste jenes unsterblichen Schriftstellers Die emporrollende
Flamme röthete, je mehr sie sich in dem Kamin verbreitete, sein blasses
Gesicht, das, wie vom Feuer der Tugend belebt, auf mich herabblickte. Ich
glaubte in seinen ernsten Mienen die höchste Mißbilligung meines
Leichtsinns zu lesen, und schamhafte Reue über die Verirrungen meiner
verlockten Sinne färbten nun meine Wangen.
Wenn Bilder von jenen Tausenden Seliggesprochener
gleiche Empfindungen zu schaffen vermöchten = = = ach! wer könnte
die religiöse Verehrung derselben verdammen? Wer könnte alsdann
über die Andacht eines fühlenden Mädchens spotten, das vor
der Madonnengestalt neben ihrem Bette das Knie beugt, um ihre schwankende
Tugend zu stärken? Wer möchte es wagen, ein Bild, das zur Erinnerung
an Ehre und Rechtschaffenheit dient, es sey ein Boromeus oder ein Rousseau
aus seinem Gesichtskreis zu verbannen? O, ihr Päpste, Pröpste,
und Mönche! die ihr eine Legion von Lotterbuben, nicht zur Bewahrung,
sondern zur Verführung der Tugend, auf Altäre gestellt durch
heillose Künste das zarte Gefühl des Gewissens verhärtet
manche schwache Seele durch Freypässe zum Laster sicher gemacht
an jede Lampe, die eure heiligen Concordien, Magdalenen und Madonnen
erleuchtet, einen Trost für Verbrecher gehängt durch ihren
werthlosen, erdichteten Nachlaß die Armuth um ihr Brod betrogen
durch eure geweihten Todtengebeine Verstand und Unschuld erhitzt und geschändet
und an Rosenkränzen, unter dem Zeichen des heiligen Kreuzes, manches
ehrliche Mutterkind in das Lazareth verlockt habt könnte ich doch,
o ihr Verworfensten des Menschengeschlechts! alle eure Nischen und Capellen
alle eure dem Verbrechen geheiligten Schutzörter zerstören,
wie ich jetzt die giftschwangeren Blätter vernichtet habe, die meiner
Leidenschaft fröhnten! Und ihr, meine guten Landleute, die ihr etwan
noch mir diese Miethe beziehet, danket es mir, daß ich sie von jener
unsaubern Gesellschaft, deren Asche bald in alle Winde verfliegen wird,
gereiniget habe! Kauft dafür zu euerm bessern Zeitvertreibe Rousseau´s
geistreiche Schriften bey euerm Nachbar Fez, und lest sie im Angesicht
seiner Büste! Vor den bezaubernden Reitzungen der Psalmistin brauche
ich euch kaum zu warnen: ihr kennt sie nun, und auch sie selbst wird schwerlich
einem Ketzer mehr trauen.
Wenn die kürzeste Thorheit die beste ist,
so darf ich nach alle dem, was die meinige bey ihrer Entstehung zu werden
versprach, immer noch froh seyn, daß sie nicht den siebenten Tag
überlebt hat. Ihre pittoreske Ausstellung ist freylich ich will
es lieber selbst erklären, ehe es ein anderer sagt die partie
honteuse meines Tagebuchs, die ich gern, so wenig ich auch
sonst auf castrirte Schriften halte, davon trennen möchte, wenn es
nur ohne Beschädigung des Ganzen geschehen könnte. Der Sturm
war heftig, Eduard; ich verlange keinen seiner Art noch einmal zu erleben
aber da er nun glücklich vorbey ist, möchte ich auch um vieles
nicht die Erfahrung missen, die er mir gab. Er hat mir die tiefsten Blicke
in den Abgrund geöffnet, zu dessen Erforschung alle, die ihn befahren,
das Ihrige beytragen sollten; und ich kann wohl sagen, daß ich nie
einen stärkern Beruf gefühlt habe über seine gefährlichen
Klippen zu predigen, als eben jetzt, da ich, ermattet und zerschlagen,
von ihm zurück komme. Es wäre doch sonderbar, wenn etwan alle
Wegweiser der Tugend und der Sitten auf diese Weise zur Welt kämen,
und uns nur weiß machen wollten, daß sie urplötzlich mit
Spieß und Schild gerüstet, gleich Minerven, aus Jupiters Gehirne
gesprungen wären. Für das Ansehn im Publico möchte diese
Verläugnung ihrer wahren Abkunft allerdings sein Gutes haben: aber
diesen Herren selbst, wenn sie nun einander antreffen, müßte
es, dächte ich, alsdann auch gehen, wie dem ehrlichen Cicero, der,
so bald er zum Augur geweiht war, keinem andern Augur auf der Straße
begegnen konnte ohne zu lachen.
Die Pferde wollen noch nicht kommen, und doch
hätte ich so gern diese häßliche Geschichte hinter mir,
an die mich hier alles auf das unangenehmster erinnert, von der glimmenden
Asche an in meinem Kamine, bis zu den leeren Bänden, die, wie Schlangen=
und Crocodillen=Bälge, daneben liegen. Ja wohl, ja wohl, lieber
Eduard, ist es eine häßliche Geschichte! Was würde aus
meinem guten Rufe werden, wenn sie durch deine Nachlässigkeit oder
deinen Muthwillen bekannt würde! Laß mir, ehe ich Avignon verlasse,
darüber noch erst Abrede mit dir nehmen. Suche es auf allen Fall
ich rede jetzt ernsthaft mit dir, lieber Freund, wenigsten zu vermitteln,
daß mich die letztvergangene unglückliche Stunde nicht zu sehr
in mit guten Zutrauen unserer Damen zurück setze. Gieb den ganzen
Handel für ein Spiegelgefecht meiner luxuriösen Spötterey
über die falsche Glorie menschlicher Tugend aus. Und wenn das auch
nicht verfangen will, so gehe nur den jetzt so gewöhnlichen Weg, der
selten fehlt schlägt, und mache, wenn von meinem Falle gesprochen
wird, eine geheimnißvolle Miene dazu! Was gilt´s, man übersieht
alsdann die Wahrheit, und sucht nun hinter meinen Nuditäten versteckte
Prophezeiungen, wie man sie in dem hohen Liede sucht. In dem hohen Liede?
sagte ich. Wie kömmt mir das ein? Ich widerrufe diese Vergleichung,
die meinem Tagebuche offenbar Unrecht thun würde. Salomo mag es mir
nicht übel nehmen; aber, nach meiner Einsicht, hat ihm der Zufall
viel zu viel Ehre erwiesen, seine poetischen Grotesken bis auf unsere Zeiten
zu erhalten, zumal in der ehrwürdigen canonischen Maske, hinter der
sie vermummt sind. Ich bin zwar von dem Stolze weit entfernt, mich in der
feinern Denkungsart und in der höhern Dichtkunst für ein Muster
auszugeben; unser Vaterland hat deren ganz andere aufzuweisen, die so sehr
respectirt werden, daß man sie kaum liest aber doch glaube ich
behaupten zu können, daß, so erhaben = schlüpfrig auch
jene erotischen Vorstellungen des Orients seyn mögen, meine kleinen
deutschen, anspruchslosen Gemälde doch immer noch natürlicher,
höflicher und geschwinder zum Zwecke führen, als jener Gesang
aller Gesänge. Clärchen ich will sie nicht loben ist gewiß
niedlicher gebaut als die Sulamit; und es käme noch darauf an, ob
sie nicht besser als jene zu einem emblematischen Modelle der christlichen
Kirche dienen könnte. Doch sage ich dieses nur im Vorbeygehen, und
wahrlich ohne den mindesten Anspruch: denn, ob es mir gleich Spaß
machen sollte, wenn du meine schönen Landsmänninnen dahin brächtest,
Weißagungen selbst hinter den Bildern zu suchen, die ich ohne Vorhang
ausgestellt habe; so geschähe mir doch offenbare Gewalt, wenn auch
die Nachwelt sich einfallen ließ mit mir umzugehen, wie die Vorwelt
mit dem ehrlichen Salomo, und mich für einen Propheten erklärte.
Du kannst es am besten den künftigen Jahrhunderten bezeugen, daß,
so oft ich mich in das Paradies der Dichtkunst verstieg, ich nie anders
als auf einem natürlichen Wege dahin gelangte, und doch vielleicht
mehr Ursache habe als der inspirirteste Dichter, mit meiner poetischen
Laufbahn und mit den Gunstbezeigungen zufrieden zu seyn, die mir die Musen
erwiesen. Wie so? fragst du verwundert, und lachst mir spöttisch
in´s Gesicht, Ich habe doch nicht gehört daß deine Dudeley
eben so gar viel Lärm und Aufsehen in der Welt gemacht habe. Ich
auch nicht, guter Freund: aber das ist von jeher auch meine geringste Sorge
gewesen; und ich würde selbst den Horaz von Herzen bedauern, wenn
er für seine harmonischen Gesänge keiner wichtigere Belohnung
eingeerntet hätte, als monstrari
digitis et dicier hic est. Nimm also nur deinen Spott wieder
zurück; denn, klängen auch die Ausdrücke, die mir vorhin
entfielen, für einen sage es nur heraus für einen Zwerg des
Apollo etwas zu vornehm, so sind die Riesen, die seinen Thron umgeben,
doch gewiß zu großmüthig, um dem kleinen Spieler, den
sie so lange unter sich geduldet haben, die Airs aufzumutzen, die er ihnen
nachmacht. Aber dieß bey Seite gesetzt; auch ohne groß zu thun,
kann ich wohl behaupten, und dir es durch Vorlegung meiner Ab= und Zurechnungen
mit den Musen beweisen, daß, ungeachtet der kleinen Abzüge,
die ich mir gern gefallen lasse, meiner neidlosen Genügsamkeit immer
noch ein hübscher Gewinn übrig bleibt. Hast du Zeit wie leider!
ich alleweile, denn ich höre und sehen noch nichts von meinen Postpferden
so wollen wir die Rechnung mit einander durchgehen. Diese Beschäftigung,
die man gern sonst so lange zu verschieben pflegt als möglich, wie
wohlthätig wird sie mir nicht in diesem Augenblicke! Es ist schon
weit lichter um meinen Schreibtisch Alle Grillen sind abgetreten alle
Mißgestalten entfernen sich denn sie sehen daß ich Linien
ziehe und nicht gestört seyn will. Deine Monita? O die beunruhigen
mich auch nicht die liegen allenfalls noch in der Ferne und wo sollen
sie überhaupt herkommen, wenn du, wie ich hoffe, meine Angaben so
richtig findest als meine Belege?
Noch übergab kein Fehmgericht
Mich abgelebten Harfenisten
Den Häschern, und verwies mich nicht
In Nicoloai´s Todtenlisten. *)
____________________
*) Nicht die Todtenliste von Nicolaus Klim, sondern die
meines Freundes Nicolai in Berlin, die vielleicht den größten
Raum der allgemeinen deutschen Bibliothek einnimmt.
____________________
Das ließ mich hoffen, mit der Zeit
Mir einen Freypaß zu erkaufen,
Um sichrer der Unsterblichkeit
Mit meiner Klingel nachzulaufen.
Allein, je besser ich den Rauch
Vom Wesen unterscheiden lernte,
Um desto mehr die Hoffnung auch
Sich in den Hintergrund entfernte.
Es ist mit eines Dichters Ruhm
Gar eine wunderliche Sache:
Mißtrauen ist sein Eigenthum,
Und Mißvergnügen seine Wache.
Im Schweiße seines Angesichts,
Im Taumel eines leeren Schalles,
Verdient er wenig oder nichts,
Erhält nicht viel und fordert Alles.
Jetzt seh´ ich nur zu gut, wie viel
Accorde meiner Leyer fehlen,
Um mich wie Orpheus durch ihr Spiel
In das Elysium zu stehlen.
Hat nicht einmal mir ein Concert,
Das kunstreich Philomelens Noten
In Tact setzt, in Octaven sperrt,
Mir eine Fiedel angeboten.
Wär´ ich solch einer Ehre werth,
Gewiß ich stände längst in Pflichten
Des Tribunals auf Strang und Schwert,
Um meine Sünden selbst zu richten.
Und die Hausirer jagten sich
Von Markt zu Markt mit meiner Büste,
Und = = = doch ich schwöre dir, daß mich
Nach solchem Nimbus kaum gelüste.
Dank der Natur! mein Dichterkampf
Ist wie ein Fieberfrost verschwunden;
Längst wärm´ ich mich im Opferdampf
An dem Altare der Gesunden.
Jetzt brauch´ ich keinen Oberon
Wie sonst von weitem nachzukeichen;
Wir gehen gleich weiß ich doch schon
Zu rechter Zeit ihm auszuweichen.
Du wolltest, raun´ ich ins Geheim
In´s Ohr mir, mit den Musen schmollen,
Weil sie Gedanken zu dem Reim
Dir nicht wie einem Wieland zollen?
Sein Gang, das schlauste Menschenherz
In seiner Tiefe fest zu greifen,
Stört dich ja nicht, mit leichtem Scherz
An seine Flächen hin zu streifen;
Und bist du nicht mit Klopstocks Flug
Den Geistern in´s Gebiet gedrungen,
So hast du dich doch oft genug
Zu Menschenfreuden warm gesungen.
Hat sich denn je einer gehärmt,
Daß ihn kein Lorberkranz umschließet,
Wenn an dem Busen, der ihn wärmt,
Er der Vergessenheit genießet?
Und wer hat Zeit, wenn ihm sein Kohl
Die Zunge reitzt, zu überlegen,
Ob süßere Gemüse wohl
In Otaheite reifen mögen?
Gewiß ich müßte sonderbar
Mein eignes Richteramt verwalten,
Um diese Gründe nicht als wahr
Der Eigenliebe vorzuhalten.
Was zog mich, als das Zauberband
Des Selbstgenusses, zu den Musen?
Ich fand meyn Dasein ach ich fand
Nur Ruh´ allein an ihrem Busen.
Wenn höfische Gespenster mich
Mit Gott und Welt verfeindet hatten,
Entschlüpft´ ich ihrem Kreis, und schlich
Ein Stündchen in des Pindus Schatten.
Hier sang ich meines Lebens Traum,
Erpfiff mir neuen Muth zu leben,
Und segnete den Wunderbaum,
Der mir sein Blatt dazu gegeben.
Hier an den Liebreiz der Natur
Mit allen Sinnen angeklammert,
Hat meine Zither nie der Flur
Der Zeiten Elend vorgejammert.
Doch hat mir auch mein Brod dafür
Die fröhliche Natur gewürzet,
Und niemals karg um die Gebühr
Der Freundensänger mich verkürzet.
Gelockt durch einen Waldgesang,
Hat manches Vögelchen in Stunden
Der Neugier sich am Ueberhang
Der Birken bey mir eingefunden:
Sie faßten Herz, von Baum zu Baum,
Von Ast zu Ast, mir nachzuschweben,
Und bald sah ich in ihrem Flaum
Den ersten Schlag der Freude beben.
So hab´ ich mir durch Stolz und
Groll
Des Lebens Pfade nie verdorben,
Und, wie ein reisender Apoll,
Mir meine Musen selbst geworben.
Da schon, als im Tumult der Schlacht
Die Flöte Friedrichs wiedertönte,
Und durch die Harmonie der Nacht
Die Furien des Kriegs versöhnte,
Schon da, sucht´ ich den Helikon
Auf Hügelchen, die erst begonnen;
Und vor dem Frieden hatt´ ich schon
Im beyde Gipfel abgewonnen.
So hab´ ich durch mein Saitenspiel
Die vollen Spulen meiner Stunden
Vergnügt bis an das nahe Ziel
Des letzten Knötchens abgewunden!
Und klagst du nicht den Wand´rer an,
Der still und friedlich heimgeschlichen,
Daß er nach Cookens Reiseplan
Nicht das bestürmte Meer durchstrichen;
Fragst nicht, wie bunt der Faden war,
Ob locker oder grob gesponnen,
Durch den einst Theseus der Gefahr
Des dunklen Labyrinths entronnen:
So frag auch nicht, was für Gewinst
Mein Tagewerk der Welt verspreche;
Ach schon genug, wenn mein Gespinst
Nur mehr beträgt als meine Zeche!
Dem Geist der wirkenden Natur
Sey heimgestellt es zu verputzen,
Und, wär´ es auch als Einschlag nur,
Zu höherm Stoff es zu benutzen:
Damit, was ich der Freude spann,
Der Nachwelt nicht so ganz verschwinde,
Daß nicht ein Mädchen dann und wann
Ein abgetröselt Fädchen finde.
Ein ehrlicher antiker Schein
Müss´ ihr den ersten Antrieb geben,
Auch ihren Knäul bald im Verein
Der holden Musen abzuweben;
Es leihe da, wo Widerstand
Nur Freude bringt, ihr seine Kräfte,
Dien´ ihr zum Oehr am Brautgewand,
An ihrem Mytenkranz zum Hefte,
Dien´ ihr als Sinnbild beym Empfang
Des letzten Unterrichts der Mädchen,
Ach! denkt sie, welch ein Vergang!
Ach! Alles hing an diesem Fädchen!
Täuscht mich nicht optischer Betrug,
So seh´ ich in den fernsten Zeiten
Sich über meinen Aschenkrug
Noch manche Glorie verbreiten.
Wenn dann umsonst die Marmorgruft
Des Fürsten, den sein Land vergessen,
Die Tugenden zu trauern ruft,
Die er im Leben nie besessen:
Wird ungerufen, Arm in Arm,
Den Busen unter Rosenbändern
Gelüftet, guter Mädchen Schwarm
Zum Grabmahl ihres Freundes schlendern;
Sie werden, über meinen Staub
Gelagert, auf den jungen Rasen
Das abgefallne Winterlaub
Von der bescheidnen Urne blasen;
Sanft soll alsdann mein Genius
Mit seinem Fittig sie berühren,
Und sie durch manchen Kettenschluß
Zuletzt in seine Werkstatt führen.
Dort, wo beym Quell der Phantasien
Wir unsre Nacht mit neuen Sternen,
Mit Rosen unsern Tag umziehn,
Und zum Genuß uns täuschen lernen;
Wo wir an dem Altar der Zeit
Das weiseste Gewerb erlauschen,
Gesänge gegen Traurigkeit,
Scherz gegen Thränen einzutauschen;
Wo warnend Psyche´s Lampe brennt,
Damit nicht das Gespenst der Reue
Den Weg nach unserm Monument
Mit Gift, statt Lorbern überstreue:
Hier wird sich gern der holde Kreis
Der Mädchen um den kleinen Götzen,
Den meine Muse sang, zum Preis
Wohlthätiger Gefühle, setzen;
Hier werden sie Apollens Macht,
Sie werden das Bedürfniß fühlen.
Das Feuer, das er angefacht,
Durch seine Jünger abzukühlen;
In Sapho´s Drang, nach Amors Lust,
Müss´ ihrem Mund der Schwur entgleiten,
Den ersten Funken ihrer Brust
Auf einen Dichter abzuleiten.
Denk nur! wie müßte nicht den Herr´n
Des Pindus solch ein Schwur erfreuen!
Sie würden, glaub´ ich, mir schon gern
Um seinetwillen Weihrauch streuen:
Und hätt´ Apoll um seinen Berg
Nur erst den Nebel aufgeheitert,
Spräch´ er wohl selbst: dort hat mein Zwerg
Die Aussicht ungemein erweitert.
* * *
Diese meine offenherzige Beichte, die ich dir hier im Vorbeygehen
über meinen Beruf zur Dichtkunst über die Forderungen und Erwartungen,
die ich darauf gründe, abgelegt habe, könnte auch wohl, wenn
ich es recht überlege, allein schon hinlänglich seyn, mir die
Absolution des schönen Geschlechts zu verschaffen, um die mir so bang
ist. Thue dein möglichstes, lieber Eduard, sie auf eine oder die andere
Art zu erhalten, wenn dir daran gelegen ist, mich wieder in Berlin zu sehen.
Mit vernünftigen Männern ist es etwas anders. Mit denen wirst
du über den Werth meines Tagebuchs schon einige werden. Halten diese
meine Geschicht für wahr, so ist mir nicht angst, daß sie mir
sie nicht aus den edelsten Grundsätzen vergeben sollten Halten sie
die Sache für Erdichtung, so wissen sie auch schon, daß es nicht
so gefährlich ist als es aussieht, wenn ein ernsthafter Carlin
*) sich herabläßt
____________________
*) Ein ehmals sehr berühmter Schauspieler auf dem
italienischen Theater zu Paris, der im gemeinen Leben von einem ernsthaften
und festen Charakter war.
____________________
eine bunte Jacke anzuziehen, eine schwarze Maske vor das Gesicht zu
nehmen, und den Harlekin so natürlich zu spielen, als wenn ihn Gott
bloß dazu erschaffen hätte. Was schaden ihm seine Jacke und
Maske und seine Mütze mit Schellen, wenn sie ihm nur Eingang bey seinen
Zuhörern verschaffen, die, so benöthigt sie auch seiner moralischen
Arzeneyen seyn mögen, sich doch für viel zu gesund halten, und
einen ernsthaften Schritt darnach zu thun. So ist auch meine Art
zu erzählen auf der ganzen Tonleiter der Unterhaltung die allerverschrienste;
aber sie ist es gewiß mit Unrecht. Ich habe eine zu gute Erfahrung
von dem wahren Nutzen, den solche geistige Ausschweifungen bey Gelegenheiten
hervorbringen können, wo sonst nichts Gutes verfangen will. Ich kann
dir diese Behauptung mit einer Tatsache aus meinem vorigen Leben belegen.
Als ich von Leiden zurück kam,
wo ich den Gang des menschlichen Herzens, ich gestehe es, besser noch studirt
hatte als die Pandekten, wurde ich, wie das so geht, in ein Tribunal gesetzt,
das über Gut und Ehre, Hals und Hand, zu entscheiden hatte. Da merkte
ich nun gar bald, wie viel es auf die jedesmalige Stimmung der Herren Beysitzer
ankam, was die Gesetze sprechen sollten. Man sah es sicher ihren Urtheilen
an, ob sie an einem regnigen Tage, bey beschwerlicher Verdauung, bey unterbrochener
Ausdünstung und mit beklemmter Brust oder ob sie bey heiterm Wetter,
nach einer gesunden Bewegung und ruhigem Schlaf, und in Erwartung eines
menschlichen Vergnügens gefällt waren. Mit diesen Leuten über
die natürliche Billigkeit zu streiten, wenn sie eben an Krämpfen
oder sonst einem physischen Uebel litten, war verlorne Arbeit, und es wurde
oft nur um desto gewisser ein armes, und, wie sie es nannten, überwiesenes
Geschöpf zum Pranger verurtheilt, je mehr ich mich seiner aus den
Gründen der Toleranz annahm. O! dachte ich, ihr guten Herren! euch
will ich doch wohl beykommen. Beccaria war mein Liebling. Ich trug sein
Büchlein immer in meiner Tasche, und hielt es als Spiegel, der den
Basilisk bersten macht, überall dem voluminösen Carpzov entgegen,
wo ich ihn fand; und ach! wo fand ich ihn nicht? Seine criminelle Gelehrsamkeit
strotzte in dicken Bänden hinter den Gitterschränken unserer
Rathsstube, und betäubte durch ihren giftigen Aushauch jeden schwachen
Kopf, der ihnen zu nah kam. Dieser Moloch seiner Zeit, dem während
seines Lebens unsere mechanischen Zentgerichte, nach einer mäßigen
Rechnung, an die dreyßig tausend ihrer Zeitgenossen geopfert haben,
breitete auch nach seinem Tode noch seine häßliche Lehre durch
seine Jünger aus, die, in der Blindheit des Geistes und in dem Stolze
ihrer Kenntnisse, ihm anhingen. Die Fiskale, anstatt selbst zu denken,
fanden es bequemer sich auf ihren Meister zu beziehen, der alles das, was
sie überdenken sollten, schon überdacht und in die einfachsten
Regeln von der Welt gebracht hatte. Die Untersuchungsacten waren mit seinen
Machtsprüchen durchspickt, und jeder Sachwalter, jeder Richter beugte
gehorsam seine runzelige Stirn vor dem Despoten. Ich hätte, was ich
nicht war, ein Herkules seyn müssen, um dieses vielköpfige Ungeheuer
mit Einem Streiche zu tödten. Ich fühlte mit Ingrimm,
daß diejenigen, die seine Keule geerbt haben, sie nicht schwingen
mochten. Ich hatte nur eine Pritsche, um gegen einen Drachen zu fechten
aber auch dieses armselige Gewehr gebrauchte ich als ein muthiger ehrlicher
Mann, und es ist unglaublich wie gut es mir gelang. So oft es mir ahndete,
daß der Beschluß der nächsten Sitzung entweder eine arme
Gefallene zur Kirchenbuße, zum Zuchthause, oder zu einem Geschmeide
verdammen würde, das einem hübschen Halse nicht gut steht; so
machte ich mir geschwind eine Geschichte zu recht, von der ich hoffen konnte,
daß sie das harsche Zwerchfell meiner Herren Collegen tüchtig
erschüttern würde. Kaum las ich sie dann beym Eintritte der ernsthaften
Versammlung als eine Neuigkeit vor, die mir dieser oder jener schwatzhaft
Freund zu Regensburg oder Wetzlar gemeldet hätte; so klärten
sich auch schon ihre gestrengen Gesichter auf, von dem Präsidenten
an bis zum untersten Beysitzer. Sie gingen nun mit jenem Wohlbehagen, das
uns zur Nachsicht gegen uns und andere so geneigt macht, an ihre wichtigen
Geschäfte, und wenn es zur Umfrage kam, hatten sie sich gemeiniglich
mit ihrem gesetzmäßigen Urtheile um viele Schritte in die lachenden
Gränzen der Menschlichkeit zurück gezogen, ohne daß sie
selbst begreifen konnten wie es zuging. Carpzovs Ansehen verlor nach und
nach immer mehr gegen das meinige ein Ehre, die mir gewiß keiner
meiner ehemaligen Lehrer geweißagt hätte; das Tribunal gewöhnte
sich an eine liberale Denkungsart; und da zugleich ein guter Genius dem
Fürsten eingab, das Zimmer unserer Zusammenkünfte weißen
die kleinen Fenster ausbrechen, erweitern mit Spiegelscheiben versehen,
und, als ein Sinnbild der obsiegenden Unschuld, eine Susanna im Bade an
der Mittelwand des Saals befestigen zu lassen, so bekam durch diesen erheiterten
Anstrich des Aeußeren auch unsere Gerichtsverfassung selbst ein freundlicheres
Ansehn. Die Herren träumten, sie wären in guter Gesellschaft;
ihr Tempel schien ihnen in ein Baudoir verwandelt; ihre sonst schneidenden
Aussprüche verloren sich in empfindsamen Sentenzen, und das Collegium
rückte in Ansehung gemäßigter und wohlwollender Gesinnungen
wenigstens um ein halbes Säculum vorwärts. Und nun ward es auch
mir leichter, die Ehre des guten Beccaria in dieser Versammlung zu retten.
Noch jetzt denke ich mit innigster Zufriedenheit daran, wie ich um jene
Zeit, durch nichts mehr oder weniger als eine Polisonerie ich besinne
mich im Deutschen auf keinen leidlichen Ausdruck die bey meinen Herren
Collegen ein unerwartetes Glück machte, einen alten Vater aus den
Händen des Henkers in die stille Verwahrung seines Sohnes brachte,
der noch jetzt als ein wackerer Offizier bey den Truppen unseres Königs
den Tag segnet, an dem es mir gelang, ein beschimpfendes Urtheil von seiner
Familie wegzuscherzen. O, mein Eduard! könnte ich jetzt alle die
um meinen Schreibtisch versammeln, denen ich durch dieses Kunststück,
das ich allen Beysitzern der Criminal=Gerichte, cum
grano salis empfehlen möchte, Erlaß einer entehrenden
Strafe verschafft, theils sie, statt in das Raspelhaus, unter die Haube
gebracht, theils durch das falsche Zeugnis einer ehrlichen Geburt, davon
meine lachenden Collegen mir die Verantwortung überließen, in
eine bürgerliche Zukunft verholfen habe; wie viele dankbare Thränen
würden nicht um den Mann fließen, der jetzt selbst in dem mißlichen
Fall ist, um Abolition zu bitten! Doch ich weiß es endlich zu gut,
wie man es anfangen muß, sich ohne viele Unkosten zu erhalten. Ich
frage nur den Referenten bey dem Tribunal, das sich etwan anmaßt
über meinen Handel in der Nebenstube zu urtheilen ich frage ihn
auf sein Gewissen, ob nicht sein erster Gedanke war, als er meine Acten
durchlas: O wärest du doch an der Stelle des Inquisiten gewesen! Du
hättest deine Sache schon besser machen wollen. Es ist zwar noch die
Frage, ob der Herr wahr redet Aber schon der Gang seiner Empfindung sollte
es ihm doch begreiflich machen, daß es hart seyn würde, mich
nach der Halsgerichts=Ordnung Carls des Fünften, oder nach den rationibus
decidendi eines Carpzovs zu richten.
Das Studium der Toleranz ist eine der schönsten
neuern Erfindungen. Sie verdiente, so gut als die Oekonomie, eine eigene
besoldete Lehrstelle. Fände sich einmal einer der Nutritoren unserer
Akademien, der Ursache genug hätte, diese Wissenschaft in solch einen
besondern Schutz zu nehmen, so wollte ich vorläufig rathen, daß
er ihr ja keine andere als die umgekehrte Ordnung unserer so genannten
Brodstudien anweise. Der erfahrne Lehrer, wenn ja über ein Compendium
gelesen seyn muß, lege kein anderes zum Grunde als ein nur richtiges
Protokol seines eigenen Lebens, und ziehe dabey, wo dieses nicht hinlangt,
die Beichten zu Rathe, die einige große Männer öffentlich
abgelegt haben einen Petrarch und Lavater, einen Rousseau und Fielding,
den heiligen Augustinus und mich.Wäre auch ihren Aussagen nicht immer
zu trauen, so wird er es doch bald genug merken, wo der eine falsch gesehen,
der andere falsch geschlossen der eine zu viel, der andere zu wenig gesagt,
der gelogen, jener seine Schwachheiten bemäntelt, oder gar mit
der Maske der Tugend verlarvt hat. Er führe seine Zuhörer an,
über dem Chaos ihrer trotzigen und verzagten Herzen zu schweben, suche
es ihnen geläufig zu machen, ihre eigenen Empfindungen auf alle mögliche
menschliche Zufälle zu calculiren, und sich in das Alter, in die Umstände
und in das stürmische Blut dessen zu versetzen, den ihre ruhige Vernunft
zu verdammen eilt. Er lehre den Jüngling Tagebücher halten, wie
das meinige ist, und, wenn die Langeweile seines hinschleichenden Lebens
ihn bitter und böse gemacht hat, kein anderes Buch fleißiger
lesen. Meinetwegen mag er auch, wenn er Herz und Geschick genug dazu hat,
es zum Besten der Welt, mit allen den moralischen Anmerkungen drucken lassen,
die ihm Zeit und Erfahrung behülflich gewesen sind zu sammeln. Es
ist freylich nicht die gewöhnliche Art die Tugend zu predigen, wenn
man sich selbst auf den erhabenen Ort des Prangers stellt; aber deshalb
ist es auch nicht die schlimmste. Es giebt der Mittel viel, eine heilsame
Arzeney gemeiner zu machen. Jedes Jahrhundert, jeder Quacksalber, jeder
Professor hat sein eigenes. Wird denn nicht jetzt selbst das feste Wort
des Herrn in einem neuen Modegewande ausgeboten? Warum sollte denn nicht
auch ich einen noch wenig versuchten Weg betreten, um durch ein offenes
Geständniß meiner Verirrungen jedem andern menschlichen Herzen
näher zu kommen?
Ueberhaupt muß der Mann besser rechnen
können als ich, der sich zu bestimmen untersteht, ob dieses oder jenes
beschriebene Blatt zum Nutzen des Ganzen mehr beytragen werde. Ziehen die
Schriftsteller, wie gewöhnlich, nur ihre Eigenliebe darüber zu
Rathe, so ist die Frage freylich geschwind genug zur Ehre ihrer Talente
entschieden; aber auch hier hängt alles von der Weisheit jenes unsterblichen,
unbekannten und glorreichen Genius ab, der auch den anspruchlosesten Lumpen
noch immer gebrauchen kann, einem Bedürfnisse mehr, auf einer
solchen Bettlerwelt als die unsrige ist, abzuhelfen.
Du räusperst dich, Eduard, winkst mir
inne zu halten, und die Lust des Widerspruchs schwebt dir um den Mund.
Gut! Meine Pferde sind noch nicht da, meine Tinte ist fließend, und
Papier und Federn liegen noch auf dem Tische. Das schreckt dich nicht,
ich weiß es; so laß denn hören! Wenn du glaubst, hebst
du trocken an, mit allen deinen Tadlern eben so gut fertig zu seyn als
mit mir, wie ich denn das wirklich geglaubt habe, so thut es mir leid
um deinen schönen Traum. So lange dein Tagebuch nur unter uns, und,
wie so viele andere Schreibereyen der Welt, nur Manuscript unter Freunden
bleibt, o! da verlohnt es sich freylich nicht der Mühe viel Aufhebens
davon zu machen. Nimmst du aber den, pro
securitate publica so bedenklichen Fall an, die Gemälde
deiner Unsittlichkeit zu der Ehre einer öffentlichen Ausstellung gelangen,
so wäre ich wohl neugierig das Bedürfnis zu erfahren,
das euch leichtsinnige Schriftsteller berechtigen könnte, eine Leidenschaft
zu spornen, die wir ohnehin Noth genug haben im Zaume zu halten. Das
klingt nun sehr systematisch sehr ernsthaft, und hat mir Mühe gekostet
herzuschreiben. Aber mache mich nicht böse, Eduard! sonst verschaffe
ich dir zur verdienten Antwort einen Anblick, dessen du gewiß gern
überhoben seyn würdest, rufe dir mehr bleichsüchtige Mädchen
in meinem Hörsaale zusammen, als du übersehen kannst, und lege
dir jenes Bedürfniß, an dessen Daseyn du zweifelst, so zergliedert
vor, daß du froh seyn sollst wenn nur ich das Maul halte.
Gehe ehrlicher mit mir zu Werke, guter Freund! Verstecke deine gesunden
Augen nicht immer hinter die Blenden deiner Bücher, und ziehe erst,
ehe du mit mir rechtest, den schleichenden, unnatürlichen Gang in
gehörige Betrachtung, den die schönste aller Leidenschaften in
einem Zeitalter nimmt, das in so vielen Rücksichten nur von ihr
seine einzige Hülfe erwartet. Sage mir auf dein Gewissen, Eduard,
ob man es einem Schriftsteller, der nur einigermaßen hoffen darf
in gute Hände zu kommen ob man, anstatt ihn zu tadeln, es ihm nicht
als ein Verdienst anrechnen sollte, wenn er das Herz faßt, Mädchenliebe
zu predigen, und sie mit so lebhaften Farben zu schildern sucht, als diese
Art Malerey nur vertragen kann. Mag meinetwegen ein künftiges tugendbelobteres
Jahrhundert meine armen Schriften zum Scheiterhaufen verdammen! Ich habe
nicht das geringste dagegen; wenn sie nur vor der Hand in dem großen
Magazine nothwendiger Uebel geduldet werden. Das ist doch weiter keine
zu vornehme Anmaßung, die mir Mißgunst zuziehen, und nur jemanden
in Angst setzen sollte, daß ich mir damit ein Aemtchen zu erschreiben
gedächte, auf das er selbst Anspruch macht. Was könnte es denn
für eins seyn, als höchstens das eines Pestpredigers? das mühseligste
in der ganzen Republik ohne Rang, ohne Sporteln, und zu dem sich, schon
seiner Gefahr wegen, wenig Candidaten nur melden. Man gönne es mir
doch! Das Ministerium kann ja die Stelle wieder einziehen, wenn sie überflüssig
geworden und die Seuche vorbey ist. Auch kann meinethalben die Nachwelt
die Arzeneyen, die ich mir jetzt, sogar während der Kirche, kein Gewissen
machen darf unter die armen Preßhaften zu vertheilen, als unnütze,
verdorbene Waare zu den übrigen Excrementen unsers Jahrhunderts werfen;
leisten sie nur gegenwärtig eine solchen Nothhülfe, wie sie ungefähr
geschickte Aerzte von einem Scharlachfieber bey Kranken erwarten, die an
einer hartnäckigen Fühllosigkeit darnieder liegen. So würde
auch ich bey denen, die ich in der Cur habe, es schon für ein gutes
Symptom halten, wenn meine Umschläge ihre verschobene Einbildungskraft
nur erst so weit wieder in Ordnung brächten, daß ihnen die gewöhnliche
Hausmannskost nicht länger widerstände, die Schönheit und
Natur der Genügsamkeit darreicht. Könnten sich auch die Mattherzigen
nicht sofort bis zu jener Stärke eines reinen Gefühls erheben,
daß sie an der Unbefangenheit und Unschuld meiner Margot, und an
den eben so einfachen als gesunden Gerichten Geschmack fänden, die
sie ihren bessern Bekannten vorsetzt; so wäre es einstweilen schon
gut, wenn der Heißhunger sie nur in den ersten besten Gasthof triebe,
wie zum Beyspiel der zum schwarzen Kreuze ist, von dem ich selbst eben
zurück komme, und wo sich schon einer sättigen kann, der nicht
an gar zu feine Ragouts gewöhnt ist.
Ich sehe, Eduard, du zuckst die Achseln, drehst
dich seufzend von mir, und glaubst mir in deine Bibliothek zu entwischen;
aber den Weg dahin kenne ich auch, und es ist heute wohl nicht das erstemal,
daß ich dir bis vor deinen Arbeitstisch nachschleiche. Du hast hier
noch immer, wie ich sehe, um deinen globus
terrestrem sehr disparate Dinge herliegen: Landcharten und
Zeitungen neben Garvens meisterhaften Versuchen Smith über den National=Reichthum
neben Archenholz siebenjährigem Kriege hier sogar Lavaters geheimes
Tagebuch über das meinige alles so bunt untereinander wie in der
Welt selbst. Die Sachen, sagst du, haben sich hier zusammen gefunden, wie
ich sie nach Maßgabe meiner Laune gebraucht habe, ohne daß
sie unter sich selbst weiter etwas gemein hätten. Das ist zu glauben,
lieber Eduard, und in so weit mag auch wohl eins so viel Recht auf seinen
Platz haben als das andere. Indeß hätte ich wohl die Grille,
daß ich genau wissen möchte, was ein Schächer wie ich,
unter einer so gelehrten Gesellschaft allenfalls für einen behaupten
könne, wenn hier nur das Verdienst um die Welt den Rang bestimmte.
Schiebe nur mein unglückliches Tagebuch her Ich bin darin doch am
meisten belesen, und muß am besten wissen, wo seine Stärke und
Schwäche liegt. Was hast du mir nun aus dem Haufen, den ich Dir
lasse, entgegen zu setzen, um mich zu demüthigen? Jenen Moralisten
dort? O! streiche ihm nur ein wenig seine Runzeln, mir aber meine struppigen
Haare aus dem Gesichte, und du wirst zu deiner Verwunderung eine gewisse
Gleichheit der Verwandtschaft entdecken, die mich dir um vieles erträglicher
machen die mehr als alles dich aufmuntern wird, mich gegen diejenigen
in Schutz zu nehmen, die mir so gern die Titel meiner Herkunft abstreiten
möchten.
Um dir die Sache zu erleichtern, so breite,
mit Beyhülfe unsers Archenholz, nur deine Landcharten und Zeitungen
aus einander, und halte nun die Kinderspiele meiner Phantasie, wie ich
sie dir zureiche, gegen die Ritterspiele der Großen meine nackenden
Gemälde gegen ihre blutigen Bataillen=Stücke, und irre mit philosophischem
Auge von den einen zu den andern. Ich lasse dir Zeit, Freund, und verlange
nicht, daß du mir eher gewissenhaft erklären sollst, welche
von beyden du für verdienstlicher hälst, als bis du ihren verschiedenen
Eindruck auf das menschliche Herz mit deinem vorigen strengen Urtheile
verglichen, und im Angesicht deines Globens genau erwogen hast, auf welche
Seite der Gemälde sich das bürgerliche Wohl, das häusliche
Glück, und das System der so grausam verfolgten Bevölkerung am
meisten hinneigt.
Ich will dich nicht weiter in deinen stillen
Betrachtungen stören. Aber o könnte ich nur meiner Feder jede
elektrische Kraft mittheilen, die mir, trotz meinem Frankfurter Ringe,
in Clärchens Kammer versagte; wie herzhaft wollte ich sie gegen die
physischen und moralischen Verirrungen, die man so ehrbar mit dem Ansehn
eines Plato und mit dem Mantel des Sokrates zu bedecken glaubt, und gegen
die politischen Gräuel schärfen, mit denen zusammen ein Geist
des Verderbens den fröhlichen Genius der Erhaltung verfolgt! Ich wollte
den Jünglingen männlichere Neigungen, den Mädchen wirksamere
Lockungen, und den Zepterträgern Menschlichkeit anschwatzen, und die
lachendsten Phantasien der Liebe zum Beytritt aufbieten, um alle mordlüstige
Gedanken von unserm freundlichen Erdstrich zu scheuchen, und seine allgemeine
Trauer zu heben. Aechte Philosophen, und ihr besonders würdet es mir
verdanken, ihr guten, tugendhaft schmachtenden und verlassenen Töchter
meines Vaterlandes. Ihr würdet, sittsam erröthend, mir selbst
den schlüpfrigsten Umweg vergeben, wenn ich ihn, da beynahe alle gebahnten
Straßen der Natur entzogen sind, mit einigem Glück einschlüge,
um euch zu euern Rechten zu verhelfen, und die verwilderten, ehescheuen
und verblendeten Ueberläufer meines Geschlechts durch gute Worte wieder
in euern sanften Sprengel zurück zu führen; auf daß eure
wahre Bestimmung zu ihrer verlornen Ehre gelange; auf daß die Freude,
die ihr zu erwecken geschaffen seyd, ehrlicher und ritterlicher benutzt,
und, statt der Dornen und Disteln eines Schlachtfeldes, das hohe mütterliche
Gefühl auf euern rosigen Wangen entwickelt werde, das ihr Schuldlosen
in einer Bleichsucht ersticken müßt, die laut wider die Tyrannen
der Welt, laut wider die Verächter eurer Reitze um Rache schreyt.
Könnte ich durch rührende Darstellung aller der entzückenden
Augenblicke, mit denen eure Sanftmuth und eure Launen eure Stärke
und eure Schwäche eure Schmeicheleyen und eure lehrreichen, sanften
Strafen, mir das Leben erheitert, und meine Besserung bewirkt haben mein
abtrünniges Geschlecht zum Anschmiegen an das eurige wieder beylocken
bey Gott ich wollte mich keines wollüstigen Bildes schämen,
das mir selbst die Tugend erlauben würde, zu dieser guten Absicht
von euren geheimsten Reitzen zu borgen; ich würde noch beym Austritt
aus diesem jammervollen Planeten mit väterlicher Zufriedenheit auf
die anwachsende Nachkommenschaft hinblicken, die ich mir schmeicheln dürfte
zum Genuß besserer Zeiten erschrieben zu haben. Sollte sich in
der auserwählten Schaar dieser Abkömmlinge einer befeuerten Liebe
ein und der andere Fürstensohn befinden, so wünsche ich ihm zu
dem seltenen Umstande seines Daseyns Glück. Seine bürgerliche
Stammhaftigkeit übernehme meine Vertheidigung in dem Zirkel seiner
Innung, in den Schlössern der Großen, die sich zu vornehm dünken,
der Natur und der Einbildungskraft etwas schuldig zu werden.
Scheint dir dieser Glückwunsch nicht mit
jenem Abscheu zu reimen, den ich vorhin gegen die blutdürstige Kaste
geäußert habe, die über uns herrscht, so hast du zwar nicht
ganz Unrecht: wenige aus ihrem Mittel du siehst daß ich billig
bin verdienen es, daß ein gutes Herz sich ihrer Fortdauer annimmt.
Da sie denn aber nun einmal da sind, wäre doch wenigstens zu wünschen,
daß sie nicht gleich in ihrer Geburt verunglückten, indem unsere
demüthige Lage nur desto schimpflicher wird, je krüppeliger sie
selbst sind. Das ist so wahr, daß ich es damit wohl könnte bewenden
lassen; aber, um es dir offenherzig zu gestehen, ist es doch nicht die
eigentliche Ursache des Absprungs meiner Ideen. Daran war wahrlich nur
eine kleine Anekdote Schuld, die mir nach einer ganz andern Verwandtschaft
von Begriffen eben beyfiel. Ich würde sie, als einen überflüssigen
Beleg, nicht einmal der Mühe werth halten meinen vorhergegangenen
anzuhängen, nähme ich in dieser ungeduldigen Stunde nicht selbst
nur zu gern alles mit, was mich, bey dem ewigen Außenbleiben meiner
Pferde, nur im mindesten zu zerstreuen vermöchte. Zu dem kann man
auch nicht wissen, ob nicht mein Geschichtchen recht gut bey dir angewendet
sey. Deine Verdienste werden dich doch über lang oder kurz an das
Ruder eines Staats bringen. Zufällig könnte es ja wohl eins seyn,
das aus seinem natürlichen Schwung, und bloß aus der Ursache
gekommen wäre, weil kein Mensch den Verstand hatte es darin zu erhalten.
Meine Erzählung liefert nun, wie du sehen wirst, eine recht gute praktische
Anweisung hierzu.
An einem gewissen Hofe, ist mir nehmlich glaubhaft
versichert worden, befände sich, unter dem eigenen Verschluß
des jedesmaligen Regenten, eine Art von Capelle, zu der er, nach der Hausverfassung,
selbst seinem Erben den goldenen Schlüssel nicht eher vertrauen darf,
als an einem in dem Stiftungsbriefe beniemten Tage. So ist es von Vater
auf Sohn seit hundert Jahren gehalten worden, unter der gemeinen Sage,
daß die Wohlfahrt des Landes an die gewissenhafte Befolgung dieser
Ordnung gebunden sey. Lange Zeit wähnte man, das Arkanum der Adepten
sey darin verborgen; da man es aber beständig von Seiten des Finanzcollegiums
widersprach, so blieb dieses Staatsgeheimniß so lange ein Räthsel,
bis einmal, wie man sagt aber was sagt man nicht? die Großmutter
des jetzigen Herrn, während der Vormundschaft ihres Sohns, den goldenen
Schlüssel an der Thüre dieses Heiligthums verloren ein Kammerherr
hat ihn gefunden für den seinigen gehalten und an dem nächsten
Schlosse versucht habe. So sey aus bloßem Zufalle die Capelle zuerst
von unrechten Händen geöffnet das Geheimniß verschwatzt
und das Publicum ein wenig näher der Wahrheit auf die Spur gebracht
worden. Die alte Sage läßt sich nun auch schon besser erklären.
Jetzt weiß man von dem Innern dieses heimlichen Zimmers im Allgemeinen
so viel: daß es aus Schilderreyen zusammen gesetzt ist, die man anderwärts,
ihrer zu großen Täuschung wegen, zu verhängen, aus Schriften,
die man zu verbrennen pflegt, und aus einem einzelnen Sopha. Es ist, wie
du siehst, nichts als ein Museum des guten Geschmacks: nur ist es immer
drollig, obgleich sehr vernünftig, daß kein Erbprinz eher als
am Abend seines Beylagers den Schlüssel dazu, und dabey aus der Kanzley
einen Auszug aus dem Testamente seines Stammvaters erhält, das den
Neuvermählten verbietet, das hochzeitliche Bett zu besteigen, bevor
sie nicht ihre Andacht in dieser Capelle verrichtet hätten. Ueberlege
diese Umstände, Eduard, um dir einen Begriff von dem Gegenstoße
der Empfindungen zu machen, den ein solcher unerwarteter Befehl in solch
einem Augenblicke hervorbringen muß. Für den jungen Herrn ist
mir indeß lange nicht so bange als für die junge Verlobte. Denke
dir nur eine so arme Prinzessin, die aus den behutsamen Händen ihrer
Oberhofmeisterin kürzlich entlassen, und an diesem Hofe als Braut
eines Mannes aufgeführt wird, den sie kaum aus ihrem Taschenkalender
kennt Denke dir, wie sie nun den Tag ihrer Vermählung hindurch von
dem Getöse des Festes, von Musik und Kanonen betäubt, von der
langweiligen Rede des Capellans, und den noch langweiligern Complimenten
der Hofleute schon so entkräftet ist, daß sie kaum noch mit
Anstand den Fackeltanz endigen kann Denke dir, wie sie nun, durch ein
Zimmer in das andere getrieben, unter Vortretung des Hofstaats, endlich
bis an den Zufluchtsort ihrer Toilette gelangt, wo sie kaum Zeit hat sich
zu lüften und Odem zu holen, als sie sich unter den Händen ihrer
dienstbaren Najaden an eine neue Pracht fesseln sieht, in der sie die Nacht
über glänzen soll wie zuletzt auch dieses Fest der Ablution
diese ungeduldigen Augenblicke der Kritik und der Begaffung überstanden
die Flügelthüren des Brautgemachs ihr geöffnet sind, und
ihre Nymphen sich trollen Stelle dir vor, wie einem so zärtliche
gebauten Körper, nach solchen Anstrengungen wie einer wohl organisirten
Seele, die alle Martern des Ceremoniels bis auf den letzten Grad erhalten
mit Einem Worte, wie der kleinen Prinzessin zu Muthe seyn muß,
wenn sie nun, statt der tröstlichen Aussicht der Ruhe, ein mit Franzen
und Federn überladenes Staatsbett glänzen sieht, von dem sie
schon dem äußern Ansehen nach eben so wenig etwas Kluges erwarten
kann, als sie heute erlebt hat.
Wie eine Drahtpuppe, die von der Rolle nichts
weiß, die sie spielt die es von obenher erwartet, welches Gelenk
sich zuerst heben welches Glied sich bewegen soll, steht das gute Kind
da, und blickt mit unbelebten Augen und nur mit dem hölzernen Gefühl
der Abhängigkeit nach ihrem Gebieter. Dieser tritt nun, zwar glänzend
wie Phöbus doch ernst und langsam wie ein Bote herein, der von weitem
her eine üble Nachricht zu bringen hat. Beklagen Sie mich, meine
Auserwählte, redet er sie mit kaltem Anstand und kostbaren Worten
an: In dem Augenblicke, nach welchem ich einen ganzen beschwerlichen Tag
gerungen habe, erhalte ich noch ein Kanzley=Schreiben von meinem Ur=Ur=Urältervater,
das ich, großer Gott! vorher noch beantworten soll, ehe ich die Erlaubniß
habe Sie die meinige zu nennen. Es soll an dieses Zimmer eine Capelle stoßen,
zu der der Höchstselige mir den Schlüssel schickt Dort sollen
wir, beste Prinzessin, auf dem Altare unsere Namen in ein Buch schreiben
dort sollen wir eine heilige Handlung verrichten, auf der, wie sein Brief
sagt, das Glück des ganzen Landes beruhe. Was muß der gute alte
Mann gedacht haben? Ich bitte Sie, liebe Prinzessin, wo soll ich an Ihrer
Seite ach! würde er es mir zugemuthet haben, wenn er Sie gekannt
hätte? nur einen Funken von Andacht hernehmen? Zu einer ungelegneren
Zeit, dächt´ ich, wäre wohl keine menschliche Seele noch
in eine Capelle geschickt worden. Die gute Prinzessin denkt im Grund
ihres Herzens dasselbe. Sie macht keine kleinen Augen, da sie wieder von
Ceremonien hört, vor denen sie wenigstens in der Mitternachtsstunde
gehofft hatte sicher zu seyn Aber sie nimmt sich zusammen. Wenn die
Landes=Wohlfahrt darauf beruht, sagt sie so manierlich als ob ihre Oberhofmeisterin
zwey Schritte davon stände, so bin ich in Wahrheit noch nicht so
schläfrig, daß ich nicht meinen Namen noch schreiben und ein
Vater Unser beten könnte.
Sie suchen nun beyde die verborgene Thür
der Capelle, und finden sie glücklich dem Brautbett gegen über,
hinter den Tapeten. Der goldne Schlüssel wird versucht er schließt,
und sie stehen, als die Thür hinter ihnen zufällt, zwischen ihr
und dem Vorhange des Allerheiligsten. Mit einem Schritt über die Schwelle
treten sie in das Innere, und zugleich treten an allen Ecken krystallene
und in Rosenöl brennende Lampen hervor, und verbreiten ihr Licht auf
jene Meisterstücke der Kunst, die so lebhaft, als wären sie erst
diesen Abend fertig geworden, und in solcher Harmonie von der Wand strahlen,
daß sie alle zugleich nur auf Einen Punkt wirken. Stelle dir nun
die großen, beleidigten, unschuldigen Augen vor, die so etwas nie
gesehn nie geahndet hatten! Sie prallen ab, wie sie hinfallen. Die auf
das höchste Erschrockene staunt ihren Führer an, der selbst mit
den schnellsten Gedanken seiner Ueberraschung nicht nachkommen kann, und
so verlegen vor seiner Braut da steht, als wenn er die Unartigkeiten aller
seiner Ahnherren zu verantworten hätte. Aber wie ganz anders erscheint
ihm zugleich seine Geliebte! So hatte er sie nicht gekannt, so
hätte er sie schwerlich in seinem Leben kennen gelernt. Ihre gepreßte
Brust hebt sich, und fängt ein paar köstliche Thränen auf,
die dem Unmuth der verwundeten Unschuld entwischen. Sie wagt es nicht noch
einmal zwischen die Lichter hinzublicken, und weiß doch auch nicht
wo sie mit ihren großen blauen Augen bleiben soll. Sie ringt nach
einer Erklärung, die sie nicht zu fordern das Herz hat, und, tausendmal
schöner in der Angst ihrer Jugend, als sie es je in dem Zirkel des
Hofs war, entwickelt sie in dem kurzen Zeitraum einer Minute mehr Physiognomie
der Seele, als selten ein Fürst zu sehen bekömmt, mit jenen feinen
Uebergängen und sanften Schattierungen, die uns ein Mädchen erst
lieb machen, und die, glaube ich, in allen Paradebetten verloren gehen.
Das Gedränge nie gefühlter Empfindungen nimmt auf das schnellste
zu die Füße wanken ihr wie einem gemeinen Mädchen, sie
sieht nichts, woran sie sich halten kann, als den einzigen Sopha der
immer der beste Zufluchtsort auch für eine müde Prinzessin ist.
Hier dem Altare gegen über, auf dem die Annalen des fürstlichen
Hauses ausgebreitet da lagen hier war es, wo der weise Stifter dieses
Heiligthums sie erwartete, und hier kniete nun auch der entzückteste
seiner Nachkommen, wie er es selbst sagt und ihm niemand abstreiten wird,
vor seine Auserkorne nieder wagt es erst kaum, ihre widerstrebenden Hände
in die seinigen zu fassen nennt ihren Unwillen gerecht sucht ihren
empörten Stolz zu besänftigen, und schiebt alles, wie er es mit
Recht thun kann, auf seinen Stammvater. Er würde außer sich
seyn, sagt er mit bebender Stimme, wenn das alte sonderbare Herkommen ihn
um die Achtung seiner geliebtesten Prinzessin, und in demselben Augenblicke
bringen sollte, wo er es erst ganz zu verdienen gehofft hätte. Kein
Mensch, weder aus dieser noch jener Welt, würde ihn haben bewegen
können, den zärtlichen Augen seiner einzig Geliebten so weh zu
thun, wenn ihm nur im geringsten geahndet hätte, welch ein Cabinet
die Haupturkunde seines Hauses verwahre. Er müsse sich, fährt
er fort, in Erstaunen verlieren, wenn er, die lange Reihe seiner Ahnen
herunter an alle die, bekannter Maßen so reitzenden unschuldigen
erhabnen und höchst vortrefflichen Fürstinnen dächte,
die doch eine nach der andern sich dieser Probe der Angst hätten unterwerfen,
und ihren Namen als Landsmutter in dieser Capelle verdienen müssen.
Nichts hätte sie wahrscheinlich dabey aufrecht erhalten und trösten
können, als der Gedanke an das allgemeine Beste, dessen Erhaltung
allein dieser Tempel geweiht sey. Freylich, setzt er hinzu, wäre
es auch wohl das erste Gesetz jedes gut denkenden Fürstenkindes, ob
man es gleich nur zu oft in Winkeln suchen müßte, wo man es
nicht denken sollte.
Indem er alles dieses mit einer zärtlich
stammelnden Stimme vorbringt, kann er sich zugleich an ihren scheuen Augen
an ihrer holden Erröthung an der immer höher steigenden Empörung
ihres blendenden Busens, und an der schönen Unordnung nicht satt sehen,
die durch so manche heftige Bewegung der beunruhigten Sittsamkeit unter
ihren Spitzen und Bändern entstanden ist. Er leidet treulich mit ihr,
und forscht, nach jedem Kusse, den er ihren zitternden Händen aufdrückt,
in ihren Blicken, um wie viel Grade ihr Schrecken gesunken, und um wie
viel sie schon gefaßter sey einen neuen zu ertragen. Aber noch vergehen
einige bange Minuten, ehe sich das Gute dieser Anstalt und der große
Sinn zeigt, den der Stifter darein gelegt hat. Kaum aber haben die eben
so wahren als zärtlichen Vorstellungen ihrem belasteten Herzen die
erste unmerkliche Erschütterung mitgetheilt so rollt die ganze schwere
Masse, wie ein Schiff, das vom Stapel gelassen wird, nur desto geschwinder
reißt alles mit sich fort, was es auf seinem Wege antrifft und
schwebt nun stolz zwischen Himmel und Erden. Sie sieht mit dem fröhlichsten
Erstaunen was sie nie erwarten konnte sieht ihren Liebhaber in ihrem
Gebieter. Die Drahtpuppe ist verschwunden Sie bewegt jetzt selbst
was sie bewegt Sie findet Geschmack an ihrer Rolle, und spielt sie
vortrefflich. Kein Blick ihrer besänftigten Augen fällt auf den
innigst gerührten, schmachtenden Jüngling, der ihr nicht eine
süße Empfindung keiner fällt verstohlen an die Wand,
der nicht eine kleine Belehrung mitbrächte. Ohne es zu wissen, ahmt
sie die eigene Miene der furchtsam nachgebenden Psyche nach, die aus dem
herrlichen Altarblatte auf sie herüber blickt und mit welchem Feuer
kehrt nicht sein Auge auf die ihrigen zurück, wenn es die Zeit einer
halben Secunde gewann, auf ein Gemälde aus Titians Jugend zu gleiten,
das ihm gerade vor die Augen über dem Sopha, seiner furchtsamen Prinzessin
aber im Rücken hing, wie ihm Psyche´s Apotheose! Ach wie weiden
sich beyde an dem hohen und wahren Ausdrucke des Gefühls, das jedes
in dem Herzen des andern zu erregen sich einbildet, ohne zu ahnden, wie
viel sie davon dem Wiederscheine der Kunst, die hier so schwesterlich der
Natur die Hand reicht, zu verdanken haben! Gott segne ihren glücklichen
Irrthum! Trunken von der Seligkeit ihres Daseyns erschüttert durch
den Zauber dieser heiligen Stätte zu Göttern verklärt
durch das Feuer der Einbildungskraft sinken sie staunend einander in
die Arme sinken in die Vergessenheit ihrer selbst. Der Segen ihres
großen Ahnherrn das Wohl des Landes, und das höchste Entzücken
der Liebe schwebt über ihnen. Millionen Sphären rollen über
den Häuptern der Glücklichen hin. Sie mögen kommen gehen
verschwinden was kümmert es sie? Die Sterne, die lange über
dem Sopha funkelten, stehen jetzt unter ihm aber was fragen sie nach
den Körpern des Himmels ihrem Stande und ihrer Bewegung? Was sollten
sie? Sind sie sich nicht selbst ein Universum? Aus der Zusammenkunft ihrer
Planeten in dem schönsten Punkte des Thierkreises werden sich neue
Epochen der Freude, neue Systeme der Liebe entwickeln, die in dem unermeßlichen
Raume der Geister= und Körperwelt unabhängiger und glorreicher
als jene, ihre unbekannte Bahn beschreiben durch Jahrtausende sich fortwälzen,
und dem lieblichen Genius der Erhaltung vorleuchten werden bis an das Ende
der Tage. Umsonst arbeiten alle Wirbel und Kräfte der Schöpfung,
schwingen, reiben und drücken sich, um aus dem Leben der Verherrlichten
diese erste stolze Nacht zu verlöschen Sie verlischt aber das
rührende Andenken derselben, mit allen ihren menschlichen Folgen,
wird ihren Seelen unvertilgbar und den entferntesten Zeiten noch heilig
seyn.
Schon glänzen die Gebirge, die Thäler
und Hügel des Erdballs in den Strahlen der Morgenröthe der
entzückte Prinz bemerkt ihr Farbenspiel nur an denen, die in seiner
Herrschaft liegen, und die ihm auf der ganzen Oberfläche der Natur
die liebensten geworden sind. Von ihrem Horizont aus wirft er noch einen
Seherblick in die Nachwelt sieht sich glücklich eingereiht in die
Mitte unzähliger Vorfahren unzähliger Nachkommen, und der Wunsch
seines Stammvaters ist in allen seinen Theilen erfüllt. Sein Kanzley=Schreiben
ist
beantwortet, und dem Einsturze seines stolzen Gebäudes ist durch zwey
neu angestellte tüchtige Arbeiter vorgesehen, und die Anlage seiner
Capelle gegen allen Tadel gerechtfertigt. Sanft belastet von der Schwere
ihres vielfältigen Glücks, reichen sich die Liebenden dankbar
die Hände. Keines weiß, wer das andere besiegt hat. Arm in Arm
treten sie an den Altar der Psyche blättern bey dem Glanz ihrer
Lampe in dem heiligen Stammbuche die Stelle auf, die es ihnen anweist,
und setzen unter alle die Namen, die hier mit zitternden Händen geschrieben
stehn in auch nicht festern Zügen, den ihrigen. Ein herrliches Werk!
an dessen Fortsetzung es jedem gutdenkenden Sohne dieses hohen Geschlechts
eine Freude seyn sollte zu arbeiten. Das glückliche Paar giebt sich
das Wort es gelegentlich durchzugehn um wie die wackere Prinzessin
hinzu setzt, die Geschichte eines Hauses kennen zu lernen, in das sie so
freundlich aufgenommen wurde. An der letzten Stufe der Capelle geloben
sie noch der schaffenden Natur ein Votiv=Gemälde, das selbst in einer
solchen Sammlung der Aufbewahrung noch werth sey. Schwach vielleicht
zu schwach aus überschwenglicher Liebe, und unbegreiflich allen benachbarten
Fürsten, wenn sie es erfahren sollten, übergiebt der Held dieser
fröhlichen Nacht an dem Ausgange des Tempels seiner Gemahlin den
goldenen Schlüssel zum Zeichen seiner ewigen Treue ohne Furcht,
daß sie ihn jemals verräumen oder verlieren werde, wie seine
Frau Großmutter Liebden höchstseligen Andenkens.
Ein wohlverdienter Schlaf erwartet sie beyde
in dem weiten Umfange des Brautbetts, das unterdeß nichts von seinen
Franzen, nichts von seinem Ansehn verloren hat, und gegen das sich der
einfache Sopha verstecken muß. Die Engel des Himmels wären ungerecht,
wenn sie nicht gütig auf die Geweihten herunter blickten, die alles,
was die Natur und die Kunst, und was selbst des Geschwätz des Capellans
verlangt, das zu keinem von beyden gehört, auf das pünktlichste
erfüllt, und schon Vater und Mutter vergessen haben, ehe sie einschlafen.
Mögen jene freundlichen Bilder ihnen im Traume vorschweben, unter
deren Abglanze sie des Landes Wohlfahrt besorgten! Die ehrlichen Dichter
und Prosaisten, die sich heute in diesem Tumulte der Sinne mit ihrem Krame
bescheiden zurück zogen, werden schon zu einer gelegeneren Zeit ihre,
nicht minder wirksamen Dienste dem fürstlichen Hause anbieten, wenn
der erste Eindruck der Farbenmalerey verraucht seyn und die ekle Seele
sich nach Hülfe umsehen wird, um der größten Gefahr der
Liebe dem drohenden Ueberdrusse, zuvorzukommen.
Vielleicht daß ein solcher Augenblick
selbst mein armes Tagebuch aus seiner Dunkelheit hervor zieht, und ihm
Gott geb´ es! die Ehre verschafft, das Vehiculum einer Prinzessin,
die meiner Margot gleich sieht, oder eines Prinzen zu werden, der meinen
Haß gegen alle andere Ritterthaten mit auf die Welt bringt, die nicht
in das Gebiet der Menschheit gehören.
Du magst von dieser Capelle und ihrem goldenen
Schlüssel denken was du willst, Eduard! ich wenigstens habe keine
an irgend einem Hofe gesehen, die philosophischer ausgedacht, und niedlicher
angelegt wäre. Die Gemälde, die dieses Kunst= und Naturalien=Cabinet
zieren, sind wohl nicht weniger zweckmäßig und selbstsprechend,
als das Gastgebot des Storchs in dem Audienz=Gemache zu C , das einem
Gesandten, der nicht blind ist, gerade in die Augen fällt, wie er
hinein tritt, und wohl eher als jene verursachen könnte, daß
ein ehrlicher Mann in seinem Vortrage stecken bliebe. Der Erbauer jenes
klügern Zimmers muß ein Herr von nicht gemeinen Einsichten gewesen
seyn, der den Gang des menschlichen Herzens so richtig aus der Aufgabe
seines eigenen abzuziehen verstand, als er prophetisch die stufenweise
Abnahme der Seelen= und Lebenskräfte voraus sah, die jeder fürstlichen
Nachkommenschaft drohte. Sie kann nicht ausbleiben, dachte er, wenn die
Herren Erbverbrüderten so fortfahren wie sie anfangen wenn sie als
einen Damm ihrer ziemlich ausgeschöpften Hoheit, Prunk und Statuen
um sich herum stellen, die ihnen jede freye Aussicht in die Natur versperren,
und wenn sie immer so hoch auf den Stelzen ihres Standes einher treten,
daß kein Blick der Freundschaft kein Ausdruck der Vertraulichkeit
ihre Augen und Ohren erreichen kann, sie flössen ihnen denn von andern
Stelzentretern in gerader Richtung zu; und da weiß man schon wie
wahr und rührend sie ausfallen. Sie müssen es ist nicht anders
in ihrer Welt fremd werden, und endlich unter den Possen ihres Anstands
erliegen. Was soll, dachte er ferner, anders als Zwecklosigkeit und lange
Weile aus ihren ehelichen Verbindungen entstehen, da sie immer nur ein
zehnfach verwandtes Blut in dem kleinen Zirkel herum treiben, auf den sie
der genealogische Kalender einschränkt, und wodurch ihre Körper
und Seelen einander am Ende alle so ähnlich werden, daß es ein
Elend ist? Großer Gott! was soll da Kluges heraus kommen, wenn sie
aus einer Idylle eine politische Rechnung aus einem Schäferspiele
eine Haupt= und Staatsaction machen? Der gute Mann blickte dabey mit seinen
gesunden Augen in die offene Flur, sah, wie der Baum kränkelte, der
nur mit seinen eigenen Ablegern gepfroft wird sah, daß der Acker
nur kümmerliche Ernten treibt, der mit dem Korne, das er jährlich
einbringt, immer wieder besäet wird, sah in der Wirthschaft des
Thierreiches, wie tief am Ende die vollkommensten Racen herab sinken, wenn
man sie zwingt sich unter einander zu verfielfältigen. Verwies er
nicht schon selbst manchen Gaul dieser Art in den Bauhof, dessen Ahnherr,
nach dem Stallregister, den Kaiser bey seiner Krönung trug manchen
in die Post, der in gerader Linie von der Haquenee, oder gar von dem Bucephalus
abstammte?
Da entschloß sich der hohe Fürst
in väterlicher Rücksicht auf die gemeinschaftliche Wohlfahrt
seines Landes und seiner Erben entschloß er sich, keinen Schwächling
in seiner Familie aufkommen zu lassen. Nach langem Hin= und Hersinnen glaubte
er es am besten zu treffen, wenn er eine Macht, deren großen Einfluß
er nur zu oft an sich wahrnahm wenn er die wohlthätige Macht der
Phantasie in den, für das Land gefährlichsten Augenblicken, gegen
den kraftlosen Hofton zu Hülfe rufte, und seine Lieblinge die Erbprinzen,
wenigstens in der media nocte
ihres Beylagers, durch einen natürlichen Einfall aus der Contenance
brächte. Mußte er es auch zugeben, da er es nicht ändern
konnte, daß die guten Leutchen, die er im Auge hatte, noch vorher
auf dem Burgplatze alle die raren Künste entwickelten, für die
ihres Gleichen bezahlt werden, wie sie es verdienen, konnte er auch der
tyrannischen Etiquette nicht so scharf in die Leine greifen, daß
sie nicht erst das arme angekuppelte Paar in Ceremonien müde trieb,
ehe sie es bis an den Standtpunkt seiner Vereinigung brachte; so war es
ihm doch außer Spaß, wenn er im Geiste diese Staatspuppen,
mit sammt ihrer Kälte, ihrer Erschlaffung und ihrem fürstlichen
Anstande, das Paradebett besteigen sah. Nein! sagte er, das lasse ich nicht
zu. Ich will der wohl erzogenen steifen Prinzessin zuvor Gelenke ihrem
niedlichen Gesichtchen erst Ausdruck ihrem in etwas zurück gebliebenen
Busen mehr Schnellkraft, und will dem uralten Geblüte, das in ihren
Adern schleicht, Leben und Wärme geben. Sie mag ihrer Oberhofmeisterin
Ehre machen wo sie nur will aber in dem wichtigen Augenblicke, wo sie
nicht nöthig hat vornehm zu thun, behalte ich mir, als Stammherr ihre
Zurechtweisung allein vor, und hoffe, so Gott will sie vor ihrem Uebergange
zu einem zweckmäßigen, feurigen, natürlichen Mädchen
umzugestalten, das, wie Freund Lavater sagt *) denn sein prophetischer
Geist sah alle Fragmente der Welt voraus Kraft hat zu geben und zu empfangen.
____________________
*) S. Physiognomische Fragmente zweyten Versuch, S. 122,
wo man auch das Porträt der Dame sehen kann, an der diese Kraft gerühmt
wird.
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Mein Prinz fuhr er fort und strich sich den
Knebenbart soll vor seiner ersten Umarmung erst in einen muntern gefälligen
verliebten Jungen verwandelt werden, wie sie in der Welt herum laufen,
oder ich will nicht Hans heißen! Das Fünkchen Liebe, das er
aus der Hofcapelle mitbringt, soll in einer ganz andern von meiner Erfindung
erst zu Flammen auflodern, seine Pflichten sollen ihm, wie trägen
Kindern, durch Bilder verständlich gemacht, und seine natürliche
Rolle, ehe er sie spielen darf, soll ihm erst so lieb werden, daß
er seine angelernte darüber vergißt. Er habe das Opfer, das
er zu den Füßen seiner Verlobten für sich und sein Land
erbettelt, nur den Verlockungen der Sinne, dem Tumulte des Bluts habe
alles was er wünscht und erhält nur dem Zauberstabe der gereitzten
Einbildungskraft nichts davon dem Stabe des Hofmarschalls zu danken!
Und der brave Stammvater setzte sich hin und
fertigte sein ewiges Kanzeley=Schreiben an alle Glücklichen aus, die
durch ihn und seinen Erbprinzen, für dessen Stammhaftigkeit er selbst
patriotisch gesorgt hatte, in der Folge der Zeit zu der Ehre gelangen würden
ihr Vaterland zu beherrschen. Wenn sie auch, murmelte er vor sich, alle
meine andern löblichen Anstalten im Lande mustern, meistern und umstoßen,
so, denke ich, sollen sie doch nichts wider meine Einrichtung ihrer ersten
Nächte haben, da ihnen ja, wenn sie nur das geringste Nachdenken besitzen,
ihr eigenes Daseyn verbürgen muß, daß ich den Rummel verstand.
Und so stiftete er jene Capelle mit ihrem Sopha ihrem Stammbuche und
ihrem Ornate.
Sollte dich einmal der Zufall in diese etwas
entlegene Gegend bringen, so bitte ich dich, Eduard, scheue den Umweg nicht
von etlichen Meilen, um diesen Hof wäre es auch nur auf einen Mittag,
zu besuchen. Ich würde dir keines andern wegen so etwas zumuthen;
aber bei diesem hier wäre es mir lieb. Du würdest nicht allein
Dich mit eigenen Augen überzeugen, wie gut dem alten Herrn
sein Einfall gelungen ist, und könntest ihn bey Gelegenheit weiter
empfehlen sondern auch Ich dürfte hoffentlich so viel dabey
gewinnen, daß du nicht länger mit mir über meine malerischen
Vorstellungen zanktest. Denn, wie wäre es wohl möglich, daß
du nicht den tiefsten Respect für die Capelle, und nebenbey auch für
mein Bilder=Cabinet, bekämest, da es ganz nach demselben Risse gebaut
ist, wenn du einer der wunderschönen Prinzessinnen in der Nähe,
oder zwischen einem Paar jungen, kraftvollen, freundlichen Herren zu sitzen
kämest, die ihre frohe Existenz jener milden Stiftung verdanken, und
für deren Erhaltung sie, als künftige Nutritoren derselben, schon
durch ihr leichtes, ungezwungenes Betragen gut sagen. Diese, der Natur
gleichsam abgestohlnen Kinder gewähren jedem gesunden Auge den freudigsten
Anblick. Sie schreiten in einer reinen Erbfolge, ehrlich, fest, und zufrieden
mit sich und andern, durch die Zeit fort, ohne den Namen des entfernten
Edeln zu beschimpfen, von welchem sie so weit herkommen, während in
andern erlauchten Geschlechtern die animalischen Feuertheile ihrer Stammältern
so sehr unter dem Mantel der Etiquette verraucht sind, daß die meisten
Länder vor unserer Nase nur noch von Menschengestalten regiert werden,
denen ein Frost über den Leib geht, wenn sie in ihrer Rüstkammer
den offenen Helm betrachten, der das Haupt ihres Ahnherrn umgab die nicht
den Panzer zu bewegen vermögen, den sie ihren Vorfahren sehr bequem
in dem angebornen Wappen nachtragen. Wie können so ausgeartete Ritter
dem Lande ein Ansehn geben, dem sie vorstehen? Wie können sie dem
Geschlechte, das die Preise austheilt, und dem, zu ihrem Unglücke,
die Folge der Zeit nichts von seinen hohen Erwartungen geraubt hat, nachkommen,
ohne zu den unmännlichen Hülfsmitteln ihre Zuflucht zu nehmen,
die, wie das Historienbuch sagt, schon viele in der Verzweiflung ihrer
Mattherzigkeit ergriffen, um Friede im Hause zu haben, und nebenbey dem
Lande, das sie ihren Lehnsvettern mißgönnen, einen Beherrscher
zu schaffen, dem es die Unterthanen schon an den Augen ansehen, wie wenig
es ihm nach allen göttlichen und menschlichen Rechten gehört.
Sage mir, Eduard = = = Doch Himmel und Hölle
was erblick´ ich! Gott! wie wird mir mein politisches Geschwätz
eingetränkt werden! Das einzige Gespenst, vor dem ich mich fürchten
kann erscheint hinkt über die Gasse, und kömmt immer näher.
Mit großen Augen begafft es jetzt meinen aufgepackten Wagen und
nun ach! steigt es schauerlich die Treppe herauf. Mit Einem Worte, die
alte Bertilia ist zurück! Aber, um aller Barmherzigkeit willen! wo
bleiben die Pferde? Wahrlich, ich glaube, sie müssen erst, sammt ihrem
Knechte die Messe hören, ehe ihnen die Religion erlaubt, einen Ketzer
weiter zu schaffen. Eduard! lieber Eduard! was sollte wohl aus mir werden,
wenn die gelbsüchtige Tante nur die geringste Spur von meinem Besuche
bey Clärchen nur die Zerknitterung entdeckte, die während ihrer
Abwesenheit das florne Halstuch ihrer Nichte erlitt, und mich nun die kleine
betrogene Heilige, als eine zweyte Delila, meinen Feinden verriethe?
O wenn doch nur dießmal die Postpferde kämen! Aber selbst Bastian,
den ich nun zum drittenmale darnach geschickt habe, bleibt außen.
Ich komme mir wie verrathen und verkauft vor
Es ist aus mit mir, Eduard! Die Tante sie
pocht an und die Feder entfällt mir.
* * *
Ich habe dir, bester Freund! von einer bitterbösen Stunde
Rechenschaft zu geben, und ich kann es mit aller Bequemlichkeit thun; denn
leider! ist es so weit mir mir gediehen, daß ich unter dem Verschlusse
eines alten Weibes stehe, mit keinem Menschen, als vor der Hand noch mit
dir, sprechen kann, und dem Hospitale so zweckwidrig versetzt bin, wie
der heilige Engel unter dem Spiegel. Für heute ist weiter an keine
Abreise zu denken, und manchmal will mir gar angst werden, daß man
mich wohl bis zum Feste der heiligen Cäcilia, Gott weiß zu was
für einer Cäremonie! inne halten könne.
Das abscheuliche Weib! Sie trat höflich
genug zu mir herein, und auch ihre Miene kam mir nicht widriger vor als
gewöhnlich. Ich setzte ihr, mir gegenüber, einen Stuhl, und unser
Gespräch begann:
Sie wollen uns schon verlassen, mein Herr,
wie ich aus den Anstalten schließe? Briefe aus Marseille, liebe
Madam, nöthigen mich dermalen zu einer geschwindern Abreise; doch
denke ich, so Gott will, gegen den achtzehnten künftigen Monats wieder
zurück zu seyn. Wollten Sie mir wohl das Quartier auf diese Zeit aufheben?
Je, mein Herr so wissen Sie denn auch schon von der merkwürdigen
Feyer dieses Festtages? Wissen Sie denn aber auch, wie unbegreiflich hoch
die Miethen in der Stadt alsdann stehen? Ich weiß es aber der
Preis thut nichts was ein anderer geben kann, gebe ich auch.
Das wäre schon gut, mein Herr; aber ohne Rückfrage bey dem Herrn
Propste kann und darf ich mich so weit hinaus auf nichts einlassen. Kann
ich doch nicht wissen, was er mit dem Quartiere vorhat. Er kann es ja einem
Freunde zugesagt, oder gar die Absicht haben, um Unruhe zu vermeiden, es
leer stehen zu lassen. Sie wissen, er ist Vorsteher von dieser milden Stiftung;
und da ist es wohl natürlich = = O sehr natürlich! fiel
ich ihr ungeduldig in´s Wort. Wenn ich nur begreifen könnte,
wo meine Pferde so ewig lang blieben! Sie wollte mich aber nicht verstehen.
Es thut mir nur leid, fuhr sie fort, mein Herr, daß Sie gegenwärtig
kaum das Viertheil Ihres Miethzinses abgesessen haben = = O, ich bitte
Sie, liebe Madam, einer solchen Kleinigkeit nicht zu erwähnen Es
kömmt ja der Armut zu Gute = = = und ich sah mit einem finstern Blicke
nach meiner Uhr. Ueber diesen Punkt, fing sie und ich fing an: Sagen
Sie mir nur, ob die Post weit weg von hier ist? Ich thue wohl am klügsten,
ich laufe selbst hin und ich stand zugleich auf. Unterbrechen Sie
mich nur nicht immer, mein Herr, antwortete das dumme Weib, und erhob
sich nun auch. Ueber diesen Punkt, sage ich wären wir also einverstanden,
mein Herr. Und um Sie nicht aufzuhalten, will ich nur noch flüchtig
das kleine Inventarium durchgehen, das Sie im Gebrauche hatten nur der
Formalität wegen, da ich überzeugt bin, alles in Ordnung zu finden.
Jetzt schoß mir das Blatt Ich Unbesonnener!
Wie war es möglich, daß mir nicht eher die Bücherschalen
auffielen, die hinter dem Stuhle der Alten wie auf meine peinliche Anklage
zu lauern schienen? Da ich das Weib, wie ich von Herzen gern gethan hätte,
nicht auf der Stelle blind machen konnte, so sah ich keine menschliche
Möglichkeit diese Beweise meiner Schuld bey Seite zu schaffen. Konnte
ich mich doch nicht einmal auf eine leidliche Vertheidigung besinnen, gleich
als ob alle und jede Sophistereyen mit diesen verbrannten Schriften aus
der Welt wären. Sie setzte bedächtig ihre Brille zu rechte
besah den Spiegel, trotz dem Wiederscheine ihrer scheußlichen Figur,
auf das genaueste drehte den schlafenden Engel nach dem Lichte breitete
die taffenten Fenstervorhänge aus einander und da ich eben im Begriffe
war, die Schweinshaut von meinem Koffer über das Corpus
delicti zu werfen, drehte sie nun endlich ihre Drachenaugen
auch dem Kamine zu.
Könnte man doch malen, wie man wollte!
Aber ein altes Weib im Zorne gehört ja, glaube ich, zu den Dingen,
die uns Horaz verbeut auf die Bühne zu bringen. Du sollst also nur
ihre Stimme hören, Eduard! und du wirst, denke ich, schon daran genug
haben. Länger nicht als eine furchtbare Minute sah sie, noch sprachlos,
bald auf mich, bald auf die ausgeschälten Bände, als ob sie an
ihrer Besinnungskraft, oder ihrer Brille zweifelte. Sie trat näher,
rollte einen Blick der Verzweiflung über den theuern Aschenhaufen,
hob einen Hornband des Sanchez in die Höhe ließ ihn vor Entsetzen
fallen, und stürzte nun selbst, wie wahnsinnig, und mit gefalteten
Händen daneben. Eine Furie, die den Höllengott anruft, kann keinen
gräßlichern Anblick geben, als sie mir darstellte. Das Haar
sträubte sich mir, und ich trat selbst mit einem Andachtsschauer zurück,
als ihre Lefzen in Bewegung geriethen. Ich habe in meinem Leben nicht allein
viele einfältige und zweckwidrige nein, ich habe auch verdammliche
und fluchende Gebete austoßen gehört; doch von der Zusammensetzung
des ihrigen war mir noch keine zu Ohren gekommen. Im Anfange waren ihre
Ausdrücke nur albern, wie etwan der Eingang mancher Controverspredigt.
Sancta trinitatis!
schrie sie, ora pro nobis!
Rechnet mir, o ihr Heiligen und Märtyrer, die Missethat nicht zu,
die ein Verächter eures Namens in diesem Gotteshause beging! Aber
als ob sie damit nur das Recht errungen hätte zu fluchen, knetete
sie hinterher alles, was nur Gräuliches und Verworrenes in hundert
Gebetbüchern verzettelt seyn mag, zu einem Anathema wider mich zusammen,
daß selbst, in Vergleichung dessen, die bulla
in coena domini *) eine Höflichkeit seyn würde
Gott bewahre mich, daß ich es ihr nachspreche.
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*) So heißt die aus Verwünschungen und Flüchen
zusammen gesetzte Schrift, welche seit Jahrhunderten alle grüne Donnerstage
in Gegenwart der Päpste, wider alle diejenigen verlesen wird, die
sie mit dem Namen Kezer beehren. Am Ende derselben wird eine brennende
Fackel auf die Erde als Sinnbild des Bannstrahls geworfen, den sie im Geiste
über die anders denkenden schleudern. Ein herzerbendes Fest zu Rom!
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Ich hörte ihr lange mit geduldigem Erstaunen,
ja, wenn du willst, mit einer Art Bewunderung ihrer höllischen Beredsamkeit
zu. Endlich aber, da ihr giftiger Ausfluß nicht nachließ
ihr Mund immer schäumender und ihre Augen flammender wurden da sie
mir entgegen donnerte, daß viele meines Gleichen, in ihrem frommen
Lande, geringerer Verbrechen halber gerädert wären, und den Raben
am Bache zur Speise dienten und mir der arme unschuldige Calas darüber
einfiel da überlief mir die Galle. Den Augenblick steh auf, und
packe dich, du abscheuliches Weib, packe dich zu deinem Schandbalge von
Nichte, damit ich dich nicht in der Asche des Otterngezüchts ersticke,
das du beheulst. Und so lief ich, selbst ein wenig von ihrer Wuth angesteckt,
nach dem Schellenzuge, und stürmte nach Bastians Hülfe. Aber
indeß ich, wie ein Narr, klingelte, war mir die Hexe entwischt; und
ehe ich mich besann, warum ein Mensch, den man auf die Post geschickt hat,
unmöglich zu Hause seyn kann, hatte sie den Schlüssel abgezogen,
und die Thüre von außen verschlossen. Ich mußte nun selbst
einsehen, wie überlegen sie mir war, da meine Aufwallung von gerechtem
Zorn mich blind gegen alle Nebenumstände machte, die mir hätten
dienen können; sie hingegen, ungeachtet ihrer Wuth, auch nicht die
geringern Bosheiten aus der Acht ließ.
Dieser Auftritt, Eduard, hat mich ganz außer
Fassung gebracht. Ich kann mich noch gar nicht recht in mein Verhältniß
mit dem Hospitale hinein denken, und das pro
und contra meines
Falles abwägen. Freylich habe ich Bücher verbrannt, die einer
milden Stiftung gehörten; aber, großer Gott! was waren es für
Bücher! Verdient man wohl den Galgen, wenn man Gift stihlt, um es
in einen Abgrund zu werfen, damit es niemanden schade? O! gewiß verdient
man ihn, wenn es Mörder sind, die uns richten. Das ist keine tröstliche
Aussicht, und ich fürchte, ich fürchte, man wird mir das Brandopfer
eintränken, das ich dem Andenken des unsterblichen Rousseau gebracht
habe.
Eben habe ich alle Thüren des Vorsaals
und des Hauses verschließen hören, und sehe nun Tante und Nichte
Gott mag wissen nach welchen Gehülfen ihrer Bosheit über
die Gasse rennen. Meinetwegen mögen sie alle Schöppen und Schergen
der Stadt zusammen treiben! Ich will lieber, wie ein Mann von Erfahrung
sagt, mit Löwen und Drachen kämpfen, als mit einem einzigen bösen
Weibe. Daß nichts gutes für mich aus einer Conjunction entstehen
kann, die sich aus der Heimtücke des Alters und aus dem beleidigten
Gefühle der Jugend, und zwar von da aus, gebildet hat, wo die Rachsucht
am lebhaftesten und wie ein Kitzel wirkt kann ich mir an den Fingern
abzählen. Jener drückende Groll des frommen Mädchens, der
kaum eine volle Stunde alt und von einer desto gefährlichern Beschaffenheit
seyn muß, je verdeckter er ist wie wird er nicht der lauten Anklage
der Tante bey den Beschützern des Rechts zu Statten kommen, zu denen
sie beyde hineilen! Wie wird die fromme Sängerin mich die Beschimpfung
nicht büßen lassen, die ich ihren Reitzen und ihren Indulgenzen
anthat! Wie theuer werde ich alle Kreuze bezahlen müssen, um die sie
meine Ungeschicklichkeit brachte! Sie darf nur den Feuereifer ihrer würdigen
Tante mit ein paar heuchlerischen Thränen unterstützen darf,
wenn ihr Rechts=Patron in Gedanken da steht, nur den heiligen Nicaise ein
wenig lüften, oder, wie sie es mir gemacht hat, durch einen pittoresken
Faltenschlag ihres Florkleides das Auge des Richters fesseln, und ihn durch
den tollsten aller Kettenschlüsse verleiten, Beweise von Unschuld
dahinter zu suchen; so wird ihm mein Vergehen gegen Gott und seine Kirche
so einleuchtend und strafwürdig vorkommen, als es die Alte verlangt.
O, du betrügerisches Geschlecht! Warum hüllte dich die Natur
in jene blendende Decke, die alle und jede Nachforschung nach deiner wahren
Gestalt vereitelt? Warum entlarvte sie deine Abscheulichkeit mit Reitzen,
die auch den hellsehendsten Mann überlisten? und ach! warum ließ
sie nur einen Weg zu jenem verflochtenen Labyrinthe deines Herzens? Wie
ganz anders würden nicht jetzt meine Actien stehen, wenn ich = = =
Doch warum sollte ich mich noch strafbarer aus Clärchens Kammer zurück
wünschen, als ich sie, Gott sey Dank! verlassen habe? Um des verächtlichen
Vortheils willen, bey dem Widerspruche meines Gewissens, in den Augen solcher
Menschen, als ein Mann von Ehre, feiner Lebensart, und als einer zu gelten,
der es so ganz werth sey, ihrer Religion anzugehören?
Ich trenne mich ungern von dir, mein Eduard,
aber die Klugheit verlangt es. Wenn zwey Weiber wider Einen Mann in Aufruhr
sind, bleibt ihm wohl nichts nöthigeres zu thun übrig, als auf
alle möglich Mittel zu sinnen, ihrem unermüdeten Hasse entgegen
zu arbeiten, ehe er sich noch durch andere Leidenschaften, die ihnen immer
bey der Hand sind, verstärcke, und es zu spät wird. Ich hoffe
schon noch Zeit zu finden mit dir fortzuplaudern, wenn ich nur erst über
meine Vertheidigungsanstalten mit mir selbst einig seyn werde. Möchte
doch der folgende Tag denn der laufende ist schon wirklich zu kurz dazu
hinreichen, alle meine heutigen Morgenthorheiten, wo nicht wieder gut,
doch unschädlich zu machen! Wahrlich, Eduard, heute vor acht Tagen
konnte ich mir nicht träumen lassen, daß ich meine erste Neujahrswoche
mit so einem Wunsche endigen würde.
Ende des vierten Theils.
* * *
Leipzig,
gedruckt bey Christian Friedrich Solbrig. |