Moritz August von Thümmel:
Wilhelmine.
Ein prosaisch komisches Gedicht
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"Willhelmine, ein prosaisch komisches Gedicht" erschien 1764 in Leipzig bey M. G. Weidmanns Erben und Reich. Unser Text folgt der 4. Auflage 1769, die auf der bearbeiteten 2. Auflage beruht und die Vorreden zur zweiten und dritten Auflage enthält. Zur Bearbeitung der 1. Auflage vgl. die Ausführungen in | Nachrichten von Thümmel´s Leben |. Die jeweils drei Grafiken zu den sechs Gesängen können am Ende des Textes aufgerufen werden.
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V o r r e d e
d e r z w o t e n A u f l a g e.
Die Wilhelmine könnte in dieser neuen Auflage
ganz wohl ohne Vorrede erscheinen, weil der Verfasser nicht viel über
dieses kleine unwichtige Gedicht zu sagen hat. Durch den Beyfall, womit
ihn einige Personen beehrt, denen er vorzüglich zu gefallen wünschte,
hat er seine Absicht vollkommen erreicht. Indessen ist ihm auch nicht
unbekannt geblieben, daß ihn verschiedene andere lieber beschuldigt
hätten, als ob er mit dieser Kleinigkeit etwas Böses wider die
Religion und ihre Diener im Sinne führe, und diesen zu ernsthaften
Kunstrichtern hält er sich für verbunden, öffentlich zu
sagen, daß keiner von ihnen vielleicht selbst mehr Ehrerbiethung
gegen die Religion und Hochachtung gegen vernünftige Geistliche haben
könne als er; wie würden sie sich wundern, wenn der Verfasser
hier die ehrwürdigen Namen einiger großen Geistlichen hersetzen
wollte, die dieses Gedicht, bey allen seinen ersten Fehlern, mit Vergnügen
gelesen und kein Geheimniß daraus gemacht haben. Da sich aber der
Verfasser auf einen witzigen Einfall, dem ein zu strenger Eifer vielleicht
ein verdächtiges Gepräge geben könnte, nicht so viel zu
Gute thut, um ihn nicht ohne Barmherzigkeit auszustreichen, so hat er,
auf den Rath eines unsrer trefflichsten Dichter, diesen Anstoß durch
einige Veränderungen zu heben gesucht. Der Ruhm eines guten Christen
gilt ihm mehr, als das Lob eines glänzenden Genies aber er macht
freylich keine Umstände, ebenso herzhaft über Kobers Kabinetsprediger
und seines gleichen zu lachen, als er einen Cramer und Schlegel mit stillem
Ernste und gerührtem Herzen liest. Er würde von dieser seiner
Gewohnheit nicht abgehen, wenn er gleich selbst die Würde eines Priesters
begleitete, so wenig als er itzt, da er an einem Hofe lebt, sich Bedenken
macht, über einen allzugalanten Hofmarschall, einen müßigen
Staatsrath und einen affectirten Kammerjunker seinen Scherz zu treiben.
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V o r r e d e
z u d e r d r i t t e n A u f l
a g e.
Es ist mir des Herrn Pastors wegen nicht lieb, daß
Wilhelmine, seitdem sie an ihn verheurathet ist, mit ihren Kleidern noch
so oft ändert, als sie es am Hofe gewohnt war, und von jeder Leipziger
Messe wenigstens mit einem Jüpon versehen wird, woran der Pastor,
wie man wohl denken kann, nicht den geringsten Antheil hat.
Das sind die Sitten der großen Welt, Madame, die
Sie auf dem Lande ablegen müssen! Kann man es den Leuten verdenken,
wenn sie sich darüber aufhalten? Was bildet sich denn die Frau ein?"
habe ich schon hier und da sagen hören, Trägt sie nicht Spitzen,
die mehr kosten, als die Pfarre ihres Mannes in vielen Jahren kaum einträgt
da andere ehrliche Weiber, die doch wohl ein bischen mehr werth sind,
züchtig und ehrbar einhergehen Wenn sie doch an ihren Ursprung dächte,
und die Spötter nicht so oft erinnerte, daß sie einmal am Hofe
gewesen ist Wie froh sollte sie doch seyn, wenn es die Leute vergäßen!"
Diese Reden, Madame, zu denen Ihr prächtiger Aufzug so vielen Anlaß
giebt, bringen auch mich in eine gewisse Verlegenheit, da jedermann weiß,
daß ich einige Freundschaft für Sie habe, und gern Ihre Aufführung
zu entschuldigen suche, wo es nur möglich ist; Aber wirklich ietzt
gehen Sie zu weit. Sie tragen sogar, wie ich höre, noch immer seidne
Strumpfbänder mit französischen Versen gestickt? Je! zu was
denn solche Strumpfbänder, Madame? An Ihrem Hochzeitstage konnte zwar
dieser verborgene gelehrte Staat noch mit Ehren ans Licht kommen; denn
hätte nur damals das Feuer Ihre vornehmen Gäste nicht so erschreckt,
so würden sie gewiß die artigste Ceremonie nicht vergessen haben
Ihre Strumpfbänder wären gewiß, noch vor der völligen
Uebergabe Ihrer kleinen Person an den Herrn Pastor, von einer adelichen
Hand abgeknüpft, und in guter Gesellschaft seyn verlesen worden, und
ich weis, der Cammerjunker würde darbey seiner Lunge Ehre gemacht
haben; aber zu was in der Welt kann Ihnen itzt diese Mode nutzen? Ich weis
mir keinen Umstand zu denken, wo Ihre Strumpfbänder noch itzt der
Lectüre ausgesetzt seyn könnten, und verlöhren Sie Eins
einmal auf dem Kirchwege, zu welchem Aergernisse würde dieses Gelegenheit
geben! Uebrigens will ich gern eingestehen, daß Ihre Kleidung sehr
artig und Ihr ganzer Anzug mit vielem Geschmacke gewählt sey; Ob ichs
aber billige, ist eine andere Frage. Ja, wenn Sie noch am Hofe wären:
je nun da Aber da haben Sie in Ihrer Blüte genung gefallen, und
nun thäten Sie wohl, wenn Sie sich auch denen Personen zu empfehlen
suchten, die bisher nicht Ihre Freunde gewesen sind. Damit Sie dieses erreichen,
rathe ich Ihnen, eine stille ehrbare Miene anzunehmen, wenn sie Ihnen auch
nicht natürlich seyn sollte. Eine schwarze Stirnbinde würde gut
darzu stehen. Statt der durchsichtigen Halstücher legen Sie eine schwere
Sammtmantille um Ein cannefaßner Rock florne Streifgen am Hemde
So ungefehr muß Ihr Putz seyn, wenn Sie denen Herren gefallen wollen,
die sich bisher über Ihr leichtsinniges Ansehn so geärgert haben.
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Erster Gesang.
Einen seltenen Sieg der Liebe sing ich,
den ein armer Dorfprediger über einen vornehmen Hofmarschall erhielt,
der ihm seine Geliebte vier lange Jahre entfernte, doch endlich durch das
Schicksal gezwungen ward, sie ihm geputzt und artig wieder zurück
zu bringen.
Der große Gedanke, der sonst die die
deutschen Dichter erhitzt, daß sie die Freuden des Tages- und die
Erquickung der Nacht daß sie die Peiniger der menschlichen Natur,
Hunger und Durst, und die größern Quaalen der Dichter, den Spott
der Satyre und die Faust des Kunstrichters verachten Dieser große
Gedanke: Einst wird die Nachwelt mich lesen hat keinen Antheil
an meinen Gesängen. Dein belohnendes Lächeln allein, komische
Muse! reizt mich an, diesen neuen Sieg der Liebe zu singen; und will ja
die Göttin des Ruhms der süßen Bemühung des Dichters
noch eine Belohnung hinzuthun, so sey es der theure Beyfall meiner Caroline!
Sie lese dieß Lied, das ich, entfernt von Ihr, aus Einsamkeit sang,
meinen Geist zu ermuntern! Ihr harmonisches Herz schwell auf; unwillig
über den Einfluß des glücklichen Dichters, in Ihr jugendlich
wallendes Blut, verschlucke Sie dann eine doppelte Dosin Bezoarpulver,
und seufze nach meiner Zurückkunft!
Nah an der glänzenden Residenz eines
glücklichen Fürsten, nicht fern von der schiffbaren Elbe, verbreiteten
sich in dem anmuthigsten Thale zwanzig kleine Wohnungen fröhlicher
Landleute. Junge Haselstauden und wohlriechende Birken verbauten dieß
Landguth in Schatten, und versüßten dem fleißigen Bauer
die entkräftende Arbeit, wenn der Hundsstern wüthete, und, entblättert
vom Boreas, flammte dies muntere Gebüsch in wohlthätigen Oefen,
wenn der Winter das Thal mit Schnee füllte, und nun ein Nachbar zum
anderen schlich, um die langen müßigen Stunden durch schlaue
Gespräche zu verkürzen, bald auf den Durchmarsch der Preussen
zu schmählen, bald die bessern Besuche eines freygebigen Kobolds zu
erheben, oder auch über die Policeybefehle der Regierung zu spotten.
So lebten diese Hüttenbewohner ruhig und mit jeder Jahreszeit zufrieden.
Nur der Pastor des Dorfes allein, der gelehrte
Sebaldus, hatte seit vier unglücklichen Jahren, die ländliche
Munterkeit verloren, die auch sonst auf seiner offenen Stirne gezeichnet
war. Ein geheimer Kummer peinigte sein Herz; wenn er die ganze Woche hindurch
in der Einsamkeit seiner verrußten Clause getrauert hatte, dann winselte
er am Sonntage der schlafenden Gemeinde unleidliche Reden vor, und selbst
bey dem theuer bezahlten Leichensermon verließ ihn seine sonst männliche
Stimme. Die Klügsten der Gemeinde marterten sich umsonst, die Ursach
seines Leidens zu entwickeln: Was fehlt unserm Magister? fragte einer den
andern: Wir lieben ihn ja, er ist der Vornehmste im Dorf, und er wird auch
nicht etwan, wie dieser und jener von einem hochmüthigen Junker
geplagt, denn der unsere lebt, Gott sey es gedankt, ferne von uns, und
verbraußt seine Renten in Frankreich. So klagten die Bauern den Kummer
ihres Magisters! Aber umsonst blieb ihr mitleidiges Nachforschen; der tiefsinnig
Pastor verbarg seine Sorgen der Neugier, und auser Sonntags, wo sein Amt
ihm geboth, schien seine Sprache verlohren. Vier Jahrgänge finsterer
Predigten hatt´ er also geendigt: Mit zitternden Händen geschrieben
und einen Haufen gesammelt, lagen sie in einem verriegelten Schranke, oft
von andächtigen Würmern besucht, die alle Buchstaben zerfraßen,
und höflicher für die dankbare Nachwelt sorgten, als der betrogene
Buchhändler, der so oft mit drolligten Postillen den einfältigen
Freigeist belustigt. Aber die komische Muse hüpft ängstlich über
den heiligen Staub und über die traurigen Scheduln des Pastors; sie
beschäfftige sich nur mit seinem Glücke und erzähle den
wunderbaren Traum, der ihn bewillkommend an der letzten Stufe des Jahres
mit dem Ende seines schwindsüchtigen Kummers schmeichelte:
In der zwölften Stunde der Nacht, damals,
als sich das zwey und sechzigste blutige Jahr des achtzehnten Jahrhunderts,
von wenigen Minuten loszuarbeiten suchte, um sich an die Reihe so vieler
vergangenen Jahrtausende zu hängen; So wie der furchtbare Nachtvogel,
*) (*) S. Rösels Insectenbelustigungen.) auf
dessen Rücken die Natur einen Todtenkopf gebildet, sich mühsam
aus dem Gefängnisse seiner Puppe herauswindet, seine schweren Flügel
versucht und verschwinden würde, wenn nicht ein naturforschender
Rösel sein Leben verfolgte Der pfählt ihn mit einem glühenden
Pfriemen gleich nach seiner Geburth, und setzt diesen gräulichen Vogel
in die bunte Gesellschaft der Schmetterlinge, Heuschrecken und Käfer.
Da erschien Amor dem eingeschlummerten Priester,
der über das Zudrängen dieses kleinen Unbekannten heftig erschrack,
denn bisher hatt´ Er ihn nur aus dem großen Rufe seiner Verwüstungen
gekannt wie etwan den Beelzebub oder den General Meyer; doch der freundliche
Amor ließ ihn nicht lange in seinem ungewissen Erstaunen, schüttelte
seinen Köcher und sprach also zu ihm: Entschuldige den Amor, theurer
Sebaldus! wenn er bisher wider seinen Willen dein Feind gewesen ist, und
erschrick nicht über seine Erscheinung, die dir ein Glück verkündiget,
das dir wenigstens vormals nicht gleichgültig war. Wilhelmine bey
diesem Namen, durchströmte ein leuchtendes Roth die verfallenen Wangen
des Pastors und Amor fuhr lächelnd fort: Ich sehe, du erinnerst dich
noch dieser lebhaften Schöne, die einst, in diesen Fluhren geboren,
nun von der unschuldigen Natur erzogen ward, die dir oft in der feurigsten
Predigt, durch einen einzigen Blick ihrer hellblauen Augen, ein langes,
verhaßtes Stottern und wenn du allein warest, manchen lauten Seufzer
erregte Ach sie hätte dich gewiß zum Glücklichsten deines
Standes erhoben, wenn nicht die Intrigue eines neidischen Hofes sie deinem
Kirchspiel entführet, und unter die fürstlichen Zosen versetzt
hätte. O wie traurig hast du diese Zeit ihres Hofdienstes hinschleichen
lassen! Vergieb es mir, liebster Magister, daß ich hier deiner Unthätigkeit
spotte! Hast du denn nie gehört und gelesen, wie oft die entschlossene
und geschäfftige Liebe, Klöster gestürmt, Mauern erstiegen
und sich nachgiebige Nonnen unterthan gemacht hat, die zu einem ewigen
frommen Müßiggange verdammt waren; und du! du verzagtest, dem
Hofe ein Mädchen zu entziehen, das von keiner eisernen Thüre
verschlossen, von keiner Aebtissin bewacht, und von der Klostergeblübde
weit entfernet ist, eine ewige Jungfer zu bleiben? Doch ich komme nicht
her, dich mit Vorwürfen zu kränken Das Ende deiner Leiden ist
da! Wie leicht wird es dir werden in Wilhelminens tröstenden Armen,
oder an ihrem wallenden Busen der vergangenen traurigen Tage zu vergessen;
der Aufschub deines Verlangens Ja er ward dir schwer zu ertragen. Doch
itzt vermehrt er dein Glück! Denn siehe! Mit munterem Gesichte erwartet
dich die jüngste feurigste Liebe! Sie würde kraftlos schläfrig,
ja wohl erloschen seyn, wenn Wilhelmines Besitz dich schon vor vier Jahren
beglückt hätte Ermuntere dich also und höre meinen liebreichen
Rath: morgen wird die reizende Wilhelmine, den graubärtigen Verwalter,
ihren Vater, besuchen von keinem Höfling begleitet, wird sie des
Mittags zu ihm fahren. Welch ein bedeutender Wink, den das Schicksal dir
giebt! Folg ihm suche Wilhelminens Gesellschaft und eröffne ihr,
so rührend als du vermagst, deine brennende Neigung! Sie die gleich
einem leichten Federballe von Hand zu Hand geworfen, in der Höhe des
Hofs flatterte oft mit Schwindel herabfiel und wieder in die Höhe
gejagt ward Sie, die itzt mit ernsthaftem Nachdenken der Ruh entgegen
seufzt Sie ich schmeichle dir nicht, wird froh seyn, an deiner ehrwürdigen
Hand den Verläumdungen der großen Welt zu entwischen, und ehe
diese Neujahrswoche verläuft, kannst du für deine treue Liebe
belohnt seyn. So sprach der philosophische Amor, glaubte genug gesagt zu
haben, und wollte verschwinden, als ihm noch eine wichtige Erinnerung einfiel
Mit der lächerlichen Mine eines jungen Officiers, der zum erstenmal
einen armseligen Posten zu vertheidigen bekömmt, und bey aller seiner
Geschäfftigkeit bald den kleinen Umstand vergessen hätte, die
Parole zu geben rief Amor: Bald hätte ich nicht an das Wichtigste
gedacht Wär es auch ein Wunder? und hab ich nicht immer meinen Kopf
so voll? Merke also noch dieses, lieber Magister! Laß ja nicht die
unwiederbringliche Zeit vorbey streichen, damit nicht die Tage herannahen,
wo der galante Hofmarschall seine Ptisanencur schließt und die Schönheiten
wieder aufsucht, die itzt sein durchwässertes Herz medicinisch verachtet
Und morgen sey bedacht, dich reinlich zu waschen! Pudre deine beste Perücke,
dein schwarzer Rock soll dir nicht schaden: nur sey so dreust und munter
wie ein Kammerjunker; dieser siegt oft auch in der Trauer des Hofs, nicht
immer im fröhlichen Jagdkleide. Und nun verschwand Amor Das Rauschen
seiner Flügel erweckte auf einige Augenblicke den Pastor; Schwerfällig
sammelte er seine Gedanken rieb sich gähnend die Augen, und seine
rauhe Stimme erklang durch die Stille der Nacht: Welch ein Traum! Sollte
es möglich seyn, daß er wahr wäre O so wäre kein
König glücklicher als der arme Pastor Sebaldus Doch eitle Hoffnung
die schönsten Träume betrügen! Hab ich vier Jahre bey
den eifrigsten Wünschen hinschmachten müssen Warum sollte denn
itzt die Liebe einen Elenden aufsuchen, der zu abgehärmt ist, ihren
Diensten Ehre zu machen Doch der morgende Tag wird mir dieses Geheimnis
erklären Schon schlägt es zwey Ach Wilhelmine! Angenehmer
Schlaf So murmelte der Pastor und schnarchte.
Was könnten wir besseres vornehmen, komische
Muse, um nicht selber zu schlafen, als wenn wir in die vergangenen Zeiten
blicken, Wilhelminen in ländlicher Unschuld betrachten und erforschen,
wie des Magisters Liebe und sein Unglück entstand, dessen Ende ihm
Amor in dieser merkwürdigen Nacht verkündigt hat.
Schon der sechzehnte Frühling hatte Wilhelminens
Wangen mit einer höheren Röthe gemalt, ihre Augen funkelnder
gemacht, und ihr Haar schwärzer gefärbt. Ihr nesseltuchnes Halstuch
hob und senkte sich schon, aber keiner Ist´s möglich? keiner
von den hartherzigen Bauern gab Achtung darauf. Sie selbst wußte
noch nicht über süße Gedanken der Liebe zu erröthen,
ihr Herz klopfte in immer ruhigen Pulsen, wenn sie einsam das verdeckte
Veilchen aus dem hohen Riedgrase hervorpflückte, ein wahres Bildnis
ihres eignen jungfräulichen Schicksals, oder wenn sie an dem Ufer
des rieselnden Baches sitzend, die bunte Forelle mit geschwinden Augen
verfolgte, und indeß den schönern Gegenstand der Natur ihr
niederscheinendes Gesicht aus der Acht ließ; Spottet nicht ihrer
Unschuld, ihr freundlichen Nymphen, die ihr so oft das mächtige Vergnügen
eures eignen Anschauens genossen habt. Denn niemand hatte noch bisher Wilhelminen
gelehrt, wie reizend sie sey und niemand! ich sag es mit Jammer, niemand
als ein frommer schüchterner Mann, der Magister, hatte selbst bis
hieher den feinen Verstand gehabt, ihre Vorzüge zu bemerken und nur
von ihm allein ward sie heimlich geliebet. Mit welchem zitternden Vergnügen
schlich er ihr nicht auf jedem kleinen Spaziergange nach, und hielt sich
doch immer in einer ehrerbietigen Enfernung, und mit welcher süßen
Betäubung unterschied er nicht ihre liebliche Stimme, wenn das andächtige
Geschrey der Gemeinde durch die Sacristey in sein lauschendes Ohr drang!
Schon sann die Liebe ernsthaft darauf ihn glücklich zu machen. Aber
zwo andre Leidenschaften, fast eben so mächtig als jene, stritten
heftig in seiner theologischen Seele, jagten die Liebe heraus und legten
den Grund zu dem grausamen Schicksale des Pastors. Der Stolz war es und
die Begierde nach einem bequemlichen Leben! Denn wenn ihn auf der einen
Seite seines hinfälligen Herzens, die Tochter des vornehmen Kirchenraths
mit ihrer Neigung verfolgte, so bestritt es auf der anderen die Ausgeberinn
des Präsidenten. Ihre Wahl war der gewisse Beruf zum Vorsteher der
Kirche: Als Superintendent konnt´ er alsdenn eines langen ruhigen
Lebens genießen, von den Truthähnen seiner freygebigen Diöces,
und den Complimenten gemeiner Pfarrherren gemästet. So wird oft ein
Knabe geängstet, wenn ihm sein lachender Vater ein Stück kräftiges
Brod und eine einzelne wohlriechende Erdbeere vorlegt. Was soll er wählen?
Sein Gaum verwirft, was sein hungriger Magen verlangt, doch seine minutenlange
Näscherey verachtet das Elend des ganzen Tages Kurz entschlossen
verschluckt er die Erdbeere und übertäubt des Murren seines Magens
durch erzwungene Gesänge. Eben so gewiß würde auch endlich
der verliebte Magister seine kleine Wilhelmine gewählt haben, wenn
nicht das feindlichen Ungefähr und der hämische Neid den Unentschlossenen
überrascht und vier lange Jahre seine Liebe getäuscht hätten.
Ein Spürhund der Liebe, ein leichtfertiger
Page, der einst in seinem Müßiggange diese ländliche Venus
erblickte, prahlte so laut mit seiner Entdeckung, daß sein verliebtes
Geschwätz durch fünfzig Thüren in die Ohren des aufmerksamen
Hofmarschalls erklang, der sogleich den sultanischen Entschluß faßte,
mit den Reizungen der holden Wilhelmine den Hofstaat zu verschönern
und sie dem unsauberen Dorfe und der List eines Pagen zu entziehen. Wenn
die weibliche Aelster in der Mitte des Weinbergs eine volle Traube entdeckt,
die von hundert Blättern beschützt die letzte Zeit ihrer Reife
erlangt hat: so erweckt oft dieß prophetische Geschrey bei dem reisenden
Handwerksmann ein durstiges Nachdenken Er ersteigt den Weinberg und entzieht
dem Stocke und der verjagten Schwätzerin die vortrefflichsten Beeren.
Der entschlossene Hofmarschall fuhr, von der
Cabale, seiner beständigen Schutzgöttinn, bleigleitet, in hoher
Person zu Nicklas dem Verwalter, übersah mit geschwind forschenden
Blicken die Schönheit des verschämten Landmädchens, und
es währte nicht lange, so hatte er seine großmüthige Absich
eröffnet. Ich will, sagte er freundlich zu dem Alten, eure schöne
Tochter in den glänzenden Posten einer fürstlichen Kammerjungfer
erheben: dieß ist die Ursache meines Besuchs."
Betäubt von der höflichen Rede des
vornehmen Herrn stund der alte Verwalter vor ihm, strich ungeschickt mit
dem Fuß´ aus und fühlte ängstlich seine Verwirrung.
Der feine Hofmarschall ließ ihm Zeit, Athem zu holen und versuchte
indeß mit Wilhelminen zu sprechen; aber die Schöne verstummte,
blinzelte mit den Augen, und ihr Blödsinn zeigte ihm eine so weiße
Reihe von Zähnen, die ihm noch nie die vornehme Sucht zu gefallen,
in dem lange Laufe seines Lebens verrieth. Die Verlegenheit der Tochter
weckte zuletzt den Alten aus seiner Betäubung. Er nahm stotternd das
Wort und als Vater geboth er der Schönen, Sie solle, weil einmal ihr
gutes Glück es verlangte, zur Reise nach Hofe sich geschickt machen;
und über den gütigen Herrn schüttete seine schwere Zunge
tausend unvollendete Wünsche und abgebrochene Danksagungen aus; und
beredtere Thränen ströhmten von seinen bleichen Wangen herunter.
Damals waren noch zwanzig Minuten genug, die Schöne in ihrem besten
Putze zu kleiden; alsdann hob sie der vergoldete Herr in seinen glänzenden
Wagen, setzte sich neben ihr und ließ die seidenen Vorhänge
herunter. Darauf jagten sechs wiehernde Hengste durch die Reihen unzähliger
Bauern, denen das starre Erstaunen die weiten Mäuler geöffnet.
Und seit dieser trüben Stunde ward das welkende Herz des Pastors von
keinem Strahle der Freude erwärmt und nur in der letzten Nacht dieses
kritischen Jahres erblickt´ Er zum erstenmal wieder die tröstende
Hoffnung.
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Zweyter Gesang.
Die neue Sonne rollte den jungen Tag des
Jahres herauf. Ihr ungewohnter Blick übersah schüchtern die Planeten,
die sie bescheinen sollte, und nun wandte sie auch ihr unschuldiges Gesicht
zu unserer Erdkugel. Ein Heer vorausbezahlter Gratulanten jauchzt´
ihr entgegen, andre unglücklicher, zerrissen das Neujahrsgedicht,
seit dem frostigen September geschmiedet; denn ihr alter Mäcen ist
den heiligen Abend vorher gestorben, und hinterläßt geizige
Erben, die den Apoll samt den Musen verachten und ungeheissene Arbeiten
niemals großmüthig belohnen. Verjährte Rechte, drohende
Wechselbriefe, erfüllte Hoffnungen und erzeufzte Majorennitäten
drängten sich auf den Strahlen des neuen Lichts in das beunruhigte
Herz der erwachten Sterblichen. Aber friedliebend und sanft wirkt sie,
die mächtige Sonne, auf die Felsenherzen der Großen und in die
morschen Gebeine der Helden, die itzt, voller Neigung zur Ruhe, sich beschwerlich
von ihren Lagern erheben, um ihre Wunden verbinden und die Merkmaale ihrer
Tapferkeit vernähen zu lassen. Stolz auf ihr Elend behängen sie
den krüpplichen Körper mit den bunten Zeichen des gnädigen
Spottes der Fürsten, mit dem theuern Spielwerke von Kreuzen und Bändern;
und die Empfindungen ihres Heldenlebens wüthet in jeglicher Nerve.
Betäubt von den murrenden Wünschen der Thorheit und von den lauten
Seufzern des Unglücks, stand die Sonne in wehmüthiger Schönheit
am Himmel, fürchtete sich, länger herab zu schauen, und versteckte
sich oft hinter ein trübes Gewölke. So steht ein blühendes
unschuldiges Mädchen, zu arm ihr junges Leben zu erhalten, vor der
versammelten Schule der Mahler, und verräth die geheimsten Schönheiten
der Natur, für einen geringen unbilligen Preis, der Betrachtung der
Kunst. In schamhafter Einfalt versteckt sie ihre mächtigen Augen hinter
einer ihrer jungfräulichen Hände, indem sie mit der andern das
letztere neidische Gewand von sich legt, das ihre Reize verbarg, und nun
ängstlich erwartet sie nun den Verlauf der verkauften Stunde. Die
geschicktesten Jünglinge zittern bey dem Anblicke der unverhüllten
schönen Natur, und ihre sonst gewisse Hand zeichnet Fehler auf das
gespannte Papier. Der minderjährige Knabe allein übertrifft hier
seinen Meister; denn in seinem kleinen noch fühllosen Herzen liegen
jene sympathetischen Triebe unentwickelt, und seine Hand lernt´ eher
der Kunst, als jenes der Liebe gehorchen. Und der voll Hoffnung erwachte
Pfarrherr gieng in der Frühe zu Nicklas, dem Verwalter, wünscht
ihm ein fröhliches neues Jahr und ließ sich wieder eins wünschen;
dann erzählt er ihm seinen nächtlichen Traum bündig und
kurz denn die gebiethenden Glocken hatten schon zum drittenmahl geläutet,
und die geputzte Gemeinde sah sehnlich ihrem Herrn Pastor mit seinem Neujahrswunsche
entgegen. Ach wie fröhlich klopfte nicht Nicklas dem Herrn Magister
die Achsel, und zweifelte gar nicht an der Erfüllung des Traums. Hurtig
bestellt´ er die Küche, damit sie, zur Ehre eines so lieben
Besuchs, viel schmackhafte Gerichte den Mittag zu liefern vermöchte.
Er bath auch den werthesten Träumer zur Tafel, und gieng an seiner
rechten Seite, mit ihm vertraulich zur Kirche. Der künftige Herr Schwiegersohn
hielt eine erbauliche Predigt, bis unter Singen und Bethen die Mittagssonne
hervortrat. Schon eilte die buntschäckige Gemeinde mit gesättigter
Seele und hungrigem Magen nach Hause, als der erwartete Wagen zu Höhe
des Dorfs hereinschimmerte. Mit weiten Schritten und fliegendem Mantel
eilte der hagre Magister den sechs Schimmeln vorzukommen, um seine Schöne
aus dem Wagen zu heben. Keichend schmählt er auf sich, daß er
so lange gepredigt, aber dennoch überholt´ er die rollende Kutsche,
und empfieng die holde Wilhelmine an der Thüre ihrer vormaligen Wohnung.
Von dem Zuruf ihrer herzugelaufenen Bekannten begrüßt, reichte
sie, nicht mehr als eine Nymphe des Dorfs, ihrem unerkannten Liebhaber
die Hand mit kostbaren Ringen gezieret, und sagt höflich zu ihm: Wie
geht es, werther Herr Pastor? Darauf umarmte sie ihren alten weinenden
Vater, der vor der Hofstimme der Tochter erschrack, und nicht wußte,
ob er mit seiner bäurischen Sprache ihre Ohren beleidigen dürfte.
Noch scheuer und in einem unaufhörlichgen Bücklinge stand ihr
Liebhaber vor ihr, und hustete immer und sprach nichts. Lange getraute
er sich auch nicht, sie anzublicken; denn ihr hüpfender Busen, von
keinem ländlichen Halstuche bedeckt, war ein zu ungewöhnlicher
Anblick für ihn, und setzte seine Nerven in ein fieberhaftes Erzittern.
Mit zufriednem Mitleiden beobachtete Wilhelmine den Einfluß ihrer
Person, und riß endlich Vater und Liebhaber aus ihrer Betäubung.
Ihre harmonische Stimme bildete manche vertraute Erzählung, bald von
den Freuden des Hofs, von englischen Tänzen und überirdischen
Opern und von den unnützen Verfolgungen ihrer lächerlichen Amanten;
bald aber auch bejammerte sie mit nachdenklicher Stirne den steten Wechsel
des Hofs und den Ekel, der, ein unermüdeter Verfolger aller rauschenden
Ergetzungen, hinterlistig dem taumelnden Höfling nachschleicht und
da wünschte sie sich Welche ein Vergnügen für den horchenden
Priester einst wieder mit Ehren zur glücklichen Stille des Landes
zurück. Unter diesen anmuthigen Gesprächen, wovon meine Muse
nicht die Hälfte verräth, setzte sich diese liebe Gesellschaft
vertraulich und ohne Gebeth zu Tische. Erschrocken dachte zwar der Magister
daran, doch durft´ er es ietzo nicht wagen, sich wider die Gewohnheiten
des Hofs zu empören. Um das Mittagsmahl zu verherrlichen, hatte die
schöne Tochter des Hauses vier Flaschen köstlichen Weins mitgebracht
Sie öffnete eine davon, und schenkte mit wohlthätigen Händen
ihrem Liebhaber und Vater, schäumende Gläser ein. Lange besah
der Magister das unbekannte Getränke, kostete es mit der Mine des
Kenners und ließ doch sein Feuer verrauchen! Endlich fragt er pedantisch
Liebe Mamsel, für was kann ich das eigentlich trinken? Lächelnd
antwortete sie: Es ist von unserm Burgunder. Nach ihm setzte man auch eine
langhälsichte Flasche des stillscheinenden bleichen Champagners auf
die Tafel. Schon ganz freundlich durch den Burgunder, reichte sie der Magister
den befehlenden Händen der Schönen: aber er wäre bald vor
Schrecken versunken, als der betrügerische Wein den Stöpsel an
die Wand schmiß, und wie der vogelfreye Spion, der sich einsam und
sicher in dem Walde geglaubt hat, durch den Mörser eines feindlichen
Hinterhalts aus seiner Ruhe geschreckt wird so betäubte der schreckliche
Knall die Ohren des zitternden Pastors. Erst auf langes Zureden und hundert
Betheuerungen der Schönen, trank er den tückischen Wein, und
empfand bald dessen feurige Wirkung; denn nun öffnete der laute Scherz
und der wiederkehrende Witz seine geistigen Lippen Antithesen und Wordspiele
jagten einander, und da gewann er auf einmal den ganzen Beyfall der artigen
Wilhelmine, wie ihm sein wahrhafter Traum vorher gekündigt hatte.
Itzt erschrack er nicht mehr vor dem erhabenen Busen, den er selbst belebender
fand, als den brausenden Champagner Dreymal hatt´ er mit lüsternen
Augen hingeschielt, da ward er so dreust und wagte es, von dem alten Verwalter
unterstützt, das Herz der englischen Kammerjungfer zu bestürmen.
So viel Waffen der Liebe als nur seine unerfahrene Hand regieren konnte;
so viel zärtliche Blicke, so ein gefälliges Lächeln, als
ihm nur zu Gebothe stehen wollte, verwendete er auf die Hoffnung einer
geschwinden Eroberung. Welch eine Verschwendung von süßen rührenden
Worten! Erstaunt sah Wilhelmine ihren dringenden Feind an, und dreymal
wankte sie aber ein geheimer Stolz und die Rücksicht auf den prächtigen
Hof erhielt sie noch, bis ihr endlich Vater und Liebhaber, immer einander
unterbrechend, das Wunder des Traums entdeckten Denn da erkannte sie
selbst in allen die sichtbaren Wege des Himmels und ihren Beruf, und durch
die Beredtsamkeit des Pastors bekehrt, entfernte sie allen Zwang des Hofs
von ihren offenherzigen Lippen: Wohlan! sagte sie, nachdem sie in einer
kleinen freundlichen Pause die Beschwerden und die Vortheile des Hymen
gegen einander gehalten, und noch die reife Ueberlegung auf ihrer hohen
Stirne saß Wohlan! ich unterwerfe mich den Befehlen meines Schicksals;
ja, ich will selbst mit Vergnügen das unruhige Leben des Hofes mit
den stillen Freuden meines Geburtsorts vertauschen, und da Sie mich einmal
lieben, Herr Pastor, so würd´ es unzeitig seyn, spröde
zu thun ich sehe die Ungeduld Ihrer Neigung auf Ihrem Gesichte! Kommen
Sie her, mein Geliebter, und Welch ein Triumph für einen Unerfahrnen,
der nie den Ovid und das System einer versuchten klugen Lenclos gelesen
küssen Sie mich, und nehmen Sie zum Zeichen unserer Versprechung
diesen Ring an!" Und mit unausprechlichem Vergnügen kam der schwerfällige
Liebhaber gestolpert küßte sie dreymal, und macht´ es
zur Probe recht artig. Sie steckt´ ihm einen Demant, in Form eines
flammenden Herzens, an das kleinste Glied seines Fingers, und Er welcher
Tausch! hätt´ ihn nicht die duldende Liebe gerechtfertigt
überreichte Ihr einen ziegelfarbenen Carniol, worein ein Anker gegraben
war. Nun brachte jede Minute neuen Zuwachs von Liebe und Vertrauen in ihre
verbundene Gesellschaft, und frohe Gespräche von ihrer baldigen Hochzeit
beschäftigten ihre unermüdeten Lippen Da sagte Wilhelmine diese
merkwürdigen Worte: Morgen, wenn die Göttin der Cabale auf den
feuchten balsamischen Wolken des dampfenden Thees, nachdenkend an den kostbaren
Plafonds herumzieht und ihre Anbether ermuntert, und wenn die eigensinnige
Göttin der Mode ihren Liebling, den Schneider, zu wichtigen Conferenzen
der Staatsräthe geleitet, oder damit Sie mich deutlich verstehen:
Morgen, wenn es früh Zehne geschlagen, so rüsten Sie sich, mein
Geliebter, und machen Sie Ihre schuldige Aufwartung bey unserm Hofmarschall;
Bitten Sie ihn in demüthiger Stellung um die Erlaubnis zu meiner baldigen
Heurath! Ich selbst will ihn noch heute zu diesem Ihrem Beschlusse bereiten,
und so werden Sie dann morgen gar keine Schwierigkeit finden. Er ist der
beste Herr von der Welt; und wenn meine Bitten, wie ich aus guten Gründen
mir schmeichle, etwas bey ihm vermögen, so geben Sie Acht! so soll
er selbst bey unserer Hochzeit erscheinen, und durch seine ehrende Gegenwart
unser Fest glänzender machen: Itzt aber theilen Sie, ohne Complimente,
den Platz in meinem zweysitzigen Wagen, damit Ihnen der Weg nach dem fürstlichen
Hofe nicht eben so sauer ankommen möge, als der benebelte Steinweg
zu Ihrem Filiale!" Zärtlich und süß versprach der gehorsame
Liebhaber ihr in allem zu folgen, und an der Hand seiner Geliebten verließ
er itzt sein trauriges Kirchspiel.
Noch halb berauscht von dem Besuche seiner
Tochter und dem seltenen Weine, dem er bey vollen Gläsern getrunken,
gieng nun der alte Verwalter aus, sein häusliches Glück den Gevattern
und der Versammlung der Schenke zu verkündigen. Wie schien sich doch
alles zur Feyer dieses seines glücklichen Tages zu verbinden! Er hörte
schon von weitem den Schall einer muthigen Fiedel. In der Freude seines
Herzens vergaß er sein Alter und tanzte mit Jauchzen der harmonischen
Schenke entgegen. Ein ungewöhnlicher Schimmer umleuchtete heute ihre
rostigen Wände Denn das Schicksal vergönnte diesen Abend den
fröhlichen Bauern ein seltenes Vergnügen. Die Schauspielkunst
war vor kurzem mit allem dem Pomp ihrer ersten Erfindung eingezogen. Welch
ein frohes Getümmel! Welch eine Luft! Ein vielstimmiger Mann schwebte
wie Jupiter unsichtbar über einer lärmenden thörichten Welt,
lenkte mit seiner Rechten ganze tragische Jahrhunderte und regierte mit
gegenwärtigem Geiste die schrecklichsten Begebenheiten und Veränderungen
der Dinge, über welche die weisesten Menschen erstaunen. Itzt sah
man hochmüthige Städte, wie sie sich über Dörfer erheben
und augenblicklich darauf eingeäschert oder in einem Erdbeben versunken;
Rom und Carthago, Troja und Lissabon wurden zerstöhrt, und der Hellespont
schlug über ihren stolzen Thürmen seine Wellen zusammen! Was
hilft es euch, ihr Tyrannen, daß ihr über Länder geherrscht,
arme Bauern gedrückt, und Nationen elend gemacht habt? denkt ihr wohl
der Strafe des Zeus zu entfliehen? Ja, da sieht mans Hier liegt nun der
grausame Nero in seinem Blute und wird von seinen eigenen Grenadieren zertreten!
Bald wird es auch an dich kommen, du übermüthiger Mann! Heliogabalus!
Pompejus! oder wie du sonst heißen magst Seht nur, wie stolz er
einhergeht und alle Leute verachtet, aber Jupiter winkt und nun wird
er unter Donner und Blitzen von den Saracenen ermordet. Doch wer kann sie
alle zählen die Wüthriche, die hier fallen; und wo wollt ich
Worte hernehmen, die blutigen Scenen zu beschreiben, die die gerührten
Zuschauer mit lautem Lachen beehren? Itzt sah man auch das bedrängte
Friedrichshall von Carl dem Zwölften belagert! Schon war die Pistole
gespannt, die diesem schrecklichen Helden das Leben endigen sollte und
schon wurden die Laufgräben geöffnet und alles war voller Erwartung,
als der alte Verwalter herein trat. Bey seiner längst gewünschten
Ankunft verstummte die Fiedel Die große Versammlung der Zuschauer
hob sich von ihrem Sitze schmiß eine allgemeine Bank um und grüßte
freundliche den Alten Eine Ehre, die vor ihm noch kein Sterblicher genoß
als nur der ehrwürdige Cato und die vielleicht nach ihm keiner
wieder genießen wird! Dieser Zufall schob die Belagerung auf eine
glückliche Pause für Carln! und selbst der Regierer der Welt
stieg itzt in seinen Corthurnen von dem hohen Sitze des Olymps herunter,
und ein ernsthaftes Stillschweigen der ganzen Natur foderte den Alten auf,
seine glückliche Geschichte zu erzählen. Er that es mit vertraulicher
Beredsamkeit, und man hörte ihm zu mit sichtbarem Erstaunen und stämmte
die Hände in die Seiten und schüttelte mit bedenklichen Minen
die Köpfe.
Indessen waren die beiden Verliebten nach
drey kurzen hinweg geplauderten Stunden in den Mauern der Residenz. Der
ehrwürdige Fremde begab sich unter den Schutz des wirthbaren Hirsches,
und Braut und Bräutigam trennten sich hier bis auf ein glückliches
Wiedersehn, mit höchst zärtlichen Küssen. Welche triumphirende
Freude durchströmte nicht itzt das Herz des verliebten Magisters,
als er sich, seinen Betrachtungen überlassen, in dem weiten Zimmer
des Gasthofes allein sah! Eine ganz andre Empfindung seines Glücks,
als er selbst an dem vergnügten Tage seines überstandenen Examens
nicht gefühlt hatte! Denn damals machte der Präsident seinem
stotternden Geschwätze, durch ein ungehofftes Bene,
ein freudiges Ende, und die gelehrten Herren Beysitzer widersprachen ihm
nicht. Sollten Sie etwan durch lange Untersuchungen sich um die kurzen
Lustbarkeiten der Messen und den schwitzenden Candidaten ums Amt bringen?
O nein! Aus Menschenliebe hofften sie, er würd´ es schon löblich
verwalten, und sie überließen die Seelen der Bauern seiner Treue
und Gottes Barmherzigkeit. Mit mehrerm Recht freut´ er sich itzt,
und schmeichelhaft fragt´ er sich: Ist es nicht dein eigenes Verdienst,
das sprödeste Mädchen in einem Nachmittage besiegt zu haben?
Wie wohlt that ich, daß ich meinem prophetischen Traume folgte, mich
so dreust und munter bezeigte, wie die vornehme Welt es verlangt. Ach welch
eine Liebe für mich muß nicht in der Brust meiner Wilhelmine
erwacht seyn, da sie sich so eilig entschließt, den prächtigen
Hof zu verlassen, um einem armen Dorfprediger zu folgen, dessen altfränkische
Wohnung wer weiß wie manche Reformation überlebt hat.
Schon tönte der Wächter seinen letzten
Nachtgesang, in einem tiefen verunglückten Baß hüllte
sich in seinen Schafpelz und beurlaubte sich von der Stadt. In gehöriger
Entfernung schlichen die Spötter seiner Aufsicht, die glücklichen
Diebe, ihm nach, weckten den Thorschreiber auf, und erreichten bald das
sichere Gehölze: Und am Horizont fieng schon der Tag an zu grauen,
eh´ unser Verliebter einschlafen konnte. Wie war es auch möglich?
Auf allen Seiten verfolgten ihn Unruh und Schrecken. Gleich höllischen
Gespenstern rasselt´ unter ihm mit Ketten der böhmische Fuhrmann:
doch Gedanken der Liebe machten noch einen größern Tumult in
seinem zerrütteten Herzen. Aus Mattigkeit fiel er endlich in die Arme
des Schlafs Doch auch der Schlaf eines Verliebten ist Unruh Denn sobald
er das Bellen der Hunde und das Rasen des Windes nicht mehr deutlich vernahm,
so bemächtigten ängstliche Ahndungen sich seines Gefühls.
Bald träumt´ er seine berauschte Seele erhöbe sich über
die Sonne und begrüßte unbekannte Gefielde Dann glaubte er
wieder in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen, schrie sträubte
sich stieß sich an den unruhigen Kopf, und erwachte in einem plötzlichen
Schrecken. So steigt ein lustiger Schwärmer durch die dunkle Nacht
in einem Wirbel empor wirft freundliche Sternchen von sich, und brauset
unter den Wolken; bald darauf sinkt er nun sinkt er endet sein kurzes
Geräusch, und zerplatzt mit einem lächerlichen Knall.
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Dritter Gesang.
In einer prächtigen Winternacht war
heute die Sonne dem Erdball erschienen; Ihr Einfluß hatte die lebenden
Geschöpfe der Welt schon alle aus dem Schlaf geweckt, wenn ich in
Savoyen die Murmelthiere, und in Deutschland die Mädchens ausnehme,
welch die Mode erzieht; Sogar die berühmten Schläfer der Residenz,
alle Hofjunkers und Staatsräthe waren erwacht, hatten nun ausgegähnt
und fingen an ihren erhabenen Trieb nach Geschäften zu fühlen,
denn einige verschluckten sich schon levantischen Coffee und lätterten
im Herrn und Diener, *) (*) Eine bekannte Schrift
des Hrn. von Moser.) oder bezeichneten, um nach vollbrachtem Tage
weiter zu lesen, dankbar die rührende Stelle, bey der ihnen den Abend
vorher die Gedanken in Schlaf übergiengen. Mit edlem Eifer übten
sich andere im Stillen die Zahlen der Würfel zu lenken, oder durch
geschwinde Folten (ein mystisches Wort) sich über allen Wechsel des
Glücks zu erheben. Die vom flüchtigerm Geblüte flatterten
schon über das Pflaster, um die blassen Fräuleins an der Toilette
zu besuchen, und ihnen durch mächtige Scherze rothe Wangen zu schaffen.
Aber noch immer schnarchte der müde Magister; ja! er würde gewiß
den Endzweck seiner Reise, den so wichtigen Besuch bey dem Hofmarschall,
verschlafen haben, hätte ihn nicht die käufische Stimme eines
bärtigen Juden erweckt, der dreymal schon vergebens an die Stubensthüre
klopfte.
Haben Sie etwas zu schachern? schrie der Ebräer
gewaltig hinein, daß die Fenster erklangen, und der betäubte
Magister in die Höhe fuhr. Der Ungläubige floh erschrocken
sah der schläfrige Christ nach seiner tombacknen Uhr, erstaunte, daß
es so spät war, und warf sich schleunig in seinen bepuderten Schwarzrock.
Halb träumend lief er über die Gassen und ohne Vorbereitung,
den Complimenten des Hofmarschalls entgegen. Aber welche Muse beschreibt
mir den Einzug des frommen Pedanten, in das vergoldete Zimmer des glänzenden
Weltmanns? In einem Schlafrock von Stoffe, empfieng er den Pastor mit offener
Stirne und satyrischer Mine, die sein schlauer Diener verstand, der hinter
dem Rücken des armen Magisters die galante Falschheit widerlächelnd
bewunderte. Mit Husten und Scharrfüßen suchte der Supplicant
den Eingang zur Rede; aber als Ceremonienmeister trat der bellende Melampus
ihm entgegen nöthigte ihn stille zu stehen, und zerstreuete die
hervorquellenden Worte, daß sie ungehört vom Hofmarschall sich
an den Spiegeln zerstießen, und ihr Wiederhall den bethenden Pfarrherrn
in Angst und Schrecken versetzte. Endlich legte des Hofmanns mächtige
Stimme dem ergrimmten Cerberus Stillschweigen auf Gehorsam kroch er zu
den Füßen seines Herrn, und leckte schmeichelnd den saffianen
Pantoffel. Darauf wandte sich die Rede zu dem immer sich bückenden
Verliebten: Ich weiß schon Ihr Anbringen, lieber Herr Pastor, ist
es nicht wahr? Sie wollen uns unsere Wilhelmine entziehen? das schönste
und ehrlichste Mädchen in diesem ganzen Gebiethe! Habe ich es nicht
errathen, Herr Pastor? Schon gestern hat sie mir selbst Ihre Lieb´
eröffnet, und mit verschämtem Gesichte um den glücklichen
Abschied gebethen. Wohlan! Ich werde kein Hinderniß ihrer Neigung
und bescheidenen Bitte in den Weg legen, wenn Sie mir anders eine kleine
Bedingung versprechen Werden Sie nicht unruhig, Herr Pastor! Es hat mich
unsere Wilhelmine gebethen, morgen selbst bey Ihrer Hochzeit zu erscheinen
Mit Vergnügen will ich auch kommen, und will selbst eine Gesellschaft
versammeln, die Ihren Ehrentag glänzender machen wird, als eine Kirchmeß
eine Gesellschaft, die meinem Stande gemäß ist wenn Sie
Denn dieß sey die Bedingung Wenn Sie die Tochter des alten Grafen
von Nimmer vermögen, dieses Fest zu beleben. Er der ihr Nachbar
ist, und vor ihrer Kanzel erscheinet, wird sich nicht weigern, seine holde
Clarisse auf die Hochzeit eines erbaulichen Predigers fahren zu lassen
Der Comtesse aber sagen Sie heimlich: Ich würde darbey sein. Auf
meinen Befehl, der über die fürstliche Küche gebiethet,
sollen alsdann hundert fette Gerichte Ihre hochzeitliche Tafel schmücken,
und Madera Rheinwein Champagner und ächte Heremitage sollen in
solchem Ueberfluß fliessen, wie an dem Hofe eines geistlichen Fürsten."
Wie vergnügt hörte nicht der Verliebte
diese freundlichen Reden Gern und ohne Anstand versprach er, diesen leichten
Befehlen zu folgen, um sich bei der hohen Ehre und Gnade würdig zu
machen. Darauf nahm er Abschied und schnappte nach dem Zipfel des Schlafrocks:
aber mit höflichen geübten Händen schlug der Hofmarschall
beyde Theile zurück, strich mit dem Fuße aus, und empfohl sich
dem Pastor Sebaldus. Bald nach ihm trat Wilhelmine herein, und brachte
ihrem gnädigen Gönner Chocolade mit perlendem Schaume; da gab
ihr der Marschall das Document ihrer Tugend, den ehrlichsten Abschied,
sauber auf Pergament geschrieben, und siehe da! welche großmüthige
Gnade! Er umarmte sie mit gefälligen Händen, und küßte
sie zärtlich. Eine ganz sapphische Empfindung strömte durch ihr
dankbares Herz, und trieb ihren wallenden Busen empor, daß der blaßrothe
Atlas zu knistern anfieng, der ihn weit unter der Hälfte umspannte.
Ach welch ein reizender Busen! o scherzhafte Muse beschreib ihn! Auf seiner
linken Erhöhung lag ein mondförmiges Schönfleckchen angeheftet
durch Gummi, von dem ein kleiner Liebesgott, immer mit drollichten Reverenzen
die Blicke der Grafen und Läufer Laqueyen und Freyherren auf sich
zog. Aber itzt erhob sich dreymal die warme bebende Brust, und trennte
die gedörrte Musche vom Gummi. Der kleine Liebesgott immer sammt
seinem Gerüste, fiel zwischen der Schnürbrust unaufhaltsam
hinunter, daß die Schöne schrie, und der ernsthafte Hofmarschall
wirklich zu lachen anfieng. So fällt ein prahlender Zahnarzt unter
die morschen Trümmer seines Theaters, indem er mit stampfender Beredtsamkeit
dem Pöbel winkt, sein Rattenpulver zu kaufen. Sein erbärmlich
Geschrey, und das laute Lachen des Volks betäuben den Jahrmarkt, wenn
ihn nun aus dem theuern Schutte sein buntschäckichter Diener hervorzieht.
Mit einer bedeutenden Röthe, rauschte
bald die schöne Verlobte in die Versammlung der übrigen Zofen
des Hofs, die schon ihre glühenden Wangen beneiden, aber Wilhelmine
vollendet ihrer aller Verzweiflung, als sie ihnen den papiernen Triumph
zeigt, den sie itzt vom Hofmarschall erhalten. Aeußerlich klagen
sie zwar ihre verkaufte Gespielinn: Ach du armes verblendetes Mädchen!
So willst du denn fern von deinem verbrämten Amanten, in der Einöde
des Landes dein junges Leben verseufzen und nur von Bauern bewundert,
den stolzen Busen erheben? So willst du denn in einer dunkeln geistlichen
Hütte, als Frau Magisterinn wirthschaften? Ach du armes verblendetes
Mädchen!"
So klagten alle die Zofen, den Abschied der
erweichten Wilhelmine, aber heimlich wünschte sich jede, bald auch
so beweinet zu werden, und in den sichern Armen des weiblichen Schutzgottes,
des Hymen, den Wechsel des falschen Hofes zu verlachen.
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Vierter Gesang.
Auf den Uhren war schon Mittag vorüber,
aber in den Häusern der Grossen brach er erst mit festlichem Pomp´
aus der Küche hervor Hekatomben rauchten ihm Denn die mittägliche
Sonne hat noch nicht ihre Anbether verloren Mit mehrerm Eifer, als wohl
jemals ein ägyptischer Priester gehabt, feyern sie täglich ihr
Fest, mit sonnenrothen Gesichtern, bis das wohlthätige Licht den Kreis
verläßt, und nun die stille Venus vom nächtlichen Himmel
herabblinkt. Da erhub der gesättigte Pfarrherr seine gestiefelten
Beine, und trat mit zerstreuten Gedanken seinen bestimmten zwo Meilen langen
Weg an; Die alles vermögende Liebe hätt´ itzt den gelehrten
Magister zu einem gemeinen Bothenläufer erniedrigt, und er mußte,
welche sonderbare Bedingung als sein eigener Hochzeitbitter, noch ein
zweytes Jawort erbetteln, ehe sie ihn glücklich zu machen versprach.
Der hochbeschneyte Weg ermüdete seine Knie, und die duftende Kälte
candirte seinen schwarzen Bart, und bracht´ ihm Zahnweh. Aber noch
ein größeres Uebel, als Zahnweh und Müdigkeit, lauerte
in dem nahen Walde auf ihn. Welcher boshafte Genius war es, der in Gestalt
eines Holzhackers, dem Priester entgegen kam? Ein unschuldiges unbekümmertes
Gesicht, die Larve der Heucheley, betrogen den heiligen Wanderer. Guter
Freund! redete er ihn vertraulich an, sagt mir doch, ist dieses die rechte
Straße nach Rennsdorf, dem Rittersitze des alten Grafen von Nimmer?"
Ehrerbietig nahm itzt der Boshafte vor dem Pastor den Huth ab und fragte:
Wer Sie auch sind ehrwürdiger lieber Herr, so beklage ich Sie doch
herzlich; denn dieser falsche Holzweg, auf welchem Sie wandeln, wird Sie
weit von Rennsdorf ablocken; und wenn endlich sich die Schrecknisse der
Nacht über diese Heyde verbreiten, so müssen Sie Ihren ermüdeten
Körper einer abgelegenen Schenke einer Spitzbubenherberge vertrauen."
Da schlug der erschrockene Magister seine haarichten Fäuste zusammen.
Lieber würd´ er auf einem Ameisenhaufen geschlafen, oder wie
ein Zigeuner, den Anbruch seines Hochzeitfestes in einer hohlen Weide erwartet
haben, als daß er einer Schenke das Vorrecht gegönnt hätte,
seine geweihten Glieder zu bedecken. O mein Freund, rief er, den mir noch
zu rechter Zeit ein guter Engel entgegen schickt, ach entfernt mich doch
eilig von diesem Fußsteige, der meine Gebeine umsonst ermüdet,
und zeigt mir den richtigen Weg, und nehmt im voraus für eure Bemühung
ein dankbares Trinkgeld an!" Hier zog er gleich einer alchimistischen
Phiole, einen langen Beutel heraus, der in der Farbe der Hoffnung künstlich
gestrickt war. Ein billiger Zwischenraum scheidete dreyßig Ephraimiten
von einer güldenen Madona. Ihres innern Werthes gewiß, erwartete
sie ruhig ihr verzögerndes Schicksal, da sich indeß der jüdische
Haufe mit Geräusche bis an die Mündung des Beutels drängte,
um bald erlöset zu werden, und in einem ungewissen Course betrügerisch
zu wuchern. Doch indem noch der Pastor die großmüthige Belohnung
und das Verdienst eines Wegweisers berechnet, so verschwindet Baarschaft
Tagelöhner und Beutel, und der Gott der Kaufleute und Diebe, verbirgt
den Raub und den hurtigen Räuber in den Finsternissen des Waldes.
Nun erfüllt´ eine lange unharmonische Klage des armen Magisters
die Luft: O du treuloser Verräther, so schrie er, wenn du auch
der du einen Priester beraubet, dem Dreyangel des Galgens, der Kühhaut
und den glühenden Zangen entfliehst so wird dich doch dein böses
Gewissen und mein Fluch verfolgen, daß, wenn das eiskalte Fieber
deine Glieder zerrüttet, dir keine bittere Essenz, und kein Kirchengebeth
helfen soll, wenn du es auch mit einem Gulden bezahltest. Ohne Ernst und
Andacht und in dem gleichgültigen Tone gesprochen, in dem wir oft
für den Römischen Kaiser und alle weltliche Obrigkeit bethen,
wird es in der Athmosphäre der Kanzel zerflattern. So schrie er
und erholte sich langsam unter einer überhangenden Eiche. Ungewiß
durch die Lügen des Räubers, ob dieses der rechte Weg sey, überließ
er sich mit nagender Furcht seinem Verhängnisse: doch die tröstende
Liebe leitete seine zweifelhaften Füße durch die finstere Nacht
glücklich in das labyrinthische Schloß des Grafen. Der zeitige
Schlaf, und ein süßer Traum von einem Capaune mit Austern, beherrschte
schon den alten Gerichtsherrn, und es schliefen auch schon seine alten
Bediente, ob es gleich erst Neune geschlagen. Des ankommenden Fremdlings
ehrwürdige Krause flößte dem Wächter des Hofs die
schuldige Achtung ein, daß er ihn, nachdem er sein Verlangen erforscht,
bis an die Stube der jungen Gräfin begleitete. Mit ihrer vertrauten
Zofe, Sibylle genannt, saß die muntere Comtesse, den einen ihrer
niedlichen Aerme, auf ihre verschobenen Toilette gelehnt, und in der andern
hielt sie einen vergoldeten zärtlichen Brief, den sie erst itzt an
den Hofmarschall, ihren Geliebten, geschrieben. Sie las ihn mit gedämpfter
Stimme ihrer critischen Freundinn vor, die aufmerksam zuzuhören schien,
und unmerklich nur gähnte. Aber wer kann das Schrecken begreifen,
das diese zwo weiblichen Seelen ergriff, als der gekrümmte Zeigefinger
des verspäteten Pastors an die Stubenthüre donnerte. Sie glaubten
gewiß, ein prophetischer Verdacht habe die zänkische Gouvernantinn
erweckt, die wie ein Policeyverwalter alles Unrecht entdeckte, und dem
alten Grafen verrieth. Mit angenommener Freymüthigkeit, geboth die
betroffene Comtesse ihrer Zofe, die verschlossene Kammerthüre hurtig
zu öffnen: doch ihr furchtsamer Wink widersprach ihrem Befehle Die
kluge Sibylle verstund ihn, gieng langsam zu Werke, klapperte scheinbar
an der Thüre, und schmählte entsetzlich auf das strenge verrostete
Schloß, da indeß ihre Gebietherinn die nöthige Zeit gewann,
mit Eau de Levante
ihre Hände zu waschen, die hier und da von der verrätherischen
Dinte noch glänzten, und auch den anklagenden Brief aus dem Wege zu
schaffen. Mit gegenwärtigem Geiste, o wie liebenswürdig! ergriff
sie ihn, zerquetschte seinen durchsichtigen Cavalier und das Posthorn *)
(* Welches die Zeichen des sogenannten Cavalier= oder Postpapiers
sind.) und warf ihn kleingedrückt, hurtig unter das Bette;
Aber wie dauerte ihr nicht der wohlgeschriebene Brief, als nur der nachbarliche
Herr Pastor zur Kammerthüre hereintrat. Einen solchen Wechsel von
heftigem Schrecken und stiller Betrübniß empfand einst der freygeistische
Desbarraux, als er sich zur Fastenzeit einen Eyerkuchen erlaubte: Schon
hatte sein erzkatholischer Diener, blaß wie der Tod, das verbothene
Gericht auf die einsame Tafel gesetzt, als ein geschwinde Gewitter am Himmel
heraufzog, ein schrecklicher Schlag die näschige Seele betäubte,
und ihm den ersten Bissen im Munde zu Galle verbandelte. Was das für
ein Lärmen um einen Eyerkuchen ist! schrie er bald unwillig, bald
furchtsam; ergriff das rauchende Essen, und warf es im Eifer auf die beregnete
Gasse; Aber wie dauerte ihm nicht das verlohrne gute Gerichte, als das
Gewitter vorüber gieng! Beschämt warf er sich seine zaghafte
Eilfertigkeit vor, und quälte aufs neue den abergläubischen Koch,
ihm ein anderes zu backen.
Kaum hatte der keichende Pfarrherr seine ermüdeten
Füße von dem niedrigen Armstuhle gestreckt, und mit gnädiger
Erlaubniß die beklemmende Weste geöffnet, so verrichtete er
seinen Antrag mit der unnöthigen Vorsicht eines Pedanten; Er lispelte
heimlich der Gräfinn und ihrer Vertrauten dieß anbefohlene Geheimniß
ins Ohr: Der gnädige Herr Hofmarschall werde dabey sein und keine,
nein keine, als die gegenwärtigen Seelen, konnten diese mystischen
Worte vernehmen.
Welch ein Tiefsinn bedeckt´ itzt mit
den Fittigen der Mitternacht das Cabinet der schönen Clarisse! Ihre
erfindungsreiche Liebe stritt immer mit der schwerfälligen Einsicht
des Magisters: doch beyde mußten sich der Erfahrung eines grauen
Kammermägdchens unterwerfen. Anschläge wurden gefaßt, untersucht,
und durch neue verdrängt! Lange gieng das wichtige Project, wie ein
Würfel im Kreislaufe herum, ehe die ältliche Zofe mit der verschmitzten
hohen Mine eines versuchten Ministers, ihre Gedanken in folgenden klugen
Worten entdeckte: Itzt, ehrwürdiger Herr, da sich Ihre Augen nach
Ruhe sehnen, so hören Sie kürzlich meinen unmaßgeblichen
Vorschlag: Meine willige Stimme soll itzt dem Wächter des Hofes befehlen,
daß sein sicheres Geleite Sie, den Windhunden vorbey, in die Stube
führe, die unser Haushofmeister bewohnet. Dieser wird gern eine Nacht
sein Bette mit Ihnen theilen, und morgen meldet er Sie bey dem gnädigen
Grafen. Dann gehen Sie nur unerschrocken zu dem alten Papa; er wird Sie
gewiß Ihrer Bitte gewähren; denn er liebet Sie von Herzen, und
Ihre klagenden Jahrgänge haben seine hypochondrische Brust mit Ehrfucht
für Sie, Herr Pastor, erfüllet. Also schlafen Sie sanft! bis
die Morgenröthe Ihre gestärkten Glieder zum fröhlichen Hochzeitsfeste
erweckt!" Ein gütiger Lobspruch aus dem rosenfarbenen Munde der Gräfinn
belohnte die Einsicht der Zofe Auch der Magister wollte ihr gern seinen
Beyfall darüber bezeigen, aber seine Worte verwandelten sich in gähnenden
Mislaut, daß er zu Hülfe ein beredtes Kopfnicken rief. In wenig
Minuten war jeder wichtige Umstand nach Sibyllens Sinne geendet. Der Haushofmeister
beherbergte den schnarchenden Magister, und die dunkelbraune Nacht verbarg
seine heimliche Ankunft unter ihrem Schleyer vor der mistrauischen Gouvernantinn
und vor dem murrenden Hofhunde.
Der volle Morgen hatte den hochgebohrnen Gerichtsherrn
erweckt. Itzt überdenkt er noch im Bette den Zustand seines Magens
und fordert mit schwelgerischer Neugier den frühen Küchenzettel
Da tritt der Haushofmeister herein, und meldet ihm die Beherbergung des
verspäteten Pfarrherrn, und wie er itzt, voller Verlangen, Ihre Gräfliche
Gnaden zu sprechen, vor der Kammerthüre lauschte. Je, willkommen,
werther Herr Pastor, willkommen!" schrie der Graf dem Verliebten entgegen!
Bückend trat dieser vor das Vorhangbette des Grafen, und sein schwerer
Athem blies sogleich die hochzeitliche Bitte hervor, die er mit einer Menge
von Wünschen beschloß, worzu ihm der Wechsel der Zeit die best
Gelegenheit darboth. Bey starkem ungeduldigen Herzklopfen wartete er nun,
bis der Morgenhusten des stotternden Grafen sich legte als er auf einmal
diese deutliche Antwort vernahm: O sehr gern will ich meiner Tochter das
Vergnügen erlauben, an Ihrem Ehrentage, lieber Herr Pastor, im schönsten
Putze zu glänzen. Der priesterlichen Aufsicht überlassen, ist
ihre Tugend sicherer, als unter meinem eigenen Dache. Ja, mein Freund,
verlassen Sie sich darauf, sie soll Nachmittags mit sechs rüstigen
Pferden vor Ihrer Hausthüre erscheinen, und das Hochzeitsgeschenk
will ich selber besorgen. Damit aber auch Sie, mein Lieber, sich nicht
vor Ihrer nahen Hochzeit ermüden, oder wieder beraubt werden, und
sich im Walde verirren, so soll meine geschwinde Jagdchaise Sie itzt, Ihren
erwarteten Geschäften zurück führen, und meine aufrichtigen
Wünsche sollen Ihnen folgen." Da ergriff der entzückte Magister
die schwere Hand des Grafen von Nimmen, küßte sie hundertmal,
und benetzte sie mit Thränen der Freude, die über seinen stachlichten
Bart herunter rollten, wie ein plötzlicher Sonnenregen über die
glänzenden Stoppeln der Felder. Wie rechtmäßig war diese
Freude; denn nach diesem Orakelspruche endigte sich alle seine Leiden.
Halb war nun schon die Bedingung des Hofmarschalls erfüllt, und für
die andere Hälfte wird die schöne Clarisse sorgen. Mit einem
segnenden Complimente verließ er die Stube des Grafen. An der Treppe
lauerte die verschmitzte Sibylle auf ihn, und erforschte den Ausgang der
Sache. Mit zwey kurzen Worten entdeckt´ er ihr die gnädige Erlaubniß
seines Patrons; und indem er sich in die Chaise warf, flog die erfreute
Zofe zu ihrer Gebieterinn. Nun beschäfftigte die Wahl eines reizenden
Putzes den ganzen Vormittag beyde weiblichen Herzen, und alles lag schon
in der schönsten Ordnung, ehe der langsame Alte seiner Tochter die
Bitte des Bräutigams, und seine eigene väterliche Erlaubniß
anzukündigen glaubte. Sie hörte ihn an, als ob sie von nichts
wüßte, und bedankte sich gleichgültig für die vergönnte
Spatzierfahrt und leichtfertig erkundigte sie sich nach den übrigen
Gästen der priesterlichen Hochzeit: doch der gute Alte wußte
ihr keine Nachricht zu geben. Wer wird dabey sein, sprach er, als seine
Confratres vom Lande!" Indessen klopfte das Herz der jungen Gräfinn
ungeduldig nach ihrem lieben Hofmarschalle, bis der geschäftige Putz
die langen Minuten vertrieb, und ein sanfter Wagen die freundliche Göttinn,
nebst ihrer vielfarbigen Iris aufnahm, und zu dem Hofe des traurigen Schlosses
hinaus flog.
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Fünfter Gesang.
Der glücklich angelangte Magister fand
seine berostete Pfarre zu einem Palaste verwandelt, als er hinein trat.
Ein Dutzend Bedienstete seines gnädigen Gönners hatten in seiner
Abwesenheit die herkulische Arbeit unternommen, Stuben und Kammern zu säubern,
und in der Küche herrschte ein ansehnlicher Koch, dessen eigensinnige
Befehle tausend Geräthe verlangten, deren Namen noch nie in diesem
Dorfe waren gehört worden. Seine donnernden Flüche flogen in
der Küche herum, daß der erschrockene Pfarrherr mit einem Schauer
vorbey gieng, sich in sein ruhiges Museum setzte, und das Gesangbuch zur
Hand nahm.Als ein Fremdling in seiner eigenen Behausung, getraute er sich
nicht, itzt von dem vornehmen Koche etwas zu essen zu fordern; lieber versäumte
er das Mittagsmahl, und tröstete sich politisch mit dem fröhlichen
Soupé.
Die dritte critische Stunde des Nachmittags
brach an, und lud durch ihren Glanz den Neid des ungebethenen Superintendenten
und aller Amtsbrüder auf den Hals des armen Verlobten. Strenge dich
an, Muse! und hilf mir das Gewühl der Vornehmen beschreiben, die sich
itzt in das Haus des Pfarrherrn sammelten. Zuerst erschien der lackirte
Schlitten des Hofmarschalls, an der Spitze vieler andern. Vier deutsche
Hengste, chinesich geschmückt, zogen ihn, und ein vergoldeter Jupiter
regierte den schnurbärtigen Kutscher Ein musikalisches Silbergeläute
hüpfte auf dem Rücken der Pferde, indem unter ihren stampfenden
Füßen die fröhliche Erde davon flog. Schon von ferne erkannte
der zitternde Pfarrherr seinen Gönner, und an seiner Rechten die geputzte
Braut. Mit unbedachtsamer Höflichkeit gieng er dem fliegenden Schlitten
entgegen aber sein wilder Führer schwengte mit seinen vier Schimmeln
in vollem Trabe um, daß der Magister, mit verzerrtem Gesichte, eilig
wieder zurück sprang. Mit majestätischem Anstande stieg nun die
einhmenden Wilhelmine von dem sammtenen Sitze, und da verrieth sich zugleich
auf einige süße Augenblicke für den entzückten Bräutigam,
ihr kleiner vorgestreckter Fuß bis an die Höhe des seidenen
Strumpfbands, auf welchem mit Pünetgen von Silber ein zärtlicher
Vers des Voltaire gestickt war; Ach wohin weis doch nicht ein französischer
Dichter zu schleichen! Gesteht es nur, ihr Deutschen! Bis dahin ist noch
keiner von Euern größten Geistern gedrungen. So bald sie ausgestiegen
war, umrauschte ein buntfarbiger Stoff diese verdeckten Schönheiten.
Eine schneeweisse türkische Feder blähete sich auf ihre gekräuselten
Haare, und bog sich neugierig über ihren wallenden Busen, der unter
den feinen Spitzen aus Brabant hervorblickte, wie der volle Mond hinter
den Sprößlingen eines jungen Orangenwäldchens. Nach ihr
sprang der ansehnliche Hofmarschall unter die Menge der erstaunten Bauern,
die heute Arbeit und Tagelohn vergaßen, um das Fest ihres Hirten
zu begaffen. Ein gewässertes Band hieng schief über dem Lazurblauen
Sammte seines Kleides; und der milde Einfluß seines Gestirns zeigte
sich auf allen Gesichtern, und nöthigte dem unhöflichsten Trescher
den Huth ab. Alle Blicke wandten sich itzt einzig auf den gestempelten
Herrn nicht einer fiel mehr auf Wilhelminen. Diese werden wir noch oft,
dachten die Bauern, als Frau Magisterinn bewundern, aber einen Hofmarschall
sieht man nicht alle Tage. So vergißt man das alles bescheinende
Licht des Olymps, wenn eine seltene Nebensonne erscheint, die plötzlich
entsteht und verschwindet.
Ein anderer Schlitten, unter dem Zeichen des
Mars, der (eine seltsame Erfindung des witzigen Bildhauers) auf einem Ladestock
ritt, lieferte zween aufgedünstete Müßiggänger am
Hofe, Kammerherren genannt. Einst hatten sie in ihrer Jugend als hitzige
Krieger einen einzeln furchtsamen Räuber verjagt, und sich und dem
geängsteten Prinzen das Leben errettet. Zur Belohnung hatten sie sich
dieses unthätige Leben erwählt, genossen einer feistmachenden
Pension, erzählten immer die große That ihre Soldatenstandes
und gönnten gern ihre lärmende Gegenwart einem jeglichen Schmause.
So lebten einst die Erhalter des Capitols, jene berühmten Gänse,
von den Wohlthaten der dankbaren Röner; ohne Furcht, geschlachtet
zu werden, fraßen sie den ausgesuchtesten Waizen von Latiums Feldern,
für einen wichtigen Dienst, den eine jede andere schnatternde Gans
mit eben der Treue verrichtet hätte. Der flüchtige Mercur und
schnaubende Rappen brachten die pygmäische Figur eines affectirten
Kammerjunkers gefahren. Stolz auf einen eingebildeten guten Geschmack,
ersetzten seine reichen Kleider den Mangel seines Verstandes. Zuversichtlich
besah er heut eine glänzende Weste, die, wie die weisse Wamme eines
drollichten Eichhörnchens, unter seinem rothplüschnen Rocke hervorleuchtete;
und fröhlich dacht´ er an die Verdienste der weit kostbarern
zurück, die sich noch in seiner Garderobe befanden. Ein paar blitzende
Steinschnallen, und eine Dose von Saint=Martin erschaffen, waren ihm das,
was einem rechtschaffenen Manne ein gutes Gewissen ist sie machten ihn
zufrieden mit sich selbst, und dreust in jeder Gesellschaft. Itzt lief
er gebückt in die Pfarre hinein; gebückt, als ob sein kleiner
Körper befürchtete, an die altväterische Hausthüre
zu stoßen, die ein gothisches Schnitzwerk verbrämte. Nun aber
kam unter der Anführung einer gefälligen Minerva ein einzelner
vernünftiger Mann gefahren, der, weniger geachtet von den Weisen des
Hofs, den Befehlen seines Herzens mit strengem Eigensinne folgte. Nie erniedrigte
er sich zu der Schmeicheley, und nie folgte er der Mode des Hofes, die
das Hauptlaster des Fürsten zu einer Tugend erhebt, und durch Nachahmung
billigt; Vergebens (Konnt´ es wohl anders seyn?) hofft´ er
in diesem Getümmel ein nahes Glück, hier wo man nur durch seine
Ränke gewinnt, und wo die Blicke der Großen mehr gelten, als
ein richtiger Verstand und Tugend und Wahrheit. Er war es, der Wilhelminen
zuerst mit glimpflichen Worten, von der weiten Gefahr warnte, in die ihr
Leichtsinn, und die verjährte List eines wollüstigen Hofs ihre
Jugend verwickelte, der ihr zuerst den Gedanken erträglich und wünschenswerth
machte, wiederum die heitere gesundere Luft ihres Geburthsorts zu athmen.
Mit innerer Befriedigung sah er, daß der heutige Tag seine Bemühung
krönte und dieses frohe Gefühl beschäfftigte ihn einzig
in dem Taumel einer thörichten Gesellschaft. Ungern sah ihn der Hofmarschall
in dem Kreys seiner Lust Er aber ertrug diese ehrende Verachtung und
gab sich gern einem unruhigen Tage Preis, um ein verirrtes Mädchen
in einer glücklich entschlossenen Tugend zu stärken. Zischt ihn
aus ihr Lieblinge und Weisen des Hofs! Was helfen ihm alle seine Verdienste?
Daß sie einst vielleicht, in Stein gehauen, auf seinem Grabmaale
sitzen und weinen? O wie thöricht! den Gebothen des Himmels zu gehorchen,
wo ein Fürst befiehlt, und auf dem einsamen Wege der Tugend zu wandeln,
wo noch kein Hofmann eine fette Pfründe erreicht hat. Wenn eine falsche
schwankende Uhr des Stadthauses den Vorurtheilen der Bürger gebiethet,
so betriegt uns oft unsere wahre Kenntniß der Zeit um ihren Gebrauch;
denn hier, wo ein jedes dem allgemeinen Irrthume folget, den eine summende
Glocke ausbreitet, und die entfernte Sonne für nichts achtet, was
hilft es hier dem gewissen Sternseher, daß er sich alleine nach ihren
Befehlen richtet und den Wahn der Stadt verlacht und seine Stunden
nach der Natur mißt? Mit allen seinen Calendern wird er bald sein
Mittagsmahl bald den Besuch bey seiner Geliebten und den Thorschluß
versäumen.
Zween würdige Gesellschafter beschlossen
den Einzug in einem alten Schlitten, den ein unscheinbares Bildniß
beschwerte Ob es einen nervigten Vulcan oder einen aufgeblähten
Midas vorstellte, war für die Kunstrichter ein Räzel. Ein halbgelehrter
Patritius, ehemaliger Hofmeister des Marschalls, am Stande, so wie an Wissenschaft,
weder Pferd noch Esel nahm die Hälfte des bretternen Sitzes ein,
und auf der andern saß ein graugewordener Hofnarr, der mühsam
den ganzen Weg hindurch auf Einfälle dachte, in Versen und Prosa,
die hohe Gesellschaft zu erlustigen: aber sein leerer Kopf blieb ohne Erfindung.
Oft weinte der Arme, daß sein Alter ihm das Ruder aus den Händen
wand, daß er so lange glücklich regieret, und um welches sich
itzt der fürstliche Läufer, der Oberschenk und eine dicke Tyrolerinn
rissen.
Niemand ward mehr erwartet, als die junge
Comtesse. Der Hofmarschall stund unbeweglich an dem offenen Fenster, und
seine feurigen Blicke fuhren, durch ein ungeduldiges Fernglas, auf den
Weg hin, wo die schöne Clarisse herkommen sollte. Wimmernd rang der
angstvolle Magister die Hände, und versicherte ohn´ Aufhören
den argwöhnischen Hofmann: Die junge Dame werde gewiß kommen.
Ach! sagte er, sie hat mir ja mit der aufrichtigsten Mine versprochen,
meine schwere Bedingung erfüllen zu helfen, und sie wird mich gewiß
nicht in meinen Nöthen verlassen." Unterdessen ward auch schon der
theure Mann angelanget, der dieß Brautpaar fester verbinden sollte.
Auf dem benachbarten Dorfe, wo niemand die Reizungen einer Wilhelmine kannte,
hatt´ er von den drey Seiten seiner hölzernen Kanzel trotzig
gefragt: Ob jemand wider das Aufgeboth seines Freundes einzuwenden hätte?
Und dreymal hatt´ er die Verleumdung mit diesen mächtigen Worten
gebannt: Der schweige nachmals stille! Sein frommfarbichter Mantel bedeckt´
ein wildes Herz; ohne Neigung war er ein Geistlicher, und in diesem gezwungenen
Stande ward er selbst in einem Amte mager, das seit dreyhundert Jahren
die Schwindsüchtigen fett gemacht hatte. Mosheim und Cramern kannt´
er nicht: er sprach aber gern von dem General Ziethen und von dem lustigen
Treffen bey Roßbach. Seine Bauern, wild wie er selbst, konnt´
er lange nicht durch die Bibel bezähmen aber es glückte ihm
nach einer neuen Methode. Denn eh´ er seinen Rednerstuhl bestieg,
besah er sein florentinisches Wetterglas, und rief prophetisch alle die
Veränderung von seiner Kanzel, die es ihm ankündigte. Bald wahrsagt´
er der ungezogenen Gemeinde Regen und Wind in der Heuerndte: bald aber
beglückt´ er sie, zum Troste, mit einem warmen Sonnenschein
in der Weinlese. Die gerührten Bauern bewunderten den neuen Propheten,
besserten ihr Leben, und besetzten seit dem alle Stühle der Kirche.
Nach einer lange gefeyerten Pause erschien endlich die erseufzte Göttinn,
köstlich in ihrem Schmucke, und wunderschön von Natur; und welch
ein Glück für den Hofmarschall! ohne Gouvernantinn erschien sie.
Die Furcht vor einem Hochzeitsgeschenke hatte diese geizige Seele zurück
gehalten; und die sonst nie von der Seite ihrer jungen Dame wich, überließ
heute zum erstenmale den langbewahrten Schatz einem listigen Geliebten,
der die Zeit zu gebrauchen weis. Mit funkelnden Augen empfieng er die Schöne,
auf deren Wangen sich eine warme Röthe verbreitete, da sie ihm die
glaßirte Hand reichte, die auch in dem Augenblicke zärtlich
gedrückt war. Und nun war die ganze Bedingung erfüllt, die das
Schicksal des armen Dorfpfarrn bestimmte. Die vornehme Versammlung begleitete
ihn zur vollen Kirche, wo er durch ein vielbedeutendes Ja! vor der ganzen
Gemeinde gesprochen, von seiner reizenden Braut alle die mystischen Rechte
der Ehe, und beschlossene Glück und Unglück seines gefesselten
Lebens, mit Freunden empfieng. Mit einer zurückhaltenden bescheidenen
Mine empfing auch Sie von seinen Lippen das Blanket der Liebe, worauf die
eigensinnige Zeit ihre Befehle schreiben wird, die kein Thränenguß
auslöscht. Ein geheimer Neid saß in den glatten Stirnen und
in den Runzeln der weiblichen Gemeinde: aber die Männer blickten ihren
beweibten Hirten mit lächelndem Mitleid an; denn die Erinnerung ihres
ehmaligen glücklichen Traums, der heut´ auch über ihrem
Pfarrherrn schwebte und das wache Bewußtsein ihres itzigen Schicksals
bracht´ ein ernsthaftes Nachdenken in ihre Gemüther. Und nun
besaß der Beglückte seine Beute, die ihm kein Sterblicher wieder
entreissen konnte. Nun hab´ ich sie endlich erhascht, die fröhlichen
Minuten, dacht´ er, die mir vier Jahre lang entwischt waren; und
voll Empfindung seines Glücks, drückt´ er oft seiner angetrauten
Wilhelmine die kleine Hand, und führte sie mit triumphirender Nase
nach Hause. Aber ein wunderlicher unversehener Gedanke, der sich wider
alles Vergnügen auflehnte, stieg itzt aus dem klopfenden Herzen der
armen Verlobten empor Ist dieß nicht, seufzte sie bei sich selbst,
das Leichengepränge deiner Schönheit? Klägliches Geschenk
der Natur, das keinem weniger hilft als der es besitzt! Was für unruhige
Tage hast du mir nicht verursacht! und itzt begräbst du mich sogar
in einer schmutzigen Pfarre? Aber ihr weiser Freund und Rathgeber entdeckte
kaum diesen unzufriedenen Gedanken in ihrem bekümmerten Gesicht, als
er durch einen ernsthaften Blick gen Himmel geschlagen, ihr denselben verwies,
sie mit ihrem Schicksal versöhnte, und ihr eine kleine tugendhafte
Thräne ablockte.
Ein mathematischer Furier hatt´ indeß
die hochzeitliche Tafel geordnet. Ehe man sich setzte, bewunderte man seinen
Geschmack in einer minutenlangen Stille, und faltete dabey die Hände.
Schimmernder Wein, der, wie die Begeisterung der Liebe, nicht beschrieben,
nur empfunden werden muß, blickte durch den geruchvollen Dampf der
theuern Gerichte, wie das Abendroth unter dem aufsteigenden Nebel hervor.
Itzt ergriff der schimmernde Hofmarschall
die warme weiche Hand der blauäugichten Wilhelmine, führte sie
an die oberste Stelle der Tafel, und bat den dankbaren Magister, sich neben
seine Göttin zu setzen, und nicht durch den Zwang eines Neuvermählten
die Freuden der Tafel zu stören. Ach! wie giebt hier die veränderliche
Zeit ihr Recht zu erkennen! Er der ehemals dem weinenden Pfarrherrn seine
Geliebte entzog, giebt sie ihm itzt bey einem freygebigen Gastmahle geputzt
und artig wieder zurück, und macht ihm alle sein ausgestandenes Leid
vergessen. So überschickt´ einst der große Agamemnon seine
Chriseis, dem belorberten Priester des Apoll, die der königliche Liebhaber
der väterlichen Sehnsucht lange Zeit vorenthielt. Prächtige Geschenke,
und eine Hekatombe mußten den Alten trösten, und seinen Gott
versöhnen, und in hohen Tönen besang der Dichter der Ilias die
Geschichte, wie ich itzt die Hochzeit eines Magisters besinge:
Der Schmaus gieng an! Ein köstliches
Gericht verdrängte das andere, und Bachus und Ceres tanzten um den
Tisch her. Der freymüthige Scherz, die feine Spötterey, und das
fröhliche Lächeln, vertrieben unbemerkt die taumelnden Stunden
des Nachmittags, und der Geist der Comtesse und des Champagners durchbrauste
die fühlbaren Herzen der Gäste. Alles war munter und fröhlichen
Muths. Nur der Magister und der Hofnarr immer in sich gekehrt, saßen
unruhig an der frohen Tafel. Den einen überfiel bald ein theologischer
Scrupel, bald ein Gedanke seiner künftigen Liebe; und der andere ängstigte
sich heimlich, daß es in seinem Gehirne so finster, wie eine durchnebelte
Winternacht, aussah. Wie oft buhlt´ er vergebens um das belohnende
Lächeln des Marschalls, und wie oft verfolgte sein schwerer Witz die
flüchtigen Reden des lustigen Kammerjunkers! aber eh´ er sie
erreichte, waren sie von der Gesellschaft und von dem Redner selber vergessen,
und mit Verdrusse nahm er wahr, daß niemand seine Einfälle begriff,
und alle seine witzige Mühe verloren gieng. Ein alter hungriger Wolf
schleicht so dem Fuchse nach, der unbekümmert durchs Gras scherzt,
den verdrüßlichen Räuber bald nach dieser bald nach jener
Seite hinlockt, und endlich doch seiner groben Tatze entwischet. Zur Erholung
der gesättigten Gäste, deren immer sich anstrengender Witz manchmal
schlaff zu werden begonnte, rief der kluge Hofmarschall den Verstand des
sinnreichen Conditors zur Hülfe, der so oft seine Wirkung zeigt, wenn
die langweiligen Reden des Fürsten seinen Hof einzuwiegen bedrohen
Und Auf einmal reizt´ eine überzuckerte Welt die weiten
Augen der Gäste. Faunen und Liebesgötter und nackende Mädchen,
in einem poetischen Brennofen gebildet, scherzten ohn´ Aufhören
im funkelnden Grase. In der Mitten entdeckte sich eine lachende Scene unter
einer hohen arkadischen Laube, von ewigem Wintergrün: Die porzelane
Zeit war es, die mit einer furchtbaren Hippe, den zerbrechlichen Amor in
der Laube herumjagte O wie wird es ihm gehen, wenn er sich einholen läßt!
denn der kleine lose Dieb hat der Zeit ihr Stundenglas listig entwendet,
und schüttelt den Sand darinnen unter einander, worüber die hohe
Gesellschaft sich innerlich freute. Ein voller Teller lustiger Einfälle,
in buntem Kraftmehle gebacken, streute neues Vergnügen über die
Tafel. Welche Vermischung von Dingen! Stiefeln und Unterröcke, Ferngläser
und Schnürbrüste, Küraß´ und Palatins, Spiegel
und Larven, klapperten unter einander. Jedes öffnet´ eine Figur,
die ihm das Ohngefähr oder seine Neigung in die Hand gab; und die
ausgewickelten Orakelsprüche wurden laut gelesen. Ein Putzkopf lieferte
dem Hofmarschall eine feurige Liebeserklärung Lächelnd sah
er seine gräfliche Nachbarinn an, und überreicht´ ihr die
bunten Loose. Sie ergriff einen Federhuth, und las stotternd eine prophetische
Beschreibung des verliebten Meyneids ab. Furchtsam gab sie den Teller von
sich Ein ungesalznes Epigramm auf den Hymen, lag in einem Strohute gehüllt,
und ward von dem Kammerjunker aus seinem Staube gezogen, und mit lautem
Lachen ausgeposaunt Die lose Wilhelmine zerrieb eine Knotenperücke,
die in Knittelversen den Kammerjunker würdig widerlegte Nach ihr
ergriff, aus verliebter Ahndung, der Magister ein schneeweißes Herz,
worein eine witzige 3 geätzt war. Bedächtlich öffnet´
er es und fand diese wenigen Worte: Ich liebe einen um den andern Wer
hätt´ es diesem falschen Herzen ansehen sollen, rief er voller
Verwunderung, und klebte mühsam die beyden Hälften wieder zusammen.
Alle noch übrigen Devisen wurden von den beyden Kammerherren und dem
Hofmarschall zerknickt, die ganz still die noch verborgenen Schätze
des Witzes für sich einsammelten, wie der Geizhals das wohlfeile Korn
auf die theuern Zeiten der Zukunft.
Die verdrüßliche Langeweile fieng
wieder an, den angenehmen Lärm der Gesellschaft zu unterdrücken,
als der schlaue Hofmarschall es zeitig bemerkte, und ein frohmachendes
Hochzeitsgeschenk aus seiner Tasche hervorzog. Er wickelt´ es aus
dem umhüllten Papier, und ermunterte die übrigen Gäste,
seinem Beyspiele zu folgen. Ungezwungen stellt´ er sich hinter den
Stuhl der angenehmen Braut, und hieng ihr ein demantenes Kreuz um, das
an einem schwarzmoornen Bande zwischen dem schönen Busen hinunter
rollte O was für ein Bewußtseyn durchströmt´ itzt
die blutvollen Wangen der Schöne! Mit ungewisser Stimme dankte sie
dem galanten Herrn. Lange konnte sie nicht ihre widerstrebende Augen in
die Höhe schlagen, und die unzeitige Schaam brachte sie in eine kleine
Verwirrung. Ein solches Gefühl durchdringt oft die treulose Brust
eines Hofmanns, wenn sie nun zum erstenmale unter dem ertheilten Ordenssterne
klopfet. Furchtsam glaubt´ er, die Gemahlinn des Fürsten möchte
das Verdienst errathen, das ihm dieß Ehrenzeichen erwarb: Selbst
denen ihm unbekannten laconischen Worten des Sterns trauet er nicht, und
er wird es nicht eher wagen, sich unter seinen Neidern zu brüsten,
bis ihm sein trostreicher Schreiber die goldenen Buchstaben verständlich
gemacht hat.
Was für köstliche Geschenke häuften
sich nicht in dem Schooße der glücklichen Wilhelmine Spitzen
und Ringe und Dosen und künstliche Bluhmen Ach dachte der Pastor
ach! so viel Reichthum habe ich ja nicht in meinem zehnjährigen
beschwerlichen Amte gesammelt und wie wunderbar! als Herr seines Weibes
dankt´ Er auch Er! seinen großmüthigen Gönnern
für diese Geschenke. Man sah es an dem satyrischen Lächeln der
Gäste, wie gut seine fröhlichen Danksagungen angebracht waren.
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Sechster Gesang.
So endigte sich das fröhliche Hochzeitsmahl. Die trunkenen
Gäste taumelten in dem kleinen Raume des Zimmers immer wider einander.
Ein Evan Evoe umschallte die Wände, Leuchter und Stühle drehten
sich in einem Kreis herum, und unvollendete Lieder und halbgestohlne Küsse
erfüllten die Luft. Die zerstreuten Kammerherren, ohne Gedanken, in
welchem frommen Hause sie lebten, riefen nach einer Karte zum Pharao
Die junge Comtesse, ihres jungfräulichen Zwanges, und ihrer Gouvernantinn
uneingedenk, stellte sich mit dem freundlichen Hofmarschall in den einsamen
Bogen des Fensters, und dieser genoß der süßen Betäubung
der Schönen, so gut als er vermochte. Der kindische Kammerjunker versuchte
seinen Witz an dem schläfrigen Hofnarren, und alle Vortheile, die
er über ihn erhielt, erzählt´ er mir lautem Triumphe der
unaufmerksamen Gesellschaft Aber alle verachteten die harmonische Erinnerung
des Nachtwächters, und übersahen das politische Gähnen des
Neuvermählten, und lachten alle den Mond an. So taumeln oft die vermummten
Geschöpfe einer Maskerade widersinnisch unter einander, vergessen
ihre Verkleidung, um nach dem Trieb´ ihrer Sinne zu handeln Rabbi
Moses zieht die verkappte Nonne zum schwäbischen Tanz auf, oder fordert
ein Stück schmackhafte Cervelatwurst. Der lange Türke trinkt
im falben Burgunder die Gesundheit des allerchristlichsten Königs,
und die stroherne Pyramide fängt an, Knaster zu rauchen.
Itzt gieng der ungeduldige Ehemann in seine
einsame Studierstube verwünschte seine lärmenden Gäste,
und rief also zum Amor: O du mächtiger Sohn der Cythere! hast du
mir deinen Schutz nur darum angebothen, und mich deines Rathes gewürdiget,
um mich itzt desto mehr zu kränken, und mein dankbares Herz wider
dich zu empören? Was hilft es, daß du mich nach den Reizungen
meiner Wilhelmine hast schmachten gelehrt, und daß du mich durch
ihr melodisches Jawort beglückt hast Was hilft es, daß mir
dieser Tag in der schönsten Feyer entflohen ist, wenn meine erste
Brautnacht langweilig und ungefeyert davon zieht? Die lächelnde Morgenröthe
wird mich spottend an die neue Bekanntschaft einer Freud´ erinnern,
die wider mein Verschulden mir fremd geblieben ist, und Wilhelmine wird
mir mit ernsthaftem Lächeln in das Gesicht sehn, wenn sie die glückwünschenden
Bauern, Frau Magisterinn, grüßen. Diese Nacht, o Sohn der Venus,
nur diese einzige Nacht, beherrschest du noch mit dem Hymen in gemeinschaftlicher
Ehre So laß mir doch nicht durch das wilde Getöse der geputzten
Höflinge, und durch das Wiehern ihrer Pferde, diese glücklichen
Stunden entziehen, die keine Nacht vermögend ist, mir wieder zurück
zu führen, sollten sie einmal davon seyn!" Diese Seufzer des unruhigen
Magisters brachten den Stolz des kleinen Gottes in Bewegung. Er freute
sich, daß der dankbare Vermählte, nicht trotzig auf die dienstbare
Hülfe des Hymen, des Amors Freundschaft noch suchte; Gütig entschloß
er sich, dem Verliebten zu helfen, und den Jupiter und des Pantheons verirrte
Bewohner und Ritter und Pferde hinaus zum Dorf zu jagen. Welche ein heroisches
Unternehmen welch eine That!
Recht zu gelegener Zeit fiel dem kleinen Helden
der Trojanische Brand ein, der die trotzige Garnison der Giechen nöthigte,
den flammenden Platz zu verlassen, und diese so oft besungene schreckliche
Geschichte, gab ihm eine sinnreiche Kriegslist an die Hand, die er mit
Glück und Tapferkeit ausführte. Er drehet´ aus den Händen
des gefesselten Hymen die hochzeitliche Fackel, die lichterloh brannte,
und stahl sich unvermerkt in die Küche des Pfarrherrn. Von der edlen
Kochkunst verlassen, die vor kurzem zwanzig schöpferische Hände
darinnen beschäfftigte, ruht itzt eine finstere Traurigkeit unter
ihren Gewölben. Auf dem warmen Herde lag eine ungebrauchte Speckseite
in der aufgehäuften Asche verborgen, woran die ganze große geschwänzte
Armee des scherzhaften Mäonides sich hätte sättigen können.
Dieses ungeheure Magazin steckte der freybeutische Amor, mit abwärts
gesenkter Fakel in Brand. Auf einmal floh es, durch die fettige Flamme
belebt, in die schwarze Esse, die sich rauschend entzündete und
ihr blutrothes Feuer dem Firmament zuwälzte Es war geschehen Amor
schüttelte seine Flügel und floh, und stellte sich auf die knarrende
Fahne des Kirchthurms. Hier stund er, wie Nero, als er mit grausamer Wollust
seine Residenz brennen sah, freute sich seines gelungenen Anschlags, und
erwartete den schrecklichen Ausgang Und nun o Muse! hilf mir das Getümmel
beschreiben, das in dem Hause des Magisters entstund, als die gräßliche
Feuerschreyende Stimme, sich über das aufgeschreckte Dorf ausbreitete!
Das hohle furchtbare Getöne der stürmenden Glocken, die ein angstvoller
Cantor unermüdet läutete, verkündigte den verzagten Matronen
ihren Untergang, und das Geschrey der Kinder, und das Pochen der Nachbarn
und das Bellen der Hunde, machte die finstere unglückliche Nacht noch
schrecklicher. Von dem stummen Entsetzen geführt, kam die verlorene
Nüchternheit itzt wieder in die Versammlung der Hochzeitsgäste
zurück. Doch kaum begriffen sie das drohende Unglück ihres betrübten
Wirths, so flohen sie ihn, als wahre Hofleute, mit eilenden Füßen,
und nach einem kurzen gleichgültigen Lebewohl! verließen sie
alle das neue Ehepaar in Thränen. Aber, wie ehemals der junge Aeneas
seinen alten frommen Vater aus dem flammenden Troja trug, so umfaßt´
itzt der getreue Hofmarschall seine weinende Clarisse, und durch die Liebe
gestärkt, verachtet´ er alle Gefahren. Das Feuer prasselt´
über sein Haupt, und die Wellen des Fischbeinrocks schlugen über
seine zerissenen Haarlocken zusammen dennoch bracht´ er sie glücklich
an ihre sichere Carosse, und übergab sie den Händen ihrer schützenden
Zofe. Und wie der unerschrockene Weise, gegenwärtig in den größten
Bedrängnissen, sich noch um Kleinigkeiten des Lebens bekümmert,
oder so, wie der große Lips Tullian auf dem Richtplatze, da schon
der Stab gebrochen ist, noch für seine Nase besorgt, um eine Prise
Rappee bath. Noch schnupft´ er ihn mit süßer Empfindung,
in dieser entscheidenden furchtbaren Minute reckte darauf mit einem Seufzer
den Hals dar, und befand sich in der anderen Welt, eh´ er niesen
konnte. Eben so nahm noch itzt der Hofmarschall drey verliebte Küsse
von seiner beängsteten Schöne, und warf sich mit unterdrückter
Sehnsucht in seinen fortschallenden Schlitten. Das Zeichen war gegeben,
und nun flogen alle die unbändigen Pferde mit ihren Rittern davon,
die mit stillem Vergnügen über ihre Sicherheit, oft nach der
brennenden Pfarre zurück sahn.
Kaum war die lärmende Versammlung der
Götter= und Menschengestalten zum Dorfe hinaus, so geboth Amor: das
Feuer sollte verlöschen und es verlosch. Zwar verkannte der blinde
Pöbel die Hülfe des Amors, und jauchzend dankten die Bauern ihre
Rettung einem schwarzen Dämon, der es gewagt hatte, aufs priesterliche
Dach zu steigen, wo er, dem Feuer zum Opfer, eine arme geraubte Najade
der Elbe, in den schwarzen Abgrund hinunter stieß, daß ihre
zerschmetterten Glieder in einer schmutzigen Küche ein unbekanntes
Grabmaal bedeckte.
Nun brachte der Gott der Liebe dem Hymen die
hochzeitliche Lunte wieder zurück; darauf gieng er Hand in Hand mit
ihm, zu dem getrösteten Verliebten, und sammelte seine entzückten
Danksagungen in den leeren Köcher; denn der kleine Held hatte den
Tag über alle seine Pfeile verschossen. Die noch übrige Nacht
hindurch wacht´ Er an dem rauschenden Brautbett´, und da der
Morgen anbrach, erhob er sich fröhlich in den Olymp auf den Strahlen
der Sonne, die zuerst dem frohen Magister die Mischung von Schaam und gedemüthigter
Sprödigkeit, auf den Wangen seiner zufriedenen Schöne sichtbar
machten, und ihn zu neuen Morgenküssen erweckten. Wie reizend blickte
nicht die vollendete Braut ihrem glücklichen Sieger in das männliche
Gesicht! Gleich einer jungen Rose, die sich unter dem schwarzen Gefieder
einer einzigen balsamischen Nacht entfaltet. Der überhangende Phöbus
trifft sie in ihrem vollem Schmucke an, und vergebens bemühen sich
seine brennenden Strahlen, sie noch mehr zu entwickeln.
Itzt stund der kleine Amor vor seiner freundlichen
Mutter, und erzählt´ ihr in scherzhafter Prahlerey, seine Kriegslist
und seinen Triumph, daß seine Stimme durch den Olymp schallte, und
selbst die bescheidenen Musen ihm Beyfall zuwinkten. Ihr Lächeln löste
sich in einem sanften geistischen Sonnenscheine auf, wovon ein goldener
Blick in die Welt drang, und unter so vielen tausend poetischen Seelen
die Meinige allein begeisterte. Ich hab´ alles gethan, was meine
Muse befahl; ich habe das Elend des verliebten Magisters, und seine fröhliche
Hochzeit besungen, und hab´ ein Werk verrichtet, das durch eine schöne
Druckerpresse verfielfältigt, der Vergänglichkeit trotzen kann.
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