AN EINE
JUNGE DICHTERIN.
DAS stolze Mädchen! wie sie einhertritt
Mit wallendem Busen, für hohe Empfindungen
Zu enge, die sich von der Erde
Hoch hinauf zu den Sphären
Gerücket fühlen.
Reinere Lüfte athmet sie unter den Sphären;
Ihr Angesicht glüht wie die untergehende Sonne,
Ihr Auge wie der Abendstern.
Horch! Sie greift in ihr Saitenspiel
Der Himmel senket sich
Niederwärts
Aurora verzieht.
Schone, begeistertes Mädchen, schone!
Du hast mir Flammen in die Adern gegossen;
Ich muss dir folgen, und kann nicht
Deinen Adlerflug erreichen, und kann nicht,
Wie du, mit unverwandten Augen
In das Sonnenlicht schauen.
Horch! Trauerton
Ach, sie versinket in Bangigkeit.
Und du hörst sie nicht, Amynt?
Du Grausamer!
Fühlest du nicht die Flammenseufzer
In deine Seele stürmen?
Hörst nicht das einsame Jammern der Verlassnen
In dem Säuseln der Mitternachtswinde?
Fühlst nicht die heissen Thränen
Auf dein Eisenherz fallen?
Lass mich los, trauriges Mädchen! Dein
Gesang
Hat meine Seele ergriffen.
Ach, wie schmelzet mein Herz!
Ich würde zu dir zurücke kehren,
Und wenn du mich von den Sternen riefest.
Amynt!
Und du willst dich nicht wieder
In ihre ausgestreckten Arme werfen?
Nicht wieder der Erde Seligkeit
An ihrem klopfenden Busen einathmen?
Räche dich, liebes Mädchen!
Komm und schlinge dich
Um meinen Hals.
Ich will dich, um Einen deiner Blicke,
Ach, um einen Einzigen deiner Blicke,
Voll Seele und Himmel, will ich dich
In die Versammlung der Götter führen.
Zurück, ihr Ungeweihte!
Ich führe meine hohes Mädchen
In den Tempel der Musen.
Siehst du, hohes Mädchen, die Hände
Mit jungen Rosenkränzen,
Die aus dem Purpurlicht ragen,
Für deine Schläfe geflochten?
Unsterbliche! siehe mich an.
In kann den Glanz deines Angesichts,
Unsterbliche, ich kann dich nicht ertragen!
Fallet nieder,
Ihr Scharen der Dichter!
Sie ist zu unsrer Priesterinn
Geweihet.
WÜNSCHE AN LALAGEN.
WANN sich mein Arm und deinen Hals geschlungen,
Und du dich liebend an mich schmiegst;
Wann dein Nektarkuss in mich gedrungen,
Und du mich in Entzückung wiegst:
Dann wünsch´ ich diese Wonnezeit
Zu einer Ewigkeit.
Wann unsre Lust ein fremder Zeuge störet,
Der nicht die Macht der Liebe kennt;
Dann wünsch´ ich im ergrimmten Sinn
Den Ring der Zauberinn.
O diesen Ring, Geliebte, zu erlangen,
Gäb´ ich mein ganzes Erbtheil hin;
Und wüsst´ ich es nur irgend anzufangen,
Ich reiste zu der Zauberinn;
Und wär´ sie jung, ich dient´ auch ihr
Ein ganzes Jahr dafür.
Denn höre nur: hätt´ ich den
Ring erhalten,
So dürft´ ich ihn nur hurtig drehn;
Geschwind würd´ ich in mancherley Gestalten
Vor den getäuschten Augen stehn.
O Lalage, welch Glück für mich!
Stets wär´ ich dann um dich.
Zur Frühlingszeit, da flög´
ich um die Schöne
Vertraut als eine Nachtigall;
Da horchte sie auf meine Zaubertöne,
Verstünde den verliebten Schall;
Einsame Thränen würd´ ich sehn
In ihren Augen stehn.
Ich flatterte um deine Rosenwangen,
Um in dein schwarzes Aug zu sehn,
Und würde stets mit sehnendem Verlangen
Das Köpfchen nach dem Busen drehn.
Zur Strafe fingest du einmal
Die kleine Nachtigall.
O welche Lust, von deiner Hand gepfleget,
Von deiner Hand gefüttert seyn!
Ich weckte dich, und durch mein Lied beweget
Schliefst du zu süssen Träumen ein;
Dann säh´ ich deiner sanften Ruh
Und deinem Schlummer zu.
Wie da dein Herz, von deinem Freund erfüllet,
Den jungen Busen sanfter hebt,
Und das Gewand, das seinen Reiz verhüllet,
Behuthsam zu verschieben strebt;
Wie stille Sehnsucht im Gesicht
Die Macht der Liebe spricht.
Im Rosenmond, da solltest du mich finden
Als Rose unter Blumen stehn;
Du würdest mich zu andern Blumen binden,
An deinem Busen prangen sehn;
Und zur Belohnung schenkt´ ich dir
Den reinsten Duft dafür.
Der schönsten Feh, im Winter umzuhängen,
Sollt´ in dem Frost sein Fell mir leihn,
Und zwischen mir und dir sich einzudrängen
Die feinste Leinwand neidisch seyn;
Geheime Kräfte senkten sich
Mit Lieb´ und Wärm´ in dich.
So würd´ ich dich auch vor Gefahren
schützen
Und welches Glück wär´ meinem gleich,
Da, ungestört, dich vor der Welt besitzen!
Ihr Götter, was gelob´ ich euch?
O nehmt die ganze Welt dafür:
Lasst nur dies Mädchen mir!
DIE ZU VERMUTHENDE
BALDIGE WIEDERVEREINIGUNG.
DIE Quietisten
Und Jansenisten
Sind heute Feinde,
Die sich entzweyn,
Und morgen Freunde,
Die sich erfreun;
Denn diese hassen
Nur schlechten Wein,
Und jene lassen
Die Liebe zu.
Wo aber Flammen
Der reinen Liebe
Und guter Wein
Beysammen seyn,
Da fliegen Friede,
Eintracht und Ruh
Mit raschem Flügel
Von Paphos Hügel
Gewiss herzu.
JUPITER UND JUNO.
SIR Zevsen traf, was auch im Himmel
schleichet,
Der Überdruss: Er liebt´ Göttinnen lang aus Pflicht.
Ihr Prinzen, die ihr auch darinnen Göttern gleichet,
Bekennt es uns, gähnt ihr bey Prinzessinnen nicht?
Umsonst vertauscht´ Herr Zevs durch lange
Ewigkeiten
Der Schönheit Ideal stets mit noch Reizendern:
Bey allem Wechsel ward die Wonne doch beyzeiten
Ihm Aalpastete *) Wer isst die wohl täglich gern?
Tagtäglich nur zur Königinn der Nymphentänze,
Zu Venus nur, nur zu Auroren ging sein Gang,
Zu Heben alle zwar noch in des Lebens Lenze
Ich läugn´ es nicht; allein, diess waren sie schon lang.
Ach, in der Himmelsburg wie kann sich´s
anders schicken?
Wird jede Rolle stets mit Gravität gespielt.
Wie müde macht diess nicht in wenig Augenblicken!
Schliesst selbst, was man dabey in Ewigkeiten fühlt.
Drum floh aus Unmut einst Zevs seine ew´gen
Schönen
An seiner Stelle fingt ihr es nicht auch so an?
Er sucht´ an Sterbliche sich nunmehr zu gewöhnen:
Nur der wird Göttern gleich, der es ihm nachgethan!
Junonens Eifersucht schlug alsbald helle Flammen;
Sie blies gewalt´gen Lerm von Untreu, von Verrath
Aus hundert Gründen muss ich ihre Wuth verdammen:
Fürs erste, weil sie es als Frauenzimmer that.
Noch mehr: was hatte sie für ungeheure
Augen!
Wie oft las ich es nicht beym guten Mann Homer:
Zu fromm liess er sich nicht zum Mund der Wahrheit brauchen;
Denn sonst entdeckt´ er uns noch manchen Fehler mehr.
Und, gute Frau, wozu das Zanken und das Streiten,
Wenn man mit leichter Müh sich Lindrung schaffen kann?
Dich in der Einsamkeit an Tisch, ins Bett zu leiten,
War auf dem Erdenrund noch mancher tücht´ger Mann.
Wer hätt´ aus Neugier nicht, wer
hätte nicht um Ehre
In ihrem Leiden sie zu trösten sich bemüht?
Wer ist´s, dem Eitelkeit nicht Aug und Herz bethöre,
Wenn er sich in dem Arm von einer Göttin sieht?
Fürwahr, ich selbst, um solcher Götterehre
willen,
Ich hätte Alter nicht, nicht Liebreiz hier geacht!
Wie kann man besser wohl den Durst nach Ruhme stillen,
Als wenn man zum Vulkan den Gott der Götter macht?
Zwar dieser Eheherr, wie uns die Dichter klagen,
War so nachsichtig nicht, als unstät, flatterhaft;
Wie die Pariser konnt´ er Hörner nicht ertragen:
Der Gott empfand niemals der Mode Wunderkraft.
Ixion fühlte es; doch, traun, sich so
zu rächen
Um solches Ding, verdunkelt ewig Zevens Ruhm.
Es war, beym süssen Glück, die läst´ge Treu zu
brechen,
Das Recht der Eifersucht nicht mehr sein Eigenthum.
O glaubt es mir, wenn man für solche Wonnesünden
Ixions unsrer Zeit auf Räder wollte drehn,
Man würde in Paris kaum Equipagen finden,
Ja wohl ganz Frankreich säh´ man dann zu Fusse gehen!
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*) Siehe la Fontaine´s Erzählungen.
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AMORS BILD.
NACH MOSCHUS ERSTER IDYLLE.
NACH ihrem Sohn rief einst Cythere laut:
Wer Amorn sieht, wie er in Wüsten irrt,
Der Flüchtling! den belohn´ ich, wenn er´s sagt:
Ihm werd´ ein Kuss zu Lohn, wie Cypris küsst!
Und bringst du ihn geführt, o Freund, so sey
Noch mehr dein Lohn, als nur ein leerer Kuss.
Der Knab ist leicht erkannt: bey Zwanzigen
Entdeckst du ihn. Nicht weiss ist seine Haut;
Sie glänzt wie Feu´r; sein scharfes Auge blitzt;
Bös ist sein Herz, doch sanft ist sein Gespräch;
Er denkt nie, wie er spricht; süss ist sein Ton;
Sein Geist ist wild und tückisch, wenn er zürnt,
Stets falsch Ein böses Kind, das grausam scherzt.
Schön ist sein Haar und schalkhaft sein Gesicht;
Mit seiner kleinen Hand drückt er den Pfeil
Weit bis zum Styx, zum Herrn des Orkus, ab.
Sein Leib ist bloss, doch tief versteckt sein Herz.
Schnell, wie ein Vogel, flattert er inst Herz
Der Jünglinge, wenn er vom Mädchen kommt,
Und fliegt zurück, und sitzt im Innersten.
Sein Bogen ist sehr klein; allein ein Pfeil
Liegt auf dem Bogen; klein ist zwar der Pfeil,
Doch schiesst er ihn bis zum Olymp hinauf.
Sein güldner Köcher hängt vom Arm herab,
Voll gift´ger Pfeile, die ich selbst gefühlt.
Ganz grausam ist er, ganz! Noch heisser ist
Die Fackel, die die Sonne selbst entflammt,
Wenn er sie führt. Sieh, wenn du diesen fängst,
Führ´ ihn gebunden, werde nicht erweicht.
Siehst du vielleicht ihn weinen, hüthe dich,
Dass er dich nicht betriegt! Und lächelt er,
So reiss´ ihn fort! Beut er dir einen Kuss,
So flieh! Sein Kuss ist Tod, die Lipp´ ist Gift.
Und spricht er: Freund, nimm diess; ich schenke dir
Hier alle meine Waffen!" Rühre du
Nichts davon an! Betrug ist sein Geschenk:
Sie alle sind in heimlich Feu´r getaucht.
DEM
GNÄDIGEN FRÄULEIN VON W.
ZUM 24. DECEMBER 1776 GEWIDMET.
BEGLÜCKTER Tag! Heut wurde sie
geboren,
Heut lächelte das Antzlitz von Auroren
Zum erstenmal dem edlen Mädchen zu!
Heut wiegte Zephyr sie auf einem Blumenbeete
Zum erstenmal in süsse Ruh,
Und streute eine Kette
Von Rosen, die mit Allmachtsruf
Er im December schuf,
Auf ihre Wieg´ herab.
Als sie die ersten Laute gab,
Da trat Minerva in das Zimmer,
Umflossen von der Götter Schimmer,
Mit ihren Grazien; und alle sahn
Nachdenkend sie an.
Der Weisheit Göttin sprach mit holdem Lachen:
Lasst uns zu ihrem Glück Geschenke itzt ihr machen!
Ich geb´ ihr, hub sie an, Verstand,
Einst Fürstenkinder zu erziehen.
Wenn dann durch sie ein ganzes Land
Und Völkerscharen blühen,
So wird tief in der Brust
Von jedem Glücklichen
Ein Altar für sie stehn;
Dann feyern Tausende sie, als der Menschen Lust,
Und singen sie, mit segenvollem Blicke,
Als Schöpferinn von ihrem Glücke.
Drauf trat Aglaja zu der Wiege,
Ihr Antlitz voller holden Züge,
Und sprach mit süsser Zärtlichkeit:
Ich geb´ ihr Witz und Munterkeit,
Vor tausend ihrer Gespielen
Des Lebens Reiz zu fühlen.
Und ich? und ich, sprach Euphrosine,
Ich giess´ ihr Geist in jede Miene,
In jeden Blick giess´ ich ihr Geist,
Den jeder Kenner sieht und preist.
Die dritte haucht mit süssen Küssen
Ihr Anmuth und Bescheidenheit,
Und himmlisch holde Freundlichkeit,
Die jedes Herz gewinnet, ein,
Und gibt ihr Lust zu Saitenklang
Und eine Stimme voll Gesang
Noch oben drein.
So weihten sie die Edlen ein,
Von Göttern und von Menschern geliebt zu seyn,
Und spät, ihr Haupt umkränzt mit Kronen,
Elysiens Gefilde zu bewohnen.
MOMUS.
MOMUS, wie er pflegt, voll Laune, sah
Ismenen betrachtend an.
Bald bewundert´ er ihrer Augen feinen unaussprechlichen Blick;
Bald die elfenbeinerne Stirne voll olympischer Heiterkeit;
Bald den Glanz der weißen Schultern; bald den vielbedeutenden
Mund,
Der so hold zur Wollust ladet, und sie doch so sittsam verbeut;
Bald die Lippen, die, wie Rosen, lieblich riechen, lieblicher blühn;
Bald diess Lächeln, das mich wechselnd traurig oder fröhlich
macht:
Jenes, wann sie spöttisch lächelt, dieses, wann sie freundlich
lacht;
Bald der Locken güldnen Mantel, vieler Reizungen neidischen Flor;
Bald die kleinen Brüste, von Amors eignen göttlichen Händen
gedreht,
Die vorm Hauche der Begierden wechselweise sich senken und blähn.
Lebhaft wand er sich mir entgegen. Wahrlich, sprach er, trauriger
Hirt,
Ihre Schönheit wurde nicht menschlich in neun Monden * zur Reife
gebracht!
Io, Ariadne, Kallisto waren ehemals weniger schön,
Und die Heroinen der Griechen treten ihr willig den Palmenzweig ab.
Hätte Paris, als Richter, am Ida deine Geliebte so reizend gesehn,
Als ich sie seh´, er hätt´ ihr Helenen und die Göttinnen
alle ** geschenkt.
Wenn sie deine Tugend und Treue nicht so sparsam belohnete, o!
Ohne Tadel wäre die Nymphe, wahren idalischen Grazien gleich."
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* Ista decem
menses non peperere bona. Propert.
** Et Helenen
huic donasset et Deus. Petron.
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DER JUNGE HERR.
EIN junger Herr, der stets eh´
redte, als er dachte,
Der, wenn sein frecher Witz die Schönen schamroth machte,
Am meisten selbst darüber lachte,
Kam einst zur jungen Sylvia.
Sein Compliment war gleich ein Entrechat,
Alsdann chassirt er auf und nieder,
Und heult ein Paar französche Lieder;
Allein da sie nicht auf ihn hört´ und sah,
Schwur er, er wollt´ ihr bald den Mund zu öffnen wissen,
Und sprang nach ihr, um sie zu küssen;
Doch schnell kehrt sie sich um
Wie muss die jungen Herr´n ein solcher Streich verdriessen!
Sie küsst mich nicht, dacht´ er; ich weiss es schon warum:
Ha! sie ist dumm!
Nun fing er gleich, um sich an ihr zu rächen.
Vom Frauenzimmerputz verächtlich an zu sprechen.
Der Reifrock kam zuerst daran.
Was Teufel haben Sie hier für ein Sturmfass an?
Bey meiner Seel´, ich wollt´ es wohl entdecken!
Unfehlbar sollen´s Schanzen seyn,
Wohinter man ein krummes Bein
Vor unsrer Neugier will verstecken.
Sie irren, Herr Petit! fiel sie ihm lächelnd
ein:
Die Reifen haben wir nur darum umgenommen,
Damit die Narren uns nicht gar zu nahe kommen."
AN ELMIREN.
WANN ich aufs Glück der liebsten
Hirtin trinke,
So trink´ ich dir´s Elmire, zu,
Glückselig wär´ ich, folgtest du
Erkenntlich Amors Winke,
Und sprächst zu meiner Ruh:
Dir, Damon, trink´ ich´s zu,
Wann ich aufs Glück des liebsten Hirten trinke.
DIE BAUERN.
ZWEEN Bauern, die wohl hergebrachter
Massen
Hartnäckigkeit und Bauernstolz besassen,
Begegneten sich einst auf breit und ebner Strassen.
Weich´ aus! schrie Michel Hansen zu.
Ich weichen? nicht vom Fleck: He, Schlingel, weiche du!"
Jedoch es hatte niemand keine Ohren.
Recht kritisch schimpften sie sich nun in Metaphoren;
Von hierher ward geflucht, von dort aus ward geschworen;
Doch endlich ward ein Rippenstoss,
Den Michel Hansen gab, zur Schlacht das Losungszeichen.
Nun schlugen sie zugleich derb auf einander los,
Und ruften immer drein: He, Ochse! willst du weichen?
Doch keiner wich. Zuletzt traf Michels Peitschenstiel
Den andern vor den Kopf, dass er zu Boden fiel.
Hans starb vom Schlag; doch Michel ward gefangen,
Und kurz darauf für seinen Sieg gehangen.
Diess mussten zween der gröbsten Bauern seyn,
Fällt hier vielleicht dem Leser ein;
Doch frag´ ich ihn: Die meisten Critici,
Was thun denn die?
AN EINE ROSENKNOSPE,
DAS SINNBILD DER JUNGFRÄULICHEN SCHÖNHEIT.
ERRÖTENDE! der ganze Frühling neiget
Das Haupt vor seiner Königinn.
Die stolze Blumengöttin zeiget
Auf ihren Liebling hin.
Beneidenswerth, wenn du in voller Blüthe
Den schönen Busen ganz enthüllst,
Ihm ganz mit Wohlgeruch und Güte
Die trunkne Seele füllst.
Den edelsten der Menschen zu entzücken,
Soll dieser Busen offen stehn,
Soll ihn des Himmels Thau erquicken
Und Zephyr ihn umwehn.
AN EINE
GESELLSCHAFT SCHÖNER DAMEN.
AM CHARFREYTAGE.
WIE gut ihr´s habt, ihr schönen
Kinder!
Indem ihr da, wie kleine Blumenbinder,
In allerliebster Einigkeit
Beysammen sitzt, und süssen Spott verstreut
Auf manchen Geck von Kirchengänger,
Der eins bey Graun gelacht, bey Flachsen * eins geweint,
Sitz´ ich betrübter armer Freund,
Und schmolle mit Mamchen Zeit, die länger
Wohl keinem Inquisiten währt.
Ich sitz´ an meinem Musenherd,
Und bans´ ihn voll Gedankenspähne,
Und schüttle die Vergettenmähne,
So oft der Spleen mit seine Sporen gibt.
Bedaur´t, ihr schönen guten Kinder,
Bedaur´t mich armen, armen Sünder!
Bedaur´t den Vogel, der betrübt
Aus seiner Schling´ um Hülfe piept!
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* Flachs, ein erdichteter Nahme eines schlechten Predigers.
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DER VETTER.
O DER verwünschte böse Vetter!
Kaum geben mir die guten Götter
Den Anblick meiner Silvia,
So ist auch gleich der Vetter da.
Zum Unglück musste der auf Erden
Just meiner Schönen Nachbar werden!
Von wegen seiner Nachbarschaft
Kann man ihn nicht vom Halse treiben;
Von wegen seiner Vetterschaft
Sieht man ihn jeden Abend bleiben:
Nichts bleibt uns übrig, als die Nacht;
Doch die ist nicht für mich Unglücklichen gemacht.
SÜSSE EINFALT.
NUR stets geputzt und stets geschminkt,
Als prangte sie ins Hochzeitsmahl,
In Gold! In Seide! Wie sie blinkt,
Hellglänzender als Sonnenstrahl!
So fein! So reich! Ganz Kunst! Geschmack! Eins nur,
Eins fehlt dir, reiche, feine Kunst Natur!
Mein Mädchen nur in Morgentracht
Nachlässig schön! Voll Einfalt nur
Ein Blick! Ein Herzenskuss! O Pracht,
Du Thörin! Sieh, Natur, Natur,
Die rührt das Herz! Die Kunst, dein Affentand,
Ist für den Armen, kalten Greis Verstand.
AN
EINE SCHÖNE DICHTERIN.
O KÖNNT´ ein Funken mich
von deinem Geist entzünden!
Doch ja, er kann´s! Du, Dichterinn, weißt,
Im Kuss entfliehet unser Geist
Von unsern Lippen, wie beym Plato * wir es finden,
In des Geküssten Geist. Wohlan!
Komm, küsse mich, wenn du die Musen liebst,
Stolz, dass dem Vaterlande dann
In mir du einen neuen Dichter gibst.
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* S. Plato´s Sinngedicht auf den Agathon.
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GRABINSCHRIFT DES MIMY,
EINES KLEINEN WINDSPIELS.
DER diess Grabmal betrachtet, Wandrer,
sage,
Ist die Liebe etwas Ewiges, warum gibt´s
Keine Liebende, die auch ewig lieben?
Mimy, dessen Geschichten ich erzähle,
War ein feuriger Brand getreuer Liebe.
Jetzo, seltsame Sach´! ist er noch kälter
Als die Zapfen des Eises an dem Hebrus;
Denn er ist nun gestorben. Wohl bekomm´s ihm!
Götter, möchtet ihr ihn am Himmel jenem
Treuen Procyon * ewig zugesellen!
Welche Ströme von Zähren hat nicht Iris
Seit dem Tage des Tods um ihn vergossen!
Mancher Ritter, der, wie ein Hekla flammend,
Vor dem Tode jedoch ein kaltes Eis wird,
Hätt´ ihr Auge nicht halb so sehr bethräned.
Seliger Mimy, wiewohl von Riesenstamme,
Doch gelobtest du stets ein Zwerg zu bleiben,
Und dein Hauptgrund war der: ein grosses Windspiel
Nützet Jägern, jedoch den Damen wenig;
Nur ein kleines kann sich bey dem Kamine
Und in jeglicher Eck´ ein Nestchen bauen.
Diess betrachtet, wollt´ er nicht ferner wachsen;
Bat Jupinen; Jupin hat ihn erhöret.
Feines Zwieback, Makronen, Zuckerplätzchen
Wurden niemals bey ihm zu fester Nahrung;
Sie verwandelten sich in heisse Liebe.
Zu verwegen, glitt er zuweilen unter
Der Gebieterinn Reifrock, warm zu sitzen.
Ohn´ Bedenken litt sie´s. Er war ja artig
Und so klein! O beglückte Kleinheit! sprach er;
Wär´ ich grösser, so gross als meine Väter,
Dürft´ ich unter dem dämmernden Gewölbe
Dieses Tempels so frey spazieren gehen?
Doch am Ende betrübt, weil er so klein war,
Starb er, sagt man für Lieb´ und für Verzweiflung.
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* Des Ikarius Hund, der sich über seines Herrn zu
Tode gegrämet, und desswegen unter die Sterne versetzt worden ist.
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